Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.7.12

Brauchen wir ein Telemediengeheimnis?

Sascha Lobo schreibt in seiner Kolumne bei SPON, dass man ein Telemediengeheimnis bräuchte, quasi als Ergänzung zum Brief- und Fernmeldegeheimnis. Der Grund für Sascha Lobos Erregung ist der Umstand, dass Facebook nach Ansicht Lobos die Chatkommunikation seiner Nutzer flächendeckend aufzeichnet und analysiert. Hierzu verweist Lobo u.a. auf einen Artikel in der SZ und beendet seinen Kommentar mit den Worten:

„Wir brauchen ein Telemediengeheimnis. Die Eltern des Grundgesetzes hätten es so gewollt“

Jetzt besteht das verfassungsrechtliche Problem zunächst darin, dass Grundrechte nur im Verhältnis zwischen Staat und Bürger gelten. Nachdem Facebook aber keine Behörde oder staatliche Stelle ist, kann es auch nicht (unmittelbar) an Grundrechte gebunden sein. Selbst ein neues Grundrecht würde also nicht unmittelbar gegenüber Facebook helfen.

Deshalb gibt es in § 88 TKG ergänzend das einfachgesetzliche Fernmeldegeheimnis – das manche etwas moderner auch Telekommunikationsgeheimnis nennen – durch das sog. Diensteanbieter verpflichtet werden. Dem Fernmeldegeheimnis unterliegt sowohl der Inhalt der Kommunikation als auch der Umstand, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war.

Facebook ist – soweit es Kommunikation ermöglicht – auch Diensteanbieter im Sinne des TKG, denn Telekommunikation ist der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangs von Nachrichten. Und diese technische Dienstleistung erbringt Facebook für seine Nutzer. Das Chat-System und das Direktnachrichtensystem von sozialen Medien unterliegt daher dem Fernmeldegeheimnis des TKG. Wir brauchen also keineswegs ein Telemediengeheimnis. Es besteht insoweit keine Gesetzeslücke.

Was wir hier vielmehr beobachten können, ist ein altbekanntes Problem speziell im Umgang mit US-Anbietern, das ich als Vollzugsdefizit bezeichnen würde. Anbieter wie Facebook oder Gooogle verstoßen häufiger gegen deutsches und europäisches Recht, u.a. auch beim Datenschutz. Der deutsche Staat, wie auch die EU, sind in vielen Fällen nur nicht mehr dazu in der Lage, ihr Recht gegenüber diesen Anbietern durchzusetzen.

posted by Stadler at 15:21  

16.7.12

Die Beschneidung des Rechtsstaats

Neben den Regierungsparteien Union und FDP haben sich auch SPD und Grüne für eine schnelle gesetzliche Regelung der Beschneidung ausgesprochen. Hintergrund ist ein Berufungsurteil des Landgerichts Köln, das die medizinisch nicht indizierte Beschneidung eines vierjährigen Jungen als rechtswidrige Straftat angesehen hat. Das Gericht hatte den Arzt, der den Eingriff durchgeführt hat, dennoch freigesprochen, weil er sich nach Auffassung des Gerichts in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden und damit ohne Schuld gehandelt habe. Zum besseren Verständnis des Urteils kann nicht unerwähnt bleiben, dass in dem Fall Komplikationen aufgetreten sind und das Kind wegen Nachblutungen von den Eltern in die Notaufnahme einer Kinderklinik gebracht werden musste.

Die aktuelle, parteiübergreifende politische Stimmung ist maßgeblich auch davon geprägt, dass die europäischen Rabbiner das Kölner Urteil als schwersten Angriff auf jüdisches Leben seit dem Holocaust bezeichnet haben. Dieser unsachliche Vergleich hat die beabsichtigte Wirkung ganz augenscheinlich nicht verfehlt.

In dieser Situation erscheint mir eine juristische und rechtspolitische Bewertung des Urteils des LG Köln nötig, die ich an dieser Stelle versuchen möchte. Zum besseren Verständnis sollen vorab kurz die Grundzüge der Strafbarkeit erläutert werden. Die Prüfung der Strafbarkeit erfolgt dreigliedrig, man unterscheidet die Tatbestandsmäßigkeit, die Rechtswidrigkeit und die Schuldhaftigkeit des Verhaltens. Jede ärztliche Heilbehandlung erfüllt den Straftatbestand einer Körperverletzung ebenso wie beispielsweise eine Ohrfeige. Vor diesem Hintergrund stellt die Beschneidung eines Menschen ebenfalls eine tatbestandsmäßige Körperverletzung dar. Diese Körperverletzung kann allerdings gerechtfertigt sein, wenn ein sog. Rechtfertigungsgrund eingreift. Im Bereich der Körperverletzungsdelikte ist anerkannt, dass die Einwilligung des Betroffenen regelmäßig geeignet ist, die Rechtswidrigkeit auszuschließen. Ärztliche Heileingriffe sind deshalb mit Einwilligung des Patienten zulässig. Da Säuglinge und Kleinkinder noch keinen entsprechenden Willen bilden können und deshalb auch nicht in der Lage sind rechtswirksam einzuwilligen, kommt es auf die Einwilligung der Eltern an. Diese Einwilligung ist aber nicht beliebig. Sie muss sich vielmehr am Kindeswohl orientieren, was verfassungsrechtlich aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt.

Und genau an diesem Punkt kann und muss nun eine Rechtsgüterabwägung vorgenommen werden. Es stehen sich hier die Religionsfreiheit (der Eltern) auf der einen und das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und die Wahrung des Kindeswohls auf der anderen Seite gegenüber. Wenn man an dieser Stelle einen Vorrang der (religiösen) Tradition postuliert, dann wird man künftig nicht mehr plausibel erklären können, warum nicht auch das Züchtigungsrecht der Eltern, der religiös motivierte Abbruch einer ärztlichen Heilbehandlung oder beliebige Verletzungen der körperlichen Integrität eines Kindes einen Rechtfertigungsgrund bilden können. Eine Gesellschaft, die bereits eine gewöhnliche Ohrfeige nicht mehr als vom Erziehungsrecht der Eltern gedeckt ansieht, kann schwerlich eine Beschneidung eines Säuglings oder Kleinkindes – ohne medizinische Indikation – für gerechtfertigt halten.

In verfassungsrechtlicher Hinsicht muss deshalb davon ausgegangen werden, dass eine religiöse Tradition keinen ausreichenden Grund dafür bilden kann, einen dauerhaften körperlichen Eingriff bei einem Kleinkind oder gar Säugling zu rechtfertigen und zwar selbst dann nicht, wenn man den Eingriff für harmlos hält. Das Argument, es würde sich doch nur um ein überflüssiges Stück Haut handeln, ist ohnehin unbehelflich. Würde man etwa das Abschneiden eines Ohrläppchens – auch nur ein überflüssiges Stück Haut – aus religiösen Gründen gutheißen? Welches Stück des Körpers überflüssig ist oder nicht, unterliegt gerade der Selbstbestimmung des Individuums und seinem Recht auf Achtung der körperlichen Integrität. Im Falle der Beschneidung steht die Harmlosigkeit außerdem keineswegs fest, sondern wird von den Befürwortern immer nur apodiktisch behauptet. Die Wissenschaft längst auch ganz ernsthaft bleibende und schwerwiegende Folgen von Beschneidungen. Auch der in der politischen Diskussion gerne bemühte Vergleich zur christlichen Taufe geht fehl. Denn bei der Taufe wird dem Kind lediglich etwas Wasser über den Kopf gegossen, während die Beschneidung einen für Kinder schmerzhaften und irreparablen körperlichen Eingriff darstellt. Im Hinblick auf die These von der Harmlosigkeit der Beschneidung ist zum Beispiel auch die sehr eindringliche Schilderung des Schriftstellers Najem Wali in der taz lesens- und bedenkenswert.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich also, dass wir hier von einem rituellen, nicht ganz unerheblichen körperlichen Eingriff reden, für den es keinen sachlich-wissenschaftlichen Grund gibt. In verfassungsrechtlicher Hinsicht muss deshalb wie gesagt die Frage gestellt werden, ob die Religionsfreiheit überhaupt eine ausreichende Grundlage dafür bilden kann, eine Körperverletzung an einem Kleinkind vorzunehmen. Wenn man das nämlich einmal bejaht, ergeben sich zudem schwierige Folgefragen dahingehend, bis zu welcher Intensität der Staat derartig religiös motivierte körperliche Eingriff dulden kann und will.

Die Politik, die jetzt einen gesetzlichen Rechtfertigungsgrund schaffen möchte, diskutiert letztlich damit wieder nur eine populistische Scheinlösung, denn die zugrundeliegende Rechtsfrage ist im Kern verfassungsrechtlicher Natur. Der (einfache) Gesetzgeber hat überhaupt nicht die Möglichkeit, Umfang und Reichweite des Grundrechtsschutzes zu definieren. Wenn man also nach sorgfältiger Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechtspositionen zu dem Ergebnis gelangt, dass das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrheit Vorrang vor der Religionsfreiheit der Eltern genießt, dann ändert sich daran auch dann nichts, wenn der Gesetzgeber nunmehr einen Rechtfertigungstatbestand schafft. Dieser wäre dann nämlich schlicht verfassungswidrig. Die Prüfung verlagert sich damit nur von den Strafgerichten einmal mehr nach Karlsruhe, was aber möglicherweise von dieser Politik gerade intendiert wird.

Man darf in der aktuellen Diskussion aber durchaus auch ein bisschen erschrocken darüber sein, dass es in Deutschland einen von der CSU bis zu den Grünen reichenden politischen Mainstream gibt, der ein archaisches religiöses Ritual über das Recht kleiner Kinder auf körperliche Unversehrheit stellt. Da ist mit Sicherheit eine gelegentliche Ohrfeige als Erziehungsmethode – die in Deutschland mittlerweile zu recht geächtet ist – deutlich harmloser.

Update:
Kathrin Passig hat in der Diskussion dieses Beitrags auf Google+ folgenden ergänzenden Hinweis gepostet, der mir erwähnenswert erscheint, weshalb ich ihn hier einfach mal zitiere:

Dass unter „bleibende und schwerwiegende Folgen“ nur von den psychischen Folgen die Rede ist, hat mich ein bisschen überrascht. Es scheint in der ganzen Diskussion einen ausgeprägten Widerwillen dagegen zu geben, auch mal zu erwähnen, dass die Vorhaut a) eine Funktion hat und b) für viele eine erogene Zone ist. (Ergänzung: Beides ist viel umstrittener, als ich dachte, http://en.wikipedia.org/wiki/Sexual_effects_of_circumcision – aber trotzdem, erwähnen kann man es schon mal.)

Vielleicht sollte man in der Tat gerade auch über die sexuellen Auswirkungen der Bescheidung diskutieren, die in der aktuellen Debatte kaum eine Rolle spielen.

Der deutsche Wikipdia-Eintrag umfasst übrigens praktisch alle Aspekte der Zirkumzision und ist äußerst lesenswert.

Update vom 18.07.2012:
Erst heute bin ich auf einen Beitrag von Henning-Ernst Müller (Inhaber eines Lehrstuhls für Strafrecht an der Uni Regensburg) im Beck-Blog zur Beschneidungsdiskussion gestoßen, den ich hier unbedingt noch erwähnen möchte.

Müller weist einerseits auf die bislang wenig beachtete Fachdiskussion von Ärzten und Juristen hin und verlinkt insoweit auf einen Beitrag im Ärzteblatt, in dem den Ärzten bereits 2008 empfohlen worden ist, medizinisch nicht indizierte Zirkumzisionen nicht durchzuführen. In dem Fachbeitrag wird außerdem ausgeführt, dass die Ärzteschaft die Beschneidung von Jungen schon seit längerer Zeit kritisch sieht. Auch wird dort der Einschätzung entgegengetreten, bei der Zirkumzision würde es sich um einen in medizinischer Hinsicht unbedeutenden Eingriff handeln.

Müller erläutert außerdem, vor welchen, bislang gar nicht diskutierten, Problemen der Gesetzgeber im Detail steht, wenn er nun tatsächlich ein solches „Beschneidungsgesetz“ schaffen will.

posted by Stadler at 10:36  

15.7.12

BGH zu Honorarbedingungen für freie Journalisten

Das Urteil des BGH vom 31.05.2012 (Az.: I ZR 73/10), in dem die Honorarbedingungen, die der Axel-Springer-Verlag seinen Verträgen mit freien Journalisten zugrunde legt, für teilweise unwirksam erklärt worden sind, ist mittlerweile im Volltext online.

Der BGH hatte die Honorarbedingungen von Springer als nicht transparent angesehen, aber sog. Total-Buy-Out nicht per se für unwirksam erachtet. Der BGH sieht sich insoweit allerdings zu folgender Klarstellung veranlasst:

Damit ist allerdings nicht gesagt, dass eine vertragliche Vereinbarung unbedenklich wäre, in der dem Journalisten für die Veröffentlichung eines Beitrags in einer Zeitung oder Zeitschrift ein dafür angemessenes Honorar versprochen wird, mit dem auch sämtliche weitergehenden Nutzungen abgegolten sein sollen. Zum einen bleibt stets unter Heranziehung des Übertragungszweckgedankens des § 31 Abs. 5 UrhG zu prüfen, ob im Einzelfall die in Rede stehende Nutzung von der Rechtseinräumung erfasst ist. Zum anderen wird viel dafür sprechen, dass die vereinbarte nicht der angemessenen Vergütung entspricht, wenn für die weitergehenden Nutzungen keine gesonderte Vergütung geschuldet ist und sich die Einbeziehung der weitergehenden Nutzungen auch nicht in der Höhe der Pauschalvergütung niederschlägt (§ 32 Abs. 1 Satz 3 UrhG).

Der BGH macht damit zumindest deutlich, dass er eine weitestmögliche Rechtseinräumung gegen Zahlung eines einmaligen Abgeltungsbetrags dennoch für regelmäßig unwirksam erachtet, wenn sich die Einbeziehung einer weitergehenden Rechtseinräumung nicht in der Höhe der Pauschalvergütung niederschlägt.

posted by Stadler at 17:27  

13.7.12

BGH: Sperr- und Filterpflichten von Filehostern

Der BGH hat gestern (Urteil vom 12. Juli 2012, Az.: I ZR 18/11) über die Frage der Haftung des Filehosters Rapidshare für Urheberrechtsverletzungen entschieden.

Nach der Pressemitteilung des BGH kommt eine Haftung von Filehostern für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer erst dann in Betracht, wenn sie auf eine klare gleichartige Rechtsverletzung hingewiesen worden sind. Ab diesem Zeitpunkt reicht es nach Ansicht des BGH allerdings nicht mehr, die betreffende Datei zu sperren oder zu löschen. Vielmehr müsse das technisch und wirtschaftlich Zumutbare getan werden, um – ohne Gefährdung des eigenen Geschäftsmodells – zu verhindern, dass das Werk von anderen Nutzern erneut über die Server von Rapidshare angeboten wird. Der BGH hält insbesondere den Einsatz von Wortfiltern – hier für den Spieltitel „Alone in the Dark“-  zur Überprüfungvon gespeicherten Dateinamen für zumutbar.

Die Klägerin will es Rapidshare mit einem zweiten Unterlassungsantrag außerdem verbieten, Hyperlinks von bestimmten Link-Sammlungen auf bei ihr gespeicherte Dateien mit dem Computerspiel „Alone in the Dark“ zuzulassen. Die Prüfungspflichten der Beklagten können sich laut BGH grundsätzlich auch auf solche Verstöße erstrecken. Dafür ist aber erforderlich, dass die Hyperlinks im für die Linksammlung üblichen Suchvorgang bei Eingabe des Spielnamens angezeigt werden und die Trefferliste Dateien auf Servern der Beklagten enthält, die dort nicht schon durch einen Wortfilter nach Dateinamen mit der Wortfolge „Alone in the Dark“ gefunden werden können. Rapidshare sei es grundsätzlich zuzumuten, eine überschaubare Anzahl einschlägiger Link-Sammlungen auf bestimmt bezeichnete Inhalte zu überprüfen.

Auch wenn die Urteilsgründe noch nicht vorliegen und man mit einer voreiligen Einschätzung vorsichtig sein soll, erscheint mir die Forderung nach einem Einsatz von Wortfiltern problematisch, weil diese Methode die Gefahr von Fehlern und die Ausfilterung von nicht beanstandungswürdigem Content beinhaltet. Zudem stellt sich auch die Frage des Konflikts mit Art. 15 der E-Commerce-Richtlinie, gerade vor dem Hintergrund der neuesten Rechtsprechung des EuGH. Man darf gespannt sein, was der BGH in seiner Urteilsbegründung hierzu ausführen wird.

posted by Stadler at 16:36  

13.7.12

Sind hohe Urheberrechtsabgaben auf externe Festplatten gerechtfertigt?

Die Zentralstelle für private Überspielrechte (ZPÜ), deren Gesellschafter die Verwertungsgesellschaften – u.a. GEMA und VG Wort – sind, hat erst unlängst für Aufregung gesorgt, weil sie die Abgaben auf USB-Sticks und Speicherkarten zum 01.07.2012 drastisch erhöht hat.

Dieselbe Forderung erhebt die ZPÜ bereits seit dem letzten Jahr auch für externe Festplatten und für Handys. Für externe Platten mit weniger als einem TByte Speicherkapazität sollen sieben Euro Urheberrechtsabgabe bezahlt werden, ab einem TByte neun Euro.

BITKOM kontert diese Pläne jetzt mit einer Studie, die besagt, dass weniger als 3 % der Speicherkapazität externer Festplatten für vergütungsrelevante Kopien genutzt wird.  BITKOM ist deshalb der Ansicht, dass die Forderungen der Verwertungsgesellschaften für Abgaben auf externe Festplatten in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Nutzung stehen.

Nimmt man die zum 01.1.2013 geplanten neuen GEMA-Tarife hinzu, dann stellt man fest, dass die Verwertungsgesellschaften, allen voran die GEMA, derzeit kräftig an der Gebührenschraube drehen.

posted by Stadler at 16:12  

12.7.12

Bis zum jüngsten Gericht

Das Satiremagazin Titanic wurde bekanntlich vom Papst vor dem Landgericht Hamburg wegen eines Coverbildes mit der Überschrift „Die undichte Stelle ist gefunden!“ auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg ist ihrem Ruf dann auch gerecht geworden und hat dem Magazin auf Antrag des Papstes verboten, die Darstellung auf Vorder- und Rückseite weiterhin zu verbreiten.

Die Titanic hat mittlerweile angekündigt, gegen die Beschlussverfügung vorzugehen, notfalls bis zum Jüngsten Gericht. Der von dem Magazin gewählte Weg des Widerspruchs gegen die einstweilige Verfügung führt die Zeitschrift zunächst allerdings nur bis zum OLG Hamburg. Der Gang zum BGH ist in einem Verfügungsverfahren nicht möglich, hierzu müsste ein Hauptsacheverfahren durchgeführt werden. Ob das Oberlandesgericht, das bislang ebenfalls häufig meinungsfeindlich entschieden hat, die Verfügung aufheben wird, darf bezweifelt werden.

Gleichwohl bin ich der Ansicht, dass der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hamburg, wie so häufig, eine fehlerhafte Abwägung von Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit zugrunde liegt. Der Papst ist eine Person des öffentlichen Lebens und zwar eine, die aufgrund ihrer Stellung und ihrer Haltung zu verschiedensten weltanschaulichen Fragen, durchaus kontrovers gesehen wird. Insoweit unerscheidet er sich, was den Persönlichkeitssschutz angeht, sicherlich nicht von einem Spitzenpolitiker, er ist vielleicht in gewisser Weise sogar einer.

Die rechtliche Beurteilung von Satire erfordert nach der Rechtsprechung des BVerfG „die Entkleidung des in Wort und Bild gewählten satirischen Gewandes“, um ihren eigentlichen Inhalt zu ermitteln. Dieser Aussagekern und seine Einkleidung sind sodann gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Mißachtung gegenüber der betroffenen Person enthalten. Dabei muß beachtet werden, dass die Maßstäbe im Hinblick auf das Wesensmerkmal der Verfremdung für die Beurteilung der Einkleidung anders und im Regelfall weniger streng sind, als die für die Bewertung des Aussagekerns.

Das Cover der Titanic setzt sich inhaltlich mit der als Vatileaks bekannten Affäre auseinander und vermittelt durch die Darstellung den sehr unmittelbaren Eindruck, dass der Papst insoweit verschiedenste Dinge nicht im Griff habe. Das ist im Kern eine Sachkritik. Das äußere Gewand dieser Aussage ist natürlich spöttisch, was allerdings dem Wesen der Satire entspricht.

Vor diesem Hintergrund halte ich das Coverbild der Titanic als von der Meinungsfreiheit gedeckt. Man sollte sich übrigens davor hüten, den Papst anders zu behandeln als andere Personen des öffentlichen Lebens. Es wäre juristisch falsch, dem Papst deshalb einen Sonderstatus einzuräumen, weil er ein Kirchenoberhaupt ist. Auch die Frage des Geschmacks ist für die rechtliche Bewertung gänzlich unerheblich. Wer Mohammed-Karikaturen für zulässig hält, sollte außerdem auch mit dieser Darstellung der Titanic keine Probleme haben.

 

posted by Stadler at 16:24  

12.7.12

EU will Verwertungsgesellschaften wie die GEMA regulieren

Die EU-Kommission hat vor wenigen Tagen einen Vorschlag für eine Richtlinie über kollektive Rechtewahrnehmung und multiterritoriale Lizenzierung von Rechten an musikalischen Werken für die Online-Nutzung vorgestellt. Die Kommission möchte damit ein Mitspracherecht der Rechteinhaber bei der Wahrnehmung ihrer Rechte sicherzustellen und aufgrund europaweit einheitlicher Vorschriften besser funktionierende Verwertungsgesellschaften schaffen.

Vorab hatte die Kommission eine Bewertung des Online-Musikmarkts in Europa vorgenommen, die eine äußerst kritische Einschätzung der aktuellen Tätigkeit der nationalen Verwertungsgesellschaften – in Deutschland die GEMA – beinhaltet. Die Kommission führt hierzu aus:

 (…) in den letzten Jahren gab es vermehrte Anzeichen für eine unzureichende Kontrolle der Abläufe in einigen Verwertungsgesellschaften. Rechteinhaber aus dem In- und Ausland sind über die Aktivitäten ihrer Gesellschaften nur unzureichend informiert und können keine echte Kontrolle über sie ausüben. Dies gilt vor allem für die Einziehung, Verwaltung und Verteilung der Lizenzeinnahmen. Ebenso gibt es bei einigen Gesellschaften Hinweise auf ein mangelhaftes Finanzgebaren; die den Rechteinhabern zustehenden Tantiemen sammeln sich an, ohne dass diese einen Überblick darüber hätten, und/oder werden schlecht verwaltet. Viele der befragten Urheberverbände, Verleger, kommerziellen Nutzer und Verbraucher erklären, dass in Bezug auf die Leitung, Beaufsichtigung und Transparenz von Verwertungsgesellschaften Handlungsbedarf besteht, wohingegen die Verwertungsgesellschaften selbst eine Selbstregulierung für ausreichend halten. Für Rechteinhaber sind schlecht funktionierende Verwertungsgesellschaften gleichbedeutend mit verpassten (Lizenzierungs-)Chancen und überhöhten Abzügen von ihren Lizenzeinnahmen. Für die Nutzer bedeuten fehlende Transparenz und Rechenschaftspflicht schlechtere Leistungen und in einigen Fällen eine Verteuerung der Lizenzen.

Die Kommission möchte mithilfe einer Richtlinie die Organisation von Verwertungsgesellschaften harmonisieren und mehr Transparenz schaffen. Außerdem soll die Grundlage für die EU-weite Online-Nutzung von Musik geschaffen werden.

Die GEMA hat den Vorschlag der Kommission in einer Pressemitteilung begrüßt – es bleibt ihr vermutlich auch nichts anderes übrig – obwohl die Kritik der Kommission natürlich auch die GEMA trifft und diese Richtlinie dazu führen könnte, dass auch die GEMA zu mehr Transparenz verpflichtet wird.

Der Richtlinienvorschlag sieht u.a. auch vor, dass die Rechteinhaber das Recht erhalten, eine Verwertungsgesellschaft ihrer Wahl zu beauftragen und zwar ungeachtet der Niederlassung oder der Staatsangehörigkeit des Rechteinhabers beziehungsweise der Verwertungsgesellschaft. Es soll also einen europäischen Wettbewerb der bisher nationalen und faktisch monopolistischen Verwertungsgesellschaften geben.

Prominente britische Musiker haben den Richtlinienvorschlag der EU postwendend scharf kritisiert. Musiker bekannter Bands wie Radiohead oder Pink Floyd werfen der Kommission vor, mit ihrem Vorschlag wiederum nur eine Minderheit von Managern und Rechteinhabern zu privilegieren.

posted by Stadler at 09:44  

11.7.12

Merkbefreites zum Leistungsschutzrecht

Das bayerische Justizministerium hat sich für eine Pressemitteilung zum geplanten Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse ganz ersichtlich von der Verlagslobby die Feder führen lassen.

Für jemanden der monatelang ausführlich die Argumente gegen ein solches Leistungsschutzrecht erläutert hat, ist es ernüchternd und auch ermüdend zu sehen, wie billig, einseitig und offensichtlich lobbygesteuert Politik manchmal ist. Speziell für diese bayerische Justizministerin musste ich mich als (bayerischer) Jurist nicht nur einmal fremdschämen.

posted by Stadler at 21:40  

11.7.12

Verfassungsschutz und Gemeinnützigkeit

Eine Organisation, die in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder der Länder als extremistisch eingestuft wird, kann keine Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts erlangen, bzw. verliert diese wieder. Dies ergibt sich aus § 51 Abs. 3 der Abgabenordnung, die folgende Regelung enthält:

Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.

Diese Regelung soll nun durch das Jahressteuergesetz 2013 dahingehend verschärft werden, dass das unscheinbare Wort „widerlegbar“ gestrichen wird. Bislang konnte man also die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörde, man sei extremistisch widerlegen, aber selbst das soll nun nicht mehr möglich sein.

Das ist allein deshalb problematisch, weil es häufiger vorkommt, dass Verfassungsschutzbehörden Organisationen als extremistisch einstufen, die es gar nicht sind. Ein gutes Beispiel ist die jahrelange Erwähnung des Vereins A.I.D.A. im bayerischen Verfassungsschutzbericht, obwohl der Verein mehrfach erfolgreich vor den Verwaltungsgerichten gegen diese rechtswidrige Praxis des Bayerische Landesamts für Verfassungsschutz vorgegangen ist. Dennoch erscheint A.I.D.A. jedes Jahr wieder im Verfassungsschutzbericht.

Wenn man sich diese z.T. geradezu willkürlichen Nennungen in Verfassungsschutzberichten ansieht, stellt sich eigentlich eher die Frage, ob selbst eine (widerlegbare) Vermutung der Richtigkeit der Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden, angebracht ist. Zumal gerade in den letzten Tagen und Wochen immer deutlicher wird, welche Zustände in manchen Verfassungsschutzbehörden herrschen.

Verschiedenste zivilgesellschaftliche Organisationen laufen deshalb auch Sturm gegen die geplante Änderung der Abgabenordnung. Greenpeace, Attac, FoeBuD, die Humanistische Union und andere fordern die Abgeordneten des Bundestages in einem offenen Brief auf, diese Gesetzesänderung abzulehnen und sich darüber hinaus für die ersatzlose Streichung des § 51 Abs. 3 AO einzusetzen.

 

posted by Stadler at 15:51  

10.7.12

Wie man in Deutschland Verfassungsschutzpräsident wird

Wer sich schon immer gefragt hat, wie man in Deutschland Verfassungsschutzpräsident wird, für den liefert Helmut Roewer, ehemaliger Chef des Thüringischen Verfassungsschutzes, die Antwort:

„Es war an einem Tag nachts um 23 Uhr, da brachte mir eine unbekannte Person eine Ernennungsurkunde vorbei, in einem gelben Umschlag. Es war dunkel, ich konnte sie nicht erkennen. Ich war außerdem betrunken. Am Morgen fand ich den Umschlag jedenfalls noch in meiner Jacke.“

Das hätte sich selbst John Cleese nicht ausdenken können. Bei einem Thema, bei dem ich eigentlich dachte, dass mich nicht mehr viel überraschen kann, erhellen die Aussagen von Verfassungsschützern im Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags noch so einiges. Vor allen Dingen zeigen sie aber, was passieren kann und auch passiert, wenn man eine Behörde sich selbst überlässt und keinerlei effektive Kontrolle mehr ausgeübt wird.

posted by Stadler at 17:57  
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