Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.3.11

Kinderpornografie: Sexualwissenschaftler kritisieren geplante EU-Richtlinie

Der Spiegel berichtet in seiner kommenden Ausgabe über eine gemeinsame Erklärung von Sexualwissenschaftlern aus Deutschland und Österreich in der die geplante „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie“ massiv kritisiert wird. Die Wissenschaftler sprechen von „absurden Maßnahmen“ die ungeeignet und sogar kontraproduktiv seien.

Die Kritik der Wissenschaftler richtet sich u.a. dagegen, dass die Richtlinie jede Person unter 18 Jahren als Kind definiert und entspricht dem, was ich bereits in einem älteren Blogposting dargelegt habe.

In der Netzgemeinde hat der Richtlinienentwurf vor allem deshalb Aufmerksamkeit erregt, weil  die Richtlinie als Instrumentarium der Bekämpfung von Kinderpornografie u.a. vorsieht, dass Access-Provider den Zugang zu einschlägigen Websites blockieren sollen.

Es ist gut, dass die Kritik jetzt auch noch aus einer anderen Richtung kommt. Denn fragwürdig sind nicht allein die geplanten Access-Blockaden, fragwürdig ist vielmehr das Gesamtkonzept des Richtlinientwurfs.

posted by Stadler at 18:30  

11.1.11

Access-Sperren in der EU

Die Diskussion über den Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie geht in ihre entscheidende Phase. Der Entwurf sieht in seinem Art. 21 vor, dass die Mitgliedsstaaten die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen haben, um sicherzustellen, dass der Zugang zu Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten blockiert wird.

Gestern hat hierzu eine Ausschussanhörung im EU-Parlament stattgefunden. Außerdem liegt mittlerweile der Draft Report (Angelilli-Report) des Europäischen Parlaments vor, der eine Reihe von Änderungsvorschlägen enthält. Der Änderungsvorschlag zu Art. 21 (Amendment 37) lautet:

Member States shall take the necessary measures to obtain the removal at source of the web page containing or disseminating child pornography. In addition, in order to protect the best interest of the child, Member States may set up procedures to block access by Internet users in their territory to Internet pages containing or disseminating child pornography in accordance with national law. The blocking of access shall be subject to adequate safeguards, in particular to ensure that the blocking is limited to what is necessary, that users are informed of the reason for the blocking and that content providers, as far as possible, are informed of the possibility of challenging it.

Dieser Änderungsvorschlag beinhaltet die Verpflichtung Maßnahmen zur Löschung/Beseitigung entsprechender Inhalte zu ergreifen. Die umstrittene Zugangsblockade ist nur noch fakultativ vorgesehen.

Nachdem allerdings sowohl die Kommission als auch der Rat als Sperrbefürworter gelten und sich die Justizminister der Mitgliedsstaaten schon auf Netzsperren verständigt haben, ist selbst für diese abgeschwächte Form eine Mehrheit im Parlament wohl eher fraglich.

Der Richtlinienentwurf geht mit seiner Beschränkung auf das Web, die auch in Amendment 11 des Angelilli-Report  ausdrücklich enthalten ist, nach wie vor komplett an der Realität vorbei. Das WWW ist, wie auch neue Studien belegen, kein relevanter Umschlagsplatz für Missbrauchsdarstellungen im Internet und kann bestenfalls als Nebenkriegsschauplatz bezeichnet werden. Der Richtlinienvorschlag ist in diesem Punkt also noch nicht einmal auf den Kern des Problems hin ausgerichtet. Ganz unabhängig davon, dass er mit Access-Sperren ein ungeeignetes Instrument zur Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs wählt.

posted by Stadler at 11:59  

23.12.10

Im Gleichschritt gegen die Freiheitsrechte

Vielerorts wird derzeit beklagt, dass die EU bzw. die EU-Kommission zum demokratiefeindlichen neuen Mediengesetz in Ungarn schweigt.

Das sollte allerdings niemanden wirklich überraschen, wenn man bedenkt, dass die Organe der EU gemeinsam die Vorratsdatenspeicherung und das Swift-Abkommen durchgesetzt haben und die Kommission derzeit einen Richtlinienentwurf propagiert, der das Instrument der Netzsperren enthält.

Der Abbau der Bürgerrechte wird sowohl in Brüssel als auch in den Mitgliedsstaaten betrieben. Auch wenn Italien, Ungarn und Großbritannien insoweit im negativen Sinne besonders hervorstechen, ist auch hierzulande seit mehr als zehn Jahren eine Entwicklung im Gange, die auf eine sukzessive Beschränkung der Bürgerrechte abzielt.

Man muss also insgesamt den Eindruck haben, dass die EU-Kommission und die Regierungen einzelner Mitgliedsstaaten, wie derzeit Ungarn, im Gleichschritt gegen die Freiheitsrechte marschieren. Dass die EU nicht wirklich lautstark gegen Ungarn protestiert, fügt sich in das Gesamtbild.

posted by Stadler at 12:01  

14.9.10

Wie bedenklich ist das SWIFT-Abkommen wirklich?

Das sog. SWIFT-Abkommen, das die EU verpflichtet, im Falle von Terrorverdacht Bankdaten von EU-Bürgern an die USA zu übermitteln, wurde bekanntlich nach anfänglichem Widerstand vom Europaparlament gebilligt
und ist seit 01.08.2010 in Kraft.

Während man in Deutschland über Belanglosigkeiten wie Google Street View heftig diskutiert, gehen die datenschutzrechtlich wirklich bedenklichen Vorgänge, wie das SWIFT-Abkommen, von einer breiten Öffentlichkeit nahezu unbemerkt über die Bühne.

Vermutlich liegt das auch daran, dass viele Bürger denken, sie wären davon eh nicht betroffen, weil sie sicherlich nie unter Terrorverdacht geraten werden. Diese Annahme wäre aber nur dann richtig, wenn mit Hilfe des Swift-Abkommens zielgenau Daten bestimmter Verdächtiger übermittelt würden. Aber gerade das ist nicht der Fall. Das Abkommen arbeitet vielmehr nach der Gießkannenmethode. Weil es SWIFT technisch nicht möglich ist, einen einzelnen Datensatz zu übermitteln, werden regelmäßig ganze Sammeldateien übersandt. Die kleinste Einheit, die Swift liefern könne, seien die Banktransferdaten für ein ganzes Land für einen bestimmten Zeitraum, heißt es bei ZEITONLINE. Das bedeutet freilich nicht weniger, als dass wegen eines in Deutschland ansässigen Terrorverdächtigen, alle deutschen Bankdaten, die SWIFT für einen bestimmten Zeitraum vorliegen, an die USA übermittelt werden. Also auch Ihre und meine.

Die EU versucht das abzumildern, indem man einen EU-Beamten – dessen Identität wiederum geheim ist – damit betraut hat, zu prüfen, welche Daten die Amerikaner tatsächlich abgreifen. Ob und wie diese Kontrolle funktioniert ist unklar. Letztlich hat sich die EU also darauf eingelassen, alle Bankdaten eines EU-Staates für einen bestimmten Tag oder einen bestimmten Zeitraum komplett an die US-Behörden zu liefern. Man fragt sich immer, ob die Mehrheit der Parlamentarier so naiv ist zu glauben, dass diese einseitige Verpflichtung wirklich (allein) der Terrorbekämpfung dient.

Wer wie die EU und ihre Mitgliedstaaten die Daten seiner Bürger in dieser Form preisgibt, kann nicht erwarten, dass man ihm ansonsten Vertrauen entgegen bringt, inbesondere nicht in datenschutzrechtlicher Hinsicht. Man fragt sich, weshalb das Datenschutzrecht überhaupt Hürden für die Datenübermittlung in Drittstaaten außerhalb der EU errichtet, wenn man andererseits bereit ist, fremden Staaten die Daten seiner Bürger auf dem Silbertablett zu präsentieren.

posted by Stadler at 17:05  

8.9.10

„Kampf gegen Kinderpornografie im Internet“

The European Circle veröffentlicht ein Interview mit der EU-Abgeordneten Birgit Sippel (SPD) zu dem Richtlinienvorschlag von Kommissarin Malmström.

Wer eingangs eines Interviews die Platitüde „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“ wiederholt, gibt eigentlich Anlass dazu, nicht weiter zu lesen. Wer es dennoch macht, stellt fest, dass Sippel zwar der „Sperrung“, also der Blockade durch Access-Provider, kritisch gegenüber steht, sich aber offenbar nicht endgültig festlegen will.

Auf EU-Ebene wird jetzt also eine Diskussion begonnen, die man in Deutschland schon vor über einem Jahr kontrovers geführt hat.

Deshalb hier nochmals der Hinweis auf einige meiner Blogpostings zum Thema Access-Sperren:

Netzsperren: Wo stehen die zu sperrenden Server eigentlich?

Kinderpornografie im Web kann effektiv bekämpft werden

Sperrung von Kinderpornografie im Netz: Die falschen Tatsachenbehauptungen der Bundesregierung

Bundestagsgutachten zu Netzsperren

Internes “Rechtsgutachten” des BMI zu Access-Sperren

Sperrungsverfügung gegen Access-Provider (Ein älterer Beitrag von mir für die Zeitschrift Multimedia und Recht, der sich mit den Düsseldorfer Sperrungsverfügungen juristisch auseinandersetzt)

posted by Stadler at 16:57  

11.8.10

Die Datensammelwut der EU

Wer sich mit tatsächlich relevanten Datenschutzthemen befassen und nicht nur dem aktuellen Hype um Street View fröhnen will, sollte diesen Beitrag in der Zeit gelesen haben. Denn es wird wenig darüber berichtet, dass man Migranten und Empfänger staatlicher Transferleistungen eine Preisgabe von persönlichen Daten in einem Ausmaß abverlangt, das bedenklich erscheint. Man kann zwar einiges, aber nicht alles mit der Notwendigkeit begründen, Missbrauch zu verhindern. Dass die EU beispielsweise Fingerabdrücke aller Asylbewerber in einer Datenbank („Eurodac“) speichert, auf die die künftig auch Polizei- und Sicherheitsbehörden der Mitgliedsstaaten Zugriff erhalten sollen, ist genau das, was Art. 3 GG verhindern will. Denn das wäre eine Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft.

In einer Mitteilung der Kommission wurde schon vor längerer Zeit gefordert, dass die bestehenden und geplanten Datenbank-Systeme (u.a. auch Eurodac) in effizienter Weise weiterentwickelt werden sollen, und zwar insbesondere auch im Hinblick auf eine Ausweitung des Zugangs der für die innere Sicherheit zuständigen Behörden zu den verschiedenen Informationssystemen. Und dieses Thema steht weiterhin auf der Agenda. Wenn man sich vor Augen führt, was die EU so alles speichert, muss die Vorstellung der Zusammenführung und Verknüpfung der verschiedenen Datenbanken und Datenbestände nicht nur bei Migranten Unbehagen hervorrufen. Leider ist davon auch in den Blogs kaum etwas zu lesen.

posted by Stadler at 11:13  

8.7.10

Das Strohfeuer im Europäischen Parlament

Das Europäische Parlament erweckte kurzzeitig den Eindruck sich emanzipieren zu wollen, um sich über Parteigrenzen hinweg, selbst behaupten zu können. Wer wie ich deshalb kurzzeitig anfing zu träumen, ist jetzt auf dem Boden der Tatsachen zurück. Beim Swift-Abkommen hat etwas Kosmetik gereicht, um die Abgeordneten fast aller Parteien wieder auf Linie zu bringen und das Swift-Abkommen nunmehr doch mit großer Mehrheit durchzuwinken. Daran vermochte auch die deutliche Kritik von Datenschützern nichts zu ändern.

Die Parlamentarier handeln damit gegen die Interessen der Bürger in Europa und auch gegen die Interessen der europäischen Wirtschaft. Es ist eine gehörige Portion Naivität nötig, um zu glauben, dass ein solches Abkommen, das nicht auf Gegenseitigkeit beruht, allein der Terrorbekämpfung dienen soll. Die US-Regierung und auch die US-Wirtschaft kann diese Daten sicherlich aus verschiedenen Gründen gebrauchen. Und warum sollten sich eigentlich die Amerikaner um europäische Datenschutzstandards scheren, wenn wir es nicht einmal selbst tun?

posted by Stadler at 22:41  

26.4.10

Für ein sauberes und sicheres Internet

Filmemacher Alexander Lehmann hat sich entschlossen, in einem Kurzfilm die wesentlichen Argumente zusammenfassen, die dafür sprechen, EU-Kommissarin Cecila Malmström bei ihrem Vorhaben, europaweit ein System zur Blockade von Websites durch Access-Provider einzuführen, zu unterstützen. Lassen auch Sie sich von zwingenden Argumenten überzeugen und verlinken Sie diesen englischsprachigen Film weiter und zwar europaweit.

posted by Stadler at 08:00  

11.2.10

Europaparlament stoppt Swift-Abkommen

Das Europaparlament löst sich aus der Umklammerung des Rates und lehnt das bereits mit den USA vereinbarte Swift-Abkommen, das die Weitergabe von Bankdaten europäischer Bürger an die USA vorsieht, mit deutlicher Mehrheit ab.

Wie man hörte, sind viele Abgeordnete von Lobbyisten der US-Administration in den letzten Tagen massiv bedrängt worden. Umso erstaunlicher ist das deutliche Signal des Parlaments für ein unabhängiges und freiheitliches Europa.

Vielleicht ist das sogar die Geburtsstunde eines neuen Europa, eines Europa der Bürger, das sich gegen Lobbyisten, Technokraten und Überwachungsbefürworter zur Wehr zu setzen vermag.

posted by Stadler at 12:43  

11.12.09

Der europäische Präventivstaat

Wir leben in einer Ära des vermeintlich wohlwollenden Staates, der seine Bürger an die Hand nimmt und für ihre Sicherheit sorgt.

Diesen Staat hat das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren immer wieder in seine Schranken gewiesen. Aber wie lange noch? Die ploitischen Lösungen werden immer stärker auf europäischer Ebene gesucht und gefunden. Der Einfluss des Verfassungsgerichts schwindet, während EU-weit die Haltung, dass der Bürger zu bevormunden und zu kontrollieren sei, zunimmt und stärker ausgeprägt zu sein scheint als hierzulande. Und der EuGH wird dem deutlich weniger entgegenzusetzen haben, als das BVerfG.

Der Artikel von Erich Moechel über den Bauplan für den europäischen Präventivstaat beschreibt, was der Rat der EU konkret vorhat.

Wir Bürger müssen die vorhandenen Ansätze für eine neue Bürgerrechtsbewegung ausbauen und dabei für eine europaweite Vernetzung sorgen. Es ist Zeit, eine stärkere Gegenöffentlichkeit zu schaffen.

posted by Stadler at 14:00  
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