Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.4.10

Grundrecht auf offene Netze?

Im Zusammenhang mit der anstehenden Entscheidung des BGH zur Haftung eines Betreibers eines (offenen) W-Lans für Rechtsverletzungen durch Dritte, stellt Oliver Garcia bei Telepolis die nicht ganz unberechtigte Frage nach der verfassungsgrechtlichen Dimension der Thematik.

Und man sollte in der Tat die Frage stellen, ob es in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht sogar ein Recht darauf geben muss, offene Netze unterhalten zu können. Welche Auswirkungen eine restriktive Haltung der Rechtsprechung hätte, habe ich in einem früheren Beitrag schon skizziert.

Würde der Staat einen flächendeckenden Internetzugang zur Verfügung stellen, was unter dem Aspekt der Daseinsvorsorsorge gar keine so abwegige Vorstellung ist, so wäre dieser Zugang ebenfalls offen und frei und deshalb natürlich mit der Gefahr von Urheberrechtsverletzungen verbunden. Wäre ein solches Vorhaben deshalb unzulässig? Würde eine Teilhabe aller Menschen an den Interessen einer kleiner Gruppe von Rechteinhabern scheitern? Einen solchen Ansatz hat unsere Verfassung noch nie verfolgt, es ist der Ansatz von Lobbyisten.

Die zivilrechtliche Diskussion hat sich bisher wenig mit der vorgelagerten und letztlich entscheidenden Fragestellung befasst, ob man wirklich von einer Gefahrenquelle sprechen kann, die die Gefahr von Rechtsverletzungen schafft oder erhöht. Die Gefahrenquelle wäre dabei nämlich nicht der Netzzugang, sondern das Internet selbst. Denn es ist die Existenz des Netzes, die die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen durch Nutzung von P2P-Netzwerken erhöht.

Wäre also der Ansatz richtig, dass die Haftung an die Schaffung einer Gefahrenquelle anknüpft, dann müssten konsequenter Weise für Urheberrechtsverletzungen auch diejenigen haften, die die Netzinfrakstruktur bereit stellen, weil sie die“ Gefahrenquelle“ Internet schaffen. Das wären z.B. Carrier wie die Telekom und die Provider. Dass dies Unsinn ist, leuchtet wohl jedem ein.

Es ist deshalb an der Zeit, sich von der Vorstellung vom Internet als Gefahrenquelle zu verabschieden. Die Existenzberechtigung für offene Netze sollte in einem freiheitlichen Staat eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Dass in freiheitlich-demokratischen Staaten die Gefahr von bestimmten Rechtsverletzungen mitunter höher sein kann, weil es an einer Überwachung wie in einem totalitären Staat fehlt, wissen wir. Es handelt sich hierbei um den Preis der Freiheit, den alle Mitglieder dieser Gesellschaft zu zahlen haben, auch die Inhaber von Urheberrechten.

posted by Stadler at 17:00  

4 Comments

  1. Ich bin ganz der Meinung. Es wäre meiner Meinung nach auch endlich Zeit, den großen Stellenwert von Wlans zu begreifen, bzw. die technische Neuerung, dass jeder User nun auch broadcasten kann. Netze per Kabel sind physisch an Monopole gebunden, Wlan dagegen ist die erste Funktechnologie, für die man als „Broadcaster“ keine Lizenz (Monopol) mehr benötigt. Generell gesprochen ließe sich mit Wlan genau die gewünschte Netzneutralität herstellen (ala Freifunk etc). Wenn dies vom Gesetzgeber endlich als förderlich für unsere Gesellschaft erkannt werden würde (und in Folge eventuell die technische Spezifikation von Wlan „robuster“ und weitreichenstärker erlaubt werden würde), wären wir im Rahmen freier Meinungsäußerung doch schon ein starkes Stück weiter.

    Comment by Christian — 19.04, 2010 @ 17:42

  2. Das wäre nur zu vernünftig. Sind Lobbyisten vernünftig?

    Comment by vera — 19.04, 2010 @ 18:48

  3. Vergleichen wir doch einfach mit der alten Welt, was immer aufschlussreich ist:

    – Straßen bilden ohne Frage eine öffentliche Infrastruktur, die jedem zugänglich ist. Außerdem ermöglicht sie überhaupt erst Leben gefährdende Gefahren.

    – Der Brief-/Paketversand ist ebenso eine öffentlich zugängliche Infrastruktur, deren Existenz [ebenso wie die von Staßen und Wegen] zur Grundversorgung einer Gesellschaft zählt. Ob Erpresserbriefe, Bomben, Schnappfallen, mit Glas versetzte Lebensmittel oder auch nur die täglichen Betrügereien von angeblichen Warenversendern – das alles wird wohl kaum jemand ernsthaft als Grund für Abschaffung und Verbot nehmen.

    Comment by Dierk — 19.04, 2010 @ 19:23

  4. Die Frage wäre eher, ob es in einer freien Gesellschaft akzeptabel wäre, wenn man die Briefpost verpflichten würde, eine zwingende Identifikation des Absenders zu verlangen, z.B. durch Vorlage des RFID-Ausweises und Abgleich der biometrischen Daten am Briefkasten.

    Eine Identifikation des Autofahrers ist praktisch ja schon weitgehend möglich. Allerdings sind die Gefahren hier auch vergleichsweise relevant.

    Comment by Ein Mensch — 20.04, 2010 @ 11:40

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.