Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

9.10.15

Warum die Euphorie über das Safe-Harbor-Urteil unangebracht ist

Die Medien haben geradezu euphorisch auf das Urteil des EuGH vom 06.10.2015 reagiert, Prantl meint in der SZ gar, die Entscheidung würde die globale Datenwirtschaft verändern. Die euphorische Reaktion rührt auch daher, dass der Gerichtshof auch sehr deutlich den Datenzugriff von US-Geheimdiensten kritisiert, der erfolgt, ohne, dass es ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten für europäische Bürger gibt. An dieser Stelle muss natürlich die Frage erlaubt sein, welche effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten ein europäischer Bürger beispielsweise gegen die Datenzugriffe des BND oder des GHCQ hat.

Das Urteil des EuGH besagt zunächst nur, dass die irische Datenschutzbehörde die von Max Schrems gerügten Verstöße inhaltlich prüfen kann und das Safe Harbor Abkommen sie nicht daran hindert, das zu tun. Darüber hinaus wird die Entscheidung der Kommission zu Safe Harbor ausdrücklich für ungültig erklärt.

Die EuGH-Entscheidung ist konsequent und entspricht den Vorgaben der Datenschutzrichtlinie, die davon ausgeht, dass Daten nach außerhalb des EU-Raums nur dann übermittelt werden dürfen, wenn im Empfängerstaat ein Datenschutzniveau sichergestellt ist, das dem europäischen entspricht.

Die Entscheidung des EuGH entspricht allerdings nicht der Lebenswirklichkeit, denn sie würde in konsequenter Umsetzung dazu führen, dass eine Übermittlung von personenbezogenen Daten in die USA bzw. an Unternehmen in den USA regelmäßig gar nicht mehr zulässig wäre. Während ich das schreibe, sind Sie vielleicht gerade bei Facebook eingeloggt und es werden terabyteweise Daten in die USA übermittelt und ich wage die Prognose, dass das auch in fünf Jahren nicht anders sein wird.

Wir werden infolge des EuGH-Urteils Europa nicht vom Internet abkoppeln und auch hiesige Unternehmen nicht daran hindern, personenbezogene Daten in die USA zu übermitteln. Das Urteil wird praktisch nicht viel ändern. Mit ihm verbindet sich allenfalls die Hoffnung, dass die Kommission jetzt mit den USA ein datenschutzrechtliches Abkommen verhandeln und abschließen wird, das über die Augenwischerei von Safe Harbor hinausgeht.

Die Entscheidung zeigt aber auch, dass das Grundkonzept unseres Datenschutzrechts, das auch durch die geplante Datenschutzgrundverordnung nicht in Frage gestellt wird, den Anforderungen des Internetzeitalters nicht genügt und letztlich zu unauflösbaren Widersprüchen führt. Hierüber habe ich in den letzten Jahren schon mehrfach gebloggt.

posted by Stadler at 12:26  

8.10.15

BVerfG: Polizeibeamte dürfen zum Zweck der Beweissicherung gefilmt werden

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass eine polizeiliche Identitätsfeststellung von Personen, die Polizeibeamten filmen, nicht ohne weiteres zulässig ist (Beschluss vom 24.07.2015, Az.: 1 BvR 2501/13). Es muss vielmehr tragfähige, konkrete Anhaltspunkte dafür geben, dass der filmende Bürger den Film unter Verstoß gegen das KUG veröffentlichen will. Das BVerfG stellt nebenbei nochmals klar, dass es grundsätzlich zulässig ist, Polizeibeamte zu Beweiszwecken zu filmen und zu fotografieren. In dem Beschluss des BVerfG heißt es dazu:

Hiergegen verstieße es, wenn das Anfertigen von Lichtbildern oder Videoaufnahmen eines Polizeieinsatzes unter Verweis auf die bloße Möglichkeit einer nachfolgenden strafbaren Verletzung des Rechts am eigenen Bild (nach § 22 Satz 1, § 33 Abs. 1 KunstUrhG) genügen sollten, um polizeiliche Maßnahmen wie eine Identitätsfeststellung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Nds.SOG durchzuführen. Wer präventivpolizeiliche Maßnahmen bereits dann gewärtigen muss, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass sein Verhalten Anlass zu polizeilichem Einschreiten bietet, wird aus Furcht vor polizeilichen Maßnahmen auch zulässige Aufnahmen (zur grundsätzlichen Zulässigkeit des Filmens und Fotografierens polizeilicher Einsätze vgl. BVerwGE 109, 203 <210 f.>) und mit diesen nicht selten einhergehende Kritik an staatlichem Handeln unterlassen. Beabsichtigt die Polizei, wegen Lichtbildern und Videoaufnahmen präventivpolizeilich – sei es durch ein Film- oder Fotografierverbot (vgl. BVerwGE 143, 74 <77 ff.>), sei es wie hier durch eine Identitätsfeststellung – einzuschreiten, ergibt sich aus den durch die Maßnahme jeweils betroffenen Grundrechten – hier Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG – die Anforderung einer konkreten Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut. Dies ist eine Frage der tatsächlichen Umstände im Einzelfall. Dementsprechend geht die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung grundsätzlich in verfassungskonformer Auslegung der §§ 22, 23 KunstUrhG davon aus, dass unzulässige Lichtbilder nicht auch stets verbreitet werden (vgl. BVerwGE 109, 203 <211>). Gehen die Sicherheitsbehörden demgegenüber davon aus, dass im Einzelfall die konkrete Gefahr besteht, eine solche unzulässige Verbreitung sei ebenfalls zu befürchten, bedarf es hierfür hinreichend tragfähiger Anhaltspunkte.

posted by Stadler at 14:48  

6.10.15

Safe-Harbor-Abkommen ist ungültig: Schrems siegt beim EuGH

Der EuGH hat mit Urteil vom heutigen Tag (Az.: C – 362/14), das sog. Safe-Harbor-Abkommen für ungültig erklärt. Das ist durchaus als Knaller zu bewerten.

Zwischen der EU-Kommission und den USA besteht ein datenschutzrechtliches Abkommen, das sich Safe Harbor nennt und, das es US-Unternehmen ermöglichen soll, Daten von EU-Bürgern in Übereinstimmung mit europäischem Recht zu verarbeiten. Dieses Abkommen ist oft kritisiert worden, weil amerikanische Unternehmen sich damit ohne effektive Kontrolle quasi selbst als datenschutzkonform einstufen können. Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof hatte das Abkommen bereits als ungültig qualifiziert. Der EuGH ist diesem Votum jetzt gefolgt und führt als Schlussfolgerung seiner Entscheidung folgendes aus:

Dieses Urteil hat zur Folge, dass die irische Datenschutzbehörde die Beschwerde von Herrn Schrems mit aller gebotenen Sorgfalt prüfen und am Ende ihrer Untersuchung entscheiden muss, ob nach der Richtlinie die Übermittlung der Daten der europäischen Nutzer von Facebook in die Vereinigten Staaten auszusetzen ist, weil dieses Land kein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Daten bietet.

posted by Stadler at 14:06  

25.9.15

Leistungsschutzrecht: DPMA schlägt Einigung vor

Im Streit um eine Vergütung für das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse hat die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt drei Einigungsvorschläge unterbreitet, deren genauer Inhalt nicht bekannt ist.

Aus der Pressemitteilung des Amts wird lediglich deutlich, dass der von der VG Media festlegte „Tarif Pressverleger“ in seiner gegenwärtigen Form vom Amt nicht als angemessen betrachtet wird.

Andererseits geht das DPMA davon aus, dass der Tarif der VG Media unter einschränkender Auslegung anwendbar ist. Nach Ansicht des Amtes sei es unumgänglich, für den gesetzlichen Ausnahmetatbestand der „einzelnen Wörter“ und „kleinsten Textausschnitte“ eine konkrete Wortzahlgrenze anzugeben. Die Schiedsstelle schlägt hierzu eine feste Obergrenze von sieben Wörtern unter Ausschluss der Suchbegriffe vor.

Es könnte also durchaus sein, dass Google Inhalte von Mitgliedern der VG Media künftig nur noch mit sieben Wörtern zuzüglich der verwendeten Suchbegriffe anzeigt.

Der Vorschlag der Schiedsstelle entspricht nach meiner Einschätzung nicht der tatsächlichen Rechtslage. Es ist bislang allerdings gänzlich unklar, wie der unbestimmte Rechtsbegriff der kleinsten Textauschnitte auszulegen ist.

Nach einer sehr weitgehenden Auffassung in der Kommentarliteratur können rechtlich zulässige Snippets zwischen 5 bis 10 % des Originalwerks umfassen (Gräfe, in: Möhring/Nicolini, Urheberrecht, Kommentar, § 87 f, Rn. 20). Danach wäre die Grenzlinie diejenige Menge an Text, die es für den Nutzer unattraktiv macht, die Originalseite anzusteuern, da er die Befriedigung seines Informationsbedürfnisses bereits aus dem Snippet gezogen hat. In der juristischen Literatur wird teilweise auch angenommen, dass das Leistungsschutzrecht nur dann eingreift, wenn längere Textpassagen übernommen werden (Kahl, MMR 2013, 348). Vertreten wird beispielsweise auch die Auffassung, dass kleinste Textausschnitte einen Umfang von bis zu 250 Zeichen haben dürfen (Kühne, CR 2013, 169). Ob sich diese eher großzügige Betrachtung durchsetzen oder die Rechtsprechung engere Grenzen ziehen wird, ist bislang offen.

Nachdem der eindeutige Wille des Gesetzgebers aber dahin ging, die normale Suchmaschinenfunktionalität nicht zu beeinträchtigen, dürften als kleinste Textausschnitte jedenfalls das anzusehen sein, was Google und andere Suchmaschinen üblicherweise im Rahmen eines einzelnen Suchtreffers anzeigen. Das sind eine Überschrift, eine URL und ein Textausschnitt von ca. 20 Wörtern.

In seiner Vorschaubilder-Rechtsprechung hat der BGH immer wieder betont, dass bei Nutzungshandlungen von Suchmaschinen, die nach den Umständen üblich sind, eine schlichte Einwilligung des Rechteinhabers anzunehmen ist. Ob der BGH diese Kriterien auch auf das Leistungsschutzrecht anwenden wird, ist zwar nicht entschieden. Es ist andererseits aber auch nicht ersichtlich, weshalb die Rechtsprechung hier andere Maßstäbe anlegen sollte. Der im Gesetzgebungsverfahren gefundene Kompromiss sollte nämlich gerade sicherstellen, dass die übliche und verbreitete Suchmaschinenfunktionalität im Interesse der Allgemeinheit und der Auffindbarkeit von Informationen nicht beeinträchtigt wird. Die Übernahme von Snippets in einer Länge, wie sie in Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo üblich sind, dürfte daher kaum gegen das Leistungsschutzrecht verstoßen (so z.B. auch Kreutzer, MMR 2014, 512, 514).

Ebenefalls zum Thema:
Presseverleger haben zu hoch gepokert (ZEIT-Online)
Leistungsschutzrecht: Snippet-Tarif der VG Media „nicht angemessen (Heise)

posted by Stadler at 16:30  

25.9.15

15.000 EUR Schmerzensgeld wegen Verbreitung pornografischer Fotomontagen im Netz

Die Verbreitung von Bilddateien über das Internet, bei denen Kopf und Gesicht einer Frau durch Bildmanipulation auf den Körper nackter Frauen montiert worden ist, stellen eine besonders schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar, die ein erhebliches Schmerzensgeld rechtfertigt.

Das Landgericht Oldenburg hatte in einem solchen Fall ein Schmerzensgeld von EUR 22.000,- zugesprochen (Urteil vom 02.03.2015, Az.: 5 O 3400/13), das das OLG Oldenburg mit Urteil vom 11.08.2015 (Az: 13 U 25/15) auf EUR 15.000,- reduziert hat.

Das Landgericht hatte die besondere Eingriffsintensität betont, weil die Bildmanipulation die scheinbar entblößte Klägerin in pornografischen Posen beim Geschlechtsverkehr z.T. mit mehreren Männern zeigt, was die Klägerin nach Ansicht des Gerichts zu Recht als erniedrigend, abstoßend und zutiefst verletzend empfunden hat. Das Gericht geht insgesamt von elf verschiedenen Veröffentlichungen aus, in einem Fall sogar mit vollständigem Namen der Klägerin. Vor diesem Hintergrund hat es ein für deutsche Verhältnisse sehr hohes Schmerzensgeld zugesprochen, das vom OLG dann aber wieder etwas reduziert worden ist.

posted by Stadler at 09:47  

24.9.15

Leistungsschutzrecht: Verlage blitzen beim Kartellamt ab

Das Bundeskartellamt hat in einem aktuellen Beschluss sehr ausführlich begründet, warum es keine Veranlassung hat, gegen Google wegen des Verhaltens der Suchmaschine im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse ein Kartellverfahren einzuleiten.

Die Verlage wollten Google dazu zwingen, einen Lizenzvertrag mit der von ihnen beauftragten Verwertungsgesellschaft VG Media abzuschließen, während Google damit begonnen hatte, die Inhalte der beteiligten Verlage nur noch eingeschränkt anzuzeigen. Daraufhin hat die VG Media Google vorerst eine Gratislizenz erteilt, während die Verwertungsgesellschaft und die Verlage bei kleineren Anbietern weiterhin versuchen, Kasse zu machen.

Die Kartellbeschwerde der Verlage hat das Bundeskartellamt vor allem auch deshalb abgelehnt, weil ein Kontrahierungszwang nicht besteht. Google ist also rechtlich nicht dazu verpflichtet, einen Lizenzvertrag mit den Verlagen bzw. der VG Media abzuschließen. Außerdem bestehe ein legitimes Interesse Googles daran, ein legales Geschäftsmodell forzuführen. Schließlich betont das Amt auch noch die Bedeutung von Suchmaschinen für die Allgemeinheit. Hierzu heißt es in dem Beschluss des Kartellamts:

Unabhängig von der Frage, inwieweit urheberrechtliche Wertungen im Rahmen der kartellrechtlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind, statuieren die genannten Regelungen nach Auffassung der Beschlussabteilung keinen Kontrahierungszwang im Sinne eines Nutzungszwangs eines entgeltlichen Leistungsschutzrechts. Vielmehr spricht bereits der Wortlaut des § 87 f Abs. 1 S. 1 UrhG – „hat das ausschließliche Recht“ – dafür, dass es sich um ein klassisches Verwertungsrecht handelt. Dies entspricht der Formulierung in § 15 UrhG, der den Kernkatalog solcher Rechte enthält. Verwertungsrechte geben dem Urheber die alleinige Befugnis, den Schutzgegenstand zu nutzen (positives Benutzungsrecht) und Dritte von der Benutzung auszuschließen (negatives Verbietungsrecht).

Bestätigt wird diese Bewertung durch Systematik und Entstehungsgeschichte. So hat bereits der ursprüngliche Regierungsentwurf das Leistungsschutzrecht ausdrücklich als Verbotsrecht charakterisiert.

Weiter nimmt das Gesetz in § 87f Abs. 1 S. 1 „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ aus seinem Anwendungsbereich aus. Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages führt zu dieser erst von eben diesem Ausschuss eingefügten Passage aus, damit „Suchmaschinen und Aggregatoren ihre Suchergebnisse kurz bezeichnen können, ohne gegen Rechte der Rechteinhaber zu verstoßen, sollen einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst sein“.

Mit einem Zwang zum entgeltlichen Erwerb wäre dies unvereinbar. Ein Erwerbs- und Nutzungszwang von Urheberrechten ist dem UrhG auch grundsätzlich fremd. Auch der von den Beigeladenen in Bezug genommene § 87 Abs. 5 UrhG spricht keinen solchen absoluten Erwerbszwang von Urheberrechten durch Kabelnetzbetreiber aus, sondern sieht die Möglichkeit der Ablehnung des Vertragsabschlusses grundsätzlich vor. Darüber hinaus erhalten die großen Kabelnetzbetreiber in Deutschland erhebliche Einspeiseengelte, welche die Entgelte aus § 87 UrhG bei weitem übersteigen, so dass hier im Ergebnis regelmäßig von einem Interesse des Kabelnetzbetreibers an dem Vertragsabschluss ausgegangen werden kann.

Mit dem Verbotsrecht nach § 87f Abs. 1 UrhG haben die Verlage – konzeptionell in Übereinstimmung mit jedem anderen urheberrechtlichen Verbotsrecht auch – vom Gesetzgeber lediglich ein Instrument erhalten, dass sie versuchen können, am Markt zu monetarisieren. Das Recht gibt ihnen jedoch keine Gewähr, dass dieser Versuch auch erfolgreich ist. Insofern kann es aus kartellrechtlicher Sicht auch kein berechtigtes Interesse der Verlage daran geben, dass Google Ihnen nicht die Möglichkeit des unentgeltlichen Opt-Ins zweiter Stufe anbietet, zumal die Handlungsmöglichkeiten des einzelnen Verlages damit erst einmal nur erweitert werden.

Umgekehrt streitet für Google an dieser Stelle das Interesse, ein legales Geschäftsmodell fortführen zu können. Suchmaschinen haben Webseitenbetreiber bisher generell nicht dafür bezahlt, in den Suchergebnissen fallweise unter Angabe einiger kurzer Informationen auf ihre Seiten zu verlinken.

(…)

An dem Geschäftsmodell Suchmaschine besteht auch ein Interesse der Allgemeinheit.

Angesichts der Milliarden an vorhandenen Webseiten ist eine Möglichkeit zum Auffinden einzelner Seiten von hoher Bedeutung dafür, dass jeder Nutzer sich die vorhandenen Informationen erschließen und das in der Geschichte bisher einmalige Wissenspotential des Internet für sich nutzen kann. Eine bessere Methodik als eine Suchmaschine zur breiten Erschließung dieses Wissenspotentials hat die Entwicklung nach Kenntnis der Beschlussabteilung bisher nicht hervorgebracht. Würde das Konzept der universalen Verlinkbarkeit – zu dem notwendig auch die Möglichkeit zur Beschreibung des Links gehört, auch automatisiert – beeinträchtigt, weil Suchmaschinenanbieter zwingend in Geschäftsverhandlungen mit bestimmten Webseitenbetreibern oder deren Repräsentanten eintreten müssten, so wären auch die Nutzer die Leidtragenden. Ein solcher Nachteil wäre auch nicht etwa deshalb geringer zu bewerten, weil Suchmaschinen zur Last zu legen wäre, dass sie den Aufruf der eigentlichen Webseiten durch den Nutzer substituierten. Für einen solchen Effekte gibt es aus der Sicht der Beschlussabteilung bisher keinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil spricht etwa die Behauptung von Axel Springer SE, dass nach der vorübergehenden Kürzung von Treffern auf einigen Webseiten aus ihrem Angebot wegen des fehlenden Opt-In zweiter Stufe der Besucherverkehr auf diesen Webseiten massiv zurückgegangen sei, gegen einen solchen substitutiven Effekt. Der Nachteil wäre auch nicht deshalb hinzunehmen, weil er, wie die Beigeladenen geltend machen, eine notwendige Folge des gesetzgeberischen Willens wäre.

Der Gesetzgeber hat gerade keinen Kontrahierungszwang bezüglich des Erwerbs von Leistungsschutzrechten nach §§ 87f ff UrhG vorgesehen (siehe näher oben), so dass eine solche Notwendigkeit nicht angenommen werden kann. Aus diesem Grund kann für eine Bewertung des Nachteils als gering schließlich auch nicht angeführt werden, dass aufgrund der Möglichkeit zur kollektiven Wahrnehmung des Leistungsschutzrechtes der Transaktionsaufwand überschaubar sei.

Das Kartellamt führt noch ein weitere Argument für die Angemessenheit des Verhaltens von Google ins Feld. Google müsse die Möglichkeit haben, Schadensersatzansprüche abzuwehren. Denn schließlich hat die VG Media schon mal 6 % des Umsatzes von Google Deutschland gefordert.

Das Leistungsschutzrecht wird weiter für Rechtsunsicherheit sorgen. Das Ziel, den Verlagen Einnahmen in spürbarem Ausmaß zu verschaffen, wird es allerdings weiterhin verfehlen.

posted by Stadler at 21:25  

24.9.15

Urteil des BGH zu elektronischen Leseplätzen im Volltext

Die Entscheidung des BGH zu elektronischen Leseplätzen ist jetzt im Volltext verfügbar (Az.: Urteil vom 16. April 2015 – I ZR 69/11 – Elektronische Leseplätze II).

Zu der Entscheidung hatte ich bereits im Frühjahr gebloggt. Der BGH legt die Schrankenregelung des § 52b UrhG durchaus nutzerfreundlich aus und hält sich in seiner Urteilsbegründung dabei eng an die Vorgaben der Entscheidung des EuGH.

posted by Stadler at 10:36  

23.9.15

Generalanwalt beim EuGH stützt die Rechtsauffassung von Max Schrems

Der Jurist und Aktivist Max Schrems (Europe vs. Facebook) führt beim irischen High Court ein Verfahren, in dem geklärt werden soll, ob die irische Datenschutzbehörde sich darauf zurückziehen kann, dass die USA nach der Entscheidung der EU-Kommission datenschutzrechtlich ein sicherer Hafen seien oder ob sie vielmehr individuell prüfen muss, ob die Datenübermittlung in den Drittstaat USA gegen irisches bzw. europäisches Datenschutzrecht verstößt.

Konkret wehrt sich Max Schrems gegen die Sammlung und Speicherung seiner Daten durch Facebook und hat vor dem irischen High Court Klage gegen Facebook erhoben. Der High Court hat die zentrale Frage anschließend denm EuGH zur Beantwortung vorgelegt.

Heute hat der Generalanwalt beim EuGH seine Schlussanträge (Az.: 362/14) vorgelegt.

Der Generalanwalt stützt die Rechtsansicht von Max Schrems und vertritt die Auffassung, dass die Existenz einer Entscheidung der Kommission, mit der festgestellt wird, dass ein Drittland ein angemessenes Schutzniveau für die übermittelten personenbezogenen Daten gewährleistet, die Befugnisse der nationalen Datenschutzbehörden nach der Richtlinie über die Verarbeitung personenbezogener Daten weder beseitigen noch auch nur verringern kann. Hierzu führt der Generalanwalt m.E. völlig zutreffend aus, dass die Kommission, wegen der gänzlich unabhängigen Stellung der nationalen Datenschutzbehörden überhaupt nicht ermächtigt ist, die Befugnisse der nationalen Kontrollbehörden zu beschränken.

Der Generalanwalt ist sogar der Ansicht, dass die Safe-Harbour-Entscheidung der Kommission ungültig ist.

Intreressant und aufschlussreich sind auch die Ausführungen des Generalanwalts zur Zusammenarbeit zwischen Facebook und der NSA. In der Pressemitteilung heißt es hierzu:

Der Generalanwalt ist ferner der Ansicht, dass der Zugang der amerikanischen Nachrichtendienste zu den übermittelten Daten einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens und in das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten bedeutet. Desgleichen bedeutet der Umstand, dass die Unionsbürger keine Möglichkeit haben, zur Frage des Abfangens und der Überwachung ihrer Daten in den Vereinigten Staaten gehört zu werden, einen Eingriff in das von der Charta geschützte Recht der Unionsbürger auf einen wirksamen Rechtsbehelf.

Der Generalanwalt sieht in diesem Eingriff in die Grundrechte einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere weil die von den amerikanischen Nachrichtendiensten ausgeübte Überwachung massiv und nicht zielgerichtet ist. Der Zugang zu personenbezogenen Daten, über den die amerikanischen Nachrichtendienste verfügen, erfasst nämlich in generalisierter Weise alle Personen und alle elektronischen Kommunikationsmittel sowie sämtliche übertragenen Daten (einschließlich des Inhalts der Kommunikationen), ohne jede Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des im Allgemeininteresse liegenden Ziels, das verfolgt wird. Unter diesen Umständen kann nach Ansicht des Generalanwalts nicht davon ausgegangen werden, dass ein Drittland ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet, zumal die Regelung über den sicheren Hafen in der Entscheidung der Kommission keine Garantien enthält, die geeignet sind, einen massiven und generalisierten Zugang zu den übermittelten Daten zu verhindern. Denn keine unabhängige Behörde ist in der Lage, in den Vereinigten Staaten zu kontrollieren, ob staatliche Akteure wie die amerikanischen Sicherheitsdienste gegenüber Unionsbürgern gegen die Grundsätze des Schutzes personenbezogener Daten verstoßen.

Angesichts eines solchen Befunds der Verletzung von Grundrechten der Unionsbürger hätte die Kommission nach Auffassung des Generalanwalts die Anwendung der Entscheidung aussetzen müssen (…)

posted by Stadler at 10:41  

23.9.15

OLG Frankfurt zur Frage, wann ein Verbreiten eines Computerprogramms vorliegt

In § 69 c UrhG wird bestimmt, welche Handlungen bei Computerprogrammen dem Rechtsinhaber vorbehalten sind, d.h., welche Handlungen ohne Zustimmung eine Rechtsverletzung darstellen. Zu den danach zustimmungsbedürftigen Handlungen gehört nach § 69c Nr. 3 UrhG auch „jede Form der Verbreitung des Originals eines Computerprogramms oder von Vervielfältigungsstücken“.

Das OLG Frankfurt hat jetzt entschieden, dass auch das bloße Bewerben von Software ohne nachgelagerten Verkaufsvorgang ein Verbreiten nach § 69 c Nr. 3 UrhG darstellt, sofern die Bewerbung zum Erwerb anregt. (Urteil vom 11.08.2015, Az.: 11 U 94/13). Der Senat führt in seiner Entscheidung hierzu folgendes aus:

Der Verbreitungsbegriff des § 69c Nr. 3 UrhG ist mit dem Begriff des Verbreitens in § 17 Abs. 1 UrhG identisch. Zwar dient – was bei der Auslegung zu berücksichtigen ist – § 17 Abs. 1 UrhG der Umsetzung von Art. 4 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, während § 69c Nr. 3 UrhG der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1c) der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen dient. Indes hat der nationale Gesetzgeber mit dem Begriff der Verbreitung in § 69c Nr. 3 UrhG eine Abweichung zu § 17 Abs. 1 UrhG nicht beabsichtigt (BT-Drs. 12/4022, S. 11). Daher wird in der Literatur der Begriff einheitlich verwendet (Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 69c, Rnr. 20; Wandtke/Bullinger/Grützmacher, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 69c, Rnr. 25). Auch aus den Richtlinien ergibt sich nichts Gegenteiliges, so dass grundsätzlich die Rechtsprechung des EuGH und BGH zu Art. 4 der Richtlinie 2001/19/EG sowie zu § 17 UrhG herangezogen werden kann

Das Verbreitungsrecht i. S. von § 17 Abs. 1 UrhG ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Nach Art. 4 I Richtlinie 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten. Unter den Begriff der Verbreitung des Originals oder von Vervielfältigungsstücken eines Werkes an die Öffentlichkeit auf andere Weise als durch Verkauf i. S. von Art. 4 I Richtlinie 2001/29/EG fallen auch Handlungen, auf die nicht die Übertragung des Eigentums an diesem Gegenstand folgt, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt ist, zu dessen Erwerb anregt (EuGH, GRUR 2015,665 – Marcel-Breuer-Möbel). Eine derartige Werbung für einen Schutzgegenstand gehört nämlich ebenfalls zur Kette der Handlungen, mit denen der Verkauf des Gegenstandes zu Stande kommen soll. Die Ziele der Richtlinie 2001/29 verlangen in ihren Erwägungsgründen 9 – 11, dass die Harmonisierung des Urheberrechts von einem hohen Schutzniveau ausgehen muss, der Urheber für die Nutzung eine angemessene Vergütung erhalten muss und die Regelungen zum Schutz der Urheberrechte rigoros und wirksam sein müssen. Für die Verletzung des Verbreitungsrechts ist es danach unerheblich, dass auf eine Werbung nicht der Übergang des Eigentums an dem geschützten Werk oder seinen Vervielfältigungsstücken folgt (EuGH aaO, Rnr. 28, 32).

Im Bereich von Computerprogrammen ist hingegen die Besonderheit zu beachten, dass die schutzbegründenden Elemente der Programmiertätigkeit regelmäßig bei der Bewerbung nicht zutage treten, sondern sich die Bewerbung nur auf die Darstellung der Funktion und/oder auf die äußere Erscheinungsform beschränken kann, die durch § 69c UrhG nicht originär geschützt sind. Indes sind die Erwägungen, die der Rechtsprechung des EuGH zugrunde liegen, auch auf die Verbreitung von Computerprogrammen durch Werbemaßnahmen übertragbar. Zugrunde liegt dem nämlich der Gedanke, dass die Bewerbung sich als Beginn der wirtschaftlichen Auswertung des Werkes bzw. Computerprogramms darstellt. Aus Erwägungsgrund 2 der Softwarerichtlinie ergibt sich, dass die Richtlinie dem Schutz der erheblichen Investitionen menschlicher, technischer und finanzieller Mittel dient, die zur Entwicklung von Computerprogrammen notwendig sind, mithin ein Investitionsschutzelement aufweist, dass diese Argumentation noch verstärkt. Hinzu kommt, dass der EuGH den weiten Schutz der Urheber im Hinblick auf Werbemaßnahmen ausdrücklich auf Art. 6 I des WCT stützt. Da die Richtlinie 2001/29/EG dazu dient, Verpflichtungen nachzukommen, die der Union nach dem WCT obliegen und da nach ständiger Rechtsprechung des EuGH Bestimmungen des Unionsrecht nach Möglichkeit im Lichte des Völkerrechts auszulegen sind, insbesondere wenn mit ihnen ein von der Union beschlossener völkerrechtlicher Vertrag durchgeführt werden sollte, ist die Richtlinie im Einklang mit Art. 6 I des WCT auszulegen. In diesem Lichte ist eine weite Auslegung geboten (EuGH aaO).

Dieselben Erwägungen sind indes auch im Hinblick auf Computerprogramme anzustellen. Diese sind nach Art. 4 WCT als Werke der Literatur geschützt. Auch der Begriff der „Verbreitung“ nach Art. 4 Abs. 1c der Software-Richtlinie ist daher in dem Sinne auszulegen, dass bereits die Bewerbung ohne einen anschließenden Verkaufsvorgang das Verbreitungsrecht verletzt.

posted by Stadler at 09:50  

22.9.15

BGH zur Benutzung einer fremden Marke im Rahmen einer vergleichenden Werbung im Internet

Im Rahmen einer vergleichenden Werbung im Internet dürfen Produkte mit dem Zusatz beworben werden, dass sie einem Markenprodukt eines anderen Herstellers ähneln. Im konkreten Fall wurden Staubsaugerbeutel mit dem Hinweis „ähnlich Swirl“ im Netz angeboten. Dagegen kann sich der Inhaber der Marke Swirl nicht erfolgreich zur Wehr setzen, wie der BGH in einem jetzt veröffentlichten Urteil entschieden hat (Urteil vom 02.04.2015, Az.: I ZR 167/13).

Der BGH geht zwar davon aus, dass eine markenmäßige Benutzung vorliegt. Diese sei aber zulässig, weil der Markeninhaber nicht berechtigt ist, einem Dritten die Benutzung eines mit der Marke identischen oder ähnlichen Zeichens in einer vergleichenden Werbung zu verbieten, wenn die Werbung im Einklang mit § 6 UWG steht. Der BGH führt in seiner Entscheidung zu § 6 UWG folgendes aus:

Die vergleichende Werbung der Beklagten ist nicht unlauter.

Die Unlauterkeitsmerkmale des § 6 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG liegen nicht vor. Die in den Vergleich einbezogenen Waren der Beklagten und der Klägerin sind für denselben Zweck bestimmte Staubsaugerbeutel. Die funktionelle Gleichwertigkeit, also die Möglichkeit, einen von der Beklagten angebotenen Staubsaugerbeutel anstelle des damit verglichenen Staubsaugerbeutels der Klägerin zu verwenden, ist auch eine wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaft der Waren der Beklagten.
Zutreffend hat das Berufungsgericht eine Unlauterkeit wegen Verwechslungsgefahr gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG verneint.
Nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG handelt unlauter, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt.

Das Berufungsgericht hat in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung der Umstände der beanstandeten Werbung angenommen, der Gebrauch des Adjektivs „ähnlich“ in den Angeboten der Beklagten stelle unmissverständlich klar, dass es sich nicht um Produkte der Klägerin handele, sondern um Erzeugnisse eines Wettbewerbers. Die Revision legt nicht dar, warum das Berufungsgericht gleichwohl von einer Verwechslungsgefahr hätte ausgehen müssen.

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Werbung der Beklagten den Ruf der Marke der Klägerin nicht in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG).

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte nutze durch Verwendung der Bezeichnung „Swirl“ gezielt die Bekanntheit und den guten Ruf der Produkte der Klägerin aus. Die Angebote der Beklagten erschienen aufgrund der Verwendung der Bezeichnung „Swirl“ in der Überschrift bei einem nach den Produkten der Klägerin suchenden Internetnutzer in vorderer Platzierung auf der Trefferliste. Außerdem stehe die Marke „Swirl“ in der Öffentlichkeit für Qualitätsstaubsaugerbeutel, so dass sich die Beklagte deren besonderen Ruf zunutze mache, indem sie durch Verwendung des Adjektivs „ähnlich“ die qualitative Vergleichbarkeit ihrer Produkte betone. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

Diese Ausnutzung des Rufs der Marke der Klägerin durch die Beklagte ist jedoch nicht unlauter.

Die Feststellung, ob die Benutzung eines Zeichens dessen Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt, erfordert eine umfassende Beurteilung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, wobei insbesondere das Ausmaß der Bekanntheit und des Grades der Unterscheidungskraft des Zeichens, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, die Art der betroffenen Produkte und der Grad ihrer Nähe sowie die möglicherweise bestehende Gefahr der Verwässerung oder Verunglimpfung des Zeichens zu berücksichtigen sind (EuGH, GRUR 2009, 756 Rn. 44 f. L’Oréal/Bellure; BGH, GRUR 2011, 1158 Rn. 23 Teddybär). Die Verwendung eines Zeichens, das einem bekannten Zeichen ähnlich ist, nutzt dessen Ruf in unlauterer Weise aus, wenn dadurch versucht wird, sich in den Bereich der Sogwirkung des bekannten Zeichens zu begeben, um von seiner Anziehungskraft, seinem Ruf und seinem Ansehen zu profitieren und die wirtschaftlichen Anstrengungen des Inhabers dieses Zeichens zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Image dieses Zeichens ohne finanzielle Gegenleistung auszunutzen. Die Feststellung einer solchen Unlauterkeit erfordert daher die Abwägung zwischen den Interessen des Werbenden, des betroffenen Mitbewerbers und der Verbraucher, bei der die legitime Funktion der vergleichenden Werbung, die Verbraucher objektiv zu informieren, und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, GRUR 2011, 1158 Rn. 23 Teddybär).

Danach ist eine unlautere Rufausnutzung regelmäßig zu verneinen, wenn auf Artikelnummern von Produkten der Mitbewerber hingewiesen wird, weil sich ohne diese ein Vergleich schwerlich in der gebotenen Weise durchführen lassen wird. Dasselbe gilt, wenn Bestellnummern von Mitbewerbern vollständig oder in ihrem Kern übernommen werden und hierauf in der Werbung hingewiesen wird, weil andernfalls diese Bestellnummern anhand von Vergleichslisten herausgesucht werden müssten und hierdurch der Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher und des Werbenden unangemessen erschwert würde (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 C112/99, Slg. 2001, I7945 = GRUR 2002, 354 Rn. 49 Toshiba/Katun; Urteil vom 23. Februar 2006 C59/05, Slg. 2006, I2147 = GRUR 2006, 345 Rn. 26 Siemens/VIPA). Der Senat hat es auch für zulässig gehalten, dass ein Hersteller von Tintenpatronen bei Vergleichen seiner Erzeugnisse mit den Tintenpatronen eines Wettbewerbers die von diesem zur Bezeichnung seiner Patronen gewählten Bildmotive verwendet (BGH, GRUR 2011, 1158 Rn. 24 Teddybär).

Nach diesen Grundsätzen fehlt es im Streitfall an einer unlauteren Rufausnutzung.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Nennung der Marke und der das Produkt konkretisierenden Typenbezeichnung der Klägerin sei in den Angeboten der Beklagten erforderlich, um alle Verbraucher auf die Existenz und Gleichwertigkeit der Konkurrenzprodukte der Beklagten hinzuweisen. Zwar suchten viele Verbraucher im Internet nach dem Produkt der Klägerin, von dem allein sie wüssten, dass es für ihren Staubsauger passend sei. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass diese Verbraucher nur am Erwerb des Originals interessiert seien. Viele Verbraucher hätten keine Kenntnis von gleichwertigen Angeboten anderer Unternehmen oder seien an diesen nicht hinreichend interessiert, um danach aufwendig mittels der Typenbezeichnung ihres Staubsaugers zu suchen. Diese Verbraucher seien aber durchaus am Erwerb von Konkurrenzprodukten interessiert, wenn sie ihnen bei der Suche nach dem für ihr Gerät passenden Produkt der Klägerin präsentiert würden. Dies werde erreicht, wenn durch Verwendung der Klagemarken in der Angebotszeile auch die Konkurrenzangebote der Beklagten schon auf der ersten Seite der Trefferliste für das Suchwort „Swirl“ erschienen.

Gegen diese tatrichterliche Würdigung wendet sich die Revision ohne Erfolg. Die Verwendung einer fremden Marke in einem Internet-Verkaufsangebot, um Kunden, die sich einer Suchmaschine bedienen, auf das Produkt eines Wettbewerbers aufmerksam zu machen, stellt für sich allein noch keine unlautere Rufausnutzung dar (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 6 Rn. 159; MünchKomm.UWG/Menke, 2. Aufl., § 6 Rn. 272; aA KG, MMR 2005, 315; Fezer/Koos, UWG, 2. Aufl., § 6 Rn. 225; Müller-Bidinger in Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl., § 6 Rn. 180; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 6 Rn. 63b; Sack in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl. 2013, § 6 Rn. 199). Die Unlauterkeit ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass die Beklagte für den Bestimmungszweck der von ihr vertriebenen Staubsaugerbeutel nicht auf Herstellermarken und Typenbezeichnungen von Staubsaugern Bezug nimmt, sondern auf die Marken und Artikelbezeichnungen der Klägerin, die selbst nur Staubsaugerbeutel als Zubehör für Staubsauger und keine Staubsauger herstellt. Zwar kann der Verbraucher die Kompatibilität eines bestimmten Staubsaugerbeutels für seinen Staubsauger auch mit der Information feststellen, zu welchem Staubsauger welchen Herstellers der jeweilige Staubsaugerbeutel passt. Je nach den Umständen des Einzelfalls mag ein berechtigtes Interesse fehlen, in einer Internetwerbung für einen Zubehörartikel die Marke eines konkurrierenden Zubehörherstellers zu nennen, wenn die legitime Funktion der vergleichenden Werbung, die Verbraucher objektiv zu informieren, schon durch einen Hinweis auf die Kompatibilität für das Produkt erfüllt werden kann, für das das Zubehör bestimmt ist. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor.

Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die hohe Bekanntheit der Marke „Swirl“ bei Staubsaugerbeuteln und die für den Verkehr damit verknüpfte Qualitätserwartung angenommen, viele Verbraucher suchten im Internet nach dem Produkt der Klägerin, von dem sie als einzigem wüssten, dass es für ihren Staubsauger passend sei. Aus dieser von der Revision nicht angegriffenen Feststellung folgt, dass eine erhebliche Zahl von Verbrauchern nur ausreichend über das Alternativangebot der Beklagten informiert werden kann, wenn deren Angebote in der Trefferliste bei der Suche nach Staubsaugerbeuteln der Klägerin angezeigt werden. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts steht mit der Lebenserfahrung in Einklang. Wenn viele Verbraucher ihren Ersatzbedarf an Staubsaugerbeuteln mit einem bestimmten Produkt der Klägerin decken, werden sie sich eher dessen Bezeichnung, die sie regelmäßig in Erinnerung behalten werden, merken als die Typenbezeichnung ihres Staubsaugers. Daher würde der Wettbewerb in erheblicher Weise beeinträchtigt, wenn der Beklagten verboten würde, bei Angeboten ihrer Staubsaugerbeutel die Marken der entsprechenden Staubsaugerbeutel der Klägerin zu verwenden.

posted by Stadler at 11:47  
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