Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.2.11

BGH: Verwertung von Verkehrsdaten aus der Vorratsdatenspeicherung

Der BGH hat mit Beschluss vom 04.11.2010 (Az.: 4 StR 404/10) entschieden, dass Verkehrsdaten, die aus der Vorratsdatenspeicherung stammen zum Zwecke der Strafverfolgung verwertet werden dürfen, wenn die Verkehrsdaten in Übereinstimmung mit den einschränkenden Vorgaben der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.  März 2008 (1 BvR 256/08) erhoben und übermittelt worden sind.

Daran ändert nach Ansicht des BGH auch nichts, dass das BVerfG in seiner späteren Hauptsacheentscheidung zur Vorratsdatenspeicherung die Vorschriften der  §§ 113a, 113b TKG  sowie § 100g Abs. 1 Satz 1 StPO wegen Verstoßes  gegen Art. 10 Abs. 1 GG teilweise für nichtig erklärt hat. Denn die vorausgegangene einstweilige Anordnung des BVerfG  stelle sog. normvertretendes Übergangsrecht dar, das für den Übergangszeitraum bis zur Hauptsachentscheidung maßgeblich bleibt. Dies ergibt sich nach Ansicht des BGH auch unmittelbar aus den Gründen des Urteils des Verfassungsgerichts vom  2.  März  2010.

posted by Stadler at 11:23  

9.1.11

Daten auf dem Silbertablett

Der Umstand, dass Twitter kürzlich Nutzerdaten – vor dem Hintergrund von Ermittlungen gegen Wikileaks-Chef Assenge – an die US-Regierung herausgegeben hat, wird gerade intensiv diskutiert. Es scheint hierbei offenbar die Ansicht vorzuherrschen, derartiges sei in Deutschland nicht oder nur erschwert möglich.

Dass das ein Irrglaube ist, legt der Kollege Vetter in seinem Blog anschaulich dar. Diese Einschätzung entspricht auch meiner Erfahrung. Seit vielen Jahren liefern Provider und Portalbetreiber den Ermittlungsbehörden oftmals ohne großen Widerstand alle möglichen Daten auf Anfrage hin. Das Spektrum reicht von Bestandsdaten bis hin zu konkreten Kommunikationsinhalten. Oft genug werden hierbei durch die Behörden auch die gesetzlichen Vorgaben nicht beachtet. In vielen Fällen genügt faktisch ein Fax einer Polizeidienststelle oder KPI mit einer „Auskunftsanfrage“ und die Behörden bekommen die gewünschten Daten auf dem Silbertablett. Eine gewisse Erschwernis dieser zum Teil rechtswidrigen Praxis ist nun dadurch eingetreten, dass viele Provider und Portalbetreiber IP-Adressen nicht mehr oder nur nur noch sieben Tage speichern und danach keine Auskunft mehr erteilen können, weil die gewünschten Daten nicht mehr vorhanden sind. Der Grund hierfür ist übrigens nicht der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung, sondern der Druck der von den Datenschutzbehörden ausgeht. Ein Umstand, der auch in der aktuellen Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung zu wenig beachtet wird. Die (politische) Diskussion müsste eigentlich konkret das Spannungsverhältnis von Datenschutz und staatlichem Sicherheitsinteresse beleuchten. Diese Diskussion scheint aber politisch nicht erwünscht zu sein.

Ich habe vor einiger Zeit mal einen ISP vertreten, der eine formlose Anfrage des Bundeskriminalamts auf dem Tisch hatte, zu einer IP-Adresse die „Bestandsdaten“ eines Kunden zu liefern. Der Provider hat die Herausgabe verweigert und gab dem BKA die Rückmeldung, dass man mit der ermittelnden Staatsanwaltschaft im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben natürlich kooperieren würde, aber für eine Beantwortung dieser formlosen Anfrage keine rechtliche Verpflichtung erkennen könne. Der Provider hat von dem Vorgang nie wieder etwas gehört, weder das BKA noch eine Staatsanwaltschaft ist je wieder bei dem ISP vorstellig geworden.

Die meisten Anbieter sind allerdings nicht so widerspenstig, sondern kooperieren bereitwillig mit den Behörden. Zum Teil weil man glaubt, dazu stets verpflichtet zu sein, teils deshalb, weil man keinen Ärger mit der Staatsgewalt haben möchte.

Auch richterliche Beschlüsse über die Beschlagnahme von Kommunikationsinhalten gibt es in Deutschland sehr häufig und oftmals auch sehr zügig. Die Bedeutung des Richtervorbehalts wird insgesamt stark überschätzt.

posted by Stadler at 14:06  

11.12.10

Sind DDoS-Attacken strafbar?

Eine neue Form des Payback-Systems haben Wikileaks-Unterstützer in den letzten Tagen praktiziert. Mittels sog. (Distributed) Denial Of Service Attacken hatte ein vermutlich loser und spontaner Verbund von Aktivisten, die sich „Anonymous“ nennen, die Webserver von Unternehmen wie VISA, Mastercard, PayPal oder Moneybookers lahmgelegt bzw. dies versucht. Diese Unternehmen haben ihre Geschäftsbeziehung zu Wikileaks fristlos beendet, offenbar mit dem Ziel, die Zahlungsströme zu Wikileaks zu blockieren. Dass dies auf unmittelbaren oder mittelbaren Druck der US-Regierung geschehen ist, liegt nahe.

Ich bin in den letzten Tagen in diesem Zusammenhang immer wieder gefragt worden, ob solche DDoS-Attacken denn strafbar sind. Bis vor einigen Jahren war diese Frage äußerst umstritten. Das OLG Frankfurt hat dann im Jahre 2006 entschieden, dass der öffentliche Aufruf dazu, zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Website der Lufthansa zuzugreifen, mit dem Ziel den Server lahmzulegen, keine Straftat darstellt.

Ob das auch für DDoS-Angriffe gilt, die softwaregestützt ablaufen, hatte das OLG Frankfurt allerdings nicht zu entscheiden. Außerdem wurde kurze Zeit später das Computerstrafrecht verschärft. Die 2007 in Kraft getretene Vorschrift des § 303 b Abs. 1 Nr. 2 StGB stellt mittlerweile auch das bloße Eingeben oder Übermitteln von Daten in Nachteilszufügungsabsicht unter Strafe. Damit sollte nach der Gesetzesbegründung ganz ausdrücklich die Strafbarkeit von DDoS-Attacken begründet werden. Allerdings ist hier nach wie vor umstritten, ob davon auch die manuelle Dateneingabe erfasst wird, zumal sich in den Fällen des „Online-Protests“ immer auch die Frage nach Art. 5 GG stellt. Die Vorschrift ist auch deshalb kritisiert worden, weil der Wortlaut eine enorme Ausdehnung der Strafbarkeit auf möglicherweise sozial-adäquate Verhaltensweisen ermöglicht. Da die Norm eine Umsetzung von Art. 5 der Cybercrime-Convention darstellt, existiert in anderen EU-Staaten eine vergleichbare gesetzliche Regelung.

posted by Stadler at 18:27  

3.12.10

Neuer Gesetzesentwurf: Schutz der Presse vor Strafverfolgung

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht vorgelegt, der über einen entsprechenden Entwurf der Bundesregierung hinausgeht.

Der Entwurf der Grünen sieht folgende Änderung des Strafgesetzbuches vor:

Nach § 353b Absatz 3 wird der folgende Absatz 3a eingefügt:

„(3a) Wer bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirkt oder mitgewirkt hat und dabei zu der Tat angestiftet (§ 26) oder Hilfe geleistet hat (§27), bleibt straffrei.“

§ 353d Nummer 3 wird gestrichen.

Die Grünen wollen also in diesem Bereich eine Anstiftung und Beihilfe generell von der Strafbarkeit ausnehmen, sofern sie Zwecken der Berichterstattung dient, an der der Täter berufsmäßig mitwirkt. Diese Definition der priviligierten Personengruppe ist wörtlich der Vorschrift des § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO entnommen. Hier stellt sich auch die Frage, wie beispielsweise Blogger behandelt werden sollen. Da sie zumeist nicht berufsmäßig agieren, würde ihnen dieses Privileg versagt bleiben, was ich für wenig sachgerecht halte. An dieser Stelle wäre im übrigen auch eine Ausweitung des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 53 StPO zu erwägen. Es ist schade, dass auch der Entwurf der Grünen dem Medienwandel keine Rechnung trägt. Ich würde es für schwer nachvollziehbar halten, wenn man eine Informationsbeschaffung für „netzpolitik.org“ als weniger schützenswert betrachtet, als z.B. die für „Spiegel Online“.

Erwähenswert ist aber auch die Forderung der Grünen nach einer Streichung von § 353d Nr. 3 StGB, der die öffentliche Mitteilung der Anklageschrift oder anderer Dokumente eines Strafverfahrens im Wortlaut unter Strafe stellt, solange über die Dokumente nicht öffentlich verhandelt worden ist.

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung möchte demgegenüber nur Beihilfehandlungen von Personen im Sinne von § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO straffrei stellen, die sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken.

Update vom 07.12.2010:
Die Grünen haben auf diesen Blogeintrag geantwortet und MdB Tabea Rößner hat hier sogar einen Kommentar hinterlassen.

In der Sache stellt mich die Antwort allerdings nicht zufrieden. Die Grünen vertreten die Auffassung, dass ihr Gesetzesentwurf sehr wohl auch Blogger einschließen würde. Richtig ist sicherlich zunächst, dass Internetveröffentlichungen grundsätzlich erfasst werden, nachdem das Gesetz auch von Informations- und Kommunikationsdiensten spricht. Knackpunkt bleibt aber die Frage, wie der Begriff der berufsmäßigen Mitwirkung auszulegen ist. Berufsmäßigkeit ist dabei noch nicht allein deshalb gegeben, weil etwas mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt wird, denn regelmäßig kann man auch einem Hobby nachgehen. Die Regelmäßigkeit mag also Voraussetzung einer berufsmäßigen Befassung sein, als zentrales Abgrenzungskriterium taugt sie nicht. Das Kriterium der Berufsmäßigkeit wurde – was in der juristischen Literatur übrigens auch auf Kritik gestoßen ist – gerade deshalb eingefügt, um den professionellen Journalismus von der hobbymäßigen Variante abzugrenzen.

Ohne einen klarstellenden Zusatz, auf den der Entwurf der Grünen verzichtet, besteht deshalb die Gefahr einer engen Auslegung, die neue Formen des Bürgerjournalismus ausgrenzt. Und die Praxis lehrt, dass Staatsanwälte und auch Strafrichter in solchen Fällen sich allzu gerne für die enge Auslegung entscheiden.

posted by Stadler at 10:43  

13.11.10

Braucht die Polizei den Ermittlungsansatz IP-Adresse?

Habe gerade an einem Workshop des Netzpolitischen Kongresses der Grünen teilgenommen zum Thema „Die dunkle Seite des Netzes“, in dem es um Internetkriminalität ging.

Der Vertreter des BKA hat sehr anschaulich dargestellt, mit welcher Art von Fällen er in der Praxis zu tun hat, insbesondere das Phänomen des Identitätsdiebstahls wurde von ihm skizziert. Sein Kurzvortrag endete mit dem pessimistischen Ausblick, dass bald das Licht ausgehen würde, weil der Polizei der Ermittlungsansatz IP-Adresse nicht (mehr) zur Verfügung  steht.

Das führte zu deutlichem Widerspruch u.a. durch den Datenschutzbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern Karsten Neumann, der auch darauf hingewiesen hat, dass er die Ansicht seines Kollegen Schaar – zur Vorratsdatenspeicherung – nicht teilt.

Dass die Polizeibehörden mithilfe der Vorratsdatenspeicherung ein paar Betrugsfälle mehr aufklären können, mag sein. Primäre Fragestellung sollte aber nicht sein, was technisch möglich ist, sondern was wir rechtsstaatlich und rechtspolitisch für akzeptabel halten. Ist es gerechtfertigt, anlassunabhängig TK-Daten aller Bürger auf Vorrat zu speichern, nur weil man vielleicht einen Betrug aufklären kann, der drei Monate zurück liegt?

Nachdem die Vorratsdatenspeicherung vom Verfassungsgericht kassiert worden ist, stellen sich die damit zusammenhängenden Fragen neu. Der politische Prozess hat erneut begonnen. Und er sollte nicht primär von den Wünschen der Ermittler dominiert werden, sondern von bürgerrechtlichen Aspekten. Und am Ende muss keineswegs ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung stehen, das die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerade so einhält. Der Moderator Jerzy Montag beendete den Workshop mit den Worten, dass das Licht noch nicht ausgeht.

posted by Stadler at 18:31  

3.11.10

Erneut merkbefreit

Bayerns Justizminsterin Beate Merk – die deutsche Antwort auf Sarah Palin – hat einen peinlichen Beitrag für die FAZ verfasst, in dem sie für eine klarere gesetzliche Regelung des sog. Cybergrooming plädiert. Dabei liegt die letzte Gesetzesänderung in diesem Bereich, die natürlich auch mit den Stimmen der CSU-Abgeordneten beschlossen worden ist, gerade erst zwei Jahre zurück. Diese Regelung hält Frau Merk nun entgegen der Einschätzung der Fachwelt, aber in Übereinstimmung mit Stephanie zu Guttenberg, plötzlich für unzureichend.

Warum Strafrechtler bereits das geltende Recht für zu weitgehend erachten, kann man bei Jens Ferner, der hierzu die zwei bekanntesten Kommentare zum StGB zitiert, und bei Heise nachlesen. In der Tat ist schwer nachvollziehbar, dass das sog. Cybergrooming in § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB strafbar ist, während dasselbe Realverhalten in Form eines unmittelbaren Ansprechens eines Kindes nicht unter Strafe steht. Das ist bereits deshalb unverständlich, weil der Haupttatort in diesen Fällen nicht das Internet ist, sondern das unmittelbare soziale Umfeld der Kinder. Diesen Wertungswiderspruch möchte Frau Merk offenbar weiter verschärfen.

Man muss schließlich auch berücksichtigen, dass bereits mit dem geltenden § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB bloße Vorbereitungshandlungen unter Strafe gestellt werden. Wenn man nun zusätzlich auf das Merkmal des Einwirkens verzichtet, wie Frau Merk es fordert, dann würde es an jeglichen greifbaren objektiven Tatumständen fehlen, so dass eine Abgrenzung so sozialadäquatem Verhalten nicht mehr sachgerecht vorgenommen werden könnte.

posted by Stadler at 12:48  

24.10.10

Hobby-Ermittler und Hobby-Juristen am „Tatort Internet“

Der Produzent des umstrittenen RTL2-Formats „Tatort Internet“ Daniel Harrach versucht sich in der FAZ nun auch noch als Hobby-Jurist und erklärt den Lesern, warum das sog. Grooming in Deutschland angeblich nicht strafbar sei. Die Ausführungen von Harrach haben nur einen Schönheitsfehler, sie sind juristisch unzutreffend.

Die Aussagen Harrachs zur deutschen Rechtslage lauten wörtlich:

„Wie sieht die Rechtslage derzeit aus? Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist in Deutschland laut Paragraph 176 des Strafgesetzbuches strafbar. Das ist gut und richtig. Auch der Versuch ist laut Absatz 6 strafbar – jedoch ausdrücklich nicht, wenn ein Erwachsener „auf ein Kind durch Schriften einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen“, oder „auf ein Kind durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen, durch Abspielen von Tonträgern pornographischen Inhalts oder durch entsprechende Reden einwirkt“. Wieso soll ausgerechnet eine solche Einwirkung, die Minderjährige für sexuelle Handlungen gefügig machen will, straffrei bleiben? Auch ist es eine rechtliche Grauzone, wo der „Versuch“ des sexuellen Missbrauchs endet und wo er zu einer strafbaren Handlung wird. Es bedarf unbedingt der Klarheit.“

Da ist der Laie erstaunt und der Fachmann wundert sich. Der deutsche Gesetzgeber hat im Jahre 2008 das Sexualstrafrecht verschärft und u.a. die Vorschrift des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB geschaffen, die die Strafbarkeit des sexuellen Missbrauchs von Kindern deutlich ausdehnt und Handlungen unter Strafe stellt, die das Stadium des Versuchs eines Missbrauchs noch nicht erreicht haben. Damit ist, entgegen der Aussage von Harrach, das sog. Grooming grundsätzlich strafbar. Die Strafbarkeit wird durch diese Vorschrift nämlich weit nach vorne verlagert und setzt zeitlich vor dem Stadium des Versuchs im strafrechtlichen Sinne an. Bestimmte Vorbereitungshandlungen, die bisher straflos waren, sind damit unter Strafe gestellt worden. Nachdem diese Strafbarkeit aber zeitlich ohnehin bereits vor Beginn des Versuchsstadiums einsetzt, kann der Versuch dieser Handlung logischerweise nicht mehr unter Strafe gestellt werden. Dass es keinen Versuch einer Vorbereitungshandlung geben kann, ist den Grundsätzen der Denklogik geschuldet und stellt keine Strafbarkeitslücke dar.

Der Umstand, dass die bei „Tatort Internet“ gezeigten Fälle im Ergebnis nicht strafbar sein dürften, hat einen anderen Hintergrund. Denn § 176 StGB verlangt als Tatobjekt ein Kind. Bei RTL2 werden die vermeintlichen Täter von einer älteren Journalistin angelockt und vor Ort dann von einer 18-jährigen Schauspielerin beschwatzt. Ein Kind und damit ein taugliches Tatobjekt ist nicht im Spiel.

posted by Stadler at 19:27  

14.10.10

Darf die Polizei in sozialen Netzwerken ermitteln?

Habe gerade dem On3-Radio des Bayerischen Rundfunks ein Interview – das wohl erst nächste Woche gesendet wird – zu der Frage gegeben, ob die Strafverfolgungsbehörden in sozialen Netzwerken ermitteln dürfen.

Das dürfen Sie in einem gewissen Umfang in der Tat und praktizieren das meines Wissens auch. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung zur Onlineüberwachung u.a. auch zur Ermittlungstätigkeit im Netz Stellung genommen und dazu folgendes ausgeführt:

Eine Kenntnisnahme öffentlich zugänglicher Informationen ist dem Staat grundsätzlich nicht verwehrt. Dies gilt auch dann, wenn auf diese Weise im Einzelfall personenbezogene Informationen erhoben werden können (…). Daher liegt kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, wenn eine staatliche Stelle im Internet verfügbare Kommunikationsinhalte erhebt, die sich an jedermann oder zumindest an einen nicht weiter abgegrenzten Personenkreis richten. So liegt es etwa, wenn die Behörde eine allgemein zugängliche Webseite im World Wide Web aufruft, eine jedem Interessierten offen stehende Mailingliste abonniert oder einen offenen Chat beobachtet.

Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann allerdings gegeben sein, wenn Informationen, die durch die Sichtung allgemein zugänglicher Inhalte gewonnen wurden, gezielt zusammengetragen, gespeichert und gegebenenfalls unter Hinzuziehung weiterer Daten ausgewertet werden und sich daraus eine besondere Gefahrenlage für die Persönlichkeit des Betroffenen ergibt. Hierfür bedarf es einer Ermächtigungsgrundlage.

Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liegt nicht schon dann vor, wenn eine staatliche Stelle sich unter einer Legende in eine Kommunikationsbeziehung zu einem Grundrechtsträger begibt, wohl aber, wenn sie dabei ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen in die Identität und die Motivation seines Kommunikationspartners ausnutzt, um persönliche Daten zu erheben, die sie ansonsten nicht erhalten würde (…). Danach wird die reine Internetaufklärung in aller Regel keinen Grundrechtseingriff bewirken. Die Kommunikationsdienste des Internet ermöglichen in weitem Umfang den Aufbau von Kommunikationsbeziehungen, in deren Rahmen das Vertrauen eines Kommunikationsteilnehmers in die Identität und Wahrhaftigkeit seiner Kommunikationspartner nicht schutzwürdig ist, da hierfür keinerlei Überprüfungsmechanismen bereitstehen. Dies gilt selbst dann, wenn bestimmte Personen – etwa im Rahmen eines Diskussionsforums – über einen längeren Zeitraum an der Kommunikation teilnehmen und sich auf diese Weise eine Art „elektronische Gemeinschaft“ gebildet hat. Auch im Rahmen einer solchen Kommunikationsbeziehung ist jedem Teilnehmer bewusst, dass er die Identität seiner Partner nicht kennt oder deren Angaben über sich jedenfalls nicht überprüfen kann. Sein Vertrauen darauf, dass er nicht mit einer staatlichen Stelle kommuniziert, ist in der Folge nicht schutzwürdig.

Polizeiliche Ermittlungen in sozialen Netzen wie Facebook sind somit erst dann problematisch, wenn ein Polizeibeamter unter einer Legende ermittelt, einen Kommunikationsprozess aufnimmt und sich eine gewisse Vertrauensstellung erschleicht um so an Informationen zu gelangen, die der Betroffene ansonsten nicht preisgegeben hätte.

Passend hierzu berichtet netzpolitik.org heute darüber, dass die US-Regierung eine eigene Abteilung „Social Networking Monitoring Center“ gegründet hat, die der Überwachung sozialer Netze dient.

posted by Stadler at 15:01  

8.10.10

Tatort Internet: Noch Luft nach unten

Wenn man gelegentlich in das Programm des Senders RTL 2 reinzappt, denkt man sich zumeist, dass der qualitative Boden bereits erreicht ist und keine Luft mehr nach unten besteht. Das ist freilich ein Irrtum, wie die gestern erstmals ausgestrahlte Sendung „Tatort Internet“ belegt. Auch die flankierende Berichterstattung früherer (Stern) und vermeintlich aktueller (FAZ) Qualitätsmedien lässt sich auf der nach unten offenen Niveauskala nicht lumpen. Denn schließlich geht dieses der Aufklärung verpflichtete neue Format auf die Jagd nach Kinderschändern und zwar im natürlich größten Tatort der Welt, nämlich dem Internet.

Dass dieses Format den Missbrauch von Kindern zu Quotenzwecken instrumentalisiert, haben andere bereits dargelegt. Deshalb möchte ich mich hier auf einige juristische Aspekte beschränken.

Der Beitrag suggeriert teilweise, dass der Versuch des sexuellen Missbrauchs von Kindern oder der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte nicht strafbar sei. Dem ist nicht so.

Was in der Sendung letztlich gefordert wurde, ist die Einführung einer Strafbarkeit des sog. „Grooming“. Gemeint sind damit Vorbereitungshandlungen wie das bloße Ansprechen von Kindern oder Jugendlichen in Chats o.ä. mit sexuellem Hintergrund. Die Schaffung einer solchen Strafbarkeit hätte zumindest den Vorteil, dass damit auch Sendungen wie „Tatort Internet“ unzulässig werden. Denn was die Journalistin Beate Krafft-Schöning da vor laufender Kamera macht, ist letztlich natürlich auch nichts anderes als die Förderung von „Grooming“.

Gegen das Format wurden aber noch weitere rechtliche Bedenken geäußert. Denn das heimliche Mitschneiden der Gespräche der angelockten potentiellen Täter durch RTL 2 dürfte gegen § 201 StGB verstoßen. Das unbefugte Aufnehmen des nichtöffentlich gesprochenen Worts, wie auch das Gebrauchmachen von einer solchen Aufnahme, ist danach grundsätzlich strafbar. Die Hobbyermittler von RTL 2 haben eben keine polizeilichen Befugnisse. Bei diesem Format werden also möglicherweise auf beiden Seiten der Kamera Straftaten begangen.

Sollte aufgrund der Angaben, die zu der Person der gefilmten Täter gemacht werden, eine Identifizierbarkeit möglich sein, kommt außerdem eine Persönlichkeitsrechtsverletzung hinzu. Man sollte die Ermittlungsarbeit deshalb der Polizei überlassen.

Dass die Ehefrau des Verteidigungsministers, Stephanie zu Guttenberg bei einem derart fragwürdigen Format mitwirkt, ist eine andere Geschichte. Dem vielbeschworenen Schutz der Kinder, dient das jedenfalls nicht.

posted by Stadler at 17:34  

6.10.10

Über die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften

Eine Reihe von medienwirksamen Strafprozessen (Kachelmann, Tauss, Benaissa) der letzten Zeit sind von einer durchaus diskussionswürdigen Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften und Polizei begleitet worden. Henning Ernst Müller greift dieses Thema im Rahmen eines äußerst lesenswerten Beitrags für das Beck-Blog auf und weist u.a. darauf hin, dass sich die staatsanwaltliche Öffentlichkeitsarbeit im Ermittlungsverfahren auf keine oder eine nur ganz unzureichende Rechtsgrundlage stützen kann, weil das Ermittlungsverfahren nach dem Konzept des Gesetzgebers als nicht-öffentlich ausgestaltet ist. Neben der Gefahr einer öffentlichen Vorverurteilung, kommt es hier z.T. zu Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht der Beschuldigten, für die die öffentliche Gewalt, zu der die Staatsanwaltschaft zu rechnen ist, zumindest einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Und genau die fehlt.

posted by Stadler at 21:52  
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