Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.9.13

Telekommunikationsüberwachung in Deutschland nimmt deutlich zu

Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko und die Fraktion der Linkspartei haben der Bundesregierung im Rahmen einer kleinen Anfrage eine Reihe von Fragen zur Telekommunikationsüberwachung durch Polizei und Geheimdienste gestellt.

Die Bundesregierung hat diese Anfrag am 04.09.2013 beantwortet bzw. nicht beantwortet. In der Vorbemerkung der Antwort der Bundesregierung heißt es zunächst:

Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 2, 5, 9, 10, 13, 17, 18,  19,  22, 25, 26, 33, 34 sowie 36 in offener Form ganz oder teilweise nicht erfolgen kann. Die erbetenen Auskünfte sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthalten, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik der Sicherheitsbehörden und insbesondere seinen Aufklärungsaktivitäten und Analysemethoden stehen.

Das ist natürlich eine bequeme Haltung der Bundesregierung, die aus ihrer Sicht zudem den Vorteil bietet, dass niemand nachprüfen kann, ob man nicht einfach unangenehme Wahrheiten verschweigt.

Die Bundesregierung möchte u.a. nicht mitteilen, anhand welcher Suchbegriffe der BND Internet- und Telekommunikation im Rahmen des G10-Gesetzes durchsucht.

Aus Gründen des Staatswohls hat die Bundesregierung auch die Frage, ob Bundesbehörden Metadaten an großen Intemetknoten wie DE-CIX ausfiltern, nicht beantwortet. Die Nichtbeantwortung impliziert m.E. aber, dass dies geschieht.

Geantwortet hat die Bundesregierung auf die Frage, welche Bundesbehörden derzeit die sog. stille SMS zur Ortung von Handys einsetzen. Es sind dies das Bundesamt für Verfassungsschutz, das BKA, der BND, der MAD und die Bundespolizei. Die Auskunft der Bundesregierung zeigt, dass Verfassungsschutz, BKA und Bundespolizei das Instrument im ersten Halbjahr 2013 genauso oft eingesetzt haben wie im Gesamtjahr 2012. Der Einsatz der stillen SMS hat sich also allein bei den Bundesbehörden verdoppelt. Dieses Instrument wurde im ersten Halbjahr 2013 in ca. 125.000 Fällen eingesetzt. Hinzu kommt, dass die Zollbehörden ebenfalls stille SMS in mehr 138.000 Fällen allein im ersten Halbjahr 2013 verschickt haben.

Und das sind wohlgemerkt nur die Zahlen der Bundesbehörden. Da Polizeiarbeit weitgehend Ländersache ist und die Bundesländer zudem eigene Verfassungsschutzbehörden unterhalten, muss davon ausgegangen werden, dass dieses Überwachungsinstrument auf Landesebene noch häufiger eingesetzt wird.

Auch die Frage, welche Software zur Überwachung, Ausleitung, Analyse und Verarbeitung ausgeforschter digitaler Kommunikation bei den In- und Auslandsgeheimdiensten zum Einsatz kommt, wollte die Bundesregierung nicht beantworten.

Ein besonderes Schmankerl findet man am Ende des Textes, weshalb ich sowohl die Frage als auch die Antwort hier unkommentiert wiedergeben möchte:

47. Inwiefern entspricht die Aussage des Bundesinnenministers, dass es ein „Supergrundrecht“ auf Sicherheit gebe, auch der Haltung der Bundesregierung (WEL  T, 16. Juli 2013)?

Zu 47.  Dem Bundesverfassungsgericht zufolge ist die vom Staat zu gewährleistende Sicherheit der Bevölkerung vor Gefahren für Leib, Leben und Freiheit ein Verfassungswert, der mit den Grundrechten in einem Spannungsverhältnis steht. Die daraus abgeleitete Schutzpflicht findet ihren Grund sowohl in Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 als auch in Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 GG (BVerfGE 120, 274, 319). Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat. Sie sichern die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt. Allgemeininteressen, denen Grundrechtseingriffe dienen, sind in der konkreten Abwägung stets mit den betroffenen Individualinteressen abzuwägen.

posted by Stadler at 16:03  

17 Comments

  1. Ich habe bei Einführung der ersten Wanzen im Netz geschrieben, daß man seine Finger davon halten sollte. Verlacht als Spinnerin. Heute weiß man mehr. Das kenne ich nicht anders.

    Ich habe niemals eine Wanze gehabt und bin stolz darauf, mich mal wieder auf meinen gesunden Menschenverstand verlassen zu haben.

    Alles, was ich jemals im Netz vor Jahren und Jahrzehnten geschrieben habe, hat sich bewahrheitet. Niemand hat es für möglich gehalten.

    Auf der jüngsten Tec-Messe werden Produkte angepriesen, mit denen man das gesamte Haus, die gesamte Technik (Telefon, TV, PC etc.), alle Geräte, vom Kühlschrank bis zur elektronischen WC-Brille, betätigen kann, Kameras in jedem Raum sollen für Sicherheit sorgen.

    Wenn ich sehe, wie interessiert die Menschen sind, dann habe ich zu Recht Zweifel an deren gesunden Menschenverstand.

    Alle zwei Jahre, wenn die Skandale auftauchen, freue ich mich, wie sich nur ein Mensch freuen kann, der es richtig gemacht hat.

    Und wenn sich das unschön, fies, niederträchtig und angeberisch anhört, dann ist es genauso gemeint, denn es entspricht den Tatsachen.

    Freude, Hohn und Spott ohne Grenzen.

    Comment by Marlies — 6.09, 2013 @ 16:51

  2. @1 Marlies
    Da du diesen Kommentar nicht per Brief gesendet hast (ob wohl ja auch, wie wir jetzt wissen alle Briefe gescannt werden), bist du schon Teil der Überwachten und Ausgespähten.
    Deine Freude, Hohn und Spott hat doch Grenzen

    Comment by Troll — 6.09, 2013 @ 17:09

  3. @Troll

    Auf Briefe muß ich keinen Absender schreiben, was ich übrigens noch nie gemacht habe.

    Ich bin sicher, nach zwanzig Jahren mitreden zu können, was Datenschutz, Rechnersicherheit und Anonymität betrifft.

    Comment by Marlies — 6.09, 2013 @ 17:13

  4. …und vor allem habe ich keine Wanze im Haus!

    Comment by Marlies — 6.09, 2013 @ 17:14

  5. @ Marlies: Und der Gedanke, dass die massive staatliche Ausspähung Auswirkungen auf unsere Demokratie und die Freiheit aller haben könnte, auch derer, die (noch?) nicht selbst ausgespäht werden, dieser Gedanke ist Dir noch nicht gekommen?
    Das würde mir persönlich die Schadenfreude schon etwas verderben.

    Comment by Pete — 6.09, 2013 @ 17:28

  6. @Pete

    Mit welcher Frechheit kommst Du auf die Behauptung, ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht? Kennst Du mich? Ich verbitte mir das!

    Comment by Marlies — 6.09, 2013 @ 17:40

  7. Aber ich merke schon, die getroffenen Hunde bellen. Werdet einfach glücklich mit Euren Wanzen.

    Jedem das Seine, mir das Meine!

    Comment by Marlies — 6.09, 2013 @ 17:42

  8. Ich schreibe nochmal kurz, was jeder Profi, der es darauf anlegt, mit Eurem Handy machen kann, ohne, daß Ihr was merkt:

    Einschalten, ausschalten

    Kamera an und aus

    Micro an und aus

    Alle Daten abgreifen

    Jedes Programm ändern

    Das Adressbuch kopieren

    Standorte überwachen

    Alle Standorte der Vergangenheit aufrufen

    Jeden Bezahlvorgang abrufen

    Eure Bankdaten dito

    …und noch viel mehr.

    Handy? Wer blöd ist, hat eins.

    Comment by Marlies — 6.09, 2013 @ 18:26

  9. @Marlies,
    100% Full ACK, Genugtuung für Jahrzehnte Spot als Computer Freak, ich bin keine Computer Missgeburt!
    Was eure Demokratie angeht, haben wir lange gewarnt aber ihr wart Ignorant und Arrogant, und habt mit Ausgrenzung Reagiert. Ich pfeife auf eure Demokratie, seht zu wie ihr klar kommt.

    Comment by Kovaii — 7.09, 2013 @ 10:07

  10. Das wird schon, keine Sorge.

    Comment by Moon — 7.09, 2013 @ 15:30

  11. Wenn ich das Marlies les, wird mir ganz anders.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Pfeifen_im_Walde

    Comment by Dr.Klusenbreuker — 8.09, 2013 @ 10:15

  12. Sehe ich das so richtig das man auf Frage 47 mit der Definition der Grundrechte antwortet, die man vorher ordentlich mit Füßen getreten hat weil man sich nicht gegen den Staat wehren kann?

    Comment by Herbärt — 9.09, 2013 @ 08:43

  13. @12 Herbärt,
    ja – allerdings halte ich die Antwort der Bundesregierung für weitaus schlimmer.

    Die Bundesregierung verdreht die Absicht des Grundgesetzes und relativiert damit die Grundrechte. Die Grundrechte werden einem vermeintlichen Superrecht auf Sicherheit untergeordnet. „Super“ steht nicht umsonst da. „Super“ bedeutet hier: über Allem stehend. Unangreifbar, nicht mehr zu diskutierend, absolut, keiner Verhältnismäßigkeit mehr untergeordnet. Dabeei ist nicht einmal klar, ob der behauptete Widerspruch überhaupt existiert.

    Im Grundgesetz steht davon nichts. Wohl aber steht da etwas von einer grundrechtlichen Ordnung die nicht beseitigt werden darf – und zwar ganz unabhängig davon, was ein Gesetz näher regelt. Gesetze haben sich dem Geist des Grundgesetzes unterzuordnen. Sich oder etwas über das Grundgesetz zu stellen ist verfassungswidrig. Der notwendige Beleg für die Folgerung des Superrechts aus dem Grundgesetz fehlt, stützt sich ausschließlich darauf, dass die Bundesregierung keine Alternativen sieht oder wünscht.

    Es bleibt einzig der Verdacht, das Supergrundrecht auf Sicherheit soll nur Überwachung rechtfertigen. Richtige Maßnahmen wie Prävention, Bildung, Gerechtigkeit gar ein mehr an Demokratie werden damit relativiert. Machterhalt durch „Wissen ist Macht“ wird dagegen erst durch die mit dem „Supergrundrecht auf Sicherheit“ begründete Überwachung möglich. Diese Möglichkeit will das Grundgesetz aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen in Deutschland in jedem Fall ausschließen.

    Sie sagen: „Allgemeininteressen, denen Grundrechtseingriffe dienen, sind in der konkreten Abwägung stets mit den betroffenen Individualinteressen abzuwägen.“

    Was für ein defekter Satz. Allgemeininteressen sind immer mit Individualinteressen abzuwägen. Doch Individualinteressen müssen nicht den Allgemeininteressen widersprechen. Nach dem kategorischem Imperativ Kants gibt es bei der vernünftigen Entscheidung keinen Widerspruch. Und das ist lange nicht die einzige mögliche Argumentation. Es gibt berechtigte Zweifel an ihrer Prämisse (es gäbe ein Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit, das totale Überwachung rechtfertigt).

    Überwachung durch Computer ist kritisch. Sie verstehen in der Regel ja nicht einmal, was ein Computer überhaupt ist. Sie glauben nur. So etwa wenn sie tröstend rechtfertigen, Überwachung könne auch Unschuld „beweisen“. Schon die offensichtlichste notwendige Bedingung für einen Computerbeweis, wenigstens halbwegs korrekte Eingangsdaten, wird ignoriert. Keine größere Datenbank ist auch nur annähernd „fehlerfrei“ und schon gar nicht „vollständig“. Das gilt nicht zufällig. Das gilt nachweislich und um so mehr, je mächtiger die formalen Systeme werden.

    Bessere Technik wird uns da nicht wirklich helfen können – es sei denn die Hilfe besteht in der Errichtung eines technokratischen Terrorstaats. Derartige Datenbanken sind nicht in der Lage Daten für vertrauenswürdige Beweise zu liefern. Sie taugen ja nicht mal für „ordentliche“ Werbung.

    Und das ist nur ein offensichtlich kritischer Aspekt ihres naiven „Glaubens“ an Technologie. Diese „Technologie“, ihre defekte Logik ist nichts als magisches Denken:

    Der liebe Gott hat heute einen großen Bruder bekommen der alles sehen kann. Der sitzt mit ihm zusammen auf Wolke Nummer Sieben, schaut auf die Menschen herab und notiert was wir tun in dem goldenen Buch der „heiligen“ Datenbank. Und der Blitz des Gesetzes straft aus heiterem Himmel augenblicklich jeden bösen Gedanken.

    Das ist wirklich so verdreht wie in den Welten des Philip K. Dick.

    Comment by Joachim — 9.09, 2013 @ 15:58

  14. Ohne die rege Diskussion unterbrechen zu wollen: Wann stellt eigentlich mal jemand Strafanzeige nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 und § 99 Abs. 1 Nr. 2 StGB gegen Friedrich, Pofalla, Merkel und Steinmeier?

    Comment by socram — 11.09, 2013 @ 20:05

  15. Die Nichtbeantwortung impliziert m.E. aber, dass dies geschieht.

    Ich meine, daß aufgrund der Tatsache daß wir dank Edward Snowden momentan nur/wenigstens die Spitze des Eisberges kennen, das „m.E.“ getrost weggelassen werden darf.

    Ergo: „Die Nichtbeantwortung impliziert aber, dass dies geschieht.

    Da braucht man -mittlerweile- nun wirklich kein Prophet mehr sein.

    In diesem Sinne, Baxter

    P.S.: So makaber es auch klingen mag, bin ich dennoch froh den zwischen 2001+ und 2012/2013 stets verwendeten Konjunktiv in sämtlichen Kommentaren nun endlich weglassen zu können und auf etwaige dämliche Kommentare mit einem „bist du etwa immer noch so dämlich?“ oder ähnlich antworten zu können, ohne direkt zensiert zu werden!
    P.P.S.: Ich weiß, daß das P.S. keinem etwas bringt… es musste trotzdem mal gesagt werden! Wacht doch bitte endlich auf!

    Comment by Baxter — 13.09, 2013 @ 02:15

  16. Da schreiben mir die Obigen aus dem Herzen. Alles das auch erlebt. Gelöscht (von Informatikern sogar), ausgelacht, verspottet (ebenfalls in Fach-Foren jahrelang), Spinnerin, Hetzerin, Ketzerin dito, chronisch misstrauisch und so weiter.

    Vor zwangzig Jahren habe ich geschrieben, daß die Firma MS nachhause funkt. Das irgendwas nicht stimmt. Da war noch was los zu der Zeit, als die Wall gerade erfunden wurde! Es wurde den Aufmerkern geraten, doch offline zu gehen, weil sie auf Verschwörungsgerüchte reinfallen, anscheinend nicht mehr richtig ticken oder der Fa. MS schaden wollen.

    Ja, Verschwörung, ja, Gerüchte… ist klar. Die einsamen Rufer im Walde, ihre Rufe sind verhallt. Heute sieht das anders aus. Heute erhalte ich Entschuldigungsmails.

    So ändern sich die Zeiten.

    Comment by Marlies — 13.09, 2013 @ 17:36

  17. Nachsatz: Fragen blöde „Fachjournalisten“, warum ihre Kollegen ihre Handys in den Kühlschrank legen sollten vor dem Interview mit Snowden, halten sie sich daher länger frisch, fragten die Idioten tatsächlich öffentlich.

    Ein Kühlschrank hält dicht. Das ist der simple Grund.

    Ich erwarte mehr Fachwissen von Leuten, die meinen, sie würden sich auskennen. Vor allem möchte ich nicht, daß sich diese Idioten nur deshalb öffentlich äußern dürfen, weil sie bei einem Verlag beschäftigt sind.

    Comment by Marlies — 13.09, 2013 @ 19:12

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