LKA Sachsen verlangt Sperrung der Website "dresden-nazifrei.de"
Das LKA Sachsen hat den, nach eigenen Worten, „technischen Provider“ der Domain „dresden-nazifrei.de“ im Auftrag der Staatsanwaltschaft aufgefordert, die Domain zu sperren. Bei United Domains handelt es sich aber keineswegs um den Host-Provider, sondern um den bei Denic als Tech-C eingetragenen Domain-Dienstleister.
Auf der besagten Website hatte ein Aktionsbündnis bis vor kurzem einen Aufruf zu zivilem Ungehorsam und zur Blockade eines Naziaufmarschs veröffentlicht. Der Aufruf wird u.a. von mehreren Bundestagsabgeordneten und den Musikern Bela B (Ärzte) und Konstantin Wecker unterstützt.
Die Staatsanwaltschaft Dresden sieht in dem Aufruf eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten und hat eine Verfügung erlassen, die dem LKA aufgibt, die Provider der Internetseite auf die Strafbarkeit des Aufrufs hinzuweisen und die Provider unter Hinweis darauf, dass sie sich wegen Beihilfe strafbar machen können, zur Sperrung bzw. Entfernung aufzufordern.
Bereits die Verfügung der Staatsanwaltschaft ist rechtswidrig. Die Sperrung von Websites oder Domains dient nicht der Ermittlung bereits begangener Straftaten, sondern der Verhinderung von (weiteren) Straftaten und stellt damit eine Maßnahme der Gefahrenabwehr dar und fällt damit gar nicht in den Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaften. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat mit dieser Verfügung also ihre Kompetenzen überschritten.
Im Bereich der Gefahrenabwehr, für die die Polizei- und Sicherheitsbehörden zuständig sind, existiert eine abgestufte Störerverantwortlichkeit. Das heißt, dass der Handlungsstörer (Betreiber der Website) vorrangig in Anspruch zu nehmen ist, sofern er greifbar ist und seine Inanspruchnahme keine besonderen Schwierigkeiten verursacht. Nachdem aber sowohl die Initiatoren als auch der Domaininhaber bekannt sind, ist eine Inanspruchnahme eines Tech-C gänzlich unverhältnismäßig. Noch vor dem Nichtstörer Tech-C wäre übrigens auch der Hoster als Zustandstörer in Anspruch zu nehmen.
Nichts anderes lässt sich auch aus der Vorschrift des § 10 TMG entnehmen, deren Sinn und Zweck man gerne auf den Kopf stellt, indem man versucht, aus ihr Handlungspflichten von Providern abzuleitet. Vorliegend scheitert eine Anwendung von § 10 TMG bereits daran, dass der Tech-C keine fremden Informationen für einen Nutzer speichert, mithin kein Host-Proivder ist. Die Vorschrift begründet aber auch keine Haftung, sondern kann nur dazu führen, dass eine gesetzliche Haftungsprivilegierung wieder entfällt.
Die Vorstellung, ein Tech-C einer Domain könne sich wegen Beihilfe strafbar machen, wenn er die technische Verwaltung einer Domain inne hat, unter der wiederum eine Website aufgerufen werden kann, die strafbare Inhalte enthält, drängt sich ebenfalls nicht unbedingt auf. Die technische Dienstleistung eines Domain-Service-Anbieters stellt für sich genommen noch keine geeignete Beihilfehandlung dar.
Ob der Aufruf selbst strafbar ist, darf man bezweifeln. Der insoweit einschlägige Straftatbestand ist § 21 Versammlungsgesetz, der es verbietet, nichtverbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder zu sprengen oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln. Hierzu müssen aber Gewalttätigkeiten vorgenommen, angedroht oder zumindest eine grobe Störungen verursacht werden. In diesem Kontext ist aber stets auf die Grundrechte der Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit besonders zu achten. Zur Gewalt hat das Bündnis aber nicht aufgerufen, sondern explizit die Gewaltfreiheit betont. Die gewaltfreie Störung oder Bloackade einer Versammlung ist aber nicht per se strafbar, wie man seit der Sitzblockaden-Entscheidung des BVerfG weiß.
Update:
Die fundierte rechtliche Einschätzung von Telemedicus sollte man gelesen haben.
Update vom 25.01.10:
Und auch Prof. Henning Ernst Müller, Inhaber eines Lehrstuhls für Strafrecht an der Uni Regensburg, hält die Maßnahme von LKA und Staatsanwaltschaft, in einer Anmerkung im Beck-Blog, nicht für rechtmäßig.