Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

28.8.13

Pofalla hat nicht gelogen, sondern nur Fakten verschwiegen

Kanzleramtsminister Pofalla hat die Spähaffäre unlängst für beendet erklärt, nachdem ihm amerikanische und britische Geheimdienste versichert haben, sich an die Vorgaben des (deutschen) Rechts zu halten.

Nun mehren sich allerdings die Anzeichen dafür, dass sich US-Dienste weder an die Vorgaben des amerikanischen Rechts noch an die des Völkerrechts halten und auch eigene Bürger und die Vereinten Nationen überwachen. Die Mechanismen funktionieren sogar so gut, dass NSA-Mitarbeiter ihre Überwachungsmöglichkeiten auch zu privaten Zwecken einsetzen können. Dass sich die NSA vor diesem Hintergrund ausgerechnet an die Vorgaben des deutschen Rechts halten würde, erscheint, nun ja, unwahrscheinlich.

Heute wird gemeldet, dass der britische Geheimdienst GCHQ nach Informationen von NDR und SZ ganz massiv europäische, insbesondere auch deutsche Datenströme abgreift. Hierzu nimmt der britische Dienst laut NDR Zugriff auf zwei Transatlantik-Kabel, auf eine Verbindungen nach Ostasien und das innereuropäische Kabel PEC.

Vermutlich wusste Herr Pofalla das alles längst, seine exakt gewählten und vorformulierten Worte, sollte man sich deshalb nochmals vor Augen führen:

Die Nachrichtendienste der USA, also die NSA, und Großbritanniens haben uns zugesagt, dass es keine flächendeckende Datenauswertung deutscher Bürger gibt.

Das lässt natürlich zwangslos die Auslegung zu, dass es zwar eine flächendeckende Erhebung von aus Deutschland stammenden Daten gibt, aber insoweit keine flächendeckende Auswertung. Was auch immer man genau unter flächendeckend zu verstehen hat.

Auch die weitere Formulierung

Recht und Gesetz werden in Deutschland nach Angaben der NSA und des britischen Nachrichtendienstes eingehalten

gewinnt mit den neuen Erkenntnissen an Konturen. Der GCHQ greift die Daten also nicht in Deutschland ab, sondern erst nachdem sie Deutschland verlassen haben.

Pofalla hat also nicht gelogen, sondern nur Fakten verschwiegen, die ihm als deutscher Geheimdienstkoordinator bekannt sein müssen. Die Bundesregierung informiert die Öffentlichkeit ganz gezielt nicht über das wirkliche Ausmaß der weltweiten Spähaktivitäten der eigenen Geheimdienste und der von befreundeten Staaten.

posted by Stadler at 16:51  

19 Comments

  1. Es fällt schwer, Ihrer „Aussagelogik“ zu folgen. Die Bundesregierung verbreitet hier

    http://www.bundestag.de/presse/hib/2013_08/2013_436/01.html

    die objektive Unwahrheit. Das ergibt sich u.a. aus diesem Artikel:

    http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/national-security-letter-dokument-belegt-google-ueberwachung-a-919094.html

    Wenn die US-Regierung unter dem Siegel der Verschwiegenheit Google-Konteninhaber flächendeckend ausspäht, fallen darunter auch dt. Bürger. Und die Hinweise ergeben sich nicht nur aus Presseberichten, sondern sind amtlich dokumentiert.

    Folglich hat Kanzleramtsminister Pofalla die Unwahrheit gesagt.

    Comment by Regierungs4tel — 28.08, 2013 @ 17:24

  2. „…..Der Bundesregierung liegen nach eigenen Angaben „keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine flächendeckende Überwachung deutscher oder europäischer Bürger durch die USA erfolgt“. Auch liegen ihr „keine Erkenntnisse zu angeblichen Ausspähungsversuchen US-amerikanischer Dienste gegen deutsche beziehungsweise EU-Institutionen oder diplomatische Vertretungen vor“,…“

    Das bedeutet die Bundesregierung und deren Geheimdienst haben keinen Plan was die anderen tun.
    Also Totalversagen von allen!

    Comment by Troll — 28.08, 2013 @ 17:47

  3. Pofalla sprach von Nichtstattfinden eines flächendeckenen Auswertens.
    a) was ist flächendeckend? Ist die Rasterfahndung nach Menschen, die Moslems sind, in eine Gruppe bestimmter Moscheen gehen und und mal schonmal in ein Land gereist sind, das ein „Terrorcamp“ unterhält, unter dieses „flächendeckend“?
    b) er spricht nur vom Auswerten. Vor dem Auswerten muss ich Daten sammeln und katalogisieren. Was bislang nachgewiesen wurde ist exakt dieser erste Schritt. Das Auswerten die XKeyScore & Co kommt erst danach, wenn Suchraster definiert wurden, die man auf den Heuhaufen anwendet.
    Fakt ist doch: Die NSA darf US-Bürger nur aus Versehen ausspähen, kriegt aber die konkreten Hinweise vom BND. Wie auch der BND die Sauerlandzelle nicht selber ausspähen durfte, die Hinweise daher aus den USA bekam.
    Man kann die Ergebnisse dieser „informellen Übermittlung“ der Daten im Wikipedia-Artikel zu Murat Kurnaz übrigens nachlesen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Murat_Kurnaz

    Comment by VolkerK — 28.08, 2013 @ 18:07

  4. Pofalla hat nicht gelogen? Okay.

    Wenn ein Politiker eine geschickte (Teil-)Aussage macht um in der Öffentlichkeit ein falsches Bild des NSA Skandals zu erzeugen dann ist das weitaus mieser als eine Lüge.

    Das ist bewusste Täuschung und damit einfach Betrug. Das legt ziemlich nahe, dass die Bundesregierung genau informiert war.

    Comment by Joachim — 28.08, 2013 @ 18:52

  5. @ Joachim Nr. 4:

    Nein, nein, Pofalla hat gelogen. Was Stadler hier vorexerziert, befreit nicht vom Vorwurf der Lüge.

    Comment by Regierungs4tel — 28.08, 2013 @ 18:59

  6. @4+5: Ich glaub, Juristen können nicht anders. Die sagen immer „unwahre Tatsachenbehauptung“ oder „Unwahrheit“. Damit behalten sie sich vor, erstmal sicherheitshalber keine Absicht zu unterstellen. ;-)

    Gruß, Frosch

    Comment by Atari-Frosch — 28.08, 2013 @ 20:27

  7. Danke. Genau den Eindruck hatte ich auch bei den Anwälten die einem etwas von der Funktionsweise eines Datawarehouses erzählen wollen.

    Mal aus der technischen Perspektive anhand der Dokumente und professioneller Erfahrung:

    Tempora -> Schnittstelle die Daten über den gesamten Traffic, abzüglich Streaming bietet (der Name des Videos reicht solange es keine Kommunikation ist)

    PRISM -> Schnittstelle die die Daten der großen Anbieter liefert (Google, Facebook, Microsoft, Yahoo, Skype)

    ISP´s -> Schnittstelle für Metadaten (IP, MAC, Zeitpunkte zu welcher Zeit welche benutzt wurde, Geolocation, Teilnehmer der Kommunikation) <- ein Schelm wer hier an VDS denkt.

    Diese gesammelten Daten werden meiner Meinung nach in einem Datawarehouse intelligent miteinander verknüpft.

    Die Auswertung erfolgt über vorbereitete Reports über Eingabe einer IP, einer Emailadresse oder eines Logins etc zu finden. Solche Reports haben wir in der Präsentation zu Xkeyscore gesehen, welches IMHO nur das Frontend für die Analysten ist.

    Das ganze ist nichts anderes als das was Konzerne unter Business Intelligence verstehen.

    Comment by ben — 28.08, 2013 @ 22:57

  8. ps. die Möglichkeiten die sich für Blackmailing von Entscheidungsträgern aus einem solchen System ergeben und die folgen für die Demokratie bei Missbrauch sind gewaltig. Der gemeine Politiker würde bei Blackmailing (Affäre, Korruption etc) eher wie gewünscht entscheiden anstatt seinen Status Quo vermeintlich zu gefährden (Selbsterhaltung). Als Beispiele sind die Salamitaktiken von Wulf und Guttenberg anzuführen.

    Comment by ben — 28.08, 2013 @ 23:01

  9. „Vermutlich wusste Herr Pofalla das alles längst, seine exakt gewählten und vorformulierten Worte, sollte man sich deshalb nochmals vor Augen führen:“

    „Die Nachrichtendienste der USA, also die NSA, und Großbritanniens haben uns zugesagt, dass es keine flächendeckende Datenauswertung deutscher Bürger gibt.“
    ( Vom Artikel)

    Ich finde ein anderes Detail in den 2. Zitat wichtig:
    -die NSA, und Großbritanniens haben uns zugesagt

    Aus meiner Sicht ist diese Aussage fast nichts wert,da dass „Gegenteil“ und die orginale Aussage gleichzeitig war sein können.

    So haben die Geheimdienste mal zugesagt, dass sie sich an Gesetze halten etc..

    Daraus kann man aber nicht einmal ableiten, dass die Geheimndienste _nicht_ gesagt haben, dass sie sich _nicht_ an Gesetze gehalten haben.

    Die Formulierung sagt nur aus, dass etwas einmal
    stattgefunden hat. Sie sagt aber nichts darüber was sonst noch passiert ist.

    Sie können der Regierung schlicht und ergreifend einmal gesagt haben, dass sie sich an Gesetzte halten, und sie können einmal gesagt haben, dass sie sich nicht an Gesetze halten.

    Die Aussage wären in diesem Fall immernoch wahr.

    Comment by Karl — 28.08, 2013 @ 23:58

  10. Eine „flächendeckende Datenauswertung deutscher Bürger“ würde bedeuten, dass JEGLICHE auf deutschen Hoheitsgebiet anfallenden Daten ausgewertet werden.

    Wenn die USA diese „flächendeckende Datenauswertung“ hätten, würden sie dafür auf jedes EDV-Gerät und jeden Aktenordner benötigen. Da dies absolut unmöglich ist, war die Pofalla-Aussage IMMER wahr -wenn auch absolut sinnfrei.

    Comment by Reizzentrum — 29.08, 2013 @ 11:19

  11. Ob Pofalla oder Merkel die Wahrheit sagten, das ist relativ irrelevant. Abgesehen davon, dass Merkel diesmal mehr tat, als Pofalla das Vertrauen auszusprechen…

    Relevant ist, was wirklich geschieht.

    Die Geheimdienste greifen Daten normaler Bürger ab. Das ist nicht 007 vs. Dr. No. Geheimdienste werden so Staat im Staat gegen Bürger.

    Gegen Bürger, weil die gesammelten Daten – und seien es auch nur Bruchteile von Prozenten – beliebig genutzt werden können.

    Brauchen sie Verbindungsleute oder Spione: nachsehen wer in Frage kommt.

    Wollen sie einen Politiker nicht: Mal sehen, was der da so alles tut.

    Scheidung: Kein Problem, das ist bei der NSA geschehen

    Will ein CEO einen Angestellten nicht, so wird mal in den Daten nachgesehen. Nicht? Es sind private Firmen, die in England die Unterseekabel anzapfen. Deren Firmenplanungen könnten ebenfalls deutlich effektiver werden.

    Für den Rest braucht es bloß den netten Schlapphut von Nebenan.

    Daten die gesammelt werden, die werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit missbraucht. Der Staat bekommt durch dieses Wissen eine nach belieben anwendbare unglaubliche Macht über jeden Bürger, jede Firma, jeden Politiker. Es geht dabei nicht um korrupte Regierungen. Es geht einzig um die Möglichkeit. Es könnten auch einmal noch radikalere Regierungen an die Macht kommen.

    Diese Möglichkeit ist nicht im Sinne der Verfassungen der „demokratischen“ Staaten.

    Dort galt einmal, dass die Macht vom Volke ausgehe. Gilt das nicht mehr, so kann nicht mehr von Demokratie gesprochen werden.

    Comment by Joachim — 29.08, 2013 @ 13:26

  12. Grüß Gott, Herr Stadler,
    dieser Beitrag fällt doch eher in die Kategorie „stating the obvious“. Warum sonst hat Pofalla jede Nachfrage bei seinen Presseerklärungen vermieden?

    Comment by Ingo — 29.08, 2013 @ 13:37

  13. Und trotzdem kommt nach und nach die Wahrheit ans Licht, dank Herrn Snowden. Es ist ein Skandal, wie schamlos Herr Pofalla und die Regierungsmeute Fakten unterschlägt und die Unwahrheit sagen. Die CDU- und CSU-Sippe ist einfach unwählbar.

    Comment by Ernst Hagen — 29.08, 2013 @ 13:41

  14. @13 Ernst Hagen:
    Nun, diese Dinge sind schon sehr lange bekannt. Nur der Umfang der Schnüffelei ist erschreckend.

    Ob Pofalla etwas sagt oder ein Sack Reis… belegt, die CDU ist unwählbar, ja. Sowie die SPD, die FDP und die Grünen (die sich immerhin etwas Mühe geben).

    Das ist der wirkliche Skandal. Diese unsäglichen Pappnasen zwischen denen wir „wählen“ dürfen.

    Pappnasen? Die wollen einen Anti-Schnüffel-Vertrag mit den USA? Ein souveräner Staat hätte sich das einfach verboten, Vorkehrungen getroffen, notfalls Sanktionen in Erwägung gezogen.

    Das alleine schon rechtfertigt den Begriff Pappnasen.

    Comment by Joachim — 29.08, 2013 @ 14:08

  15. Und nun noch: Friedrich bekräftigt in NSA-Affäre: „Wir werden nicht ausspioniert“

    http://www.heise.de/newsticker/meldung/Friedrich-bekraeftigt-in-NSA-Affaere-Wir-werden-nicht-ausspioniert-1945400.html

    Angenommen Friedrich sagt die Wahrheit so wie sie sich uns seiner Meinung nach darstellen soll. Dann könnte man doch sagen:

    Selbstverständlich ist dem Ausland die Schnüffelei und Spionage verboten. Wer das in Europa dennoch täte, der würde mit europäischen Sanktionen belegt werden. (konkret a,b,c,…) Könnten wir locker tun. Das betrifft ja laut Merkel, Pofalla und Friedrich niemanden.

    Da aber wirklich jede Maßnahme unterbleibt muss davon ausgegangen werden, dass die Bundesregierung nicht nur davon wusste sondern das mit initiiert hat. Der Anti-Schnüffel-Vertrag mit den USA ist wirklich keine Maßnahme. Ich brauche aber keinen Vertrag um auf meinen Rechten zu bestehen.

    Es sei denn, man geht davon aus, dass noch wesentlich mehr Überwachung auch durch die deutsche Regierung geplant ist.

    Oder meint irgend jemand was die Engländer könnten, das könnten wir nicht? Meint jemand wir seien besser? So könnte man (unter Anderem) fragen woher die „Testdaten“ für die Evaluation der Software der Geheimdienste in Deutschland kamen. Big Data funktioniert nicht auf Random-Basis.

    Die Frage ist nicht ob es wahr ist. Die Frage ist, ob es sein kann und ob wir etwas gegen diese Möglichkeit unternehmen wollen. Will die Bundesregierung das nicht, so hat sie definitiv einen Grund dafür. Und dieser Grund lässt mich wirklich schaudern.

    Comment by Joachim — 29.08, 2013 @ 19:24

  16. Bravo!

    Comment by gemue2013 — 30.08, 2013 @ 17:48

  17. Merkel wird wieder gewählt, denn 30% aller Deutschen sind nicht online, 28% der Onliner interessiert das Thema nicht.

    Die Problematik bleibt ein Nischen-Thema für die kritische Minderheit.

    Wenn man sich ständig auf Plattformen herumtreibt, wo es nur um Datenschutz, um alle diese bürgerrechtlichen Themen geht, vergisst man, daß es der Mehrheit allgemein am Hintern vorbeirutscht. Man hat nur den Eindruck des Interesses, weil man sich unter Gleichgesinnten bewegt.

    Die Mehrheit in Deutschland ist dumm, unbedarft, desinteressiert, offline, der C-Union gewogen oder erkennt die Wichtigkeit des Themas nicht.

    Das ist die Faktenlage.

    Comment by Olsen — 30.08, 2013 @ 18:27

  18. @9 Früher nannte man das mühevolle Herauslesen eigentlich gemeinter Dinge aus der genauen Formulierung amtlicher Statements und sonstiger ggf. weit hergeholter Umstände einer Regierung, die sich weigerte, Nachfragen zuzulassen mal Kremlastrologie. Inzwischen sind die Whistleblower nur mehr in Moskau halbwegs sicher und man muss sich täglich ermahnen, Putin nicht sympathischer zu finden, als Obama.

    Comment by ThorstenV — 1.09, 2013 @ 10:37

  19. Pofalla wird bezahlt, damit er lügt.

    Es ist sein Job.

    Comment by Informatiker — 1.09, 2013 @ 20:40

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