Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.10.15

„Ach, Du bist der Anzugtyp“

Was passieren kann, wenn man als Anwalt mal den Anzug gegen Jeans und Hoodie austauscht – schließlich läuft doch niemand 24 Stunden lang im Blaumann rum – habe ich kürzlich im Anschluss an eine Veranstaltung erlebt, auf der ich einen Vortrag gehalten habe.

Fragt mich doch eine Teilnehmerin beim Abendessen, ob ich tagsüber denn auch dagewesen sei. Meine Antwort:

Na klar, ich war der Typ der diesen juristischen Vortrag gehalten hat.

Ihre Reaktion:

Ach, Du bist der Anzugtyp.

Tja, Kleider machen Leute. Immer noch.

posted by Stadler at 09:14  

18.10.15

Warum die Diskussion pro und contra Adblocker unsinnig ist

In jüngster Zeit sind in meinungsführenden Blogs Texte erschienen, in denen der Einsatz von Adblockern mehr oder minder heftig kritisiert wurde. Während Stephan Goldmann bei Lousy Pennies (nur) davon spricht, dass die Argumente der Adblock-Nutzer Unsinn wären, bezeichnet Jan Gleitsmann bei Mobile Geeks Nutzer von Adblockern als asozial. Demgegenüber verteidigt Thomas Hoeren im Beck-Blog den Einsatz von Adblockern und verweist u.a. darauf, dass beispielsweise die FAZ nicht nur Werbung schaltet, sondern das Verhalten der Nutzer umfassend trackt, was nicht zuletzt datenschutzrechtlich fragwürdig ist.

Befeuert wird die aktuelle Diskussion zusätzlich durch einen neuen Vorstoß der BILD, die Nutzern mit aktiviertem Adblocker den Zugang zu bild.de komplett verwehrt, was so manch einer freilich als besonderen Service des Springerblatts betrachtet.

Ich verstehe den Ärger von Bloggern, die mit Bannerwerbung ohnehin nur wenig Geld verdienen, darüber, dass ihnen diese kleine Einnahmequelle von Anbietern und Nutzern von Adblockern auch noch beschnitten wird. Dennoch zeichnet sich die Argumentation von Jan Gleitsmann und Stephan Goldmann meines Erachtens durch fehlenden Realitätssinn aus.

Beginnen wir am Ausgangspunkt, der wenig mit dem Internet zu tun hat. Die Menschen mögen Werbung nicht und versuchen ihr überall dort zu entgehen, wo ihnen dies möglich ist. Werbepausen im Fernsehen überbrücken die meisten Menschen mit der Fernbedienung, Briefkastenwerbung unterbindet man durch den bekannten Aufkleber oder dadurch, dass man Prospekte und Werbebeilagen direkt in die Papiertonne verfrachtet. Was bei E-Mails der Spamfilter ist, ist für Websites der Adblocker. Die Legitimität der Werbevermeidung wird auch von niemandem in Frage gestellt, außer von den Werbetreibenden selbst und auch das war schon immer so.

Daran änder sich auch dann nichts, wenn man wie Jan Gleitsmann die Nutzer von Adblockern als asozial beschimpft. Bedeutet das im Gegensatz etwa, dass sozial ist, wer Werbung treibt? Oder muss man nicht vielmehr beide Annahmen als sinnfrei betrachten? Das Treiben von Werbung ist ebenso legitim wie das Anliegen, diese Werbung nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Deshalb halte ich es auch für überflüssig, sich lange mit Argumenten pro und contra aufzuhalten. Die Benutzung eines Werbeblockers bedarf keiner besonderen Begründung. Dass man die Werbung nicht sehen will, ist als Grund nämlich völlig ausreichend. Es ließe sich an dieser Stelle auch formaljuristisch argumentieren und darauf verweisen, dass die Rechtsordnung den Einsatz von Werbeblockern nicht verbietet. Das ist freilich auch der Grund dafür, dass die Verlage ähnlich wie beim Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse langsam damit anfangen, auch hier nach dem Gesetzgeber zu rufen.

Mit welchen Bandagen werden die Werbetreibenden also künftig gegen Adblocker kämpfen? Den juristischen Kampf haben sie in erster Instanz bei mehreren Landgerichten zunächst verloren. Und auch wenn ich das Geschäftsmodell von Adblock Plus durchaus für diskutabel halte, übrigens anders als die bislang damit befassten Landgerichte, wird kaum ein Gericht Werbeblocker per se verbieten. Die Werbetreibenden können vorerst also nur an die Nutzer appellieren, so wie das SZ oder FAZ praktizieren, oder es mit einem Brachialmodell versuchen, wie es BILD derzeit tut. Es wäre durchaus interessant zu sehen, was passiert, wenn sich viele großen Informationsportale dem BILD-Modell anschließen und das ist letztlich auch die Hoffnung, die Stephan Goldmann in seinem Blogbeitrag artikuliert. Würden sich die Nutzer dem beugen und ihre Adblocker wieder abschalten, um die Inhalte überhaupt sehen zu können, oder würden die großen Verlage und Portale wegen des zurückgehenden Traffics zurückrudern?

posted by Stadler at 21:14  

16.10.15

BGH zur Markenverletzung durch Google-Suchtreffer

Wenn der Betreiber einer Verkaufsplattform im Internet seine interne Suchmaschine so programmiert, dass die von Nutzern eingegebenen Suchbegriffe direkt in den Quelltext der Website aufgenommen werden, dann ist er als Täter dafür verantwortlich, dass Google aus der im Quelltext aufgefundenen Begriffskombination (hier: Poster Lounge) einen markenrechtsverletzenden Treffereintrag generiert, der wiederum auf die Verkaufsplattform verweist (Urteil vom 30.07.2015, Az.: I ZR 104/14 – Posterlounge).

Für eine markenmäßige Verwendung reicht es nach der Rechtsprechung des BGH aus, dass ein als Suchwort verwendetes Zeichen dazu benutzt wird, das Ergebnis des Auswahlverfahrens in der Trefferliste einer Internetsuchmaschine zu beeinflussen und den Nutzer zu der Internetseite des Verwenders zu führen.

Der Haftung der Betreibers der Verkaufsplattform stehen nach Ansicht des BGH auch die Vorschriften des Telemediengesetzes nicht entgegen. Der BGH führt hierzu aus:

Anders als in den Fällen, in denen Dritte in einem automatisierten Verfahren die Einstellung markenverletzender Angaben auf einer Internetplattform vornehmen und in denen den Diensteanbieter nur eine Haftung für fremde Informationen trifft (§§ 8, 10 TMG), ist die Beklagte für die Programmierung ihrer internen Suchmaschine zum Zwecke der Beeinflussung des Auswahlverfahrens in der Trefferliste der Internetsuchmaschine Google uneingeschränkt verantwortlich. Bei den durch ihr Verhalten geschaffenen Einträgen im Quelltext ihrer Internetseite handelt es sich um eigene Informationen der Beklagten (§ 7 Abs. 1 TMG; vgl. BGH, GRUR 2010, 835 Rn. 46 – POWER BALL).

posted by Stadler at 13:38  

16.10.15

FG Münster: DENIC ist bei Domainpfändung Drittschuldner

Wie andere Gerichte auch hat, das Finanzgericht Münster in einer aktuellen Entscheidung angenommen, dass die DENIC bei der Pfändung einer DE-Domain als Drittschuldnerin anzusehen ist. (Urteil vom 16.09.2015, Az.: 7 K 781/14 AO).

Das Finanzgericht zitiert in seiner Entscheidung u.a. meinen Aufsatz „Drittschuldnereigenschaft der DENIC bei der Domainpfändung“ (MMR 2007, 71).

Die DENIC hat über Jahre hinweg die m.E. abwegige Auffassung vertreten, es würde bei der Pfändung einer Domain keinen Drittschuldner geben und sich nach Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen geweigert, den gesetzlichen Pflichten eines Drittschuldners nachzukommen. Dem sind die Gerichte nicht gefolgt, wie auch die aktuelle Entscheidung des FG Münster zeigt.

posted by Stadler at 09:21  

15.10.15

EGMR: Leugnung des Völkermords an den Armeniern kann von Meinungsfreiheit gedeckt sein

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Falle eines türkischen Politikers, der in der Schweiz wegen der Leugnung des türkischen Völkermordes an den Armeniern strafrechtlich verurteilt worden ist, entschieden, dass diese Verurteilung eine Verletzung von Art. 10 EMRK (Meinungsfreiheit) darstellt (Urteil vom 15.10.2015, Az.: 27510/08).

Der EGMR weist darauf hin, dass er im konkreten Fall eine strafgerichtliche Sanktionierung in einer demokratischen Gesellschaft nicht für notwendig erachtet, um die Rechte der armenischen Volksgruppe zu schützen. Der Gerichtshof betont auch, dass für seine Entscheidung u.a. der Umstand wesentlich gewesen sei, dass der türkische Politiker im Zusammenhang mit seiner Aussage keine Verachtung und keinen Hass gegenüber den Opfern des türkischen Völkermords zum Ausdruck gebracht hat.

Der Gerichtshof ist sodann bemüht zu erläutern, dass seine Entscheidung nicht auf Fälle der Leugnung des Holocausts – was in Deutschland strafbar ist – übertragen werden kann. Die Leugnung des Holocausts betrachtet der Gerichtshof grundsätzlich, anders als den Fall des türkischen Politikers, als eine Form des Rassenhasses, was regelmäßig als antidemokratisch und antisemitisch zu bewerten sei.

Das führt zu der Schlussfolgerung, dass die Leugnung einer historischen Tatsache wie eines Völkermordes von der Meinungsfreiheit gedeckt sein kann, solange damit nicht gleichzeitig ein Aufruf zum Hass, zur Gewalt oder Intoleranz verbunden wird.

posted by Stadler at 17:24  

15.10.15

Datenhehlerei: Eine Anti-Whistleblower-Regelung

Im Zuge der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung wird der Bundestag voraussichtlich nebenbei auch noch den Straftatbestand der „Datenhehlerei“ neu einführen. Zu diesem Vorhaben habe ich bereits im Frühjahr gebloggt. Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, hat das Gesetzesvorhaben in Gastbeiträgen für die SZ und für Heise deutlich kritisiert und als Gefahr für die Pressefreiheit bezeichnet.

Die Vorschrift wird folgenden Wortlaut haben:

§ 202d
(1) Wer Daten (§ 202a Absatz 2), die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.
(3) Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Dazu gehören insbesondere
1. solche Handlungen von Amtsträgern oder deren Beauftragten, mit denen Daten ausschließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen, sowie
2. solche beruflichen Handlungen der in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Personen, mit denen Daten entgegengenommen, ausgewertet oder veröffentlicht werden.

Der bereits im Vorfeld geäußerten Kritik ist das BMJ insofern nachgekommen, als man für Journalisten (in § 53 Abs. 1Nr. 5 StPO genannte Personen) eine Privilegierung eingeführt hat. Das Privileg gilt allerdings nur für berufliche Handlungen von Journalisten, was beispielsweise dazu führen wird, dass die meisten Blogger sich nicht auf die Privilegierung berufen können. Ganz konkret würde ich mich hier als Blogger strafbar machen, wenn ich geleakte Informationen, die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, auch nur entgegennehme, geschweige denn veröffentliche.

Anstatt also das Whistleblowing zu privilegieren, damit Missstände leichter aufdeckt werden können, pönalisiert der Gesetzgeber im Gegenteil bereits diejenigen, die Informationen von einem Whistleblower nur entgegennehmen. Das Tucholsky-Zitat

Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.

beansprucht damit weiterhin Geltung.

Ob man sich selbst als klassischer Journalist auf das enge Privileg einer beruflichen Handlung berufen kann, bleibt letzlich im Einzelfall unklar und führt zu Rechtsunsicherheit. Gerade dieser, gegen die Meinungs- und Pressefreiheit gerichtete Abschreckungseffekt, könnte politisch gewollt sein und die eigentliche Intention der geplanten Regelung darstellen.

posted by Stadler at 14:15  

15.10.15

Neuer BND-Skandal? Wirklich?

SPON, Süddeutsche und andere berichten darüber, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) jedenfalls bis 2013 auch Botschaften und Einrichtungen der USA und von EU-Staaten ausspioniert habe. In den Medien ist insoweit von einem neuerlichen Abhörskandal die Rede.

Dabei ist es aber gerade die Aufgabe eines Auslandsgeheimdienstes Ziele im Ausland auszuspionieren. Das Gesetz differenziert hier nicht zwischen Freund und Feind. Ganz im Gegenteil. § 1 Abs. 2 BND-G definiert die Aufgabe des BND folgendermaßen:

Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus.

Das maßgebliche Kriterien ist allein, dass es sich um Informationen handelt, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind. Und das können natürlich Informationen aus und über Behörden von EU-Staaten oder den USA ebenso sein, wie solche aus China, Rußland und Afghanistan.

Man sollte also dem BND nicht vorwerfen, dass er seine gesetzliche Aufgabe erfüllt. Wenn ein Ausspähen unter Freunden gar nicht geht, wie Angela Merkel es formuliert hat, dann wäre es an der Zeit, dass der Gesetzgeber diese politische Aussage der Kanzlerin umsetzt und den Aufgabenbereich des BND entsprechend einschränkend definiert, bzw. genauer regelt unter welchen Voraussetzungen sich die Tätigkeit des BND auch auf Ziele in der EU oder von Nato-Partnern erstrecken darf.

Wenn der BND allerdings Ziele in der EU im Auftrag der NSA ausspioniert hat, wie es die SZ schreibt, wäre das in der Tat ein Skandal, weil dies nicht der gesetzlich definierten Aufgabe des BND entspricht und eine Datenübermittlung an ausländische Dienste selbst dann nur in engen Grenzen zulässig ist, die § 9 Abs. 2 BND-G allgemein und § 7a G10 für Post- und TK-Daten näher definiert. In diesen Skandal wäre dann aber wohl auch das Kanzleramt aktiv involviert, weil die Datenübermittlung ins Ausland grundsätzlich der Zustimmung des Kanzleramts bedarf. Ein Umstand auf den in der Berichterstattung zu wenig hingewiesen wird.

posted by Stadler at 09:56  

13.10.15

Juristisch falsche Berichterstattung des NDR zum Thema Identitätsdiebstahl

Ein Bericht des NDR, wonach Kriminelle im Netz gestohlene Identitäten missbrauchen und u.a. Onlineshops unter falschem Namen eröffnen, hat für einigen Wirbel gesorgt. Leider ist der Bericht des NDR alarmistisch und auch juristisch falsch. Es wird nämlich u.a. die Behauptung aufgestellt:

Die Betrüger nutzen seine Identität und seine Daten, um mutmaßlich gefälschte Marken-Brillen zum Sonderpreis zu verkaufen. Das Problem: Der selbstständige Tätowierer ist damit juristisch für diesen Online-Shop verantwortlich – und das kann teuer werden. Wenn der Brillen-Hersteller die Seite mit der gefälschten Ware entdeckt und anzeigt, haftet der Neubrandenburger persönlich.

Das ist in rechtlicher Hinsicht unzutreffend. Jederman haftet grundsätzlich nur für sein eigenes Verhalten und nicht dafür, dass sich jemand einer falschen Identität bemächtigt. Das ergibt sich für Rechtsgeschäfte bereits aus der Regelung des § 164 BGB. Etwas anderes kann aber beispielsweise dann gelten, wenn der vermeintliche Geschäftsherr weiß, dass ein Dritter unter seinem Namen handelt und dies duldet. Entgegen der Darstellung des NDR ist man juristisch für einen Onlineshop, den ein Dritter unter falschem Namen eröffnet hat, aber grundsätzlich nicht verantwortlich.

Für den Betroffenen kann ein solcher Identitätsdiebstahl dennoch unangenehm sein, denn sein vermeintlicher Vertragspartner wird im Zweifel versuchen, ihn in Anspruch zu nehmen. Wer also Kenntnis davon erlangt, dass seine Identität von anderen im Netz missbraucht wird, sollte keinesfalls untätig bleiben, sondern Strafanzeige gegen unbekannt erstatten und soweit möglich auch öffentlich und/oder gegenüber vermeintlichen Vertragspartner klarstellen, dass seine Identität missbraucht wurde und er die fraglichen Verträge nicht abgeschlossen hat, sondern ein unbekannter Betrüger. Sofern ein Portal wie eBay dazischengeschaltet ist, sollte man eBay über den Vorgang umfassend informieren und um Sperrung des betreffenden Accounts ersuchen.

posted by Stadler at 11:29  

13.10.15

Noch ein paar allgemeine Gedanken zu TTIP

Warum man das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP allein wegen des Verfahrens in dem es verhandelt wird, ablehnen muss, habe ich hier bereits ausführlich erläutert. Eine internationale Vereinbarung von einer derartigen Tragweite sollte mindestens so transparent verhandelt und abgeschlossen werden, wie das bei einem Gesetzgebungsverfahren der Fall ist. Vor allen Dingen müssen alle betroffenen gesellschaftlichen Gruppen frühzeitig beteiligt werden. Stattdessen verhandeln bei TTIP Regierungsvertreter und Wirtschaftslobbyisten unter Ausschluss der Zivilgesellschaft hinter verschlossenen Türen. TTIP geht uns alle an, denn es wird sich auf viele, wenn nicht auf alle Bürger auswirken. Informationen zum aktuellen Verhandlungsstand erhält man als Bürger allerdings nur verzögert und auch nur unvollständig. Martin Lindner hat es bei Twitter kurz und knackig auf den Punkt gebracht:

gesetzt den fall, ttip wäre richtig: dann muss man immer noch dagegen sein. so kann man entscheidungen dieser tragweite nicht treffen.

Aber auch inhaltlich stimmt bei TTIP die Marschroute nicht. Bevor man sich mit den Details befasst, gilt es den Grundansatz des Abkommens zu beleuchten. Und der besteht darin, große, weltweit agierende Konzerne zu stärken und zwar zulasten der beteiligten Staaten und damit letztlich zulasten der Bürger. Die Handlungsfähigkeit der Politik und der (nationalen) Gesetzgebung soll beschränkt, die Position großer Konzerne gestärkt werden. Auch wenn TTIP sicherlich eine Reihe von Einzelmaßnahmen enthält, die man für vernünftig und richtig halten kann, bleibt der Grundansatz verfehlt.

TTIP hat aber noch eine ganz andere Dimension. Es verfestigt den Ansatz der westlichen Welt als Closed Shop. Damit wird die Kluft gegenüber Schwellen- und Entwicklungsländern verstärkt, die nicht nur bei diesem Abkommen außen vor bleiben. Das ist gerade angesichts der aktuellen „Flüchtlingskrise“ ein Ansatz den man überdenken sollte. Wer Fluchtursachen bekämpfen und die Situation in den Heimatländern der Flüchtlinge verbessern will, kann nicht gleichzeitig Abkommen wie TTIP befürworten. Vielmehr müssen wir den Blick auf eine gerechtere Weltordnung richten und genau dafür steht TTIP nicht.

posted by Stadler at 10:51  

12.10.15

Die Urteile Kachelmann vs. Springer liegen im Volltext vor

Die beiden Urteile des Landgerichts Köln vom 30.09.2015 (Az.: 28 O 2/14 und 28 O 7/14) , in denen dem Wettermoderator Jörg Kachelmann wegen der Berichterstattung von BILD und bild.de ein Schmerzensgeld von insgesamt 635.000 EUR (300.000 + 335.000) zugesprochen wird, sind mittlerweile im Volltext hier und hier online. Kachelmann hatte freilich ein noch deutlich höheres Schmerzensgeld gefordert, weshalb er die Prozesskosten zu einem überwiegenden Teil zu tragen hat. Es steht zu erwarten, dass gegen das Urteil Berufung eingelegt wird, möglicherweise von beiden Parteien.

Der Schadensersatz ist vor allem deshalb so hoch ausgefallen, weil das Gericht eine Vielzahl schwerwiegender Verletzungen der Privats- bzw. Intimsphäre Kachelmanns angenommen hat. Ein noch höheres Schmerzensgeld hat die Kammer u.a. deshalb versagt, weil Kachelmann in einer ganzen Reihe von Fällen, in denen er Schmerzensgeld beansprucht, zuvor von Springer keine Unterlassung verlangt hat. Das Gericht führt hierzu (Az.: 28 O 2/14) aus:

Nach Auffassung der Kammer führt der grundsätzliche Verzicht des Klägers auf die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen hinsichtlich der weiteren Artikel bzw. Äußerungen, welche nach seiner Auffassung eine Geldentschädigung rechtfertigen sollen, dazu, dass ihm im Ergebnis insofern ein Geldentschädigungsanspruch versagt bleiben muss. Die Gewährung einer Geldentschädigung hat nämlich die Aufgabe, eine sonst verbleibende Lücke des Persönlichkeitsschutzes zu schließen; der Anspruch hat also subsidiären Charakter. Kann die Verletzung auf andere Weise hinreichend ausgeglichen werden, entfällt der Anspruch (LG Berlin, Urteil vom 18.3.2008 – 27 O 884/07, m.w.N.). Vorliegend wäre in Betracht gekommen, die Beklagte zumindest zur Unterlassung aufzufordern, da der jeweils Betroffene grundsätzlich gehalten ist, sich um einen solchen anderweitigen Ausgleich – notfalls mit gerichtlicher Hilfe – zu bemühen, bevor er eine Geldentschädigung verlangen kann (BGH, NJW 1979, 1041; OLG Hamm, Urteil vom 6.4.2001 – 9 U 130/00; LG Berlin, a.a.O.). Ferner ist nach der Rechtsprechung des BGH bei der gebotenen Gesamtwürdigung ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. BGH, Urteil vom 25.5.1971 – VI ZR 26/70; BGH, Beschluss vom 30.6.2009 – VI ZR 340/08; BGH, Urteil vom 21.4.2015 – VI ZR 245/14). Auch dies spricht dafür, dass der Kläger zumindest Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte hätte geltend machen müssen.

Diese zumindest diskutablen Rechtsausführungen des Landgerichts Köln werden möglicherweise auch Jörg Kachelmann dazu bewegen, das oder die Urteile vom OLG Köln im Wege der Berufung überprüfen zu lassen.

posted by Stadler at 16:07  
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