Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.4.10

Bushido: Plagiatsurteile des LG Hamburg im Volltext

Der Rapper und Filesharing-Abmahner Bushido hat selbst in ganz erheblicher Weise das Urheberrecht verletzt und sich für eigene Songs bei Aufnahmen einer französischen Band bedient.

Bushido und sein Verlag wurden deshalb vom Landgericht Hamburg zur Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz dem Grunde nach verurteilt und Bushido persönlich auch zu sog. Billigkeitsentschädigung.

Die beiden Entscheidungen vom 23.03.2010 (Az. 308 O 175/08) und (Az. 310 O 155/08) sind u.a. bei Telemedicus jetzt im Volltext online.

Die Urteile sind auch deshalb interessant, weil sie sich näher mit der Frage von Urheberrechtsverletzungen durch Samples bzw. Loops beschäftigen.

Zu dieser Frage hat sich der BGH im letzten Jahr ebenfalls geäußert, in der vielbeachteten „Metall auf Metall“  Entscheidung, der eine Auseinandersetzung zwischen der Kultband Kraftwerk und dem Musikproduzenten Moses Pelham zugrunde lag.

posted by Stadler at 12:42  

20.4.10

Bistum Regensburg erwirkt einstweilige Verfügung gegen Blogger

Über diesen Fall hatte ich bereits vor einigen Wochen berichtet. Nun hat das Bistum Regensburg beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen das Blog „regensburg-digital.de“ erwirkt, mit der eine kritische Berichterstattung über Missbrauchsfälle unersagt werden soll. Konkret soll das Blog nicht mehr darauf hinwiesen dürfen, dass die Kirche Geld an eine Opferfamilie bezahlt hat, um den Missbrauchsfall von der Öffentlichkeit fernzuhalten.

Ich wünsche der katholischen Kirche den Streisand-Effekt und hoffe, dass zumindest das OLG Hamburg nunmehr dazu gelernt hat, nachdem die meinungsfeindlichen Hamburger Urteile in letzter Zeit reihenweise vom BGH aufgehoben worden sind. Die Frage wird allenfalls sein, ob sich die Blogger einen Widerspruch gegen die Verfügung und eine Berufung leisten können.

posted by Stadler at 19:35  

20.4.10

Kurioser Abmahnfall

Vor zwei Wochen habe ich über eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung berichtet, mit der eine nach der Rechtsprechung des BGH zulässige AGB-Klausel (salvatorische Klausel) beanstandet worden ist.

Ich habe die Abmahnung für meine Mandantin zurückgewiesen und aufgefordert, rechtsverbindlich zu erklären, dass die Unterlassungsaufforderung nicht aufrecht erhalten bleibt.

Und was kommt? Genau, die Erklärung der gegnerischen Anwälte, dass die Unterlassungsaufforderung nicht aufrecht erhalten wird. Natürlich verbunden mit dem Hinweis, dass man meine Kosten nicht erstatten will.

posted by Stadler at 14:55  

20.4.10

OLG Frankfurt: Keine Störerhaftung des Anbieters von Domain-Parking

Plattformbetreiber, die wie z.B. sedo die Dienstleistung des Domain-Parking anbieten, haften jedenfalls bis zum Zeitpunkt einer konkreten Kenntnis vom Rechtsverstoß nicht für Markenrechtsverletzungen die dadurch entstehen, dass die Domain aus einem verwechslungsfähigen Zeichen besteht und gleichzeitig Werbeeinblendungen für ähnliche Waren oder Dienstleistungen erfolgen. So hat zumindest das OLG Frankfurt mit Urteil vom 25.02.2010 (Az.: 6 U 70/09) entschieden. Anders als das OLG München in einem ähnlichen Fall, hat das OLG Frankfurt die Revision nicht zugelassen. Die Rechtsfrage wird bis zu einer Entscheidung des BGH in jedem Fall umstritten bleiben.

posted by Stadler at 10:20  

20.4.10

Was bringt der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag?

Dieser Frage geht Telemedicus in gewohnter Qualität nach und gibt fundierte Antworten.  Der Autor äußert hierbei auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit des jetzigen Konzepts des Jugendmedienschutzes. Mit dieser Frage hatte ich mich bereits vor einiger Zeit beschäftigt. Ein äußerst lesenswerter Beitrag zu den praktisch schon beschlossenen Änderungen des JMStV.

posted by Stadler at 07:52  

19.4.10

Grundrecht auf offene Netze?

Im Zusammenhang mit der anstehenden Entscheidung des BGH zur Haftung eines Betreibers eines (offenen) W-Lans für Rechtsverletzungen durch Dritte, stellt Oliver Garcia bei Telepolis die nicht ganz unberechtigte Frage nach der verfassungsgrechtlichen Dimension der Thematik.

Und man sollte in der Tat die Frage stellen, ob es in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht sogar ein Recht darauf geben muss, offene Netze unterhalten zu können. Welche Auswirkungen eine restriktive Haltung der Rechtsprechung hätte, habe ich in einem früheren Beitrag schon skizziert.

Würde der Staat einen flächendeckenden Internetzugang zur Verfügung stellen, was unter dem Aspekt der Daseinsvorsorsorge gar keine so abwegige Vorstellung ist, so wäre dieser Zugang ebenfalls offen und frei und deshalb natürlich mit der Gefahr von Urheberrechtsverletzungen verbunden. Wäre ein solches Vorhaben deshalb unzulässig? Würde eine Teilhabe aller Menschen an den Interessen einer kleiner Gruppe von Rechteinhabern scheitern? Einen solchen Ansatz hat unsere Verfassung noch nie verfolgt, es ist der Ansatz von Lobbyisten.

Die zivilrechtliche Diskussion hat sich bisher wenig mit der vorgelagerten und letztlich entscheidenden Fragestellung befasst, ob man wirklich von einer Gefahrenquelle sprechen kann, die die Gefahr von Rechtsverletzungen schafft oder erhöht. Die Gefahrenquelle wäre dabei nämlich nicht der Netzzugang, sondern das Internet selbst. Denn es ist die Existenz des Netzes, die die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen durch Nutzung von P2P-Netzwerken erhöht.

Wäre also der Ansatz richtig, dass die Haftung an die Schaffung einer Gefahrenquelle anknüpft, dann müssten konsequenter Weise für Urheberrechtsverletzungen auch diejenigen haften, die die Netzinfrakstruktur bereit stellen, weil sie die“ Gefahrenquelle“ Internet schaffen. Das wären z.B. Carrier wie die Telekom und die Provider. Dass dies Unsinn ist, leuchtet wohl jedem ein.

Es ist deshalb an der Zeit, sich von der Vorstellung vom Internet als Gefahrenquelle zu verabschieden. Die Existenzberechtigung für offene Netze sollte in einem freiheitlichen Staat eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Dass in freiheitlich-demokratischen Staaten die Gefahr von bestimmten Rechtsverletzungen mitunter höher sein kann, weil es an einer Überwachung wie in einem totalitären Staat fehlt, wissen wir. Es handelt sich hierbei um den Preis der Freiheit, den alle Mitglieder dieser Gesellschaft zu zahlen haben, auch die Inhaber von Urheberrechten.

posted by Stadler at 17:00  

19.4.10

Keine Kündigung wegen geringfügiger privater Internetnutzung am Arbeitsplatz

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hält eine (ordentliche) Kündigung eines Arbeitnehmers wegen privater Internetnutzung auch dann nicht für sozial gerechtfertigt, wenn sich der Mitarbeiter in einer sog. Mitarbeitererklärung schriftlich verpflichtet hatte, den Internetzugang des Arbeitgebers nur für dienstliche Zwecke zu nutzen.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Arbeitgeber eine erhebliche Beeinträchtigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung entsprechend der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 07.05.2005 – 2 AZR 581/04 -) nicht dargestellt hätte, weil es insbesondere an der Darstellung der Verweildauer des Abreitnehmers im Internet fehlt.

Bei einer Internetnutzung in geringfügigem Umfang scheidet danach also auch eine ordentliche Kündigung aus.

Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 26. Februar 2010, Az.: 6 Sa 682/09


posted by Stadler at 12:20  

19.4.10

Porno im Web 2.0

Die Niedersächsische Landesmedienanstalt hat letzte Woche eine neue Studie „Porno im Web 2.0. – Die Bedeutung sexualisierter Web-Inhalte in der Lebenswelt von Jugendlichen“ vorgestellt. Danach sei Internetpornografie aus Sicht von Jugendlichen völlig normal. Sie sei Bestandteil des alltäglichen Medienkonsums bei männlichen Jugendlichen.

Man liest nun ergänzend, dass für diese Studie immerhin 35 Jugendliche und 14 Experten befragt worden sind. Das klingt nach einem ergebnisorientierten Ansatz dem es an einem tragfähigen Fundament fehlt. Die Studie stellt u.a. fest, dass fast die Hälfte aller Jugendlichen schon einmal mit Pornografie im Internet in Berührung gekommen ist. Hätte man vor 20 Jahren Jugendliche gefragt, ob sie schon einmal einschlägige Heftchen oder Filme gesehen haben, wären die Ergebnisse vermutlich ähnlich ausgefallen.

Derartige Studien haben offenbar primär den Zweck, eine Begründung für ein Festhalten an einem verfehlten Konzept eines Jugendmedienschutzes zu liefern. Oder vielleicht gar für Access-Sperren?

posted by Stadler at 08:15  

18.4.10

Humanistische Union erwirkt einstweilige Verfügung gegen Bischof Müller

Die Humanistische Union hat am 13. April 2010 beim Landgericht Berlin (AZ 27 O 254/10) nach einer eigenen Pressemitteilung eine einstweilige Verfügung gegen den Regensburger Bischof Müller erwirkt, die dem Kirchenmann untersagt zu behaupten, die Humanistische Union betrachte Pädophilie als etwas Normales und wolle sie entkriminalisieren.

Müller hatte am 11. März 2010 erklärt: „Unsere Justizministerin gehört zur Humanistischen Union, sozusagen zur Freimaurerei. … Für diesen Verein stellt die Pädophilie eine normale Realität dar. Sie wollen die Pädophilie entkriminalisieren …

Der Umstand, dass speziell im Bistum Regensburg einerseits nicht ausreichend gegen pädophile Priester vorgegangen wird, andererseits aber offenbar aus Gründen der Ablenkung Bürgerrechtsorganisationen diffamiert werden, passt in das Bild das die katholische Kirche derzeit bietet.

Dass die Diözese Regensburg zudem nicht mit Kritik umgehen kann und kritische Blogger abmahnt, um unliebsame Berichterstattung zu verhindern, ist dann auch nicht mehr weiter erstaunlich.

(via Rechtsanwalt Kompa)

posted by Stadler at 17:18  

17.4.10

Zensur im Internet

So lautet der Titel der Dissertation von Ansgar Koreng, die den Untertitel „Der verfassungsrechtliche Schutz der digitalen Massenkommunikation“ trägt und kürzlich erschienen ist. Koreng nimmt sich damit des vielleicht wichtigsten Internetthemas aus juristischer Sicht an. Der Autor leitet seine Arbeit mit einem Zitat ein, das Voltaire zugeschriebenen wird -„I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it“ – und deutet damit sogleich an, worauf es ihm ankommt.

Koreng erläutert in seiner Einleitung, dass das Verfassungsrecht zwar strukturell konservativ ist, aber dennoch die Aufgabe zu erfüllen hat, sich auf tatsächliche Veränderungen und daraus resultierende Gefahren einzustellen, um seine Schutzfunktion behaupten zu können. Der Autor lässt von Anfang wenig Zweifel daran, dass er gewillt ist, Art. 5 GG vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung, die zu massiven medialen Veränderungen geführt hat und noch führen wird, progressiv zu interpretieren. Denn der Grundrechtsschutz erwiese sich als in zunehmendem Maße unzureichend, würde man die Verfassung konservativ interpretieren.

Diese Erkenntnis macht es erforderlich, altüberkommene Dogmatik zu überdenken und in Frage zu stellen. Und mit dieser mutigen Ambition geht Koreng ans Werk.

Im ersten Teil seiner Arbeit legt der Autor dar, dass die Unterscheidung zwischen Presse- oder Rundfunkfreiheit und Meinungsfreiheit mit Blick auf die Kommunikationsvorgänge im Internet vielfach nicht mehr sinnvoll zu treffen ist, weshalb er für eine Auslegung des Art. 5 Abs. 1 GG als einheitliches Mediengrundrecht plädiert.

Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bildet die Darstellung der Gefährdung der Äußerungsgrundrechte durch „privatisierte“ staatliche Eingriffe sowie privat veranlasste Eingriffe in die Meinungsfreiheit, bei denen der Staat, vor allen Dingen durch seine Gerichte, eine Beschränkung von Meinungsäußerungen bewirkt.

Koreng postuliert sodann für sein einheitliches Mediengrundrecht auch eine einheitliche Schrankenregelung und vor allen Dingen auch ein neues Verständnis des Begriffs der Zensur, die er als „Schranken-Schranke“ bezeichnet. Dem geht die Erkenntnis voraus, dass die derzeit hierzu vorherrschenden Ansichten den neuen Gegebenheiten der elektronischen Massenkommuniktation nicht ausreichend Rechnung tragen.

In Widerspruch zur bislang herrschenden Meinung, vertritt Koreng die Auffassung, dass sich Access-Provider als notwendige Vermittler der Kommunikation auch unmittelbar auf das Grundrecht des Art. 5 GG berufen können. Das wurde bislang u,a. deshalb in Abrede gestellt, weil man ansonsten Logistikunternehmen wie die Bahn, die z.B. Zeitungen transportieren, auch in den Schutzbereich aufnehmen müsste. Dabei wird allerdings übersehen, dass ein Pressevertrieb auch ohne die Bahn denkbar ist, aber das Internet nicht ohne die Provider, worauf Koreng zutreffend hinweist.  Die Provider sind „sine qua non“ für die Funktionsfähigkeit des Netzes.

Diese Schlussfolgerung könnte weitreichende Konsequenzen haben, z.B. im Hinblick auf das Zugangserschwerungsgesetz und die Einbindung von Zugangsprovidern in eine technische Struktur, die geeignet ist, eine zensurähnliche Wirkung zu entfalten. Access-Sperren sieht Koreng, soweit ausländische Inhalte betroffen sind, als völkerrechtlich problematisch an. Der Autor bezweifelt aber, zu Recht, auch deren Verhältnismäßigkeit.

Ansgar Koreng beschäftigt sich auch mit dem Grundsatz der Netzneutralität, in dem Sinne eines „Must-Carry“ Ansatzes. Die derzeit primär unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten diskutierte Frage der Netzneutralität, weist nach Auffassung Korengs auch einen äußerungsrechtlichen Aspekt auf. Der Autor, der insoweit von einem „Meinungsmarkt“ spricht, vertritt hierzu die Ansicht, dass es eine Pflicht des Staates gebe, Netzneutralität zu garantieren, weil nur dadurch die vom Grundgesetz geforderte Pluralität sichergestellt werden kann.

Schließlich stellt Koreng auch die altüberkommene Unterscheidung zwischen Vor- und Nachzensur in Frage und fordert eine am Zensurbegriff orientierte Schrankendogmatik. Nichts Geringeres als eine Neudefinition des Zensurbegriffs ist dabei sein Anliegen. Ansgar Koreng hält die bislang enge Auslegung des Zensurbegriffs durch das BVerfG zwar für bedenklich, macht aber deutlich, dass es mit Blick auf die traditionellen Medien noch vertretbar war, nur die Präventivzensur als Zensur zu begreifen, weil es in der vordigitalen Zeit einen klaren Publikationszeitpunkt gegeben hat und damit auch eine klare begriffliche Trennung zwischen Vor- und Nachzensur möglich war. Dies trifft aber auf Veröffentlichungen im Netz nicht zu. Sobald sich diese, eigentlich banale Erkenntnis durchgesetzt hat, wird damit die zwingende Notwendigkeit verbunden sein, über eine Veränderung des Zensurbegriffs durch das Medium Internet nachzudenken. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass der von einer Zensur ausgehende Lähmungseffekt entscheidend für die Schaffung des verfassungsrechtlichen Zensurverbots gewesen ist. Dass es im Netz häufig zu derartigen „chilling effects“ durch zensurähnlich wirkende Maßnahmen kommt, stellt Koreng in seiner Dissertation ausführlich dar.

Die Schlussfolgerung Korengs lautet, dass jedes gefahrenabwehrrechtliche Eingreifen des Staates gegen Äußerungsinhalte untersagt ist. Bei der „Privatzensur“, aufgrund zivilrechtlicher Unterlassungsansprüche, sieht Koreng zwar eine Drittwirkung des Zensurverbots, allerdings nicht in einem absoluten Sinne, wie gegenüber dem Staat. Vielmehr soll das Zensurverbot hier nur ein Abwägungskriterium bei der richterlichen Entscheidung sein.

Die Arbeit von Ansgar Koreng ist nicht nur mutig, sondern auch juristisch überzeugend. Gleichwohl wird er mit Kritik und Ablehnung zu rechnen haben, weil er für eine deutliche Abkehr von althergebrachten Positionen eintritt. Es ist dennoch schwer vorstellbar, dass dieses Werk ignoriert werden kann.  Der Teil der juristischen Fachwelt, der sich mit dem Thema Meinungsfreiheit und Internet beschäftigt, wird künftig kaum daran vorbei kommen, sich mit der Arbeit Korengs auseinanderzusetzen.

posted by Stadler at 17:22  
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