Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.9.13

Telekommunikationsüberwachung in Deutschland nimmt deutlich zu

Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko und die Fraktion der Linkspartei haben der Bundesregierung im Rahmen einer kleinen Anfrage eine Reihe von Fragen zur Telekommunikationsüberwachung durch Polizei und Geheimdienste gestellt.

Die Bundesregierung hat diese Anfrag am 04.09.2013 beantwortet bzw. nicht beantwortet. In der Vorbemerkung der Antwort der Bundesregierung heißt es zunächst:

Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 2, 5, 9, 10, 13, 17, 18,  19,  22, 25, 26, 33, 34 sowie 36 in offener Form ganz oder teilweise nicht erfolgen kann. Die erbetenen Auskünfte sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthalten, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik der Sicherheitsbehörden und insbesondere seinen Aufklärungsaktivitäten und Analysemethoden stehen.

Das ist natürlich eine bequeme Haltung der Bundesregierung, die aus ihrer Sicht zudem den Vorteil bietet, dass niemand nachprüfen kann, ob man nicht einfach unangenehme Wahrheiten verschweigt.

Die Bundesregierung möchte u.a. nicht mitteilen, anhand welcher Suchbegriffe der BND Internet- und Telekommunikation im Rahmen des G10-Gesetzes durchsucht.

Aus Gründen des Staatswohls hat die Bundesregierung auch die Frage, ob Bundesbehörden Metadaten an großen Intemetknoten wie DE-CIX ausfiltern, nicht beantwortet. Die Nichtbeantwortung impliziert m.E. aber, dass dies geschieht.

Geantwortet hat die Bundesregierung auf die Frage, welche Bundesbehörden derzeit die sog. stille SMS zur Ortung von Handys einsetzen. Es sind dies das Bundesamt für Verfassungsschutz, das BKA, der BND, der MAD und die Bundespolizei. Die Auskunft der Bundesregierung zeigt, dass Verfassungsschutz, BKA und Bundespolizei das Instrument im ersten Halbjahr 2013 genauso oft eingesetzt haben wie im Gesamtjahr 2012. Der Einsatz der stillen SMS hat sich also allein bei den Bundesbehörden verdoppelt. Dieses Instrument wurde im ersten Halbjahr 2013 in ca. 125.000 Fällen eingesetzt. Hinzu kommt, dass die Zollbehörden ebenfalls stille SMS in mehr 138.000 Fällen allein im ersten Halbjahr 2013 verschickt haben.

Und das sind wohlgemerkt nur die Zahlen der Bundesbehörden. Da Polizeiarbeit weitgehend Ländersache ist und die Bundesländer zudem eigene Verfassungsschutzbehörden unterhalten, muss davon ausgegangen werden, dass dieses Überwachungsinstrument auf Landesebene noch häufiger eingesetzt wird.

Auch die Frage, welche Software zur Überwachung, Ausleitung, Analyse und Verarbeitung ausgeforschter digitaler Kommunikation bei den In- und Auslandsgeheimdiensten zum Einsatz kommt, wollte die Bundesregierung nicht beantworten.

Ein besonderes Schmankerl findet man am Ende des Textes, weshalb ich sowohl die Frage als auch die Antwort hier unkommentiert wiedergeben möchte:

47. Inwiefern entspricht die Aussage des Bundesinnenministers, dass es ein „Supergrundrecht“ auf Sicherheit gebe, auch der Haltung der Bundesregierung (WEL  T, 16. Juli 2013)?

Zu 47.  Dem Bundesverfassungsgericht zufolge ist die vom Staat zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung vor Gefahren für Leib, Leben und Freiheit ein Verfassungswert, der mit den Grundrechten in einem Spannungsverhältnis steht. Die daraus abgeleitete Schutzpflicht findet ihren Grund sowohl in Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 als auch in Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 GG (BVerfGE 120, 274, 319). Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat. Sie sichern die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt. Allgemeininteressen, denen Grundrechtseingriffe dienen, sind in der konkreten Abwägung stets mit den betroffenen Individualinteressen abzuwägen.

posted by Stadler at 16:03  

2.9.13

Merkel, NSA und der Datenschutz – Eine Nachbetrachtung zum TV-Duell

Derjenige Teil des gestrigen Fernsehduells zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück der sich mit der Spionagetätigkeit amerikanischer Geheimdienste wie NSA beschäftigt, ist eine kleine juristische Nachbetrachtung wert, auch wenn inhaltlich wenig Neues gesagt wurde.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mehrfach versucht zu betonen, dass ausländische Geheimdienste wie die NSA auf deutschem Boden keine flächendeckende Überwachungstätigkeiten entfalten. Auf Nachfrage hin wollte sie aber nicht ausschließen, dass die Kommunikation deutscher Staatsbürger außerhalb des deutschen Staatsgebiets überwacht wird, sofern diese über internationale Kommunikationswege läuft, was, wie wir wissen, sehr häufig der Fall ist. Das Internet ist eben gerade keine nationale Angelegenheit.

Interessanter war aber der rhetorische Schwenk den Angela Merkel dann vollzogen hat (ab Minute 2: 52). Sie behauptet nämlich, dass es „außerhalb des deutschen Staatsgebietes“ Länder geben würde, die ein völlig anderes Datenschutzrecht hätten und nennt anschließend ausdrücklich Großbritannien, USA und Irland.

Das ist datenschutzrechtlich in Bezug auf Großbritannien und Irland natürlich falsch. Denn beide Länder sind Mitglied der EU, d.h. dort wurden ebenfalls die Datenschutzrichtlinie und andere datenschutzrechtlichen Regelungen umgesetzt. Die Mitgliedsstaaten der EU haben ein in weiten Teilen harmonisiertes Datenschutzrecht. Dass es in einigen Staaten wie Irland Defizite bei der Umsetzung gegeben hat, mag sein. Das rechtfertigt es aber nicht, so zu tun, als würde es innerhalb der EU ein vollkommen unterschiedliches und uneinheitliches Datenschutzniveau geben.

Das Problem ist ein ganz anderes. Das europäische Datenschutzrecht regelt den öffentlichen Bereich nicht. Der Entwurf einer Datenschutzgrundverordnung – der von Angela Merkel im Fernsehduell auch explizit angesprochen wurde – klammert die Datenerhebung und Datenverarbeitung durch Behörden und öffentliche Stellen gezielt aus.

In Art. 2 Nr. 2 des Verorndungsentwurfs heißt es hierzu u.a.:

Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, die vorgenommen wird

a) im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, etwa im Bereich der nationalen Sicherheit,
(…)
e) zur Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder zur Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen durch die zuständigen Behörden.

Das bedeutet, europäisches Datenschutzrecht soll auch künftig nicht für den Bereich der nationalen/inneren Sicherheit der Mitgliedsstaaten und den Bereich der Strafverfolgung gelten. Das heißt natürlich auch, dass die Tätigkeit von Geheimdiensten und Polizeibehörden nicht den datenschutzrechtlichen Vorschriften des EU-Rechts unterliegt. Wenn also beispielsweise der britische Dienst GCHQ oder der BND Daten erhebt, dann wird dafür auch in Zukunft nicht das europäische Datenschutzrecht der Maßstab sein. Die USA unterliegen als Nicht-EU-Mitglied erst recht nicht den Bindungen des europäischen Datenschutzrechts. Man könnte allenfalls europäische Stellen (Unternehmen und öffentliche Stellen) dazu zwingen, keine Daten mehr an einen sog. unsicheren Drittstaat, für den man die USA dann halten müsste, zu übermitteln. Das würde allerdings den Internetverkehr zum Erliegen bringen und stellt vermutlich nicht mal ein halbwegs ernsthaftes Drohszenario dar, auf das man Verhandlungen aufbauen könnte. Das gilt umso mehr, als auch europäische Geheimdienste ganz ähnliche Überwachungsmaßnahmen praktizieren wie die US-Dienste.

Der Schwenk Angela Merkels auf die Datenschutzgrundverordnung hat also vom eigentlichen Thema abgelenkt und war eine typische Nebelkerze.

Was mich bei dem TV-Duell aber noch viel stärker erstaunt hat, als die erwartbaren Ausflüchte zur Geheimdienstaffäre, war beispielsweise die Aussage Merkels, Renten würden in Deutschland nicht besteuert werden. Und vier hochbezahlte Journalisten lassen ihr diese Falschbehauptung ohne jede Nachfrage durchgehen. Auch in der heutigen Berichterstattung habe ich dazu nichts gelesen. Von Fakten muss man sich in diesem Wahlkampf als Kanzlerin bzw. Kandidat offenbar nicht beirren lassen.

posted by Stadler at 16:45  

28.8.13

Pofalla hat nicht gelogen, sondern nur Fakten verschwiegen

Kanzleramtsminister Pofalla hat die Spähaffäre unlängst für beendet erklärt, nachdem ihm amerikanische und britische Geheimdienste versichert haben, sich an die Vorgaben des (deutschen) Rechts zu halten.

Nun mehren sich allerdings die Anzeichen dafür, dass sich US-Dienste weder an die Vorgaben des amerikanischen Rechts noch an die des Völkerrechts halten und auch eigene Bürger und die Vereinten Nationen überwachen. Die Mechanismen funktionieren sogar so gut, dass NSA-Mitarbeiter ihre Überwachungsmöglichkeiten auch zu privaten Zwecken einsetzen können. Dass sich die NSA vor diesem Hintergrund ausgerechnet an die Vorgaben des deutschen Rechts halten würde, erscheint, nun ja, unwahrscheinlich.

Heute wird gemeldet, dass der britische Geheimdienst GCHQ nach Informationen von NDR und SZ ganz massiv europäische, insbesondere auch deutsche Datenströme abgreift. Hierzu nimmt der britische Dienst laut NDR Zugriff auf zwei Transatlantik-Kabel, auf eine Verbindungen nach Ostasien und das innereuropäische Kabel PEC.

Vermutlich wusste Herr Pofalla das alles längst, seine exakt gewählten und vorformulierten Worte, sollte man sich deshalb nochmals vor Augen führen:

Die Nachrichtendienste der USA, also die NSA, und Großbritanniens haben uns zugesagt, dass es keine flächendeckende Datenauswertung deutscher Bürger gibt.

Das lässt natürlich zwangslos die Auslegung zu, dass es zwar eine flächendeckende Erhebung von aus Deutschland stammenden Daten gibt, aber insoweit keine flächendeckende Auswertung. Was auch immer man genau unter flächendeckend zu verstehen hat.

Auch die weitere Formulierung

Recht und Gesetz werden in Deutschland nach Angaben der NSA und des britischen Nachrichtendienstes eingehalten

gewinnt mit den neuen Erkenntnissen an Konturen. Der GCHQ greift die Daten also nicht in Deutschland ab, sondern erst nachdem sie Deutschland verlassen haben.

Pofalla hat also nicht gelogen, sondern nur Fakten verschwiegen, die ihm als deutscher Geheimdienstkoordinator bekannt sein müssen. Die Bundesregierung informiert die Öffentlichkeit ganz gezielt nicht über das wirkliche Ausmaß der weltweiten Spähaktivitäten der eigenen Geheimdienste und der von befreundeten Staaten.

posted by Stadler at 16:51  

22.8.13

Die Verurteilung Bradley Mannings pervertiert die Werte einer freien und offenen Gesellschaft

Die Hoffnung im Falle Manning könnte es vielleicht doch noch zu einem Urteil kommen, das halbwegs von rechtsstaatlichem Augenmaß geprägt ist, hat sich nicht erfüllt. Wie hinlänglich bekannt ist, wurde Bradley Manning gestern zu einer Freiheitsstrafe von 35 Jahren verurteilt, weil er als US-Soldat Dokumente an Wikileaks weitergegeben hatte, die wohlgemerkt u.a. auch zur Aufdeckung amerikanischer Kriegsverbrechen geführt haben. Wer das noch nicht verstanden hat, sollte sich dieses von Wikileaks veröffentlichte Video ansehen. Ein junger Soldat, der von zahlreichen Missständen und auch der leichtfertigten Tötung unbewaffneter Zivilisten Kenntnis erlangt und mit diesem Wissen nicht umgehen kann, entschließt sich entsprechende Dokumente, zu denen er Zugang hat, zuerst mehreren Zeitungen anzubieten, und also diese kein Interesse zeigen, schließlich die Dokumente Wikileaks auszuhändigen.

Dieser Geheimnisverrat hat Manning jetzt eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 35 Jahren eingebacht. In der öffentlichen Diskussion habe ich immer wieder auch das Argument gehört, dass Geheimnisverrat auch in anderen Ländern strafbar sei und das Verhalten Mannings natürlich bestraft gehört. Wäre Manning ein deutscher Soldat gewesen, hätte man als Strafnorm nur § 353 b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht) anwenden können, nachdem das Wehrstrafgesetz keine einschlägigen Vorschriften enthält. Es handelt sich hierbei nur um ein Vergehen, die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe. Manning hätte in Deutschland also vielleicht noch nicht einmal eine unbedingte Freiheitsstrafe erhalten.

Nach deutschem Recht müssen allerdings durch die Offenbarung des Geheimnisses zusätzlich wichtige öffentliche Interessen gefährdet werden. Insoweit sind die Voraussetzungen nach US-Recht wohl ähnlich. Aber werden tatsächlich wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wenn über Missstände bis hin zu Kriegsverbrechen aufgeklärt wird? Es gibt in Deutschland hierzu zumindest die Literaturmeinung, dass allein die Gefahr einer Berichterstattung über Missstände schon deshalb nicht ausreichend sein kann, weil in einer demokratischen Gesellschaft das Offenbarwerden von Missständen, Versäumnissen oder individuellen Verfehlungen innerhalb der Verwaltung nicht ohne weiteres als Gefährdung öffentlicher Interessen betrachtet werden kann (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, § 353b, Rn. 13b).

Vielleicht haben die Veröffentlichungen Mannings aber auch dazu geführt, dass die allzu leichtfertige Tötung von Zivilisten in Kriegs- und Krisengebieten eingedämmt wurde. Es könnte durchaus also auch so sein, dass Bradley Manning gerade im öffentlichen Interesse gehandelt hat und nicht dagegen. Und genau diese Frage sollte man sich bei Whistleblowern immer stellen. Besteht das öffenltiche Interesse darin, dass die Verwaltung bestimmte Sauereien weiterhin verheimlichen kann oder ist nicht gerade die Information der Öffentlichkeit über Misstände in der Verwaltung, im Militär und bei den Geheimdiensten im öffentlichen Interesse?

Was mich an dem verhängten Strafmaß besonders erschüttert, ist die unmenschliche Art und Weise, in der ein Staat an einem armen Schwein wie Bradley Manning ein völlig überzogenes Exempel statuiert, während er diejenigen, deren Taten Manning offenkundig gemacht hat, verschont. Der eine hat aber nur Daten weitergegeben, während die anderen Menschen getötet haben. Dieser Zusammenhang offenbart keineswegs nur eine leichte Schieflage, sondern stellt die Dinge gänzlich auf den Kopf.

Die Obama-Administration, deren Druck auf die Militärrichterin enorm war, hat an dem Gefreiten Manning ein Exempel statuiert, um zu verhindern, dass noch mehr Mannings und Snowdens weitere Missstände ans Licht der Öffentlichkeit zerren. Die Verurteilung Mannings ist deshalb auch Ausdruck einer zutiefst heuchlerischen Haltung und einer Pervertierung der Werte einer freien und offenen Gesellschaft. Eine zivile Gesellschaft sollte stolz sein auf Menschen wie Bradley Manning.

posted by Stadler at 12:37  

20.8.13

Sie bekämpfen Information und Transparenz

Der Herausgeber des Guardian hat der BBC gegenüber erklärt, dass Downing Street, also Premierminister David Cameron, unmittelbar in die Maßnahme des GCHQ gegenüber der Zeitung involviert gewesen sei, Festplatten mit den Snowden-Files zu vernichten. Die Hintergründe erläutert Alan Rusbridger im Guardian ausführlicher. Man kann der Ansicht sein, dass sich der britische Geheimdienst damit der Lächerlichkeit Preis gibt, aber es ändert nichts daran, dass wir es mit einem unmittelbaren und massiven staatlichen Eingriff in die Pressefreiheit zu tun haben, der eine Spielart der Zensur darstellt.

Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat ganz offenbar ein erhebliches Interesse an dieser Informationsunterdrückung. Die britischen Dienste und ihre Regierung haben etwas zu verbergen, vor ihren eigenen Bürgern und vor der Weltöffentlichkeit. Denn ganz unabhängig davon, ob sich das was britische Geheimdienste tun, noch im Rahmen überzogener Antiterrorgesetze bewegt oder nicht, geht es darum, den Menschen das Ausmaß der Überwachung zu verheimlichen. Denn man hat Angst vor der öffentlichen Reaktion und davor, dass die öffentliche Diskussion ein Überwachungssystem erkennt und in Frage stellt.

Wer Lebensgefährten von Journalisten auf Grundlage von Antiterrorgesetzen stundenlang verhört und ihnen alle elektronischen Geräte abnimmt, dem kann man als Bürger nicht vertrauen. Den Aussagen einer Staatsmacht die so handelt, kann und sollte man keinen Glauben schenken. Wer Antiterrorgesetze derart exzessiv überdehnt und gegen Menschen zur Anwendung bringt, gegen die noch nicht einmal ein Hauch eines Terrorverdachts besteht, von dem muss man annehmen, dass er auch seine Telekommunikationsüberwachung in ähnlich maßloser Art und Weise organisiert hat. Die Übertretung von ohnehin zu weitreichenden Gesetzen ist selten offenkundiger gewesen, als in den Fällen, die uns in den letzten Tagen aus England berichtet wurden. Das Unbehagen verdichtet sich zur Gewissheit. Westliche Regierungen greifen zu den Mitteln von Diktatoren um kritische Berichterstattung zu unterbinden.

Es sind u.a. diese britischen Behörden, von denen sich Kanzleramtsminister Pofalla versichern hat lassen, dass sie sich an (deutsche) Gesetze halten. Wenn der GCHQ aber schon britisches Recht bricht, dann wird er sich wohl kaum um die Beschränkungen des deutschen Rechts scheren. Anders lautenden Versicherungen kann man keinen Glauben schenken.

Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten? Es sei denn, man ist Journalist, Lebensgefährte eines Journalisten oder vielleicht ein beliebiger Blogger, der im Netz seine Meinung zu laut und zu deutlich artikuliert hat. Wir müssen letztlich über den Zustand unserer Demokratie reden, auch wenn das noch nicht überall angekommen ist. Denn die Feinde von Freiheit und Demokratie sind zahlreich.

Zur Causa Guardian habe ich heute noch folgende absolut lesenswerte Kommentare gefunden:

Wie viel Pofalla verträgt die Freiheit? (Timo Stein, Cicero-Online)
Angriff auf die Aufklärer (Stefan Plöchinger, SZ)
Die Zeitung der Zukunft – ein Ort der Freiheit (Dirk von Gehlen, Digitale Notizen)

posted by Stadler at 22:07  

19.8.13

Empört Euch!

Die USA setzen Drohnen seit fast 10 Jahren ein, um gezielt Menschen, vorgeblich Terroristen, zu töten. Durch derartige Drohnenangriffe sind nach unterschiedlichen Untersuchungen und Berichten bislang ca. 3.000 Menschen ums Leben gekommen. Die Daten durch die die Zielpersonen dieser Drohnenangriffe ermittelt und lokalisiert werden, stammen regelmäßig von Geheimdiensten, z.T. auch aus der Telekommunikationsüberwachung. Auch der BND liefert offenbar entsprechende Daten an US-Dienste.

In der Berichterstattung liest man dann häufiger, dass auch Unbeteiligte oder Unschuldige betroffen seien. Dieser Ansatz überspringt allerdings den wesentlichen rechtsstaatlichen Aspekt. Jeder Straftäter hat einen Anspruch auf ein faires gerichtliches Verfahren und er hat hierbei solange als unschuldig zu gelten, bis er von einem Gericht verurteilt worden ist. Drohnenangriffe zu dem Zweck Menschen gezielt zu töten, stellen also nichts anderes dar, als eine Umgehung des rechtsstaatlich gebotenen Strafverfahrens und die Abschaffung der Unschuldsvermutung.

Diejenigen, die Opfer eines Drohnenangriffs werden, gleichgültig ob Terroristen, Zivilisten oder nicht selten sogar Kinder, haben nie einen (fairen) Prozess bekommen. Sie wurden von Geheimdiensten in einem intransparenten und rechtsstaatswidrigen Verfahren als Terroristen ermittelt. Nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten haben die USA also 3.000 Unschuldige getötet. Es ist nämlich von vornherein nicht statthaft zwischen (mutmaßlichen) Terroristen und Unbeteiligten zu differenzieren. Wenn man die Unschuldsvermutung ernst nimmt, haben ausnahmslos alle Getöteten als unschuldig zu gelten.

Das den US-Drohnenangriffen zugrundeliegende Prinzip, wonach Ankläger, Richter und Vollstrecker ein und dieselbe Institution sind, kennt man aus der Geschichte des Mittelalters als Inquisition. Exakt nach diesem archaischen Prinzip funktionieren die US-Drohnenagriffe beispielsweise in Pakistan, einem Land, mit dem sich die USA keineswegs im Kriegszustand befinden. Der Inquisitor heißt heute Barack Obama. Er genehmigt diese Drohnenangriffe persönlich.

Zur mittelalterlichen Inquisition gehörte ein weiteres wesentliches Instrument, nämlich die Unterdrückung von Wissen. Und daraus ergibt sich eine weitere Parallele zur Logik moderner Geheimdiensttätigkeit. Die Ansammlung von geheimem Herrschaftswissen dient auch noch heute, vermutlich mehr denn je, der Machtausübung und der Machterhaltung. Und vermutlich ist tatsächlich Macht der zentrale Grund und die zentrale Antriebsfeder für die weltweite Datensammelwut der Geheimdienste.

Unsere Demokratien haben in den letzten zehn bis zwölf Jahren einen gewaltigen Rückschritt erlebt, was nicht zuletzt willfährigen Politikern zu verdanken ist, die dieses mittelalterliche Gedankengut, nur notdürftig kaschiert, erneut zu Markte tragen. Mir kommt an dieser Stelle immer wieder die Sentenz aus Juli Zehs Roman Corpus Delicti in den Sinn: „Das Mittelalter ist keine Epoche, sondern der Name der menschlichen Natur“. Zeh gehört auch zu den wenigen Intellektuellen, die erkannt haben, welche politische Entwicklung gerade im Gange ist. Es ist nicht länger übertrieben, von einem Überwachungsstaat zu sprechen und davon, dass unsere Demokratie akut gefährdet ist. Zu dieser Entwicklung postdemokratischer Strukturen schweigen fast alle Intellektuellen national und international, obwohl man eigentlich erwarten müsste, dass sie auf die Barrikaden gehen. Es ist der Aufklärung bereits einmal gelungen, mittelalterliches Gedankengut zurückzudrängen und einzuhegen. Wir erleben jetzt erneut die Ausbreitung einer auf Desinformation basierenden Politik, die ich in einem früheren Blogbeitrag als lichtscheu und hinterlistig bezeichnet habe. Deshalb erscheint mir eine weitere Aufklärung nötig, um den aktuellen Entwicklungen entgegenzutreten und den Menschen erneut den Ausgang aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit aufzuzeigen. Bislang haben die meisten Bürger diesen Zustand aber noch nicht erkannt, weil die unsichtbare Tätigkeit der Geheimdienste schwer greifbar ist und das Gefühl unmittelbarer Betroffenheit fehlt. Wenn Google Vorgärten und Häuserfassaden fotografiert, fühlt man sich direkt betroffen, während sich die meisten Bürger die massive Überwachung der Telekommunikation schwer vorstellen können.

Es muss deshalb unter Einbeziehung von Beispielen wie denen der Drohnenangriffe deutlich gemacht werden, was auf dem Spiel steht, wenn freiheitsfeindliche Kräfte Mechanismen installieren und nutzen, die unsere Demokratie in Frage stellen. Dieser Entwicklung müssen wir uns entgegenstellen, aber dafür sind deutlich mehr Mahner erforderlich und mehr Leute, die sich aufregen und laut werden. Um es mit Stéphane Hessel zu sagen: Empört Euch!

posted by Stadler at 08:33  

13.8.13

Ich hätte da noch ein paar Fragen, Herr Pofalla

Recht und Gesetz ist das Begriffspaar, das in der Erklärung von Kanzleramtsminister Pofalla geradezu inflationär gebraucht wird. Fast beschwörend wiederholt der Minister mehrfach, dass sich sowohl BND, NSA als auch der britische Geheimdienst stets an die Vorgaben von (deutschem) Recht und Gesetz halten. Was die Dienste allerdings innerhalb der rechtlich zulässigen Grenzen genau machen, erfahren wir Bürger weiterhin nicht. Es hat uns offenbar nicht zu interessieren. Mit Aufklärung hat das was Pofalla liefert nichts zu tun. Seine Erklärung verfügt über keinerlei substantiellen Informationsgehalt. Wer also gerne beschwörend artikulierenden Politikern glaubt, ist beim Kanzleramtsminister an der richtigen Adresse. Alle Anderen werden weiter berechtigte Zweifel hegen.

Denn wir wissen, dass sich auch Parlament und Regierung, speziell im Bereich der Sicherheitsgesetze, allzuoft nicht an die Verfassung halten, ansonsten müsste das BVerfG solche Gesetze nicht derart oft wieder einkassieren. Die wesentlich besser gerichtlich und öffentlich kontrollierten Polizei- und Sicherheitsbehörden übertreten das geltende Recht durchaus ebenfalls regelmäßig. Welchen Grund gibt es also zu glauben, dass sich die parlamentarisch und gerichtlich so gut wie gar nicht kontrollierten Dienste strikt im Rahmen der geltenden Gesetze bewegen? Bereits das was öffentlich bekannt ist, lässt sich selbst mithilfe einer äußerst kreativen Gesetzesauslegung schwerlich rechtfertigen.

Wenn ohnehin alles in bester Ordnung ist, dann könnte man dem Bürger doch jetzt auch etwas genauer erläutern, welche Art von Daten der BND in welchem Umfang erhebt.

Ich hätte da zumindest noch ein paar Fragen Herr Pofalla:

Warum wird die massive Erfassung von Metadaten durch den BND nicht in der jährlichen Unterrichtung des Bundestages erwähnt?

Wie viele solcher Metadaten, also TK-Verbindungsdaten, hat der BND im vergangenen Jahr erhoben, gespeichert und ausgewertet?

Auf welcher rechtlichen Grundlage erhebt der BND diese Metadaten genau? Welche Vorschrift wird als Rechtsgrundlage angesehen?

Durch welche konkreten – angeblich mehrstufigen – Maßnahmen wird sichergestellt, dass Kommunikation mit Inlandsbezug bzw. Kommunikation deutscher Staatsbürger nicht erfasst wird?

In wie vielen Fällen hat das Kanzleramt einer Datenweitergabe an ausländische Geheimdienste zugestimmt? Was waren die genauen Gründe dieser Gestattungen?

posted by Stadler at 08:03  

8.8.13

Auf welcher rechtlichen Grundlage erhebt der BND Metadaten?

Dass der Bundesnachrichtendienst (BND) massenhaft und automatisiert Metadaten erhebt, ist eine gänzlich neue Erkenntnis. Diese Praxis wird aber erst gar nicht dementiert, sondern mit immer neuen merkwürdigen Begründungen gerechtfertigt. Heute kann man zum Beispiel bei SPON lesen, dass diese Daten aus der Auslandsaufklärung des BND in Afghanistan und Nordafrika stammen sollen. Gleichzeitig ist aber von der Fernmeldeaufklärung am BND-Standort in Bad Aibling die Rede. Verstehe das nur ich nicht? Dass der BND TK-Verbindungsdaten wie Telefonnummern, IP-Adressen und E-Mailadressen und die dazugehörigen Kommunikationszeitpunkte in Afghanistan und Nordafrika erhebt, ist unwahrscheinlich. Die Datenerhebung findet also in Deutschland statt, u.a. von Bad Aibling aus.

Die Frage auf welcher konkreten rechtlichen Grundlage der BND überhaupt massenhaft Metadaten erheben kann, wird in der Berichterstattung erst gar nicht gestellt. Stattdessen liest und hört man gerade von Journalisten immer wieder die apodiktische Aussage, der BND würde dies legal bzw. auf Basis des geltenden Rechts machen. Aber ist das tatsächlich so? Nachdem die Tatsache, dass der BND massenhaft TK-Verbindungsdaten erhebt, bislang nicht öffentlich bekannt war, wurde m.W. auch die Frage, ob und inwiefern dies auf Basis des G10-Gesetzes überhaupt möglich ist, juristisch bisher nicht erörtert.

Was der BND macht, ist im Grunde nichts anderes als eine exkzessive Form der Vorratsdatenspeicherung.

Meines Erachtens kommen im G10-Gesetz als Rechtsgrundlage lediglich § 2 und § 5 in Betracht. § 2 G10-Gesetz dürfte ungeachtet des Umstandes, dass die Vorschrift im Lichte der Entscheidung des BVerfG zur Bestandsdatenauskunft verfassungsrechtlich bedenklich ist, als Rechtsgrundlage für das was der BND praktiziert, aus tatsächlichen Gründen ausscheiden. Denn § 2 Abs. 1 G10-Gesetz regelt Auskunftspflichten von TK-Anbietern. Nur dann, wenn der BND solche Verbindungsdaten also bei Providern beauskunftet, kommt § 2 überhaupt in Betracht. Es stellt sich aber auch dann die Frage, ob § 2 die Abfrage von Verbindungsdaten ermöglicht, oder auf Bestandsdaten beschränkt ist. Für die massenhafte Erfassung von Metadaten stellt § 2 also keine geeignete Rechtsgrundlage dar.

§ 5 G10-Gesetz regelt die sog. strategische Fernmeldekontrolle. Danach ist es zulässig, internationale Telekommunikationsbeziehungen anhand von Suchbegriffen zu durchsuchen. Diese Regelung zielt eigentlich auf Kommunikationsinhalte ab und passt nicht wirklich für die gezielte Erfassung von Verbindungsdaten. Selbst wenn man sich über diese Bedenken hinwegsetzen würde, wirft die Regelungen im Hinblick auf Verbindungsdaten aber noch weitere, kaum zu lösende Probleme auf.

Die Vorschrift besagt nämlich, dass keine Suchbegriffe verwendet werden dürfen, die Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse führen. Genau das trifft aber auf Telefonnummern, E-Mail-Adressen und IP-Adressen zu. Das gilt allerdings nicht für Telekommunikationsanschlüsse im Ausland, sofern ausgeschlossen werden kann, dass Anschlüsse, deren Inhaber oder regelmäßige Nutzer deutsche Staatsangehörige sind, gezielt erfasst werden.

Diesen gesetzlichen Ausschluss der Erfassung inländischer Anschlüsse will der BND offenbar dadurch bewerkstelligen, dass E-Mail-Adressen mit der Endung .de und deutsche Telefonnumern ausgefiltert werden. Nachdem Millionen deutscher Staatsbürger aber E-Mail-Adressen benutzen, die zu einer .com-Domain gehören, lässt sich durch diese Maßnahme nicht ausschließen, dass deutsche Staatsangehörige erfasst werden. Die massenhafte Erhebung von Metadaten kann also auch nicht durch § 5 G10-Gesetz gerechtfertigt werden. Auch aus dem TKG und dem BND-Gesetz ergeben sich keine geeigneten Rechtsgrundlagen.

Das geltende Recht bietet also auch Geheimdiensten keine rechtliche Grundlage für eine (unkontrollierte) Erfassung und Speicherung von TK-Verbindungsdaten. Ich gehe davon aus, dass sich diese Einschätzung auch in der nunmehr vermutlich einsetzenden rechtswissenschaftlichen Diskussion verfestigen wird.

Daraus folgt, dass bereits die Erhebung der Daten durch den BND rechtswidrig ist. Die nachfolgende Übermittlung an die NSA wirft weitere rechtliche Fragen auf. Nachdem aber bereits die Datenerhebung durch den BND rechtswidrig ist, ist auch die Übermittlung an die NSA nicht in rechtmäßiger Art und Weise möglich.

Vielleicht sollte die Bundesregierung jetzt einfach mal ihrer Verpflichtung nachkommen, für die Durchsetzung des Rechts zu sorgen und dem BND die Erhebung von TK-Verbindungsdaten untersagen. Offenbar betrachten aber sowohl BND als auch Bundesregierung das G10-Gesetz lediglich als unverbindliche Empfehlung, die man nach Belieben ignorieren kann.

posted by Stadler at 22:43  

7.8.13

Gemeinsame „Fernmeldeaufklärung“ von BND und NSA

Bei tagesschau.de kann man heute zu den jüngsten Enthüllungen, wonach der BND laufend (massenweise) Metadaten an die NSA übermittelt, folgendes lesen: „Steinmeier hat angefangen“.

Heißt das, dass man jetzt gar nicht mehr dementiert, sondern sich darauf zurückzieht, die rechtswidrige Datenübermittlung hätte bereits unter dem früheren Kanzleramtsminister Steinmeier begonnen? Kann sich die Bundesregierung damit wirklich exkulpieren oder macht das die Sache nicht vielmehr noch schlimmer, wenn wir erkennen müssten, dass bereits zwei Bundesregierungen unterschiedlicher Couleur in rechtswidriger Art und Weise Datenübermittlungen an amerikanische Dienste gestattet haben?

Es gibt offenbar eine gemeinsame Fernmeldeaufklärung von NSA und BND am Standort Bad Aibling auf Grundlage eines Abkommens, dessen Inhalt öffentlich nicht bekannt ist. Dieses Abkommen hat aber keinen Vorrang vor dem G10-Gesetz und schon gar nicht vor der Verfassung. Eine unmittelbare Zusammenarbeit des BND mit ausländischen Diensten auf deutschem Boden, die zu Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis führt, sieht das Gesetz nicht vor und sie wäre im Lichte von Art. 10 GG auch kaum begründbar. Das besagte Abkommen muss jetzt veröffentlicht werden und dann wird man sehen, ob Pofalla und Steinmeier, Schröder und Merkel allesamt gegen ihre Amtspflichten verstoßen und deutsches Recht zum Nachteil ihrer Bürger und zum Vorteil der USA gebrochen haben.

Mir ist dabei ehrlich gesagt egal, wer angefangen hat. Es geht jetzt darum dafür zu sorgen, dass es aufhört. Nur leider steht zu befürchten, dass diejenigen politischen Kräfte, die in den letzten zehn Jahren regiert haben, dazu nicht in der Lage sind.

posted by Stadler at 18:24  

4.8.13

Übermittlung von Metadaten an die NSA: Darf der BND das?

Der Spiegel meldet, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) allein im Monat Dezember 2012 500 Millionen Metadaten erfasst habe, die anschließend z.T. auch an die NSA weitergeleitet worden seien. Laut Deutschlandradio hat der BND dies mittlerweile eingeräumt, beteuert aber gleichzeitig , dass es sich um ausländische TK-Verbindungen handeln würde und personenbezogene Daten deutscher Staatsbürger nicht betroffen seien.

Die Aussage halte ich bereits deshalb für fragwürdig, weil man anhand von Metadaten nicht zwingend feststellen kann, ob einer der Betroffenen Kommunikationsteilnehmer Deutscher ist und/oder sich gerader im Inland aufhält. Der BND kann also überhaupt nicht gewährleisten, dass deutsche Staatsbürger und Kommunikationsverbindungen mit Inlandsbezug nicht betroffen sind.

Die massenhafte Erfassung von TK-Verbindungsdaten wirft aber einmal mehr die Frage der politischen und parlamentarischen Kontrolle der Dienste auf. Das Bundesministerium des Inneren unterrichtet nach § 10 Abs. 1 G1o-Gesetz das Parlamentarische Kontrollgremium über die Durchführung des G10-Gesetzes. Das Gremium erstattet dem Deutschen Bundestag dann jährlich einen Bericht über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen, u.a. nach § 5 G10-Gesetz (sog. strategische Fernmeldekontrolle). In der letzten Unterrichtung des Bundestages durch das parlamentarische Kontrollgremium vom 14.03.2013 findet man nichts über die massenhafte Erfassung von TK-Verbindungsdaten durch den BND. Augenscheinlich ist das Parlament über diese massenhafte Datenerfassung nicht unterrichtet worden. Nachdem Beschränkungen von Art. 10 GG nach § 9 Abs. 1  G10-Gesetz nur auf Antrag des BND angeordnet werden, stellt sich ferner die Frage, ob es für die Erfassung von Meta-Daten einen Antrag des BND und eine entsprechend Anordnung durch Innenminister Friedrich gibt.

Die Übermittlung von Daten an ausländische Dienste ist in § 7a G10-Gesetz geregelt. Danach dürfen personenbezogene Daten, die im Wege der sog. strategischen Fernmeldekontrolle erhoben wurden, unter bestimmten Voraussetzungen an ausländische Dienste übermittelt werden. Voraussetzung ist es aber, dass die Übermittlung zur Wahrung außen- oder sicherheitspolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland oder erheblicher Sicherheitsinteressen des ausländischen Staates erforderlich ist und überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht entgegenstehen, insbesondere in dem ausländischen Staat ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist sowie davon auszugehen ist, dass die Verwendung der Daten durch den Empfänger in Einklang mit grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien erfolgt.

Bereits dies dürfte bei einer Übermittlung an die NSA, wie die Snowden-Enthüllungen zeigen, kaum mehr begründbar sein. Diese Übermittlung setzt außerdem eine Einzelfallprüfung voraus. Die massenhafte Übermittlung von Verbindungsdaten ist durch diese Vorschrift nicht gedeckt.

Hier kommt kommt dann noch ein weiterer interessanter Aspekt in Spiel. Diese Übermittlung bedarf nach § 7a Abs. 1 S. 2 G10-Gesetz der Zustimmung des Bundeskanzleramtes. Und an dieser Stelle haben wir dann den unmittelbaren Bezug zu Kanzleramtsminister Pofalla und Bundeskanzlerin Merkel. Sie müssen die Übermittlung an die NSA und andere ausländische Dienste nämlich ausdrücklich genehmigt haben. Die bisherige Strategie der Bundesregierung, man sei überrascht und habe von allen Überwachungsmaßnahmen auch erst aus der Presse erfahren, wird hier also nicht mehr verfangen.

Materiell-rechtlich besteht das Problem darin, dass der BND grundsätzlich keine Daten zu inländischen TK-Anschlüssen erheben darf. Telekommunikationsanschlüsse im Ausland dürfen zwar erfasst werden, aber nur dann, wenn ausgeschlossen werden kann, dass Anschlüsse, deren Inhaber oder regelmäßige Nutzer deutsche Staatsangehörige sind, gezielt erfasst werden (§ 5 Abs. 2 S. 2 G10-Gesetz). Diese gesetzliche Einschränkung kann der BND jedenfalls bei einer massenhaften und automatisierten Erfassung von Verbindungsdaten (500 Millionen in einem Monat) nicht gewährleisten. Man kann bei Verbindungsdaten wie Telefonnummern, IP-Adressen oder E-Mail-Adressen nicht ausschließen, dass Inhaber oder regelmäßige Nutzer Deutsche sind und/oder die Verbindungsdaten Inlandsbezug haben.

Allein aus den öffentlich bekannten Informationen lässt sich also der Schluss ziehen, dass der BND die Vorgaben des G10-Gesetzes nicht befolgen kann und sich deshalb rechtswidrig verhält.

Viel wichtiger erscheint mir aber der Umstand, dass wir es jetzt mit einer Überwachungsmaßnahme zu tun haben, die direkt in den Verantwortungsbereich der Minister Friedrich und Pofalla fällt. Die Bundesregierung kann sich in diesem Fall also nicht auf Unkenntnis berufen.

posted by Stadler at 21:49  
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