Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

20.1.10

Links, Google, Datenschutz

ZeitOnline veröffentlicht einen Artikel von Jeff Jarvis mit dem vielversprechenden Titel „Verlinken ist kein Diebstahl„. Jarvis, der vielen als Vordenker gilt, lässt in dem Beitrag eine klare inhaltliche Linie allerdings vermissen und überrascht mit ein paar seltsamen Argumenten.

Dass die Verlinkung kein Diebstahl ist und der Link das Kernstück der freien Rede im Internet darstellt, würde ich sofort unterschreiben. Nachdem diese Ausgangsthese formuliert ist, schwenkt Jarvis zu „Google Street View“ und der damit in Zusammenhang stehenden datenschutzrechtlichen Diskussion. Seine sehr amerikanische Sichtweise gipfelt in der Aussage:

Ich habe Verständnis dafür, dass Menschen, die von „Streetview“ dabei erwischt wurden, wie sie Drogen kaufen oder in ein Bordell gehen, nicht wollen, dass wir das sehen können. Aber wenn wir irgendwem das Recht einräumen, die Verwendung dieser Bilder zu beschränken, dann geben wir auch dem Bürgermeister das Recht, uns mundtot zu machen, wenn wir ein Bild von ihm veröffentlichen wollen, wie er in eine Opiumhöhle schleicht.“ (ZEIT ONLINE vom 19.01.2010)

Mich erinnert das an ein Argument, das ich am Rande der letzten „Freiheit Statt Angst“ Demonstration in Berlin gehört habe. Irgendjemand hielt es für widersprüchlich einerseits mit Digitalkameras und Handys Polizisten zu filmen, die gerade Demonstranten verprügeln, aber andererseits gegen staatliche Überwachungskameras Position zu beziehen.

Wer darin einen Widerspruch sieht, hat ein paar grundlegende Zusammenhänge nicht verstanden. Der Bürger ist Träger von Grundrechten. Als solcher kann er vom Staat sowohl verlangen, dass nicht in diese Rechte eingriffen wird, als auch, dass der Staat sich schützend vor die Grundrechte stellt. Der Staat und seine Repräsentanten, die ein Amt bekleiden, sind in dieser Funktion demgegenüber keine Träger von Grundrechten, sondern das Gegenteil davon. Sie sind nämlich Grundrechtsverpflichtete.

Das Beispiel von Jarvis ist zwar noch etwas anders gelagert, aber es atmet argumentativ denselben Geist. Wenn ein Bürgermeister in eine Opiumhöhle schleicht – der sonst vielleicht auch noch den Hardliner in der Drogenpolitik gibt – ist das natürlich nicht dasselbe, wie wenn ein x-beliebiger Bürger in ein Bordell schleicht. In dem einen Fall besteht ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit, in dem anderen Fall nicht.

Und was das alles mit Verlinkung zu tun hat, habe ich auch bis zum Ende des Artikels von Jeff Jarvis nicht verstanden. Jarvis vermengt das Urheberrecht mit dem Persönlichkeitsrecht bzw. dem, was die Amerikaner „Privacy“ nennen. Beides hat wenig miteinander zu tun, der unmittelbare Zusammenhang erschließt sich mir nicht.

Zu den Mythen und Fehlvorstellungen über den Hyperlink im Kontext des Urheberrechts hat Tim Berners-Lee bereits im Jahre 1997 einen kurzen aber sehr treffenden Text verfasst, der auch heute noch Gültigkeit besitzt. Ich verlinke ihn deshalb immer wieder gerne und weise auch auf die deutsche Übersetzung hin.

posted by Stadler at 08:30  

5 Comments

  1. Ein paar Anmerkungen, denn in dieser Stringenz finde ich die Äußerung zumindest schwierig:

    "Der Staat und seine Repräsentanten, die ein Amt bekleiden, sind in dieser Funktion demgegenüber keine Träger von Grundrechten, sondern das Gegenteil davon. Sie sind nämlich Grundrechtsverpflichtete."

    Natürlich stimmt das grundsätzlich, aber der Laie wird sich vielleicht nach dem Lesen nur merken "Polizist im Dienst = kein Grundrechtsträger". In der strafrechtlichen Dogmatik ist das ein bekannter Meinungsstreit: Darf sich ein Polizist (im Dienst) auf die allgemeine Notwehr berufen oder sind die spezialgesetzlichen Regelungen (speziell PolG) anbschliessend.

    Die h.M. bejaht den Rückgriff auf die Notwehr des §32 StGB mit dem Argument, dass der Polizist selbst Grundrechtsberechtigter ist und als solchem darf der Rückgriff auf das Notwehr-Recht nicht versagt sein.

    Wenn man diskutiert, warum eine anlasslose Überwachung einer Demo oder eines Platzes durch die Polizei etwas anderes ist, als die Aufnahme eines prügelnden Polizisten (der eine Gefahr, mithin einen Anaß darstellt), würde ich nicht auf grundrechts-dogmatische Überlegungen ausweichen.

    Vielmehr haben wir im ersten Fall keinen Anlaß, um in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung einzugreifen. Im zweiten Fall aber liegt eine Gefahr für das Opfer vor (und ein öffentliches Interesse an Aufklärung), was den Eingriff in das bestehende Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Polizisten rechtfertigt.

    In dem Zusammenhang ist die Entscheidung zu sehen, die ich vor kurzem online gestellt habe: Polizisten die bei einer ermittlungsmaßnahme (Hausdurchsuchung) gefilmt werden, können durchaus als relative Personen der Zeitgeschichte angesehen werden.

    Comment by Jens Ferner — 20.01, 2010 @ 10:08

  2. Nur kurz, ich hatte einmal gelesen, dass in den USA (bzw. kalifornischem Recht) jeder, der sich auf öffentlichen Flächen aufhält, und damit von jederman gesehen werden kann, auch fotografiert werden kann. Aus diesem Grund, so denke ich mich erinnern zu können, hatte Google Gesichter in den USA nicht unkenntlich gemacht.
    Es fliegen bei diesen Diskussionen, die den Atlantik überspannen, eventuell also rechliche Grundlagen und Selbstverständnisse durcheinander, die man beachten muss.

    Comment by Christian — 20.01, 2010 @ 11:22

  3. Für den juristisch unbeleckten Laien ist Internet-Recht zunehmend ein Buch mit sieben Siegeln!

    Für mich persönlich stand nie in Zweifel, dass das Setzen von Links durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist. Nun musste ich aber gerade vor ein paar Tagen unter einem interessanten Internet-Dienst lesen:

    "Abdruck bzw. Verlinkung der Inhalte dieser Website für die gewerbliche Nutzung nur mit ausdrücklicher Genehmigung."

    Unser Blog erzielt Einnahmen durch Werbung, ist also gewerblich. Die zuständige Dame vom Marketing hat zu tun, ich kann also keine Genehmigung einholen…

    Eigentlich halte ich einen Link auf diesen (legalen) Dienst zwar trotzdem für zulässig, aber ich verzichte darauf, weil ich der betreffenden (etwas verknöcherten staatlichen) Organisation durchaus zutraue Abmahnungen zu versenden, mit denen ich mich nicht belasten möchte.

    Comment by Heiner — 20.01, 2010 @ 11:37

  4. @Heiner: Die Verlinkung auf frei zugänglichen Content ist zulässig, verstößt nicht gegen das Urheberrecht und bedarf keiner Zustimmung des Verlinkten (siehe auch die Paperboy-Entscheidung des BGH).

    Comment by Pavement — 20.01, 2010 @ 12:44

  5. Danke für den Tipp! Jetzt muss ich noch überlegen, ob ich überhaupt Lust habe solche Leute zu empfehlen ;-)

    Comment by Heiner — 20.01, 2010 @ 13:32

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