BGH zur Benutzung einer fremden Marke im Rahmen einer vergleichenden Werbung im Internet
Im Rahmen einer vergleichenden Werbung im Internet dürfen Produkte mit dem Zusatz beworben werden, dass sie einem Markenprodukt eines anderen Herstellers ähneln. Im konkreten Fall wurden Staubsaugerbeutel mit dem Hinweis „ähnlich Swirl“ im Netz angeboten. Dagegen kann sich der Inhaber der Marke Swirl nicht erfolgreich zur Wehr setzen, wie der BGH in einem jetzt veröffentlichten Urteil entschieden hat (Urteil vom 02.04.2015, Az.: I ZR 167/13).
Der BGH geht zwar davon aus, dass eine markenmäßige Benutzung vorliegt. Diese sei aber zulässig, weil der Markeninhaber nicht berechtigt ist, einem Dritten die Benutzung eines mit der Marke identischen oder ähnlichen Zeichens in einer vergleichenden Werbung zu verbieten, wenn die Werbung im Einklang mit § 6 UWG steht. Der BGH führt in seiner Entscheidung zu § 6 UWG folgendes aus:
Die vergleichende Werbung der Beklagten ist nicht unlauter.
Die Unlauterkeitsmerkmale des § 6 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG liegen nicht vor. Die in den Vergleich einbezogenen Waren der Beklagten und der Klägerin sind für denselben Zweck bestimmte Staubsaugerbeutel. Die funktionelle Gleichwertigkeit, also die Möglichkeit, einen von der Beklagten angebotenen Staubsaugerbeutel anstelle des damit verglichenen Staubsaugerbeutels der Klägerin zu verwenden, ist auch eine wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaft der Waren der Beklagten.
Zutreffend hat das Berufungsgericht eine Unlauterkeit wegen Verwechslungsgefahr gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG verneint.
Nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG handelt unlauter, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt.Das Berufungsgericht hat in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung der Umstände der beanstandeten Werbung angenommen, der Gebrauch des Adjektivs „ähnlich“ in den Angeboten der Beklagten stelle unmissverständlich klar, dass es sich nicht um Produkte der Klägerin handele, sondern um Erzeugnisse eines Wettbewerbers. Die Revision legt nicht dar, warum das Berufungsgericht gleichwohl von einer Verwechslungsgefahr hätte ausgehen müssen.
Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Werbung der Beklagten den Ruf der Marke der Klägerin nicht in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG).
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte nutze durch Verwendung der Bezeichnung „Swirl“ gezielt die Bekanntheit und den guten Ruf der Produkte der Klägerin aus. Die Angebote der Beklagten erschienen aufgrund der Verwendung der Bezeichnung „Swirl“ in der Überschrift bei einem nach den Produkten der Klägerin suchenden Internetnutzer in vorderer Platzierung auf der Trefferliste. Außerdem stehe die Marke „Swirl“ in der Öffentlichkeit für Qualitätsstaubsaugerbeutel, so dass sich die Beklagte deren besonderen Ruf zunutze mache, indem sie durch Verwendung des Adjektivs „ähnlich“ die qualitative Vergleichbarkeit ihrer Produkte betone. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
Diese Ausnutzung des Rufs der Marke der Klägerin durch die Beklagte ist jedoch nicht unlauter.
Die Feststellung, ob die Benutzung eines Zeichens dessen Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt, erfordert eine umfassende Beurteilung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, wobei insbesondere das Ausmaß der Bekanntheit und des Grades der Unterscheidungskraft des Zeichens, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, die Art der betroffenen Produkte und der Grad ihrer Nähe sowie die möglicherweise bestehende Gefahr der Verwässerung oder Verunglimpfung des Zeichens zu berücksichtigen sind (EuGH, GRUR 2009, 756 Rn. 44 f. L’Oréal/Bellure; BGH, GRUR 2011, 1158 Rn. 23 Teddybär). Die Verwendung eines Zeichens, das einem bekannten Zeichen ähnlich ist, nutzt dessen Ruf in unlauterer Weise aus, wenn dadurch versucht wird, sich in den Bereich der Sogwirkung des bekannten Zeichens zu begeben, um von seiner Anziehungskraft, seinem Ruf und seinem Ansehen zu profitieren und die wirtschaftlichen Anstrengungen des Inhabers dieses Zeichens zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Image dieses Zeichens ohne finanzielle Gegenleistung auszunutzen. Die Feststellung einer solchen Unlauterkeit erfordert daher die Abwägung zwischen den Interessen des Werbenden, des betroffenen Mitbewerbers und der Verbraucher, bei der die legitime Funktion der vergleichenden Werbung, die Verbraucher objektiv zu informieren, und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, GRUR 2011, 1158 Rn. 23 Teddybär).
Danach ist eine unlautere Rufausnutzung regelmäßig zu verneinen, wenn auf Artikelnummern von Produkten der Mitbewerber hingewiesen wird, weil sich ohne diese ein Vergleich schwerlich in der gebotenen Weise durchführen lassen wird. Dasselbe gilt, wenn Bestellnummern von Mitbewerbern vollständig oder in ihrem Kern übernommen werden und hierauf in der Werbung hingewiesen wird, weil andernfalls diese Bestellnummern anhand von Vergleichslisten herausgesucht werden müssten und hierdurch der Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher und des Werbenden unangemessen erschwert würde (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 C112/99, Slg. 2001, I7945 = GRUR 2002, 354 Rn. 49 Toshiba/Katun; Urteil vom 23. Februar 2006 C59/05, Slg. 2006, I2147 = GRUR 2006, 345 Rn. 26 Siemens/VIPA). Der Senat hat es auch für zulässig gehalten, dass ein Hersteller von Tintenpatronen bei Vergleichen seiner Erzeugnisse mit den Tintenpatronen eines Wettbewerbers die von diesem zur Bezeichnung seiner Patronen gewählten Bildmotive verwendet (BGH, GRUR 2011, 1158 Rn. 24 Teddybär).
Nach diesen Grundsätzen fehlt es im Streitfall an einer unlauteren Rufausnutzung.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Nennung der Marke und der das Produkt konkretisierenden Typenbezeichnung der Klägerin sei in den Angeboten der Beklagten erforderlich, um alle Verbraucher auf die Existenz und Gleichwertigkeit der Konkurrenzprodukte der Beklagten hinzuweisen. Zwar suchten viele Verbraucher im Internet nach dem Produkt der Klägerin, von dem allein sie wüssten, dass es für ihren Staubsauger passend sei. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass diese Verbraucher nur am Erwerb des Originals interessiert seien. Viele Verbraucher hätten keine Kenntnis von gleichwertigen Angeboten anderer Unternehmen oder seien an diesen nicht hinreichend interessiert, um danach aufwendig mittels der Typenbezeichnung ihres Staubsaugers zu suchen. Diese Verbraucher seien aber durchaus am Erwerb von Konkurrenzprodukten interessiert, wenn sie ihnen bei der Suche nach dem für ihr Gerät passenden Produkt der Klägerin präsentiert würden. Dies werde erreicht, wenn durch Verwendung der Klagemarken in der Angebotszeile auch die Konkurrenzangebote der Beklagten schon auf der ersten Seite der Trefferliste für das Suchwort „Swirl“ erschienen.
Gegen diese tatrichterliche Würdigung wendet sich die Revision ohne Erfolg. Die Verwendung einer fremden Marke in einem Internet-Verkaufsangebot, um Kunden, die sich einer Suchmaschine bedienen, auf das Produkt eines Wettbewerbers aufmerksam zu machen, stellt für sich allein noch keine unlautere Rufausnutzung dar (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 6 Rn. 159; MünchKomm.UWG/Menke, 2. Aufl., § 6 Rn. 272; aA KG, MMR 2005, 315; Fezer/Koos, UWG, 2. Aufl., § 6 Rn. 225; Müller-Bidinger in Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl., § 6 Rn. 180; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 6 Rn. 63b; Sack in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl. 2013, § 6 Rn. 199). Die Unlauterkeit ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass die Beklagte für den Bestimmungszweck der von ihr vertriebenen Staubsaugerbeutel nicht auf Herstellermarken und Typenbezeichnungen von Staubsaugern Bezug nimmt, sondern auf die Marken und Artikelbezeichnungen der Klägerin, die selbst nur Staubsaugerbeutel als Zubehör für Staubsauger und keine Staubsauger herstellt. Zwar kann der Verbraucher die Kompatibilität eines bestimmten Staubsaugerbeutels für seinen Staubsauger auch mit der Information feststellen, zu welchem Staubsauger welchen Herstellers der jeweilige Staubsaugerbeutel passt. Je nach den Umständen des Einzelfalls mag ein berechtigtes Interesse fehlen, in einer Internetwerbung für einen Zubehörartikel die Marke eines konkurrierenden Zubehörherstellers zu nennen, wenn die legitime Funktion der vergleichenden Werbung, die Verbraucher objektiv zu informieren, schon durch einen Hinweis auf die Kompatibilität für das Produkt erfüllt werden kann, für das das Zubehör bestimmt ist. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor.
Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die hohe Bekanntheit der Marke „Swirl“ bei Staubsaugerbeuteln und die für den Verkehr damit verknüpfte Qualitätserwartung angenommen, viele Verbraucher suchten im Internet nach dem Produkt der Klägerin, von dem sie als einzigem wüssten, dass es für ihren Staubsauger passend sei. Aus dieser von der Revision nicht angegriffenen Feststellung folgt, dass eine erhebliche Zahl von Verbrauchern nur ausreichend über das Alternativangebot der Beklagten informiert werden kann, wenn deren Angebote in der Trefferliste bei der Suche nach Staubsaugerbeuteln der Klägerin angezeigt werden. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts steht mit der Lebenserfahrung in Einklang. Wenn viele Verbraucher ihren Ersatzbedarf an Staubsaugerbeuteln mit einem bestimmten Produkt der Klägerin decken, werden sie sich eher dessen Bezeichnung, die sie regelmäßig in Erinnerung behalten werden, merken als die Typenbezeichnung ihres Staubsaugers. Daher würde der Wettbewerb in erheblicher Weise beeinträchtigt, wenn der Beklagten verboten würde, bei Angeboten ihrer Staubsaugerbeutel die Marken der entsprechenden Staubsaugerbeutel der Klägerin zu verwenden.
Hierzu eine Frage, die mir vor ein paar Jahren im Usenet nicht beantwortet werden konnte:
Angenommen, ein bekannter Schrifthersteller vertreibt eine Schrift, bei der kein Design-Schutz und kein Urheberschutz fuer die Font-Software (mehr) besteht, unter der Wortmarke „Universell“. Darf jetzt ein anderer Schrifthersteller die gleiche Schrift unter einem anderen Namen vertreiben und in seiner Werbung darauf hinweisen, dass seine Schrift genauso aussieht wie „Universell“.
Um wettbewerbsrechtliche Probleme auszuschliessen unterstelle ich, dass „Universell“ schon vor Jahrzehnten entwickelt wurde.
MfG
Johannes
Ich glaub, jetzt kann man ja sagen.
Comment by Schmunzelkunst — 22.09, 2015 @ 19:54