Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

11.3.15

Kampfzone Datenschutz

Kaum eine andere rechtspolitische Debatte ist derart ideologisch aufgeladen wie die um die geplante Datenschutzgrundverordnung der EU. Mitverantwortlich hierfür sind auch auch Blogbeiträge wie „Datenschlussverkauf in Brüssel“ von Richard Gutjahr. Gutjahr beruft sich für seine aktuelle Grundthese, nach der der Rat der EU gerade versucht, das Datenschutzniveau zu senken, auf Auswertungen von Lobbyplag. Warum man die Bewertungen und Schlussfolgerungen von Lobbyplag kritisch betrachten muss, habe ich bereits vor zwei Jahren erläutert.

Auch Gutjahr käut in seinem Blog anschließend die sachlich falsche These von der „Aufhebung der Zweckbindung“ wieder, die in der Aussage gipfelt:

So soll auf Wunsch Deutschlands etwa die Zweckbindung der Datenerhebung entfallen.

Gerade mit diesem Thema habe ich mich in einem aktuellen Blogbeitrag beschäftigt. Gutjahr erweckt wie andere auch den Eindruck, es gäbe einen strikten Grundsatz der Zweckbindung, der nach dem Wunsch des Rates nunmehr entfallen oder stark verwässert werden soll. Richtig ist, dass bereits das geltende Recht (BDSG, Datenschutzrichtlinie) zahlreiche Ausnahmen vom Zweckbindungsgrundsatz vorsieht und die aktuellen Vorschläge des Rates sich in etwa auf dem Niveau des Bundesdatenschutzgesetzes bewegen. Im Vergleich zum geltenden Recht wird da also nichts aufgehoben, sondern nur der status quo zementiert. Das mag all jene enttäuschen, die auf eine noch strengere Zweckbindung gesetzt haben.

Wenn der Rat nunmehr fordert, bei der Datenverarbeitung könne eine Zweckänderung wegen überwiegender Interessen eines Dritten erfolgen, stellt sich die Frage, ob diese Forderung nicht ohnehin eine Selbstverständlichkeit darstellt, die aus grundrechtlicher Sicht möglicherweise sogar geboten ist.

Auch das Recht auf Datenschutz und das allgemeine Persönlichkeitsrecht stehen in einem Spannungsverhältnis zu den Grundrechten anderer, das im Einzelfall aufgelöste werden muss. Totalverbote sind zur Lösung von Grundrechtskollisionen nicht geeignet. Vielmehr wägt das Recht ganz regelmäßig unterschiedliche Rechte und Rechtspositonen gegeneinander ab. Man kann die jetzt vorgeschlagene Regelung zur Zweckbindung daher auch für sinnvoll und angemessen halten.

posted by Stadler at 17:22  

5.3.15

Erneut alarmistische Berichterstattung zur EU-Datenschutzreform

In den letzten Tagen war allerorts zu lesen, dass die europäischen Regierungen, allen voran die Bundesregierung, den Datenschutz aufweichen möchten. Heise schreibt beispielsweise, dass Europas Regierungen die Datenschutzreform aushöhlen wollen. Im Tagesspiegel kann man lesen, dass einige Regierungen, darunter die Bundesregierung, versuchen würden, zentrale Grundsätze des Datenschutzes aufzuweichen.

Konkret geht es um Änderungsvorschläge des Rats der Europäischen Union an der Entwurfsfassung einer Datenschutzgrundverordnung. Stein des Anstoßes ist vor allen Dingen die neu aufgenommene Formulierung in Art. 6 Nr. 4 der Entwurfsfassung, die nunmehr lauten soll:

Where the purpose of further processing is incompatible with the one for which the personal data have been collected, the further processing must have a legal basis at least in one of the grounds referred to in points (a) to (e) of paragraph 1. Further processing for incompatible purposes on grounds of legitimate interests of the controller or a third party shall be lawful if these interests override the interests of the data subject.

Der Grundsatz der Zweckbindung, der besagt, dass Daten nur zu dem Zweck weiterverabeitet werden dürfen zu dem sie erhoben worden sind, soll danach einer Abwägung dahingehend unterliegen, dass aufgrund überwiegender Interessen eines Dritten davon abgewichen werden kann.

Wenn man sich die Regelungen des geltenden deutschen Datenschutzrechts ansieht, das angeblich ja das strengste Datenschutzrecht überhaupt ist, stellt man schnell fest, dass es dort ebenfalls keinen ganz strikten Zweckbindungsgrundsatz gibt. § 28 Abs. 2 Nr. 2 a) BDSG lässt es beispielsweise zu, vom Grundsatz der Zweckbindung zur Wahrung berechtigter Interessen eines Dritten abzuweichen. Das ist in etwa auch das, was der Rat nunmehr für die Grundverordnung fordert.

Natürlich ist es legitim, mit Blick auf die geplante europäische Datenschutzgrundverordnung auch eine (deutliche) Verschärfung der bisherigen Datenschutzstandards zu fordern. Allerdings ist eine Berichterstattung, die suggeriert, es würden bestehende Standards und Regelungen aufgeweicht, einfach nicht seriös. Ein Festhalten am aktuellen deutschen Datenschutzniveau wird man nämlich schwerlich als Aushöhlung des Datenschutzes betrachten können. Ein bisschen weniger Schnappatmung täte manchmal auch der Berichterstattung gut.

Carlo Piltz weist in seinem Blog übrigens auf einen weniger beachteten Aspekt hin, der aber von enormer Bedeutung ist. Das Papier des Rates schlägt nämlich die Schaffung eines Konzernprivilegs für die Datenübermittlung innerhalb von Konzernen vor.

posted by Stadler at 16:58  

18.2.15

Beweisverwertungsverbot für Dashcam-Aufzeichnungen

Aufzeichnungen einer in einem Pkw installierten Dashcam können im Zivilprozess nicht als Beweismittel zum Hergang eines Unfalls verwertet werden. Das hat das Landgericht Heilbronn mit Urteil vom 17.2.2015 (Az.: I 3 S 19/14) entschieden. Das Gericht geht in seiner Urteilsbegründung davon aus, dass die Aufzeichnung von Personen mittels Dashcam eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung darstellt, die auch nicht durch das Interesse an der Erlangung eines Beweismittels gerechtfertigt ist. Das Gericht führt hierz u.a. aus:

Wollte man dies anders sehen und der bloßen Möglichkeit, dass eine Beweisführung erforderlich werden könnte, den Vorrang vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung einräumen, würde dies bedeuten, dass innerhalb kürzester Zeit jeder Bürger Kameras ohne jeden Anlass nicht nur in seinem Pkw, sondern auch an seiner Kleidung befestigen würde, um damit zur Dokumentation und als Beweismittel zur Durchsetzung von möglichen Schadensersatzansprüchen jedermann permanent zu filmen und zu überwachen. Damit aber würde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung praktisch aufgegeben (AG München, Beschluss vom 13.08.2014 – 345 C 5551/14, ZD-Aktuell 2014, 04297).

Das Landgericht weist außerdem darauf hin, dass die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine im Pkw installierte Dashcam auch gegen § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG und § 22 S. 1 KunstUrhG verstößt:

Nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mittels Videoüberwachung nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar ist das Anliegen der Klägerin, eine Beweissicherung vorzunehmen, legitim. Wie dargelegt überwiegen jedoch die schutzwürdigen Interessen der Zweitbeklagten, da die dauerhafte Offenbarung privater Daten im vorliegenden Fall nicht freiwillig geschieht.

Nach § 22 S.1 KunstUrhG dürfen Bildnisse ferner nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden, soweit nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG die Abgebildeten nicht nur als Beiwerk einer bestimmten Örtlichkeit erscheinen. Die Befugnis nach § 23 Abs. 1 KunstUrhG erstreckt sich gemäß Abs. 2 jedoch nicht auf eine Verbreitung und Zurschaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Wie dargelegt verletzt die gezielte Aufnahme der Betroffenen diese in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

posted by Stadler at 16:53  

5.2.15

Löschbeirat: Google soll noch mehr löschen

Nach einem Bericht der SZ hat der von Google einberufene Löschbeirat dafür plädiert, dass Google infolge des EuGH-Urteils Suchergebnisse auf eine Beanstandung eines Betroffenen hin noch großzügiger löschen soll, als bislang schon praktiziert. Nach dem Urteil des EuGH hat es laut dem Bericht der SZ 205.000 Löschanfragen in der EU gegegeben, von denen Google 60% abgelehnt hat. Der Löschbeirat sprach sich offenbar aber dafür aus, dass die Bereinigung des Index auf die europäischen Versionen von Google beschränkt bleibt und nicht auf google.com erstreckt werden soll.

Nach meiner Einschätzung löscht Google bereits jetzt eher großzügig, wobei die Abwägung im Einzelfall wohl auch nicht immer gelingt. Die Löschpraxis erschwert also in jedem Fall den Zugang zu Informationen und beeinträchtigt damit die Informationsfreiheit aller Nutzer. Dies zumal sich die Löschaufforderungen sehr häufig gerade auch gegen eine kritische Berichterstattung richten.

Der Löschbeirat empfiehlt Google also im Zweifel zu löschen, während der Aspekt des Informationszugangs nicht nennenswert gewichtet wurde. Die Empfehlung des Löschbeirats vertieft damit die durch das Urteil des EuGH ausgelöste Schieflage zwischen Persönlichkeitsschutz einerseits und Meinungs- und Informationsfreiheit andererseits.

Was Google in die Abwägung allerdings ebenfalls einstellen müsste, sind die Belange des betroffenen Content-Anbieters, der gegenüber Google möglicherweise sogar über ein einklagbares Recht verfügt, auch bei einer Suche nach einem bestimmten Namen gefunden zu werden.

posted by Stadler at 09:12  

30.1.15

Arbeitet Deutschland in der EU gegen den Datenschutz?

Die Bürgerrechtsorganisation digitalcourage hat in ihrem Blog einen Beitrag von Max Schrems veröffentlicht, einem wegen seiner Klage gegen Facebook bekannten österreichischen Datenschutzaktivisten. Schrems behauptet in seinem Beitrag, Deutschland würde in der EU gegen den Datenschutz arbeiten und führt zur Begründung acht Beispiele für datenschutzunfreundliche Änderungen des Entwurfs einer Datenschutzgrundverordnung an, die auf „die Beamten des deutschen Innenministeriums“ zurückgehen sollen.

Jetzt könnte man Schrems schon ganz allgemein entgegenhalten, dass die EU das (vermeintlich) hohe Datenschutzniveau der geplanten Grundverordnung primär aus Deutschland importiert hat und unterschiedliche politische Akteure deutscher Herkunft auch für zahlreiche datenschutzfreundliche Klauseln im Entwurf verantwortlich sind. Eine kurze Überprüfung der acht von Schrems genannten Punkte ergibt außerdem, dass diese keineswegs alle aus dem BMI kommen. Dennoch möchte ich auch einen inhaltlichen Blick auf einige der aufgeworfenen Aspekte richten.

Schrems behauptet u.a. folgendes:

Die bisher vorgesehene explizite“ Zustimmung („Opt-In“) wurde durch eine Definition ersetzt, bei der auch eventuell sogar nur durch die „Nutzung einer Webseite“ oder durch eine, vielleicht sogar nur versteckt angebrachte, Klausel eine Nutzerin oder Nutzer „zustimmen“ kann.

Als schwächende Veränderung wurde von Schrems dabei gewertet, dass bei der datenschutzrechtlichen Einwilligung der Begriff “explicit” durch “unambiguous” consent ersetzt worden ist (Art. 6 Nr. 1a). Nur bei bestimmten Daten wird noch „explicit consent“ verlangt (Art. 9). Diesen Änderungsvorschlag, der seit 2013 existiert und m.W. nicht vom BMI stammt, kann man allerdings auch als sinnvolle Klarstellung bewerten. Denn der vorhergehende Entwurfstext war in diesem Punkt widersprüchlich. Er sprach einerseits davon, dass die Einwilligung ausdrücklich (explicitly) erteilt werden soll, um dann auszuführen, dass auch eine eindeutige Handlung (clear affirmative action)  – also konkludentes Verhalten – ausreichend sein soll. Es war jedenfalls notwendig, diesen Widerspruch aufzulösen, um spätere gegensätzliche Auslegungen zu vermeiden. Eine Erklärung durch konkludentes Verhalten ermöglicht aber auch keine Einwilligung durch versteckt angebrachte Klauseln wie Schrems behauptet. Das belegt auch die Notwendigkeit einer  „clear affirmative action“ in Erwägungsgrund 25. In diesem Kontext hätte man wohl auch noch erwähnen müssen, dass die deutsche Delegation im Rat der EU kürzlich Vorschläge zur Ergänzung der Anforderungen an die Einwilligung gemacht hat, die schwerlich als Schwächung der datenschutzrechtlichen Einwilligung angesehen werden können.

Dass der Grundsatz der Datenminimierung (Datensparsamkeit) gestrichen wurde, ist insofern richtig, als nunmehr in Art. 5 c nur noch davon die Rede ist, dass die Speicherung nicht exzessiv sein darf, während es vorher hieß, dass sie auf ein Mindestmaß zu beschränken ist. Ob damit allerdings eine substantielle Veränderung verbunden ist, darf man bezweifeln. Die Datensparsamkeit wird außerdem nunmehr – übrigens auf Vorschlag Deutschlands – zusätzlich in Art. 23 Nr. 1 erwähnt.

Die Behauptung, der Grundsatz der Zweckbindung sei mit einer großen Ausnahme versehen worden, wird von Schrems nicht näher erläutert und erscheint mir auch nicht nachvollziehbar.

Schrems weist außerdem darauf hin, dass die bisher vorgeschriebenen Datenschutzbeauftragten freiwillig werden sollen. Gemeint sind damit die betrieblichen Datenschutzbeauftragten nach Art. 35 der Grundverordnung. Der bisherige Entwurf sah vor, dass Unternehmen, die 250 oder mehr Mitarbeiter beschäftigen, einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten benötigen. Diese Regelung wurde in der aktuellen Entwurfsfassung wieder gestrichen, mit der Folge, dass es den Mitgliedsstaaten obliegt, diese Frage national zu regeln. Das würde für Deutschland bedeuten, dass die ohnehin deutlich strengere Regelung des BDSG beibehalten werden kann. Danach ist ein betrieblicher Datenschutzbeautragter zu bestellen, wenn mehr als 9 Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind. Dieser Änderungsvorschlag in der Grundverordnung geht übrigens nicht auf eine Initiative des BMI zurück. Aus den Fußnoten wird vielmehr deutlich, dass Deutschland eine einheitliche Regelung im Rahmen der Verordnung bevorzugt hätte.

Es gibt übrigens durchaus Anhaltspunkte dafür, dass das BMI punktuell auf eine wirtschaftsfreundliche Abschwächung des Datenschutzes hinarbeitet. Der Text von Schrems ist allerdings schlicht verzerrend. Dass Bürgerrechtsorganisationen wie digitalcourage beim Thema Datenschutz ebenfalls Lobbyismus betreiben, ist klar und letztlich auch wünschenswert. Man sollte sich hierbei aber zumindest halbwegs an die Fakten halten und nicht auf Desinformation setzen. Die Verfälschung ist kein legitimes Mittel des politischen Meinungskampfs, auch wenn sie allzu gerne betrieben wird.

posted by Stadler at 10:54  

20.1.15

BGH: Klinik muss Privatanschrift des behandelnden Arztes nicht herausgeben

Der BGH hat heute entschieden (Urteil vom 20. Januar 2015, Az.: VI ZR 137/14), dass ein Arbeitgeber grundsätzlich nicht berechtigt ist, die Privatanschrift und sonstige private Kommunikationsdaten eines Mitarbeiters an einen Dritten herauszugeben. In der Pressemitteilung heißt es dazu:

Der Auskunftserteilung steht außerdem die datenschutzrechtliche Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) entgegen. Die Regelung gestattet dem Arbeitgeber die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Der Arbeitgeber ist aber grundsätzlich nicht berechtigt, personenbezogene Daten, die für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben worden sind, an Dritte weiterzuleiten. Da die Daten für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben worden sind, ist die Übermittlung an Dritte nach dem für den Datenschutz geltenden Zweckbindungsgebot grundsätzlich als zweckfremde Verwendung ausgeschlossen. Eine Weiterleitung privater Kommunikationsdaten an Dritte bedarf vielmehr der Einwilligung des Betroffenen oder der besonderen Gestattung durch eine Rechtsvorschrift.

Hintergrund war die Forderung eines Patienten gegenüber dem Träger einer Klinik die Privatanschrift eines Arztes zum Zwecke der Führung eines Arzthaftungsprozesses herauszugeben.  Insoweit, so der BGH, sei der Klinikträger auch grundsätzlich gehalten, dem Patienten den Namen des ihn behandelnden Arztes mitzuteilen. Weil die Klage aber unter der Klinikanschrift zugestellt werden konnte, war eine Preisgabe der Privatanschrift nicht erforderlich und konnte nicht verlangt werden.

posted by Stadler at 16:17  

14.1.15

Vorratsdatenspeicherung: How long must we sing this song?

Wenn ich bei Heise lese „Merkel drängt auf Vorratsdatenspeicherung nach Pariser Anschlägen“ werde ich wütend. Denn die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel belegt einmal mehr, dass Populismus und das Schüren von Ängsten das politische Tagesgeschäft beherrscht, gerade nach solchen Ereignissen wie den Attentaten von Paris.

Jahrelang habe ich mich mit dem Thema Vorratsdatenspeicherung befasst. In insgesamt 98 Blogbeiträgen rund um das Thema und Podiumsdiskussionen habe ich immer wieder die Argumente aufgeführt, die gegen eine Vorratsdatenspeicherung sprechen und die Nichtargumente der Befürworter beleuchtet. Mit einer gewissen Ernüchterung nimmt man dann zur Kenntnis, dass sich die Diskussion und das Diskussionsniveau keinen Millimeter vorwärts bewegt haben, jedenfalls nicht, wenn es um die höchste politische Ebene geht. Ich fühle mich an einen alten Titel von U2 erinnert, in dem es heißt: „How long must we sing this song?„. Offenbar noch lange, wenn man sich die aktuelle Debatte dazu anschaut.

Ich fasse daher die zentralen Aspekte nochmals kurz zusammen und verlinke auf weiterführende Beiträge:

1. In Frankreich gab und gibt es sogar eine zwölfmonatige Vorratsdatenspeicherung, die die Anschläge von Paris nicht verhindern konnte. Dieser Umstand belegt folglich allenfalls die Nutzlosigkeit einer Vorratsdatenspeicherung im Bereich der Verhinderung und Bekämpfung von Terrorismus.

2. In keinem einzigen EU-Mitgliedsstaat gibt es (empirische) Belege dafür, dass die Vorratsdatenspeicherung zu einer erhöhten Aufklärungsquote geführt hat, obwohl sie in den meisten EU-Staaten über viele Jahre hinweg praktiziert worden ist. Die Politik, die eine Vorratsdatenspeicherung fordert und damit Grundrechte massiv einschränken möchte, schuldet eine stichhaltige und auf belastbare Zahlen und Fakten gestützte Begründung, warum die Vorratsdatenspeicherung tatsächlich notwendig sein soll. Eine solche Begründung hat niemand auch nur ansatzweise geliefert.

3. Eine verfassungskonforme Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung ist nach den Urteilen des EuGH und des BVerfG kaum mehr möglich.

4. Aus bürgerrechtlicher und gesellschaftlicher Sicht ist die Frage zu diskutieren, ob wir es als Bürger zulassen wollen, dass der Staat sämtliche Verbindungsdaten und Standortdaten der Telekommunikation eines jeden Bürgers ohne jeglichen konkreten Anlass für mehrere Monate auf Halde speichern lässt. Diese Frage stellt sich ganz unabhängig davon, ob eine solche Maßnahme bei entsprechender gesetzlicher Ausgestaltung gerade noch verfassungskonform möglich wäre oder nicht.

Weiterführende Beiträge:

Acht Mythen zur Vorratsdatenspeicherung

Ist die Vorratsdatenspeicherung nach der Entscheidung des EuGH tot?

Untersuchung des MPI zum Nutzen der Vorratsdatenspeicherung

Brauchen wir eine differenzierte Betrachtung zur Vorratsdatenspeicherung?

Die Mär von der Terrorismusbekämpfung

posted by Stadler at 15:28  

23.12.14

LG Hamburg: Google haftet für den Inhalt von Suchmaschinen-Snippets

Nach einem neuen Urteil des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 07.11.2014, Az.: 324 O 660/12) soll Google für den Inhalt des zusammen mit den Suchtreffern angezeigten kurzen Textausschnitts aus der gefundenen Website auf Unterlassung haften.

Das Landgericht Hamburg stützt sich hierbei u.a. auf das Google-Urteil des EuGH und die Rechtsprechung des BGH zu Prüfpflichten von Host-Providern. Bei der Bestimmung des Umfangs dieser Prüfpflichten ist das Landgericht nach eigener Aussage zu Gunsten von Google nicht von einem Vorrang der geschützten Rechte des Klägers ausgegangen – anders als der EuGH – kommt aber bei der Abwägung der betroffenen Interessen dennoch zu dem Ergebnis, dass Google seinen möglichen und zumutbaren Prüfpflichten nicht genügt hat.

Das Landgericht Hamburg misst dem Umstand, dass Google auf eine rechtswidrige Berichterstattung verlinkt bzw. einen rechtswidrigen Inhalt im Rahmen der Snippets verbreitet, ein erhebliches Gewicht bei und betont hierbei gleichzeitig, dass der EuGH Google sogar für verpflichtet gehalten hat, nicht mehr auf rechtmäßige Inhalte zu verweisen.

Auch wenn sich das Landgericht vermeintlich großzügiger zeigt als der EuGH, ist dieses Urteil ein weiterer Beleg dafür, dass der EuGH die Suchmaschinenhaftung erheblich verschärft hat und von einem weitgehenden Privileg des Suchmaschinenbetreibers, für das Teile der Literatur und der früheren Rechtsprechung votierten, nichts mehr übrig geblieben ist.

Wenn man dieser Linie folgt, dann geht die Haftung von Google noch über die des Host-Providers hinaus. Man wird abwarten müssen, wie sich das langfristig auf den Informationszugang und die Informationsfreiheit auswirken wird. Denn man wird es Google kaum verübeln können, dass auf Beanstandungen hin im Zweifel Suchtreffer entfernt werden, weil sich das Unternehmen andernfalls einem permanenten Haftungsrisiko aussetzt. Diese Mechanismen werden auf die Dauer freilich zu einer erheblichen Bereinigung und damit Verfälschung von Suchmaschinenergebnissen führen.

posted by Stadler at 12:25  

17.12.14

Wann ist eine private Videoüberwachung zulässig?

Die Entscheidung des EuGH zur privaten Videoüberwachung (Urteil vom 11.12.2014, Az.:C?212/13) ist in den Medien zum Teil gänzlich falsch dargestellt worden. Der EuGH hat die private Videoüberwachung keineswegs verboten. Bemerkenswert an der Entscheidung des EuGH ist lediglich, dass eine private Videoüberwachung vom EuGH nicht als ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit bewertet wird, sobald sie sich auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt. Für eine solche Videoüberwachungen gilt das Datenschutzrecht, was noch nichts darüber besagt unter welchen Voraussetzungen eine solche Maßnahme im Einzelfall dennoch zulässig sein kann. Aus deutscher Sicht spiegelt die Entscheidung des EuGH im Ergebnis nur das wider, was § 6b BDSG im Grundsatz ohnehin bereits normiert.

Was die Zulässigkeit einer solchen Videoüberwachung angeht, bleibt der EuGH mangels Relevanz für die Vorlagefrage zwar vage, merkt allerdings an, dass eine private Videoüberwachung zulässig sein kann, zum Schutz des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens des für die Verarbeitung Verantwortlichen und seiner Familie.

Auch das entspricht im Grundsatz der deutschen Rechtssprechung zu dieser Frage, die bislang eine Einzelfallabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht desjenigen, der gefilmt wird und den berechtigten Interessen des Überwachenden vornimmt. Hierbei sind die Hürden für die Zulässigkeit einer Videoüberwachung allerdings bislang eher hoch. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist bei der Installation von Anlagen der Videoüberwachung auf einem Grundstück grundsätzlich sicherzustellen, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich, noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von der Kamera erfasst werden (BGH, Urteil vom 16.03.2010, Az. VI ZR 176/09; BGH, NJW 1995, 1955; AG Nürtingen, NJW-RR 2009, 377 f). Der BGH betont, dass derartige Maßnahmen das allgemeine Persönlichkeitsrechts erheblich beeinträchtigen. Ein derartiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann allerdings dann zulässig sein, wenn schwerwiegende Beeinträchtigungen der Rechte des Überwachenden, beispielsweise Angriffe auf seine Person oder seine unmittelbar Wohnsphäre nicht in anderer Weise abgewehrt werden könnten (BGH, NJW 1995, 1955, 1957). Das bedeutet jedenfalls, dass nicht jedes nachvollziehbare Interesse genügt, sondern eine schwerwiegende Beeinträchtigung dargelegt werden muss. Andernfalls ist die private Videoüberwachung, die den öffentlichen Raum miterfasst, unzulässig.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass eine Videoüberwachung, die nur die eigenen Flächen und Räume des Überwachenden betrifft, ohne weiteres zulässig ist. Sobald allerdings der öffentliche Raum oder private Flächen eines Dritten, insbesondere eines Nachbarn betroffen sind, muss der Überwachende eine erhebliche Beeinträchtigung seiner eigenen Rechtsposition geltend machen können.

Die Entscheidung des EuGH ist übrigens auch einschlägig, wenn Webcams öffentliche Plätze oder Flächen erfassen und Personen erkennbar sind. Der Betrieb derartiger Webcams ist datenschuztzwidrig.

posted by Stadler at 09:29  

4.12.14

Editorial K&R: Bringt das Maut-Gesetz eine neue Vorratsdatenspeicherung?

Ein kurzer Hinweis in eigener Sache:

Mein Editorial für die aktuelle Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift Kommunikation & Recht (K&R 12/2014) mit dem Titel „Bringt das Maut-Gesetz eine neue Vorratsdatenspeicherung?“ ist – vermutlich nur vorübergehend – online abrufbar.

posted by Stadler at 10:01  
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