Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.10.15

Bild.de und die AdBlocker

Wer mit aktiviertem AdBlocker surft, soll sich neuerdings nicht mehr seine Meinung BILDen dürfen. Beim Aufruf von bild.de erhält man mit aktiviertem AdBlock Plus folgende Anzeige

BILD

Diese AdBlocker-Sperre ist allerdings offenbar durch simple Filtereinstellungen zu umgehen. Springer hat jetzt einen Nutzer abgemahnt, der in einem Youtube-Video erläutert, wie sich die Sperre mit Hilfe von Filterbefehlen in Adblock Plus umgehen lässt. Das berichtet u.a. Golem.

Die juristische Argumentation mit der Springer die Abmahnung begründet, ist mehr oder minder originell. Die Anleitung zur Umgehung der Werbeblockersperre soll eine Umgehung einer wirksamen technischen Maßnahme zum Schutz urheberrechtlicher Werke im Sinne von § 95 a UrhG darstellen.

Die Werbeblockersperre bei bild.de mag eine technische Maßnahme sein, sie dient aber nicht dem Schutz eines Werkes im Sinne des UrhG. Das oder die Werke um die es geht, stellt BILD ja gerade frei zugänglich ins Netz. Die Sperre dient nicht dem Schutz der Inhalte auf bild.de, sondern dem Schutz der Werbung, die BILD auf seinem Portal schaltet.

Die Erläuterung, wie man die AdBlockersperre durch bloße Filtereinstellungen von AdBlockerPlus umgehen kann, erfüllt darüber hinaus auch nicht die Voraussetzungen von § 95 Abs. 3 UrhG, so dass es sich nicht um eine verbotene Handlung im Sinne des Gesetzes handelt. AdBlocker sind keine Programme, die hauptsächlich dafür entwickelt wurden, um technische Maßnahmen im Sinne des § 95a UrhG zu umgehen, sondern die dem Zweck dienen, aus Sicht des Nutzers unerwünschte Werbung zu blockieren bzw. auszublenden. Das Ziel von Adblockern ist es nicht, den Zugang zu urhebrrechtlichen Werken zu ermöglichen, die durch technische Maßnahmen gegen unberechtigten Zugriff geschützt sind.

Bild.de hat mit seiner unberechtigten Abmahnung sein wesentliche Ziel aber bereits erreicht, denn das fragliche Erklärvideo ist bei YouTube nicht mehr online.

posted by Stadler at 12:18  

25.9.15

Leistungsschutzrecht: DPMA schlägt Einigung vor

Im Streit um eine Vergütung für das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse hat die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt drei Einigungsvorschläge unterbreitet, deren genauer Inhalt nicht bekannt ist.

Aus der Pressemitteilung des Amts wird lediglich deutlich, dass der von der VG Media festlegte „Tarif Pressverleger“ in seiner gegenwärtigen Form vom Amt nicht als angemessen betrachtet wird.

Andererseits geht das DPMA davon aus, dass der Tarif der VG Media unter einschränkender Auslegung anwendbar ist. Nach Ansicht des Amtes sei es unumgänglich, für den gesetzlichen Ausnahmetatbestand der „einzelnen Wörter“ und „kleinsten Textausschnitte“ eine konkrete Wortzahlgrenze anzugeben. Die Schiedsstelle schlägt hierzu eine feste Obergrenze von sieben Wörtern unter Ausschluss der Suchbegriffe vor.

Es könnte also durchaus sein, dass Google Inhalte von Mitgliedern der VG Media künftig nur noch mit sieben Wörtern zuzüglich der verwendeten Suchbegriffe anzeigt.

Der Vorschlag der Schiedsstelle entspricht nach meiner Einschätzung nicht der tatsächlichen Rechtslage. Es ist bislang allerdings gänzlich unklar, wie der unbestimmte Rechtsbegriff der kleinsten Textauschnitte auszulegen ist.

Nach einer sehr weitgehenden Auffassung in der Kommentarliteratur können rechtlich zulässige Snippets zwischen 5 bis 10 % des Originalwerks umfassen (Gräfe, in: Möhring/Nicolini, Urheberrecht, Kommentar, § 87 f, Rn. 20). Danach wäre die Grenzlinie diejenige Menge an Text, die es für den Nutzer unattraktiv macht, die Originalseite anzusteuern, da er die Befriedigung seines Informationsbedürfnisses bereits aus dem Snippet gezogen hat. In der juristischen Literatur wird teilweise auch angenommen, dass das Leistungsschutzrecht nur dann eingreift, wenn längere Textpassagen übernommen werden (Kahl, MMR 2013, 348). Vertreten wird beispielsweise auch die Auffassung, dass kleinste Textausschnitte einen Umfang von bis zu 250 Zeichen haben dürfen (Kühne, CR 2013, 169). Ob sich diese eher großzügige Betrachtung durchsetzen oder die Rechtsprechung engere Grenzen ziehen wird, ist bislang offen.

Nachdem der eindeutige Wille des Gesetzgebers aber dahin ging, die normale Suchmaschinenfunktionalität nicht zu beeinträchtigen, dürften als kleinste Textausschnitte jedenfalls das anzusehen sein, was Google und andere Suchmaschinen üblicherweise im Rahmen eines einzelnen Suchtreffers anzeigen. Das sind eine Überschrift, eine URL und ein Textausschnitt von ca. 20 Wörtern.

In seiner Vorschaubilder-Rechtsprechung hat der BGH immer wieder betont, dass bei Nutzungshandlungen von Suchmaschinen, die nach den Umständen üblich sind, eine schlichte Einwilligung des Rechteinhabers anzunehmen ist. Ob der BGH diese Kriterien auch auf das Leistungsschutzrecht anwenden wird, ist zwar nicht entschieden. Es ist andererseits aber auch nicht ersichtlich, weshalb die Rechtsprechung hier andere Maßstäbe anlegen sollte. Der im Gesetzgebungsverfahren gefundene Kompromiss sollte nämlich gerade sicherstellen, dass die übliche und verbreitete Suchmaschinenfunktionalität im Interesse der Allgemeinheit und der Auffindbarkeit von Informationen nicht beeinträchtigt wird. Die Übernahme von Snippets in einer Länge, wie sie in Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo üblich sind, dürfte daher kaum gegen das Leistungsschutzrecht verstoßen (so z.B. auch Kreutzer, MMR 2014, 512, 514).

Ebenefalls zum Thema:
Presseverleger haben zu hoch gepokert (ZEIT-Online)
Leistungsschutzrecht: Snippet-Tarif der VG Media „nicht angemessen (Heise)

posted by Stadler at 16:30  

24.9.15

Leistungsschutzrecht: Verlage blitzen beim Kartellamt ab

Das Bundeskartellamt hat in einem aktuellen Beschluss sehr ausführlich begründet, warum es keine Veranlassung hat, gegen Google wegen des Verhaltens der Suchmaschine im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse ein Kartellverfahren einzuleiten.

Die Verlage wollten Google dazu zwingen, einen Lizenzvertrag mit der von ihnen beauftragten Verwertungsgesellschaft VG Media abzuschließen, während Google damit begonnen hatte, die Inhalte der beteiligten Verlage nur noch eingeschränkt anzuzeigen. Daraufhin hat die VG Media Google vorerst eine Gratislizenz erteilt, während die Verwertungsgesellschaft und die Verlage bei kleineren Anbietern weiterhin versuchen, Kasse zu machen.

Die Kartellbeschwerde der Verlage hat das Bundeskartellamt vor allem auch deshalb abgelehnt, weil ein Kontrahierungszwang nicht besteht. Google ist also rechtlich nicht dazu verpflichtet, einen Lizenzvertrag mit den Verlagen bzw. der VG Media abzuschließen. Außerdem bestehe ein legitimes Interesse Googles daran, ein legales Geschäftsmodell forzuführen. Schließlich betont das Amt auch noch die Bedeutung von Suchmaschinen für die Allgemeinheit. Hierzu heißt es in dem Beschluss des Kartellamts:

Unabhängig von der Frage, inwieweit urheberrechtliche Wertungen im Rahmen der kartellrechtlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind, statuieren die genannten Regelungen nach Auffassung der Beschlussabteilung keinen Kontrahierungszwang im Sinne eines Nutzungszwangs eines entgeltlichen Leistungsschutzrechts. Vielmehr spricht bereits der Wortlaut des § 87 f Abs. 1 S. 1 UrhG – „hat das ausschließliche Recht“ – dafür, dass es sich um ein klassisches Verwertungsrecht handelt. Dies entspricht der Formulierung in § 15 UrhG, der den Kernkatalog solcher Rechte enthält. Verwertungsrechte geben dem Urheber die alleinige Befugnis, den Schutzgegenstand zu nutzen (positives Benutzungsrecht) und Dritte von der Benutzung auszuschließen (negatives Verbietungsrecht).

Bestätigt wird diese Bewertung durch Systematik und Entstehungsgeschichte. So hat bereits der ursprüngliche Regierungsentwurf das Leistungsschutzrecht ausdrücklich als Verbotsrecht charakterisiert.

Weiter nimmt das Gesetz in § 87f Abs. 1 S. 1 „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ aus seinem Anwendungsbereich aus. Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages führt zu dieser erst von eben diesem Ausschuss eingefügten Passage aus, damit „Suchmaschinen und Aggregatoren ihre Suchergebnisse kurz bezeichnen können, ohne gegen Rechte der Rechteinhaber zu verstoßen, sollen einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst sein“.

Mit einem Zwang zum entgeltlichen Erwerb wäre dies unvereinbar. Ein Erwerbs- und Nutzungszwang von Urheberrechten ist dem UrhG auch grundsätzlich fremd. Auch der von den Beigeladenen in Bezug genommene § 87 Abs. 5 UrhG spricht keinen solchen absoluten Erwerbszwang von Urheberrechten durch Kabelnetzbetreiber aus, sondern sieht die Möglichkeit der Ablehnung des Vertragsabschlusses grundsätzlich vor. Darüber hinaus erhalten die großen Kabelnetzbetreiber in Deutschland erhebliche Einspeiseengelte, welche die Entgelte aus § 87 UrhG bei weitem übersteigen, so dass hier im Ergebnis regelmäßig von einem Interesse des Kabelnetzbetreibers an dem Vertragsabschluss ausgegangen werden kann.

Mit dem Verbotsrecht nach § 87f Abs. 1 UrhG haben die Verlage – konzeptionell in Übereinstimmung mit jedem anderen urheberrechtlichen Verbotsrecht auch – vom Gesetzgeber lediglich ein Instrument erhalten, dass sie versuchen können, am Markt zu monetarisieren. Das Recht gibt ihnen jedoch keine Gewähr, dass dieser Versuch auch erfolgreich ist. Insofern kann es aus kartellrechtlicher Sicht auch kein berechtigtes Interesse der Verlage daran geben, dass Google Ihnen nicht die Möglichkeit des unentgeltlichen Opt-Ins zweiter Stufe anbietet, zumal die Handlungsmöglichkeiten des einzelnen Verlages damit erst einmal nur erweitert werden.

Umgekehrt streitet für Google an dieser Stelle das Interesse, ein legales Geschäftsmodell fortführen zu können. Suchmaschinen haben Webseitenbetreiber bisher generell nicht dafür bezahlt, in den Suchergebnissen fallweise unter Angabe einiger kurzer Informationen auf ihre Seiten zu verlinken.

(…)

An dem Geschäftsmodell Suchmaschine besteht auch ein Interesse der Allgemeinheit.

Angesichts der Milliarden an vorhandenen Webseiten ist eine Möglichkeit zum Auffinden einzelner Seiten von hoher Bedeutung dafür, dass jeder Nutzer sich die vorhandenen Informationen erschließen und das in der Geschichte bisher einmalige Wissenspotential des Internet für sich nutzen kann. Eine bessere Methodik als eine Suchmaschine zur breiten Erschließung dieses Wissenspotentials hat die Entwicklung nach Kenntnis der Beschlussabteilung bisher nicht hervorgebracht. Würde das Konzept der universalen Verlinkbarkeit – zu dem notwendig auch die Möglichkeit zur Beschreibung des Links gehört, auch automatisiert – beeinträchtigt, weil Suchmaschinenanbieter zwingend in Geschäftsverhandlungen mit bestimmten Webseitenbetreibern oder deren Repräsentanten eintreten müssten, so wären auch die Nutzer die Leidtragenden. Ein solcher Nachteil wäre auch nicht etwa deshalb geringer zu bewerten, weil Suchmaschinen zur Last zu legen wäre, dass sie den Aufruf der eigentlichen Webseiten durch den Nutzer substituierten. Für einen solchen Effekte gibt es aus der Sicht der Beschlussabteilung bisher keinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil spricht etwa die Behauptung von Axel Springer SE, dass nach der vorübergehenden Kürzung von Treffern auf einigen Webseiten aus ihrem Angebot wegen des fehlenden Opt-In zweiter Stufe der Besucherverkehr auf diesen Webseiten massiv zurückgegangen sei, gegen einen solchen substitutiven Effekt. Der Nachteil wäre auch nicht deshalb hinzunehmen, weil er, wie die Beigeladenen geltend machen, eine notwendige Folge des gesetzgeberischen Willens wäre.

Der Gesetzgeber hat gerade keinen Kontrahierungszwang bezüglich des Erwerbs von Leistungsschutzrechten nach §§ 87f ff UrhG vorgesehen (siehe näher oben), so dass eine solche Notwendigkeit nicht angenommen werden kann. Aus diesem Grund kann für eine Bewertung des Nachteils als gering schließlich auch nicht angeführt werden, dass aufgrund der Möglichkeit zur kollektiven Wahrnehmung des Leistungsschutzrechtes der Transaktionsaufwand überschaubar sei.

Das Kartellamt führt noch ein weitere Argument für die Angemessenheit des Verhaltens von Google ins Feld. Google müsse die Möglichkeit haben, Schadensersatzansprüche abzuwehren. Denn schließlich hat die VG Media schon mal 6 % des Umsatzes von Google Deutschland gefordert.

Das Leistungsschutzrecht wird weiter für Rechtsunsicherheit sorgen. Das Ziel, den Verlagen Einnahmen in spürbarem Ausmaß zu verschaffen, wird es allerdings weiterhin verfehlen.

posted by Stadler at 21:25  

24.9.15

Urteil des BGH zu elektronischen Leseplätzen im Volltext

Die Entscheidung des BGH zu elektronischen Leseplätzen ist jetzt im Volltext verfügbar (Az.: Urteil vom 16. April 2015 – I ZR 69/11 – Elektronische Leseplätze II).

Zu der Entscheidung hatte ich bereits im Frühjahr gebloggt. Der BGH legt die Schrankenregelung des § 52b UrhG durchaus nutzerfreundlich aus und hält sich in seiner Urteilsbegründung dabei eng an die Vorgaben der Entscheidung des EuGH.

posted by Stadler at 10:36  

23.9.15

OLG Frankfurt zur Frage, wann ein Verbreiten eines Computerprogramms vorliegt

In § 69 c UrhG wird bestimmt, welche Handlungen bei Computerprogrammen dem Rechtsinhaber vorbehalten sind, d.h., welche Handlungen ohne Zustimmung eine Rechtsverletzung darstellen. Zu den danach zustimmungsbedürftigen Handlungen gehört nach § 69c Nr. 3 UrhG auch „jede Form der Verbreitung des Originals eines Computerprogramms oder von Vervielfältigungsstücken“.

Das OLG Frankfurt hat jetzt entschieden, dass auch das bloße Bewerben von Software ohne nachgelagerten Verkaufsvorgang ein Verbreiten nach § 69 c Nr. 3 UrhG darstellt, sofern die Bewerbung zum Erwerb anregt. (Urteil vom 11.08.2015, Az.: 11 U 94/13). Der Senat führt in seiner Entscheidung hierzu folgendes aus:

Der Verbreitungsbegriff des § 69c Nr. 3 UrhG ist mit dem Begriff des Verbreitens in § 17 Abs. 1 UrhG identisch. Zwar dient – was bei der Auslegung zu berücksichtigen ist – § 17 Abs. 1 UrhG der Umsetzung von Art. 4 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, während § 69c Nr. 3 UrhG der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1c) der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen dient. Indes hat der nationale Gesetzgeber mit dem Begriff der Verbreitung in § 69c Nr. 3 UrhG eine Abweichung zu § 17 Abs. 1 UrhG nicht beabsichtigt (BT-Drs. 12/4022, S. 11). Daher wird in der Literatur der Begriff einheitlich verwendet (Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 69c, Rnr. 20; Wandtke/Bullinger/Grützmacher, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 69c, Rnr. 25). Auch aus den Richtlinien ergibt sich nichts Gegenteiliges, so dass grundsätzlich die Rechtsprechung des EuGH und BGH zu Art. 4 der Richtlinie 2001/19/EG sowie zu § 17 UrhG herangezogen werden kann

Das Verbreitungsrecht i. S. von § 17 Abs. 1 UrhG ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Nach Art. 4 I Richtlinie 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten. Unter den Begriff der Verbreitung des Originals oder von Vervielfältigungsstücken eines Werkes an die Öffentlichkeit auf andere Weise als durch Verkauf i. S. von Art. 4 I Richtlinie 2001/29/EG fallen auch Handlungen, auf die nicht die Übertragung des Eigentums an diesem Gegenstand folgt, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt ist, zu dessen Erwerb anregt (EuGH, GRUR 2015,665 – Marcel-Breuer-Möbel). Eine derartige Werbung für einen Schutzgegenstand gehört nämlich ebenfalls zur Kette der Handlungen, mit denen der Verkauf des Gegenstandes zu Stande kommen soll. Die Ziele der Richtlinie 2001/29 verlangen in ihren Erwägungsgründen 9 – 11, dass die Harmonisierung des Urheberrechts von einem hohen Schutzniveau ausgehen muss, der Urheber für die Nutzung eine angemessene Vergütung erhalten muss und die Regelungen zum Schutz der Urheberrechte rigoros und wirksam sein müssen. Für die Verletzung des Verbreitungsrechts ist es danach unerheblich, dass auf eine Werbung nicht der Übergang des Eigentums an dem geschützten Werk oder seinen Vervielfältigungsstücken folgt (EuGH aaO, Rnr. 28, 32).

Im Bereich von Computerprogrammen ist hingegen die Besonderheit zu beachten, dass die schutzbegründenden Elemente der Programmiertätigkeit regelmäßig bei der Bewerbung nicht zutage treten, sondern sich die Bewerbung nur auf die Darstellung der Funktion und/oder auf die äußere Erscheinungsform beschränken kann, die durch § 69c UrhG nicht originär geschützt sind. Indes sind die Erwägungen, die der Rechtsprechung des EuGH zugrunde liegen, auch auf die Verbreitung von Computerprogrammen durch Werbemaßnahmen übertragbar. Zugrunde liegt dem nämlich der Gedanke, dass die Bewerbung sich als Beginn der wirtschaftlichen Auswertung des Werkes bzw. Computerprogramms darstellt. Aus Erwägungsgrund 2 der Softwarerichtlinie ergibt sich, dass die Richtlinie dem Schutz der erheblichen Investitionen menschlicher, technischer und finanzieller Mittel dient, die zur Entwicklung von Computerprogrammen notwendig sind, mithin ein Investitionsschutzelement aufweist, dass diese Argumentation noch verstärkt. Hinzu kommt, dass der EuGH den weiten Schutz der Urheber im Hinblick auf Werbemaßnahmen ausdrücklich auf Art. 6 I des WCT stützt. Da die Richtlinie 2001/29/EG dazu dient, Verpflichtungen nachzukommen, die der Union nach dem WCT obliegen und da nach ständiger Rechtsprechung des EuGH Bestimmungen des Unionsrecht nach Möglichkeit im Lichte des Völkerrechts auszulegen sind, insbesondere wenn mit ihnen ein von der Union beschlossener völkerrechtlicher Vertrag durchgeführt werden sollte, ist die Richtlinie im Einklang mit Art. 6 I des WCT auszulegen. In diesem Lichte ist eine weite Auslegung geboten (EuGH aaO).

Dieselben Erwägungen sind indes auch im Hinblick auf Computerprogramme anzustellen. Diese sind nach Art. 4 WCT als Werke der Literatur geschützt. Auch der Begriff der „Verbreitung“ nach Art. 4 Abs. 1c der Software-Richtlinie ist daher in dem Sinne auszulegen, dass bereits die Bewerbung ohne einen anschließenden Verkaufsvorgang das Verbreitungsrecht verletzt.

posted by Stadler at 09:50  

18.9.15

Bewegung beim Urhebervertragsrecht?

Vor drei Jahren habe ich einem Blogbeitrag gefordert, wieder verstärkt über das Urhebervertragsrecht zu reden, denn die rechtliche Stellung der tatsächlichen Urheber ist häufig sehr schwach, was nicht zuletzt an der übermächtigen Position von Verlagen liegt.

Das Bundesjustizministerium hat nunmehr einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung“ angekündigt. Der Entwurf liegt mir noch nicht vor, es existiert aber ein „Waschzettel“ der einige Eckpunkte der geplanten Regelung ankündigt. Es heißt dort u.a.:

Ziel dieses Vorhabens ist es, den bestehenden gesetzlichen Anspruch auf angemessene Vergütung auch tatsächlich besser durchzusetzen. Dabei sollen insbesondere „Total Buy-outs“ zurückgedrängt und durch die Einführung eines Verbandsklagerechts das „Blacklisting“ bekämpft werden.

Es soll u.a. eine Verbandsklagebefugnis geschaffen werden, die es ermöglicht, gegen Verlage vorzugehen, die sich nicht an Gemeinsame Vergütungsregeln und Tarifverträge halten.

Der Urheber soll ein Nutzungsrecht, das er einem Verwerter eingeräumt hat, nach fünf Jahren zurückrufen können, wenn er ein anderes Angebot eines neuen Verwerters erhält. Der bisherige Vertragspartner kann die Verwertung aber zu den Bedingungen des Konkurrenzangebots fortsetzen (ähnlich einem Vorkaufsrecht). Ob dieses Konzept tatsächlich praxistauglich ist, darf man bezweifeln. Denn es setzt voraus, dass der urheber ein anderes (besseres) Angebot eines anderen Verlags erhält, der sich dann auch auf das Risiko einlassen muss, leer auszugehen, weil der bisherige Verleger den Vertrag zu den geänderten Konditionen fortsetzen kann.

Es soll zudem der Grundsatz der angemessenen Beteiligung der Urheber und ausübenden Künstler an jeder Verwertung betont werden, mit der Folge, dass mehrfache Nutzungen z. B. von einem Presseartikel in mehreren Onlinemedien in der Regel auch mehrfach zu vergüten sind. Auch hier darf man auf die konkrete Ausgestaltung gespannt sein.

Geplant ist außerdem die gesetzliche Normierung eines Anspruchs des Urhebers auf Auskunft und Rechnungslegung gegenüber dem Verwerter, der auch dann gelten soll, wenn der Urheber nicht nach verkauftem Werkstück, sondern pauschal vergütet wird.

Nach dem was bislang durchgesickert ist, sieht es nicht nach dem großen Wurf aus, sondern eher nach Regelungen, die sich zwischen Stückwerk und Kosmetik bewegen.

Update vom 21.09.2015:
Es gibt mittlerweile auch einen Leak des Referentenentwurfs im Netz

posted by Stadler at 10:31  

28.7.15

OLG Köln: WAZ-Gruppe darf militärische Lageberichte der Bundeswehr nicht veröffentlichen

Das OLG Köln hat der WAZ-Gruppe mit Urteil vom 12.06.2015 (Az.: 6 U 5/15) untersagt, militärische Lageberichte der Bundeswehr („Afghanistan Papiere“) im Internet zu veröffentlichen.

Konkret geht es um die Unterrichtung des Parlaments gemäß § 6 Abs. 1 ParlBG über die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die entsprechenden Berichte werden unter der Bezeichnung „Unterrichtung des Parlaments“ an ausgewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Referate im Bundesministerium der Verteidigung und an andere Bundesministerien sowie nachgeordneten Dienststellen versandt. Die Berichte werden als Verschlussache für den Dienstgebrauch eingestuft und entsprechend gekennzeichnet.

Das Unterlassungsurteil des OLG Köln stützt sich auf urheberrechtliche Vorschriften. Das OLG hat die Lageberichte als Sprachwerke bzw. Schriftwerke im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG eingestuft, was durchaus zutreffend sein mag. Den Charakter eines amtlichen Werkes im Sinne von § 5 UrhG, das veröffentlicht werden dürfte, verneint der Senat.

Durchaus interessant sind dann die Ausführungen des OLG zu der Frage, ob aus verfassungsrechtlicher Sicht ein Überwiegen der Meinungs- und Pressefreiheit in Betracht kommt, weil das Urheberrecht von der Bundesrepublik hier nur als Mittel zur Unterbindung unliebsamer Berichterstattung genutzt wird. Das OLG führt hierzu aus:

Das Landgericht hat zutreffend festgestellt und ausführlich begründet, dass weder eine Berichterstattung über Tagesereignisse im Sinne von § 50 UrhG vorliegt noch ein zulässiges Zitat im Sinne von § 51 UrhG gegeben ist, wenn sich das Internetportal eines Zeitungsverlages darauf beschränkt, die militärischen Lageberichte in systematisierter Form einzustellen und zum Abruf bereitzuhalten; neben der Auslegung und Anwendung der urheberrechtlichen Vorschriften bedürfe es keiner gesonderten Grundrechtsabwägung. Die Abwägung habe vielmehr im Rahmen der Auslegung und Anwendung der Schrankenregelungen §§ 50, 51 UrhG zu erfolgen.

Auch mit ihren hiergegen gerichteten Beanstandungen dringt die Beklagte im Ergebnis nicht durch. Sie stützt sich auf die Argumente von Hoeren/Herring aus dem Aufsatz „Urheberrechtsverletzung durch WikiLeaks? Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit vs. Urheberinteressen“ (MMR 2011, 143). Diese vertreten für die ähnlich gelagerte Problematik der Veröffentlichung von Botschaftsdepeschen, in denen sich – wie teilweise in den UdP – v.a. Einschätzungen über die politische Lage im jeweiligen Land, Gesprächsprotokolle, Hintergründe zu Personalentscheidungen und Ereignissen oder Psychogramme einzelner Politiker finden, die von US-Botschaften und Konsulaten an das US-Außenministerium in Washington geschickt werden, die Auffassung, dass ausnahmsweise auch im Urheberrecht die entgegenstehenden Interessen miteinander abgewogen werden, wenn das Urheberrecht als Handhabe gegen die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente eingesetzt werde. Auf dieser Linie argumentiert die Beklagte auch für die ihr auf unbekanntem Wege zugespielten UdP. Sie wendet sich nicht gegen die Feststellungen des Landgerichts, dass deren Veröffentlichung nach dem „klassischen“ Verständnis der Schranken der §§ 50, 51 UrhG nicht gedeckt sei, fordert jedoch eine weite Auslegung der Schrankenbestimmungen und insbesondere eine Ausweitung des § 51 UrhG im Informationsinteresse der Allgemeinheit, das im Streitfall einem nur behaupteten Geheimhaltungsinteresse und sonstigen Verwertungsinteressen der Klägerin vorgehe.

Dem folgt der Senat nicht. Auch wenn man – im Ansatz mit der Beklagten – die Pressefreiheit weit auslegt und auch ein Berufen auf die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berücksichtigt, und selbst wenn diese Grundrechte im Wege verfassungskonformer Auslegung der urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen in einen Ausgleich zu den Verwertungs- und Geheimhaltungsinteressen der Klägerin zu bringen sind, überwiegen die Grundrechte der Beklagten gegenüber denjenigen, auf die sich die Klägerin berufen kann, nicht in dem Sinne, dass auch die Veröffentlichungen der gesamten und ungekürzten UdP von dem Zweck der urheberrechtlichen Schrankenregelung des Zitatrechts gedeckt sind. Die Beklagte räumt ein, dass die Klägerin die in Rede stehenden Dokumente – in Gestalt der UdÖ – selbst größtenteils bereits für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Damit ist dem Informationsinteresse bereits in hohem Maße Rechnung getragen. Die Veröffentlichung einzelner Auszüge aus den Dokumenten – wie sie in Gestalt der UdÖ erfolgt – reicht aus, um die Sichtweise der Klägerin auf die von ihr in den Berichten behandelten Nationen und die Lage im jeweiligen Land wiederzugeben. Dem Leser der Internetseite der Beklagten werden darüber hinaus von dieser keine Informationen über die Hintergründe oder Erklärungen zu den in den UdP behandelten Themen nebst inhaltlicher Auseinandersetzung präsentiert; die Klägerin zieht daher zu Recht in Zweifel, ob die Allgemeinheit angesichts der allgemein zugänglichen UdÖ tatsächlich ein solches Interesse an der Verbreitung der vollständigen Dokumente hat. Bereits das Landgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass die Beklagte den Zweck der Auseinandersetzung mit einer angeblichen Diskrepanz zwischen UdÖ und UdP auch dadurch hätte erreichen können, dass sie einzelne Abschnitte der UdP im Rahmen einer Analyse erörtert und diesen die entsprechenden Abschnitte der UdÖ gegenübergestellt hätte – eine entsprechende Gegenüberstellung und Analyse findet sich etwa auf der Homepage „www.datenjournalist.de/was die Bundeswehr in den Berichten an die Öffentlichkeit alles weglässt“. Eine vergleichbare journalistische Bearbeitung, Analyse oder vertiefte Auseinandersetzung der Beklagten mit den Berichten erfolgt jedoch nicht. Demgegenüber hat die Klägerin in ihrem bereits oben zitierten Ablehnungsbescheid legitime Gründe für die Geheimhaltung bestimmter Informationen angegeben, weil die UdP militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr betreffen. Dies überzeugt ohne weiteres, soweit eine Bedrohungslage oder die Rolle einer handelnden Person eingeschätzt und bewertet oder Strategien der Bundeswehr oder Details ihrer Einsatzstärke dargestellt werden. Im Übrigen muss der Klägerin wie bereits ausgeführt insoweit ein entsprechendes und nicht in jedem Einzelfall zu begründendes Ermessen eingeräumt werden. Soweit die Beklagte darauf hinweist, es seien keine nennenswerten Vermögensinteressen der Klägerin betroffen, verkennt sie, dass dem Urheber grundsätzlich insbesondere auch die Entscheidung über das „Ob“ der Veröffentlichung zusteht.

posted by Stadler at 21:28  

9.7.15

Kann man beim Teilen und Verlinken von Videos das Urheberrecht verletzen?

Internetnutzer verweisen in sozialen Netzwerken oder in Blogs laufend auf Videos die auf Plattformen wie YouTube abgelegt sind. Im Blog oder in der Chronik von Facebook wird dann ein Vorschaubild des Videos angezeigt, das den direkten Start der Filmdatei ermöglicht, die technisch allerdings weiterhin über das Videoportal bezogen wird. Ob man mittels dieser Form des Embedded-Links – es wird häufig auch von Framing gesprochen – Urheberrechte verletzten kann, ist seit Jahren ein Streitthema, das nun zum zweiten Mal den BGH beschäftigt, nachdem zwischenzeitlich auch der EuGH zu dieser Frage Stellung genommen hatte.

Der EuGH hat grundsätzlich entschieden, dass diese Form des Verweises regelmäßig keine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Infosoc-Richtlinie darstellt. Die Ausführungen des EuGH könnten aber dahingend verstanden werden, dass dies nur dann gelten soll, wenn das Video an seiner Quelle, also beispielsweise bei YouTube, rechtmäßig eingestellt worden ist. Eine solche Betrachtung würde für Internetnutzer freilich ein Pulverfass darstellen, da niemand letztlich beurteilen kann, ob ein Video bei YouTube oder einer anderen Plattform rechtmäßig ins Netz gestellt worden. Das oftmals schnell von der Hand gehende Teilen eines Videos auf Facebook würde dann immer die Gefahr einer Urheberrechtsverletzung beinhalten.

Mir erscheint die Betrachtung des EuGH auch nicht sonderlich stringent, denn die Frage, ob überhaupt eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vorliegt, kann nicht davon abhängen, ob man diese Handlung als rechtmäßig betrachtet. Die Frage der Rechtmäßigkeit ist nämlich erst eine Folgefrage der Nutzungshandlung. Liegt bereits keine Nutzungshandlung vor, stellt sich die Frage der Rechtmäßigkeit erst gar nicht.

Der BGH (Az.: I ZR 46/12) hat heute über diese Frage verhandelt und scheint sich nach den Prozessberichten des Kollegen Dr. Knies und der Tagesschau noch nicht ganz schlüssig zu sein. Mir erscheint hier auch eine erneute Vorlage an den EuGH nicht ausgeschlossen.

Update:
Der BGH hat heute doch noch durch Urteil in der Sache entschieden und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der BGH hält es in der Tat für entscheidend, ob das Video mit Zustimmung des Rechteinhabers bei YouTube eingestellt war, wozu das OLG München jetzt Feststellungen treffen soll. Es bleibt abzuwarten, ob sich der EuGH in der Zwischenzeit in einem anderen anhängigen Verfahren noch ergänzend zu dieser Frage äußern wird.

posted by Stadler at 16:57  

9.7.15

In München bleibt die Verteidigung in Filesharing-Verfahren schwierig

Das Amtsgericht München hat mit Pressemitteilung vom 03.07.2015 über ein Urteil vom 09.10.2014 (Az.: 142 C 3977/15) berichtet. In Fällen des Filesharings verlangt das Amtsgericht München den Anschlussinhabern weiterhin umfassende Nachforschungspflichten ab, die das Gericht, in der Pressemitteilung wie folgt beschreibt:

Die Beklagte muss weiterhin vortragen, welche anderen Personen selbständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen. Sie muss dafür umfangreiche Nachforschungen zu den potentiellen Anschlussnutzern und ihrem Nutzungsverhalten anstellen, die möglichen Täter befragen und diese dem Gericht namentlich mitteilen.

Ob diese Anforderungen tatsächlich den Vorgaben der Rechtsprechung des BGH entsprechen, darf man bezweifeln. Denn das Amtsgericht München konstruiert hier faktisch – freilich in Übereinstimmung mit dem übergeordneten Landgericht – eine Beweislastumkehr und überspannt die Anforderungen an die sog. sekundäre Darlegungslast deutlich. Zumal der BGH in seiner Rechtsprechung betont, dass eine Pflicht, das Nutzungsverhalten naher Angehöriger zu überwachen, nicht besteht.

Demgegenüber hierzu führt das AG München aus

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte auf Nachfragen des Gerichts vorgetragen, dass der Anschluss mit einem individuellen Passwort verschlüsselt sei. Die Art der Verschlüsselung sei ihr aber nicht bekannt, da dies von ihrem Ehemann gemacht worden sei. Sie hätte damals einen Tower gehabt, die drei ihr Mann und die Söhne jeweils einen Laptop. Ihr Ehemann habe mit Sicherheit nichts mit Tauschbörsen gemacht. Ob die Söhne an Tauschbörsen teilnähmen, wisse sie nicht; auf Nachfrage hätten sie es abgestritten. Zugegeben habe die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung keiner. In technischer Hinsicht hätten alle vier Haushaltsmitglieder Tauschbörsen-Software installieren können. Als Täter habe sie den großen Sohn in Verdacht, es könne ab er auch der Kleinere gewesen sein. Ob am Tattag alle zu Hause gewesen waren, wisse sie nicht mehr, sie gehe aber davon aus, da es sich dabei um einen Sonntag gehandelt habe und alle am nächsten Tag in die Schule oder zur Arbeit hätten gehen müssen. Auf ihrem Rechner sei keine Filesharing-Software installiert gewesen; die Rechner von Ehemann und Kinder habe sie nicht überprüft. Die Beklagte räumte ein, dass sie es im Grunde nicht wisse, ob ihre Söhne Filme im Rechner angeschaut hätten. Ebenso wenig wisse sie, was ihr Mann im Internet macht. Auch hinsichtlich des Nutzungsverhaltens verstrickte sie sich in Widersprüche.

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Beklagte nichts Konkretes zum Internetverhalten der Mitbenutzer vorgetragen hat. Sie sei damit ihrer Nachforschungspflicht nicht genügend nachgekommen.

Den Vortrag den das Amstgericht München fordert, kann man als Anschlussinhaber letztlich nur dann erbringen, wenn man das Internetnutzungsverhalten seines Ehepartners und seiner Kinder überwacht. Denn das Amtsgericht München verlangt im Grunde, dass der Rechtsverletzer konkret benannt wird. Jeder andere Vortrag wird in München als nicht ausreichend angesehen.

In der Bear-Share-Entscheidung führt der BGH demgegenüber aus:

Danach ist bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige zu berücksichtigen, dass zum einen die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und zum anderen Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das – auch grundrechtlich geschützte (Art. 6 Abs. 1 GG) – besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen, darf der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber – etwa aufgrund einer Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung haben muss, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

Gegenüber volljährigen Familienmitgliedern besteht also keine keine Pflicht zur Belehrung oder Überwachung, was, wie der BGH betont auch aus dem grundrechtlich geschützten besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen folgt. Diesen Vorgaben wird die Rechtsprechung des Amtsgerichts München nicht gerecht, denn dort postuliert man faktisch eine solche Überwachungspflicht.

posted by Stadler at 09:20  

24.6.15

Neue Entscheidung zur Verjährung im Urheberrecht und zur fehlenden Urheberbenennung

Ein aktuelles Urteil des BGH klärt einige interessante und praktisch relevante Fragen des Urheberrechts (Urteil vom 15.01.2015, Az.: I ZR 148/13).

Bei rechtsverletzenden Dauerhandlung wie der Veröffentlichung von Fotos im Internet ist die Dauerhandlung zur Bestimmung des Beginns der Verjährung gedanklich in Einzelhandlungen (also in Tage) aufzuspalten, für die dann jeweils eine gesonderte Verjährungsfrist läuft.

Auch nach dem Ende der regulären dreijährigen Verjährungen kann mit dem sog. Restschadensersatzanspruch aus § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB die Herausgabe des durch die Verletzung eines Urheberrechts erlangten Gebrauchsvorteils im Wege einer fiktiven Lizenzgebühr verlangt werden.

Bei der Berechnung des Schadens im Urheberrecht nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie kann das Gericht die Höhe der fiktiven Lizenzgebühr, die zum Ausgleich eines durch die fehlende Urheberbenennung verursachten Schadens geschuldet ist, in Form eines Zuschlags auf die (fiktive) Lizenzgebühr bemessen. Dieser Aufschlag wegen fehlender Urheberbenennung kann 100 % der fiktiven Lizenzgebühr betragen.

posted by Stadler at 16:07  
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