Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.6.15

LG München I: Adblocker sind nicht wettbewerbswidrig

Das Landgericht München I hat in einer ausführlich begründeten Entscheidung dargelegt, warum der Internetwerbeblocker AdBlock Plus nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstößt (Urteil vom 27.05.2015, Az.: 37 O 11843/14). Die Entscheidung liegt mittlerweile auch im Volltext vor.

Das Landgericht verneint bereits das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses.  Die Entscheidung des Landgerichts München I mag man als sinnvolle Begrenzung des Anwendungsbereichs des UWG betrachten, mit der ständigen Rechtsprechung des BGH, die das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses mit immer neuen Begründungsansätzen recht großzügig bejaht, steht sie allerdings schwerlich in Einklang.

Der BGH hat bereits vor längerer Zeit ein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Anbieter eines Werbeblockers für Fernsehwerbung und den Fernsehsendern bejaht. In dieser Entscheidung wird zur Begründung des Wettbewerbsverhältnisses u.a. ausgeführt:

Die Beklagte wendet sich mit ihrem Angebot aber ebenso wie die Klägerin – wenn auch mit umgekehrter Zielrichtung – an Fernsehkonsumenten. Während die Klägerin möglichst viele Zuschauer zu erreichen versucht, die sich ihr Programm und insbesondere die darin enthaltene Werbung anschauen, wendet sich die Beklagte an Fernsehzuschauer, die während der Unterbrechung laufender Sendebeiträge durch Werbeinseln statt der Werbung lieber Sendebeiträge eines zu dieser Zeit werbefreien Senders sehen möchten. Eine geringere Anzahl von Werbezuschauern mindert aus der Sicht der Werbekunden die Attraktivität der von der Klägerin angebotenen Werbesendeplätze und kann daher deren Absatz behindern.

Warum dieser Ansatz nicht auch vorliegend maßgeblich sein sollte, entkräftet das LG München I nicht überzeugend. Sowohl der Betreiber einer Website die Werbung enthält als auch der Anbieter eines Werbeblockers wenden sich an (dieselben) Internetnutzer. Die umgekehrte Zielrichtung ist nach Ansicht des BGH gerade unerheblich.

Das Landgericht verneint zudem aber auch den Verstoß gegen § 4 Nr. 10 UWG, was ich ebenfalls für diskutabel halte. Meine abweichende Ansicht habe ich in einem früheren Beitrag bereits erläutert.

Es bleibt also abzuwarten, ob die Entscheidung beim OLG München Bestand haben wird.

Interessant an der Entscheidung ist auch der Hinweis des Landgerichts, dass es das Konzept von Adblock Plus unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten für bedeutsam hält, nicht aber unter wettbewerbsrechtlichen.

 

posted by Stadler at 22:13  

12 Comments

  1. Naja die Zeilgruppe ist hier der Internetznutzer, dass ist eine so große Zielgruppe, dass das hier nicht das Kriterium. Vor allem ist das UWG hier auch nicht so schwammig.

    „„Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht;“ § 2 Abs. 1 Nr. 3

    Der Adressat ist zwar der selbe, aber es gibt hier eben keinen Angebotswettbewerb. Die Leistungen sind in keiner Weise subsidär.

    Im o.g. Urteil sind die Leistungen subsidär, ich guck auf Fernsehsender A Werbung oder halt auf B nen Film.

    Mit Werbung ist das Angebot hier aber immer noch die Fernsehausstrahlung. Bei Adblockern geht es aber nicht um das Angebot des Telemediums sondern rein um die Werbung.

    Comment by Mojo — 6.06, 2015 @ 10:29

  2. Es ist interessant, dass die beiden Gruppen Fernseh- und Internetwerbung hier fast gleichgesetzt werden, der unterschied zumindest logisch ist nicht gerade gering: Bei Internetwerbung kann in der Regel nachgewiesen werden, dass adblock aktiv ist und wie viele Besucher tatsächlich die Werbung gesehen haben.

    Bei Fernsehsendern geschieht das auf Vertrauensbasis, sagen wir eine Sendung um 20:15 hat 1 Mio Zuschauer (geschätzt), dann kann angenommen werden, dass keiner, weniger oder alle die Werbung gesehen haben.

    Comment by Leroy — 6.06, 2015 @ 14:12

  3. #2 leroy

    Sind Sie sicher? Wikipedia schreibt: „Täglich berichtet die GfK aus 5.000 Haushalten mit insgesamt rund 10.500 Personen über die sekundengenaue Fernsehnutzung des Vortags.“ Wenn das zutrifft – und warum sollte es das nicht tun -, dann kann sehr genau gesagt werden, welche Werbung wie viele Zuschauer hatte.

    Comment by Gerald Fix — 7.06, 2015 @ 09:33

  4. @Gerald Fix Weil die GfK keinerlei Signifikanz vorweist. Schon der Ansatz vernichtet jegliche Aussagekraft: Es werden lediglich Leute untersucht, die das mit sich machen lassen, weil sie Geld brauchen oder andere Anreize haben. Das ist auf jeden Fall nicht repräsentativ für unsere Gesellschaft. Dieses Modell mag für Privatsender eine taugliche Entscheidungsgrundlage sein, für staatliche Behörden, insbesondere Gerichte ist sie das keineswegs.

    Comment by Heinz Handtuch — 7.06, 2015 @ 10:13

  5. Außerdem können die ja gerade zur Toilette gegangen sein oder sich einen Snack geholt, oder unterhalten haben, oder, oder, oder. Oder nutzt die GfK inzwischen auch die Aufzeichnunsgunktion der Smart-TV Kameras, um die Leute zu bespitzeln, so wie Samsung und Co?

    Comment by Moon — 7.06, 2015 @ 10:33

  6. Fragen eines nicht-Juristen:

    Wettbewerb bedeutet Konkurrenz um denselben Kunden.
    Entweder mit einem Produkt oder einer Dienstleistung derselben Kategorie oder einer völlig anderen Kategorie. Kauf meine Kartoffelchips statt die Cracker von B, gönn dir ein Abonnement in meinem Konzerthaus statt eine Kreufahrt bei C zu buchen.

    In diesem Fall ist das Angebot von Adblocker aber unmittelbar abhängig vom Angebot des Programmsenders. Kauf meine Leichtmetallfelgen für dein Fahrzeug von A, kauf mein Dressing für den Salat von B.

    Wer A nicht kauft wird auch kein Kunde von B. A wird dank B vielleicht sogar Kunden hinzugewinnen, die ohne den Zusatz von B das Produkt von A nicht gekauft hätten.

    Dass das Geschäftsmodell von A zusammenbricht, wenn B erfolg hat, hat doch nichts mit Wettbewerb zu tun. Wie kann aus dem Angebot von Abblocker ein Wettbewerbsverhältnis konstruert werden? Wie kommt das BGH dazu das Angebot eines Werbeblockers als Konkurrenzprodukt zum Film anzusehen? DEr Film und die darin enthlatenen Werbeblöcke bedingen den Werbeblocker. Die Produkte stehen sich nicht als Alternativen “mit umgekehrter Zielrichtung” gegenüber.

    Comment by Nemo — 7.06, 2015 @ 13:33

  7. @1:
    „Im o.g. Urteil sind die Leistungen subsidär, ich guck auf Fernsehsender A Werbung oder halt auf B nen Film.“
    Der Film auf B wird aber doch nicht vom Hersteller des Werbeblockers angeboten.

    Comment by W0 — 7.06, 2015 @ 14:00

  8. Puh… und ich dachte schon, ich müsste meinen „Keine Werbung, keine Wurfblätter, keine kostenlosen Zeitungen, keine Handzettel, keine Wochenblätter!“-Aufkleber vom Briefkasten entfernen, weil Anbieter plötzlich ein Recht darauf hätten, den Endnutzer mit Werbung zu bombardieren …

    … oder werden die Druckereien solcher Aufkleber demnächst auch vor Gericht gezerrt?!

    Comment by maSu — 8.06, 2015 @ 14:11

  9. Ich weiß nicht, ob das Wettbewerbsrecht hier überhaupt sinnvoll zur Anwendung kommen kann. Adblock steht nicht im Wettbewerb mit den Werbetreibenden.

    Adblocker reparieren nur einen Defekt (oder eine besondere Eigenschaft) von Firefox. Diese Eigenschaft wird von den Werbetreibenden geziehlt und (oftmals) nicht im Interesse des Internetnutzers ausgenutzt.

    Werbung wird mit Hilfe der Eigenschaften von modernen Browsern aufgezwungen. Manchmal sogar mit dem Versuch, den Nutzer nicht mehr von der Seite zu lassen.

    Andere Browser (im einfachsten Beispiel Lynx) haben damit kein Problem. Mit anderen Plugins (noscript, requestPolicy usw) funktioniert „nicht akzeptable Werbung“ ebenfalls nicht. Adblock Plus ist nur eine Ausprägung dieser Tools. Der Vorteil (auch für die Werbetreibenden!) von AdBlock ist seine Liste, in der Ausnahmen definiert werden können.

    Eine andere Ausprägung der Tools realisieren z.B. Lesegeräte für Blinde. JavaScript, Banner und Flashwerbung verschwindet hier ebenfalls.

    Das Werbung angezeigt wird ist nicht von Gott gegeben und auch kein Prinzip des Internet. Ebenso ist Firefox nicht das Prinzip des Netzes.

    „Ich bestimme, was und wie ich sehen will“ scheint mir mehr mit Netz kompatibel.

    Vielleicht ist die Begründung des LG München I nicht überzeugend. Doch mit dem Urteil zur TV-Werbung hat der Fall wenig zu tun. Ein anderes Urteil hätte zudem den Effekt gehabt, dass Nutzer ihrers Rechts auf Selbstbestimmung beraubt werden.

    Wer seine Werbung unbedingt aufzwingen will, der soll doch mit den Nutzern eine entsprechende Vereinbarung (login, Abo usw.) treffen oder seine Seite für Werbeblocker-Nutzer einfach abschalten.

    Niemand ist gezwungen. Immerhin negiert das Urteil diesen Grundsatz nicht.

    Comment by Joachim — 8.06, 2015 @ 15:55

  10. Webseite = Fenster eines Ladens

    Sie haben ein Laden mit schaufenster =webseite
    nun kommt adblock daher und sorgt dafür das ihr Schaufenster anders aussieht….

    Adblock tut ja oft nicht nur Werbung blocken sondern weitere Teile der Webseite

    Comment by thomas — 9.06, 2015 @ 17:19

  11. Komisch. ABP kommt doch erst mal nur mit einer Whitelist die bestimmte Werbung erlaubt da her. Die Blacklists zum blocken muss der Benutzer AFAIK erst mal manuell auswählen.
    Da Werbung oft als Einfallstor für Malware benutzt wird. Und Antivirensoftware nur gegen dem Hersteller vorher bekannte Malware schützt. Ist Adblocking zudem oftmals die einzige wirksame alternative. Stichwort: „Störerhaftung“.

    Comment by mark — 9.06, 2015 @ 21:19

  12. zitat: Übrigens: wir hier setzen nicht auf VG Wort, finanzieren uns ausschließlich über die Werbung in Form von Adsense oder Banner. In der Vergangenheit kam es übrigens schon einmal vor, dass von den Betreibern der Blockliste die Navigation unseres Blogs dahingehend verändert wurde, dass eine Unterseite (die Werbung enthielt) überhaupt nicht mehr zu sehen war. Sprich: es wurde nicht Werbung geblockt, sondern ein Teil unserer Navigation, die auf diese Unterseite hinwies. Geht gar nicht. Quelle: http://stadt-bremerhaven.de/adblock-blockt-zaehlpixel-der-vg-wort/

    Comment by thomas — 11.06, 2015 @ 18:23

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