Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

23.4.10

Censilia und die schwedische Zensurtradition

In einem Radiointerview wurde mir gestern die Frage gestellt, ob die Forderung der schwedischen EU-Kommissarin Cesilia Malmström nach Access-Sperren von Websites vielleicht auch damit zusammenhängen könnte, dass es in Schweden eine gewisse Zensurtradition gibt. Hierüber hatte die TAZ vor dem Hintergrund der Filmzensur in Schweden kürzlich berichtet. Und in der Tat scheint gerade in der schwedischen Politik die Vorstellung eines wohlmeinenden und damit auch bevormundenden Staates, der seine Bürger vor allen möglichen negativen Dingen, auch Geistesinhalten, schützen will, eine gewisse Tradition zu haben. Vielleicht ist aber auch gerade das einer der Gründe dafür, dass die Piratenbewegung ebenfalls aus Schweden kommt und dort bislang auch am erfolgreichsten ist.

Frau Malmström hat aber zumindest die deutsche Debatte des Jahres 2009 nicht verfolgt und sich nicht ansatzweise mit den in dieser Debatte vorgebrachten Argumenten beschäftigt. Ihre Aussagen klingen nämlich ziemlich genau nach den Argumenten Ursula von der Leyens aus der hiesigen Diskussion und die sind nun wirklich hinreichend widerlegt worden. Dass auch Teile der deutschen Politik sich weiterhin nicht mit den Fakten beschäftigen wollen, kommt Frau Malmström dabei natürlich zugute.

posted by Stadler at 08:13  

9.4.10

Warum Netzsperren gefährlich sind

Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur hat einen Bericht aus Finnland veröffentlicht, der anschaulich belegt, dass das Phänomen des Overblocking sehr real ist und die begründete Gefahr besteht, dass das Anliegen der Bekämpfung von Kinderpornografie im Netz weit über das Ziel hinaus schießen könnte. Alle diejenigen, die die Bedenken gegen Access-Blocking für konstruiert halten, sollten ganz genau lesen.

posted by Stadler at 08:00  

9.4.10

CSU und CCC

Bei Maybrit Illner haben gestern Experten und solche, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen dafür hält, darüber diskutiert, wie gefährlich das Internet ist. Die Diskussion verlief, wie nicht anders zu erwarten war, inhaltlich eher oberflächlich.

Beim Thema Google-Bashing hat sich zunächst so etwas ähnliches wie eine große Koalition aus CSU und CCC gebildet, personifiziert durch Ilse Aigner und Constanze Kurz. An dieser Diskussion stören mich zumeist zwei Dinge. Einerseits wird nicht differenziert zwischen Nutzern, die ein Google-Konto besitzen und dort eingeloggt sind und solchen, die nur die Suchmaschinenfunktion benutzen. Stattdessen wird Google gerne als Krake dargestellt, die jeden Nutzer genau kennt und auch exakt weiß, was er tut.  Andererseits wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Stellung von Google nicht durch den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung erreicht wurde, sondern durch echte Innovation.  Das bedeutet nicht, dass Google nicht kritisch zu betrachten ist. Aber die bisherige Diskussion verläuft zu einseitig, zu einfach und zu populistisch.

Als dann zum Ende hin noch kurz das Thema Netzsperren und Zugangserschwerung aufkam, hat Constanze Kurz aber ein für dieses Format sehr gutes und verständliches Statement abgegeben, dem Ilse Aigner nichts entgegen setzen konnte. Ich war froh, dass die Koalition von CCC und CSU dann doch schnell wieder zerbrochen ist.

posted by Stadler at 00:15  

6.4.10

Netzsperren: CSU sucht noch nach dem richtigen „approach“

Noch gestern warf CSU-Wirrkopf Hans-Peter Uhl der FDP den Bruch des Koalitionsvertrags vor und ließ beim Streitthema Zugangserschwerungsgesetz verlauten, dass das Löschen von kinderpornografischen Inhalten nichts bringt. WeltOnline zitiert ihn gar mit den Worten:

„Sie (die FDP) setzt einseitig auf das Löschen solcher Seiten, obwohl sie genau weiß, dass dies nichts bringt.“ (…) „Denn das vermeintlich Gelöschte wird vorher auf Computer heruntergeladen und taucht später an vielen neuen Stellen wieder auf. Man kann im weltweiten Netz nichts weltweit löschen“

Weil er diesen Unfug vermutlich selbst nicht verstanden hat, konnte man heute von Uhl auf Abgeordnetenwatch folgendes lesen:

„sicherlich ist das Löschen entsprechender websites die wirkungsvollste Methode, um den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten im Netz zu erschweren. Daher ist dies natürlich der wichtigste und vorrangig zu betreibende „approach“

So ist das halt seit einiger Zeit in der CSU, heute so morgen so. Darauf, dass sich die politischen Sperrbefürworter endlich mit den Fakten beschäftigen, darf man aber wohl nicht hoffen.

posted by Stadler at 21:30  

31.3.10

Hoeren: Auch Löschen bringt nichts

Thomas Hoeren, Hochschullehrer an der Uni Münster, überrascht mit der Aussage, dass im Kampf gegen kinderpornografische Inhalte im Internet, das Löschen solcher Inhalte ebenso ineffektiv sei wie der Versuch der Sperrung. Stattdessen plädiert Hoeren dafür, die Kreditkarten von Pädophilen zu sperren.

Abgesehen davon, dass man Kreditkarten erst dann sperren kann, wenn der Inhaber als Konsument von einschlägigem Content identifiziert ist, weist dieser Ansatz einen weiteren Schwachpunkt auf.

Ausgangspunkt ist nämlich die Annahme, es bestünde ein Massenmarkt und es würde in relevantem Umfang für kinderpornografische Inhalte mit Kreditkarte bezahlt. Dafür gibt es aber nach wie vor keine tragfähigen Erkenntnisse. Tatsächlich wird in Kreisen Pädophiler wohl überwiegend – außerhalb des Web – unentgeltlich getauscht. Im Internet findet der Austausch derartigen Materials auch nicht im Scheinwerferlicht des WWW, sondern in den Hinterzimmern statt, in geschlossenen Benutzergruppen, Chats und P2P-Netzen. Und hierbei fließt eben meistens kein Geld.

posted by Stadler at 18:40  

30.3.10

Die Reaktion der deutschen Politik auf „Censilia“

Wenn man sich die Reaktionen deutscher Politiker auf das Vorhaben der EU-Kommissarin Malmström, Access-Blockaden im Internet zu etablieren, ansieht, sticht die Pressemitteilung des Justizminsters von Rheinland Pfalz hervor, in der es u.a. heißt:

Ein zentrales Anliegen muss es sein, sich dafür einzusetzen, dass in allen Staaten der Welt wirksame gesetzliche Regelungen der Strafbarkeit und der Strafverfolgung sexuellen Missbrauchs und der Kinderpornographie umgesetzt werden“, betonte Justizminister Heinz Georg Bamberger anlässlich der gestrigen Ankündigung der EU-Kommissarin Cecilia Malmström, der zufolge die Mitgliedsstaaten zur Sperrung von Internetseiten verpflichtet werden sollen.

„Angesichts der weltweiten Vernetzung über das Internet haben die vorhandenen gesetzesfreien Räume auch unmittelbare Auswirkungen auf die Situation in Deutschland. Sie sind maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass trotz aller Bemühungen kinderpornographisches Material auch heute noch massenhaft – über das Internet auch von Deutschland aus – vorhanden ist. Das  Löschen dieser Inhalte muss selbstverständlich Vorrang vor dem Sperren genießen, in den Fällen, wo dies möglich ist“, bekräftigte der Minister.

Es sei völlig inakzeptabel, dass es immer noch Staaten gibt, die keine oder nur völlig unzureichende Gesetze zur Strafbarkeit von Kinderpornographie hätten, so der Minister.

Diese Stellungnahme ist in ihrer Unrichtigkeit und Widersprüchlichkeit symptomatisch für den unwissenden Umgang der deutschen Politik mit dem Thema.

Welche gesetzesfreien Räume dafür verantwortlich sein sollen, dass weiterhin massenhaft kinderpornografisches Material über das Internet vorhanden ist, wäre zumindest erklärungsbedürftig gewesen.

In allen Staaten dieser Welt, die über eine relevante Internetinfrastruktur verfügen, ist Kinderpornografie strafbar und wird auch verfolgt. Insoweit ist es interessant, einen Blick auf die Länder zu werfen, in denen solche Inhalte überwiegend gehostet werden. Wer dabei den Ausführungen der Sperrgegener nicht vertraut, wird sich vielleicht durch die Aussagen des Bundeskriminalamtes überzeugen lassen. Das BKA nennt nach Häufigkeit geordnet:

USA: 1148
Deutschland: 199
Niederlande: 79
Kanada: 57
Russland: 27
Japan: 20
Korea: 19
Tschechien: 15
Großbritannien: 14

Diese Zahlen beziehen sich auf Access-Sperren in Dänemark zwischen Oktober 2008 und Januar 2009. Ein ähnliches Bild hat die Analyse der australischen Sperrlisten ergeben.

Die dänischen Zugangsprovider blockieren also massenhaft kinderpornografische Webseiten z.B. in Deutschland und den Niederlanden, obwohl man innerhalb der EU mithilfe der Behörden vor Ort bzw. mittels Abuse-Mails  eine effektive Löschung binnen Stunden erreichen könnte. Und dieses absurde Modell soll nun in ganz Europa eingeführt werden.

Es ist in gewisser Weise zermürbend, dass man nach über einem Jahr intensiver Diskussion in Deutschland immer noch und immer wieder mit den immergleichen falschen Tatsachenbehauptungen und populistischen Parolen konfrontiert wird. Völlig zu Recht schreibt Sandra Mamitzsch bei CARTA, dass sich einige Beiträge zum Netzsperren-Vorschlag von Cecilia Malmström lesen, als ob es die “Zensursula”-Debatte nie gegeben hätte.

posted by Stadler at 17:53  

29.3.10

Was will Censilia genau?

Mein Versuch, den Text des Richtlinienentwurfs,  den „Censilia“Malmström heute vorgestellt hat, zu finden, verlief leider bislang erfolglos. Folgende Textpassage vom Server der EU klingt aber bereits sehr deutlich:

Member States will be obliged to ensure that access to websites containing child pornography can be blocked, as they are very difficult to take down at the source, especially if the site is outside the EU. The proposal will leave it to Member States to decide exactly how the blocking should be implemented but legal safeguards will always apply.

Danach haben die Mitgliedsstaaten die Pflicht eine Zugangserschwerung umzusetzen. Klar dürfte andererseits aber auch sein, dass das Europaparlament dieser Richtlinie zustimmen muss.

Frau Malmström hat erklärt, die dunklen Ecken des Internets aufräumen zu wollen. Es könnte jetzt allerdings auch sein, dass die Bürger damit anfangen, die dunklen Ecken in den Hinterzimmern der EU auszuleuchten.

Update vom 30.03.2010:

Der vollständige Richtlinienentwurf ist doch bereits online und gibt weitere Aufschlüsse. Bemerkenswert ist zunächst, dass der Entwurf, anders als das deutsche Recht, jede Person unter 18 Jahren als Kind definiert (Art. 2a). Damit wird auch die Jugendpornografie umfasst und man muss außerdem Auswirkungen auf Fälle normaler Jugendsexualität befürchten. Neben dem legitimen Anliegen, den Missbrauch von Kindern und die Verbreitung von Darstellungen dieses Missbrauchs zu bekämpfen, scheinen mir, speziell für den Jugendbereich, auch fragwürdige Moralvorstellungen eine Rolle zu spielen.

Das umstrittene Access-Blocking findet sich in Art. 21 des Richtlinienentwurfs:

1. Member States shall take the necessary measures to obtain the blocking of access by Internet users in their territory to Internet pages containing or disseminating child pornography. The blocking of access shall be subject to adequate safeguards, in particular to ensure that the blocking is limited to what is necessary, that users are informed of the reason for the blocking and that content providers, as far as possible, are informed of the possibility of challenging it.
2. Without prejudice to the above, Member States shall take the necessary measures to obtain the removal of internet pages containing or disseminating child pornography.

posted by Stadler at 21:20  

29.3.10

Zensursula Reloaded

Wie gestern schon berichtet, hat die EU-Kommissarin Malmström heute einen Richtlinenentwurf zum Kinderschutz angekündigt, der u.a. die Blockade von Websites durch Zugangsprovider beinhaltet.  Dieser Ansatz weist auch deshalb groteske Züge auf, weil man parallel auf EU-Ebene weiterhin über das Erfordernis von Netzneutralität diskutiert. Denn Access-Sperren beinhalten zwangsläufig die Manipulation technischer Abläufe und Standards. Wer Provider zwingt, Informationsströme umzuleiten, wirft die Netzneutralität über Bord.

Die Argumente, die gegen das deutsche Vorhaben angeführt worden sind, treffen auch auf die EU-Pläne zu. Dass derartige Sperren sehr leicht zu umgehen sind, gehört dabei noch zu den schwächeren Argumenten.  Viel schwerer wiegt beispielsweise der Umstand, dass die erhebliche Gefahr besteht, dass andere legale Inhalte quasi mitgesperrt werden (Overblocking). Und genau das findet in allen Ländern, in denen solche Access-Blockaden praktiziert werden, auch tatsächlich statt. Hinzu kommt der Aufbau einer Sperrinfrastruktur, die, wenn sie erst einmal vorhanden ist, Begehrlichkeiten wecken wird, verschiedensten rechtswidrigen oder unerwünschten Content ebenfalls in gleicher Art und Weise zu blockieren.

Schließlich muss man aber auch in aller Deutlichkeit sagen, dass Access-Blockaden nicht nur ungeeignet sind, Kinderpornografie im Netz zu bekämpfen, sondern vielmehr sogar der gegenläufige Effekt erzielt werden dürfte. Wer Sperrlisten erstellt, die nicht geheim zu halten sind, liefert damit nämlich auch Linklisten für Pädophile.  Wer Kinder schützen will, muss derartige Sperrvorhabern daher ablehnen. Man kann Kinderpornografie im Netz effektiver bekämpfen. Der Zugangsprovider, der keinen Zugriff auf die fraglichen Inhalte hat und deshalb im eigentlichen Sinne auch nicht sperren kann,  ist in jedem Fall der falsche Anknüpfungspunkt.

Und auch über das Thema Zensur wird in diesem Kontext ernsthaft zu diskutieren sein.

posted by Stadler at 11:45  

25.3.10

Zensursula über die europäische Hintertür?

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur hat gestern ein Dokument des Rates der EU veröffentlicht, in dem die Fortsetzung des Projekts CIRCAMP ausdrücklich betont und gefordert wird. Wesentlicher Bestandteil von CIRCAMP ist die Implementierung von CSAADF (Child Sexual Abuse Anti Distribution Filter), einem Konzept das ähnlich dem Zugangserschwerungsgesetz auf Access-Blockaden setzt und durch Eingriffe am DNS den Zugriff auf Seiten mit kinderpornografischen Inhalten verhindern und auf spezielle Stopp-Seiten umleiten will. Sämtliche Bedenken, die gegen das deutsche Vorhaben sprechen, sind auch hier angebracht.

posted by Stadler at 07:30  

22.3.10

JMStV: "Behüten, wo es nötig ist"

Unter der Überschrift „Behüten, wo es nötig ist“, verteidigt Kurt Beck in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung in einem Gastkommentar den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV).

Dass ein Ministerpräsident in einer große Tageszeitung zur Kritik an dem Konzept des Jugendmedienschutzes Stellung nimmt, zeigt, dass die Bedenken, die speziell die Netz-Community vorgetragen hat, auf der obersten landespolitischen Ebene angekommen sind.

Inhaltlich nimmt Kurt Beck vor allem zu der geplanten (freiwilligen) Einführung von Alterskennzeichnungen für Internetinhalte in einem neuen Entwurf zur Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 JMStV-E) Stellung. Dieses freiwillige Labeling von Websites durch den Content-Anbieter selbst, soll, so Beck, anerkannten Jugendschutzprogrammen als Filterkriterium dienen. Diese Jugendschutzprogramme sollen von den Eltern auf den Rechnern der Kinder installiert werden, um so den Zugriff der Kinder auf bestimmte Inhalte zu verhindern. So zumindest stellt Beck sich das vor.

Und an dieser Stelle zeigt sich bereits das Dilemma. Diejenigen Websites, die nicht mit einer Alterskennzeichnung versehen werden, laufen nämlich Gefahr, dass sie von Kindern und Jugendlichen, denen von den Eltern ein entsprechendes Filterprogramm vorgesetzt worden ist, überhaupt nicht mehr aufgerufen werden können. Und das gilt selbst für völlig harmlose Websites. Denn wenn die Filterprogramme alle Websites ausfiltern, die überhaupt keine Alterskennzeichnung haben (White-List-Prinzip), dann bleibt nicht mehr viel übrig und es entwickelt sich genau das „Kindernet“, das Kurt Beck nach eigenen Worten vermeiden will.

Unter anderem an diesem Punkt setzt auch die Kritik aus dem Netz an. Denn dieser Mechanismus könnte dazu führen, dass ein faktischer Zwang zur Alterskennzeichnung entsteht. Will man das Risiko vermeiden, dass die eigene Website von Minderjährigen überhaupt nicht mehr genutzt werden kann, wird man im Zweifel eine Alterskennzeichnung brauchen. Und die kann man sich nicht selbst ausdenken. Vielmehr muss man sich einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle unterwerfen. Und das ist für die meisten Websites, die mit ihren Inhalten kein Geld verdienen, keine realistische Option. Das skizzierte Szenario, wonach mit staatlicher Hilfe in großem Stile Internetinhalte ausgefiltert werden, ist somit keinesfalls abwegig.

Ein solches staatliches Konzept ist außerdem deshalb problematisch, weil sich auch Kinder und Jugendliche auf die Informationsfreiheit des Art. 5 GG berufen können und es auch ihnen möglich sein muss, sich grundsätzlich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Genau das ist auch ein wichtiger Baustein auf dem Weg, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu fördern. Gerade diese Aufgabe des Jugendschutzes wird durch das skizzierte Konzept des Jugendmedienschutzes gefährdet.

Was ebenfalls als problematisch betrachtet werden muss, ist die Vorstellung, dass Access-Provider ihren Kunden derartige Jugendschutzprogramme zum Download anbieten müssen. Damit wird wiederum der Zugangsprovider mit in die Pflicht genommen, obwohl es hierfür keine nachvollziehbaren Gründe gibt.

Wenn Kurt Beck außerdem von einem richtungsweisenden Modell für ganz Europa spricht, so verkennt er, dass der seit 2003 in Kraft befindliche Staatsvertrag bislang vor allen Dingen deshalb nicht besonders aufgefallen ist, weil Regelungsinstrumente wie die umstrittenen „Sendezeitbeschränkungen“ für Netzinhalte nur vereinzelt und nicht in der Breite zur Anwendung gelangt sind. Würde man dieses Vollzusgdefizit beseitigen, dann wären die Auswirkungen möglicherweise auch für Inhaltsanbieter spürbar, die gar keinen jugendgefährdenden Content am Netz haben.

Der grundlegende Fehler des JMStV besteht letztlich darin, dass Instrumentarien aus dem Jugendschutzgesetz (Sendezeitbeschränkungen, Kennzeichnung nach Altersstufen) eins zu eins auf den Jugendschutz im Internet übertragen werden. Die geistigen Väter dieser Konzepte halten das Internet immer noch für eine moderne Variante des Rundfunks und verstehen deshalb auch nicht, dass diese Konzepte erstens nicht effektiv funktionieren können und zweitens die Gefahr beinhalten, dass Inhalte beeinträchtigt werden, die nicht im Ansatz jugendgefährdend sind.

Kurt Beck sagt in seinem Beitrag für die SZ: „Wer diesen Entwurf als Einschränkung der Freiheit im Netz sieht, der will sich seiner Verantwortung nicht stellen„. Vielleicht kennt Kurt Beck ja das Brecht-Zitat „Gut gemeint ist das Gegenteil von gut.„. Im Gegensatz zu Kurt Beck glaube ich, dass, wer Kinder und Jugendliche zu eigenverantwortlichen und mündigen Bürgern erziehen will, nicht daran vorbei kommt, diesen Staatsvertrag insgesamt auf den Prüftstand zu stellen. Beim Jugendmedienschutz ist ein vollständiges Umdenken erforderlich und nicht nur eine Korrektur des aktuellen Änderungsentwurfs.

posted by Stadler at 11:50  
« Vorherige SeiteNächste Seite »