Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

9.10.14

Muss Google den betroffenen Content-Anbieter von einer Löschung aus dem Index informieren?

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat sich u.a. mit dem Google-Urteil des EuGH beschäftigt und diesbezüglich die bemerkenswerte Auffassung vertreten, dass Google den Content-Anbieter, dessen Inhalte ausgelistet werden, hierüber nicht informieren darf. Wörtlich heißt es in der aktuellen Entschließung der Datenschützer:

Eine Befugnis der Anbieter von Suchmaschinen, Inhaltsanbieter routinemäßig über die Sperrung von Suchergebnissen zu informieren, besteht nicht. Dies gilt auch dann, wenn die Benachrichtigung nicht ausdrücklich den Namen des Betroffenen enthält.

Woraus ein solches gesetzliches Verbot, den Inhaltsanbieter zu informieren, allerdings resultieren sollte, verschweigt das Papier. Insoweit sollte man zunächst berücksichtigen, dass die Entfernung eines möglicherweisen legalen Inhalts aus dem Index von Google einen erheblichen Rechtseingriff gegenüber dem Inhaltsanbieter darstellen kann. In grundrechtlicher hinsicht können sowohl die Meinungsfreiheit als auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit betroffen sein. Auch das Informationsinteresse der Allgemeinheit wird beenträchtigt. Vor diesem Hintergrund muss es dem betroffenen Inhaltsanbieter ebenso wie dem datenschutzrechtlich Betroffenen möglich sein, sich (effektiv) gerichtlich gegen eine solche Auslistung durch Google oder eine andere Suchmaschine zu wehren. Allein deshalb ist ein Verbot einer Benachrichtung, entgegen der Ansicht der Datenschutzbehörden, nicht begründbar.

Speziell im Falle von Google kommt ein weiterer Aspekt hinzu. Google verfügt auf dem Suchmaschinenmarkt über eine marktbeherrschende Stellung. Das hat Auswirkungen auch im Bereich des Zivilrechts. Marktbeherrschende Unternehmen unterliegen gegenüber Unternehmen einem Abschlusszwang (Kontrahierungszwang), wenn die Ablehnung eines Vertragsschlusses gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot verstößt. Auch gegenüber Verbrauchern wird allgemein angenommen, dass ein Kontrahierungszwang besteht und ein Vertragsschluss nur aus sachlichen Gründen abgelehnt werden darf. Auch wenn es sich vorliegend nicht um einen klassischen Vertrag handelt, so liegt zumindest ein vertragsähnliches Nutzungsverhältnis vor.

Man muss also davon ausgehen, dass zumindest gegenüber dem marktberrschenden Unternehmen Google ein Anspruch auf Aufnahme in den Suchindex und auf Anzeige in der Trefferliste besteht. Ein sachlicher Grund für eine Auslistung oder Nichtaufnahme kann natürlich darin bestehen, dass das Persönlichkeitsrecht des datenschutzrechtlich Betroffenen verletzt wird. Ob das tatsächlich der Fall ist oder nicht, müssen aber letztlich die Gerichte entscheiden. Damit der betroffene Inhaltsanbieter seine Rechte aber überhaupt effektiv wahrnehmen kann, muss ihn Google von der Auslistung informieren.

Es wird ohnehin interessant sein zu sehen, ob sich auch betroffene Inhaltsanbieter gegen eine Entfernung aus dem Suchindex wehren werden. Google befindet sich letztlich in einer unangenehmen Sandwichposition. Es muss die Rechte beider Seiten gegeneinander abwägen und hat hierbei stets das Risiko zu tragen, dass eine Seite die Maßnahme von Google gerichtlich überprüfen lassen kann.

Die Haltung der Datenschutzbehörden erweist sich einmal mehr als äußerst einseitig auf den datenschutzrechtlich Betroffenen ausgerichtet. Die Datenschutzbehörden sind daher kaum als neutrale Sachwalter zu betrachten, denen man eine objektive und ausgewogene Abwägungsentscheidung zutrauen kann.

posted by Stadler at 15:24  

13 Comments

  1. Ein weiteres Beispiel für das jakobinische Gedankengut in der Datenschützerszene. Wenn man bedenkt, daß sie einmal als Sympathieträger angefangen haben…

    Anlaß dürften hier Fälle wie dieser sein: http://www.bildblog.de/60621/die-verlorene-ehre-des-alexanderblum/

    Comment by OG — 9.10, 2014 @ 16:18

  2. „Insoweit sollte man zunächst berücksichtigen, dass die Entfernung eines möglicherweisen legalen Inhalts aus dem Index von Google einen erheblichen Rechtseingriff gegenüber dem Inhaltsanbieter darstellen kann.“

    Das verstehe ich nicht.
    Google ist doch – grundrechtlich – ein Privater. Von einem Fall ausgehend, wo zwischen dem Inhalteanbieter und Google keine privatrechtliche Rechtsbeziehung besteht, ist doch augenscheinlich der Inhalteanbieter nicht in der Position etwas von google zu verlangen? Worauf sollte sich denn ein solcher Anspruch gründen? In welches Recht greift denn google konkret ein, wenn es hier an seinen eigenen Listen rumbastelt.

    Da hier zwei Private miteinander spielen, ist mir auch unklar, inwieweit hier eine Grundrechtsverletzung relevant ist?

    Misverstehen Sie mich nicht – im Ergebnis ist wünschenswert, was Sie sagen, aber ich sehe nicht, wie sich das juristisch begründen lässt.

    Das einzige was ich nachvollziehen kann ist die Wettbewerbsrechtliche Seite, des Problems. Aber auch hier: Der private Blogbetreiber ist doch dann auch außen vor oder? Denn der nimmt insoweit nicht am geschäftlichen Verkehr teil.
    Und genau genommen: Kontrahierungszwang trifft es ja nicht ganz in dem Regelfall, in dem google einfach in den Index aufnimmt, ohne den Dritten zu fragen/zu benachrichtigen. Oder irre ich?

    Comment by EinjungerJurist — 9.10, 2014 @ 18:20

  3. @EinjungerJurist

    Guter Einwand.

    Den Grundrechtseingriff kann man darin sehen, daß Google aus der (im Einzelfall zutreffenden oder nicht zutreffenden) Meinung heraus handelt, aufgrund eines Gesetzes zu der Sperrung verpflichtet zu sein. Die Sperrung beruht also auf einem Gesetz, dessen Anwendung seinerseits im Einzelfall grundrechtskonform sein muß. Im Falle einer Fehleinschätzung wird man kaum von einem (prinzipiell nicht grundrechtsrelevanten) Gebrauchmachen von der Privatautonomie sprechen können, wenn Google erklärtermaßen nur das Gesetz ausführen wollte.

    Eine schwierige Konstellation, die von Rigo Wenning mit dem schönen Namen „Drittfreiheitsliquidation“ getauft worden ist (http://www.verfassungsblog.de/ribverfg-masing-vorlaeufige-einschaetzung-der-google-entscheidung-des-eugh/#comment-241341).

    Comment by OG — 9.10, 2014 @ 19:02

  4. Zur unbemerkten Auslistung, egal ob durch Urteil oder wegen sonstiger Gründe: Ich denke die Frage hat nur theoretische Bedeutung. Wer bei google ausgelistet wird, bekommt das in der Regel sehr schnell mit. Selbst wenn man sich dann erfolgreich wieder in den Index klagt – google kann in jedem Fall beliebig viele „passendere“ Treffer im Suchergebnis vor dem erfolgreichen Kläger einblenden. Aus Sicht des Klägers ist das Ergebnis dasselbe. Solange google nicht gezwungen ist, bei jedem Suchergebnis wenigstens ansatzweise durch grobe Kennzahlen o.ä. die Positionierung zu erklären, können und werden sie weiterhin tun was sie wollen, Gerichtsentscheidung hin oder her. Zu solchen Kennzahlen wird es wahrscheinlich nie kommen, Geschäftsgeheimnis, Missbrauch etc., was auch nicht von der Hand zu weisen ist.

    Comment by Praxis — 9.10, 2014 @ 19:26

  5. Ich habe keinen Vertrag mit Google. Mir ist es auch egal, ob ich bei Google gefunden werde oder nicht. Was interessiert mich das angesichts einer auf Konsum, Aufmerksamkeit, Egoismus, Betrug etc. ausgerichtete Gesellschaft.

    Die Treffer bei Google sind für mich von Nachteil. Kriminelle Anwälte und kriminelle Richter nehmen das zum Anlass und verbieten mir, öffentlich zu arbeiten, Partner und Mitstreiter einfach und effektiv unter Nutzung der neuen Technologien zu suchen und zu finden.

    Über Google kann identifiziert – auch ohne Namensnennung – werden. Damit wird seriöse Arbeit verhindert.

    Google trägt entscheiden dazu bei, das Internet in die mittelalterlichen Denk- und Rechtsstrukturen zu zwängen.

    Die große Chance, die das des Internet bot, ist dank Google – nicht nur Google – zunichte gemacht worden.

    Obsiegt hat nicht der Fortschritt, sondern das Alte im neuen Gewand.

    Der Kommerz, das Kapital hat im Internet das Sagen. Das ist einseitig. Die meisten Domaininhaber benötigen Google nicht.

    Comment by Rolf Schälike — 9.10, 2014 @ 20:04

  6. @Rolf Schälike

    „Die meisten Domaininhaber benötigen Google nicht.“

    Das meinen Sie nicht ernst? Meine Gegentheorie: Die meisten Menschen kennen nur das, was sie über Google gefunden haben. Und, was die meisten Menschen über Google gefunden haben, ist Gesetz. Der zweite Satz gilt vielleicht heute noch nicht, aber wir sind auf dem besten Weg dorthin.

    Comment by Praxis — 9.10, 2014 @ 20:27

  7. @Praxis

    Ich meine die Domaininhaber, nicht die Google-Nutzer.

    Das ist, wie mit der Werbung. Die meisten benöigen die Werbung nicht. Sachkunde kann anders erlangt werden.

    Beworbenene und gekaufte Artikel sind nicht unbedingt die besten und tatsächlich benötigten.

    Zur Kapitalgewinnung ist Werbung allerdings unerlässlich. Das meiste könnte ohne Kapital nicht produziert werden. Das macht aber die Werbung nicht besser.

    Comment by Rolf Schälike — 9.10, 2014 @ 20:39

  8. €Praxis Die meisten Menschen kennen nur das, was sie über Google gefunden haben.

    Das mag stimmen, weil es Google gibt. Ohne Google würden die meisten nicht weniger Kontakte haben bzw. Produkte kaufen, auch keine schlechteren. Eher das Gegenteil.

    Comment by Rolf Schälike — 9.10, 2014 @ 20:42

  9. @Praxis … was die meisten Menschen über Google gefunden haben, ist Gesetz. Der zweite Satz gilt vielleicht heute noch nicht, …

    Dem stimme ich zu. Formuliere das anders: Wir steuern eine Diktatur zu. Notwendig ist eine Diktatur allerdings nicht.

    Comment by Rolf Schälike — 9.10, 2014 @ 21:11

  10. @7,8 Domaininhaber, die ihre Domain dauerhaft ohne spürbare Aufmerksamkeit betreiben, dürften die Ausnahme sein. Für Blogs mag das vielleicht gelten, es ist sicher befreiend, sich bei Bedarf etwas von der Seele zu schreiben. Der Rest besteht aber nicht nur aus Businessseiten.

    Und da ist heute tatsächlich alles beim alten: Was dem Verleger nicht passt, existiert nicht und hat es schwer. Sachkunde ist populäres Wissen, „Stand der Technik“, sagt ja alles ;-)

    Comment by Praxis — 9.10, 2014 @ 21:52

  11. @10Praxis: Inwiefern ist Sachkunde populäres Wissen?

    Das Wissen über den „Stand der Technik“ erlangt man über Google nur bedingt.

    Im Netz tummeln sich so gut wie alle. Es stellt sich immer wieder die Frage, welche Gruppe obsiegt, bekommt Oberhand. Gegenwärtig obsiegen die fiesen Typen auf allen Gebieten, in allen Bereichen.

    Dass Google von sich aus nach eigenen Gesichtspunkten filtert gehört einfach dazu, ist unvermeidbar. Die Offenbarung seiner Kriterien etc. wird zu keinem anderen Ergbenis führen. Die Kontrolle über die gegenwärtigen Gerichte, Gesetze, Rechtsprechung wird die Menschen auch nicht zwangsweise glücklicher machen.

    Comment by Rolf Schälike — 10.10, 2014 @ 07:50

  12. Vielleicht besser „in Fachkreisen populäres Wissen“, der Stand der Technik wechselt vermutlich sogar recht schnell, weil es oft um das Geld aller Beteiligten geht und der Wunsch zu sparen jeden zum Fortschritt treibt. Ich meinte eher „Herrschende Meinung“, da ist die Konstellation anders verteilt und der Anpassungsdruck deutlich geringer.

    Aber, Asche auf mein Haupt, ich hätte wenigstens kurz in das dem Artikel zugrundeliegende Urteil sehen sollen: Es geht gar nicht um Auslistung von ganzen Domains, sondern lediglich einzelner Suchergebnisse, möglicherweise verteilt über mehrere, unabhängige Domains. Habe den Sachverhalt verwechselt, deswegen schrieb ich etwas an dir vorbei, insbesondere was das Interesse der Domaininhaber anging. Schönes WE!

    Comment by Praxis — 10.10, 2014 @ 15:18

  13. @Rolf Schälike

    Sorry, aber Deine Beiträge grenzen wieder mal an Idiotie. Schreibe doch einfach mal nützliche Beiträge, mit denen kluge Menschen etwas anfangen können.

    Zitat: „Im Netz tummeln sich so gut wie alle. Es stellt sich immer wieder die Frage, welche Gruppe obsiegt, bekommt Oberhand. Gegenwärtig obsiegen die fiesen Typen auf allen Gebieten, in allen Bereichen.“

    Schälike, schau mal in den Spiegel.

    Comment by Eckhard — 14.10, 2014 @ 21:37

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