Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.5.12

Prüfpflichten von Bewertungsportalen

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Betreiber eines Bewertungsportals dazu verurteilt (Urteil vom 08.05.2012, Az. 11 O 2608/12), eine negative Bewertung eines Zahnarztes zu unterlassen.

Laut der Pressemitteilung des Landgerichts sei der Internetprovider (Portalbetreiber) auf die konkrete Beanstandung des betroffenen Zahnarztes hin verpflichtet, den Sachverhalt sorgfältiger zu prüfen. Insbesondere müsse er sich von seinem Kunden einen Nachweis dafür vorlegen lassen, dass die zahnärtztliche Behandlung tatsächlich stattgefunden hat.

Meines Erachtens überdehnt das Landgericht damit die Grundsätze der Haftung des lediglich mittelbaren Störers deutlich. Der BGH hat mehrfach entschieden, dass eine Pflicht zum Einschreiten nur dann besteht, wenn der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann. Der BGH ist zwar der Ansicht, dass der Portalbetreiber die Beschwerde an den Autor der Bewertung weiterleiten und sich ggf. um eine Stellungnahme bemühen muss. Das hat der Portalbetreiber im vorliegenden Fall allerdings auch getan.

Wenn der Autor daraufhin bei seiner Aussage bleibt, ist es für den Portalbetreiber schwierig, eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Wenn man an dieser Stelle vom Portalbetreiber verlangt, er müsse sich von dem Äußernden einen Nachweis vorlegen lassen, so würde dies eine erhebliche Erschwerung der Tätigkeit von Meinungs- und Bewertungsplattformen mit sich bringen. Denn einen solchen Nachweis wird der Autor des Beitrags regelmäßig nicht beibringen und vielfach auch nicht beibringen können, mit der Folge, dass ein Großteil derartiger Beiträge zur Vermeidung einer Haftung zu löschen wären.

Dieses Ergebnis würde allerdings der Bedeutung von Meinungs- und Bewertungsportalen für die Meinungsfreiheit und gerade auch für die Informationsfreiheit nicht gerecht. Der BGH hat insoweit bereits Anforderungen gestellt, die man im Lichte der Meinungsfreiheit als grenzwertig erachten muss. Diese Anforderungen weitet die instanzgerichtliche Rechtsprechung nunmehr – wie so häufig – aber noch weiter aus. Angesichts der zentralen Bedeutung dieser Frage wäre auch eine Entscheidung des BVerfG durchaus wünschenswert, zumal bereits die vom BGH postulierten Anforderungen vor dem Hintergrund der Meinungs- und Informationsfreiheit als kritisch betrachtet werden müssen.

posted by Stadler at 15:06  

4.5.12

Google haftet für Erfahrungsberichte auf Google Maps

Nach einer neuen Entscheidung des Landgerichts Berlin (Urteil vom 5. April 2012, Az.: 27 O 455/11) haftet Google für (anonyme) Erfahrungsberichte auf Google Maps entsprechend der vom BGH entwickelten Grundsätze einer beschränkten Störerhaftung von Host-Providern.

Das ist im Ansatz sicherlich zutreffend. Ob das Landgericht Berlin die richtigen Schlussfolgerungen aus der Entscheidung des BGH gezogen hat, ist dennoch fraglich. Das Landgericht stützt die Störerhaftung von Google offenbar primär auf den Umstand, dass Google nicht versucht hat, eine Stellungnahme des Verfassers einzuholen. Ob dieser Umstand allein allerdings eine Störerhaftung begründet, weil bereits dadurch eine (zumutbare) Prüfpflicht verletzt worden ist, hat der BGH in dieser Form nicht entschieden. Im Fall des Landgerichts Berlin liegt außerdem ein – von der Meinungsfreiheit gedecktes – Werturteil durchaus näher als in dem vom BGH entschiedenen Fall. Hier scheint mir etwas vorschnell eine Tatsachenbehauptung angenommen worden zu sein.

Andererseits kann auf Google Maps nur derjenige einen Erfahrungsbericht verfassen, der als Nutzer angemeldet ist. Google verfügt also zumindest über Kontaktdaten des Verfassers und hätte durchaus die Möglichkeit, den Autor um eine Stellungnahme zu bitten.

Wie ist allerdings die Situation zu beurteilen, wenn man als Forenbetreiber oder Blogger tatsächlich, entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 13 Abs. 6 TMG, eine anonyme Nutzung gewährleistet? In diesem Fall kann man als Betreiber mit dem Verfasser eines Kommentars keinen Kontakt aufnehmen, weil man noch nicht einmal eine E-Mail-Adresse erfasst hat. Soll dies also dann dazu führen, dass man damit automatisch als Störer haftet, weil man zumutbare Prüfpflichten verletzt hat, obwohl einen das Gesetz andererseits dazu anhält, eine anonyme Nutzung zu ermöglichen? Bereits diese Überlegung zeigt, dass nur wegen einer fehlenden Rückfrage beim Verfasser schwerlich eine Störerhaftung bejaht werden kann.

Man darf auf die zu erwartende Berufung gespannt sein.

posted by Stadler at 09:40  

25.4.12

Urheberrechtliche Haftung für „Embedded Content“

Das OLG Köln lehnt mit Urteil vom 16.03.2012 (Az.: 6 U 206/11) eine Urheberrechtsverletzung in Fällen des Framing ab. Es geht hierbei um die Frage, ob derjenige, der Fremdinhalte in einem Frame anzeigt, für Urheberrechtverletzungen auf der verlinkten Fremdseite haften soll.

Das Oberlandesgericht Köln beschäftigt sich zunächst mit der Frage, ob in Fällen des Framings überhaupt ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von § 19a UrhG in Betracht kommt. Das OLG bezeifelt dies, weil kein kontrolliertes Bereithalten eines in der Zugriffssphäre des Verletzers befindlichen Werks zum Abruf stattfindet, lässt die Frage aber letztlich offen.

Nachdem das OLG kein mittelbares oder mittäterschaftliches Handeln desjenigen erkennen kann, der fremde Inhalte in einem Frame darstellt, fehlt es nach Ansicht des OLG Köln bereits an einer ausreichenden eigenen Vereltzungshandlung. Die Entscheidung stellt allerdings maßgeblich darauf ab, dass die Internetnutzer aufgrund der konkreten Gestaltung klar erkennen können, dass es sich um Fremdinhalte handelt und nicht um von der Beklagten verantwortete eigene Inhalte.

Eine Störerhaftung hat das OLG schließlich deshalb abgelehnt, weil das fragliche Framing bereits zwei Tage nach der Abmahnung beendet war. Dies ist offenbar von der Überlegung getragen, dass zumutbare Prüfpflichten im Sinne der Störerdogmatik frühestens dann entstehen, wenn der Störer von der Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wurde.

Eine im Ergebnis sicherlich zutreffende Entscheidung.

Im urheberrechtlichen Sinne dürfte diese Rechtsprechung auch auf die Fälle der Einbindung von YouTube-Videos in Blogs übertragbar sein, denn auch dort ist deutlich erkennbar, dass es sich nicht um eigenen Content des Bloggers handelt.

posted by Stadler at 09:26  

18.4.12

Linkhaftung und Jugendschutz

Vom Verwaltungsgericht Düsseldorf kommt eine durchaus denkwürdige Entscheidung  (Urteil vom 20.03.2012, Az.: 27 K 6228/10) , die sich mit der Frage der Haftung von Links auf Domainparking-Seiten befasst, die auf pornografische Inhalte verweisen.

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat gegenüber einer Domainvermarktungsgesellschaft Links auf einer Domainparkingwebsite als Verstoß gegen den Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) beanstandet. Ein Domainvermarkter hatte die fragliche Domain auf sich, aber im Kundenauftrag, registriert. Er hat gegen den Verwaltungsakt der KJM Klage erhoben und sich u.a. darauf berufen, dass er nicht Anbieter der fraglichen Inhalte gewesen sei und die Parkseite und die Werbelinks auch nicht bearbeitet habe. Die Domain sei durch einen Dienst ohne sein Zutun in die Parkseite eingebunden worden. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass sich auf den beworbenen Websites erotische Inhalte befunden hätten.

Diese Einlassung hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf nicht für beachtlich gehalten und die Klage (weitgehend) abgewiesen.

Das VG Düsseldorf geht zunächst davon aus, dass der Kläger Anbieter der Inhalte (der Website) im Sinne des JMStV war, was wiederum allein aus dem Umstand hergeleitet wird, dass er als Domaininhaber eingetragen war.

Bereits diese Gleichsetzung von Domain und Website ist nicht unproblematisch.

Interessant ist dann auch die weitere Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, nach der sich der Inhaber einer Domain, unter der eine Domainparking-Seite mit Werbelinks abrufbar ist, die verlinkten Inhalte stets zu Eigen macht. Das Verwaltungsgericht führt dazu aus:

Ziel des Domaininhabers, der seine Domain mit der Absicht der Gewinnerzielung auf eine Parkseite weiterleitet, ist es, dass die Besucher seiner Domain die von der Parkseite aus verlinkten Domains aufsuchen. Der Inhaber der Parkseite macht sich so die Inhalte der verlinkten Domains zu Eigen. Dies gilt zumindest dann, wenn sich die Parkseite – wie die des Klägers – nicht auf eine bloße Auflistung von Links beschränkt, sondern die zu erreichenden Inhalte weitergehend „anpreist“ oder beschreibt. So fanden sich auf der Parkseite des Klägers sowohl Beschreibungen der beworbenen Inhalte als auch Screenshots der Angebote. Zu dem Link auf das Angebot der Domain „www.E6.com“ hieß es etwa: „Für nur 2,50 bekommst Du einen #1# – Memberbereich mit Livesex, Commandocams, Direktkontakten, Pornofilme in Bildschirmgröße mit Sound und vielen weiteren Spezialangeboten für Deinen Geschmack. Keine Dialer, keine Popups, einfach nur fair.

Ob es dem Kläger bewusst war, welche Inhalte von seiner Domain aus im Einzelnen erreichbar waren, ist ohne Relevanz. Zum Störer wird jemand dadurch, dass durch sein eignes bzw. ihm zurechenbares fremdes Verhalten eine Gefahr verursacht wird oder eine solche Gefahr aus dem Zustand einer von ihm rechtlich oder tatsächlich beherrschten Sache entsteht. Unerheblich ist, ob den Ordnungspflichtigen ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) trifft.

Diese Argumentation ist jedenfalls nicht konsistent. Denn man kann nicht einerseits unterstellen, jemand würde aufgrund des Konstrukts eines Zueigenmachen in gleicher Weise haften wie der Anbieter originär eigener Inhalte und andererseits aber annehmen, es sei unerheblich, ob der Betroffene überhaupt Kenntnis von den Inhalten hat, die er sich angeblich zu Eigen macht. Den ein Zueigenmachen liegt nach der Rechtsprechung des BGH nur dann vor, wenn man einem Inhalt zustimmt bzw. erkennbar die Inhaltsverantwortung übernehmen will. Genau diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben.

Die aus meiner Sicht juristisch relevante Frage wäre an dieser Stelle gewesen, ob die Verlinkung auf pornografische Inhalte (objektiv) ein strafrechtliches Zugänglichmachen solcher Inhalte nach § 184 Abs. 1 StGB darstellt. In diesem Sinne hat beispielsweise das OLG Stuttgart für eine Verlinkung auf volksverhetzende Inhalte entschieden.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Berufung zugelassen.

posted by Stadler at 17:20  

13.4.12

Bundesverfassungsgericht hebt Urteil zum Filesharing auf

Bei der Frage der Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses für Urheberrechtsverletzungen durch im Haushalt lebende Familienangehörige deutet sich möglicherweise eine Trendwende an. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 21.03.2012, Az.: 1 BvR 2365/11) hat die Verurteilung eines Anschlussinhabers, der als Störer auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch genommen wurde, aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Bundesverfassungsgericht betätigt sich hier ausnahmsweise doch einmal als eine Art Superrevisionsinstanz und rügt vor allen Dingen, dass das Berufungsgericht die Revision zum BGH nicht zugelassen hat, obwohl es sich um eine umstrittene und höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage handelt, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellt.

Das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts Köln verletzt nach dem Beschluss des BVerfG deshalb das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn die Nichtzulassung der Revision, so das Gericht, wird nicht nachvollziehbar begründet, obwohl die Zulassung der Revision nahegelegen hätte.

In der Sache hat das Bundesverfassungsgericht freilich nicht entschieden, es zitiert aber ausführlich eine Entscheidung des OLG Frankfurt, nach der eine generelle Prüf- und Überwachungspflicht des Anschlussinhabers nicht besteht. Das BVerfG führt dann weiter aus:

Ob in der Konstellation des Ausgangsverfahrens Prüfpflichten überhaupt bestanden und falls ja, wie weit sie gingen, ist durch den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Rechtsgrundsatz offensichtlich noch nicht geklärt. Die „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung (…) betraf einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, ob ein WLAN-Anschluss auf einen hinreichenden Schutz durch Sicherungsmaßnahmen gegen die Benutzung durch außenstehende Dritte geprüft werden muss.

Damit ist in jedem Fall klargestellt, dass die einzige Entscheidung des BGH, die es zu diesem Problemkreis gibt, einen nicht verallgemeinerungsfähigen Spezialfall betroffen hat. Dies wird von den Rechteinhabern und ihren anwaltlichen Vertretern nämlich gerne anders dargestellt und auch von einigen Gerichten anders gesehen, wie die Entscheidung zeigt.

Das Oberlandesgericht Köln wird also nunmehr nochmals entscheiden und in jedem Fall die Revision zum BGH zulassen müssen, so dass zumindest in einiger Zeit mit einer höchstrichterlichen Klärung der Frage der Störerhaftung des Anschlussinhabers für Mitbewohner und Familienangehörige zu rechnen ist.

posted by Stadler at 11:03  

6.4.12

Bundesratsinitiative gegen W-LAN-Störerhaftung

Die Stadt Berlin plant ein offenes und kostenloses W-LAN für alle. Weil die Frage der Haftung des Betreibers von (offenen) W-LANs für Urheberrechtsverletzungen durch Nutzer unklar und juristisch umstritten ist, möchte Berlin auf  eine gesetzliche Regelung hinwirken, damit Betreiber wie Nachbarschaftsinitiativen, lokale Funkdatennetze oder Kommunen einen freien WLAN-Zugang anbieten können, ohne haftungsrechtliche Risiken einzugehen.

Das ist grundsätzlich sehr zu begrüßen, allerdings stört mich an dem Antragstext, der diesbezüglich im Berliner Abgeordnetenhaus eingebracht wurde, die Einschränkung, dass erforderliche technische Schutzmaßnahmen ihrem Zweck entsprechend wirksam gegen eine unbefugte Drittnutzung des Zugangs eingesetzt werden müssen. Was darunter im Kontext offener und kostenloser W-LANs zu verstehen ist, ist mir jedenfalls unklar. Vermutlich sind Portsperren und Proxyserver-Lösungen gemeint.

Der Text spricht außerdem von einer Haftung nach dem Telemediengesetz (TMG). Diese Formulierung ist juristisch unzutreffend, denn das TMG enthält keine haftungsbegründenden Vorschriften, sondern nur haftungsbeschränkende Normen. Die Haftung richtet sich allein nach dem Urheberrechtsgesetz in Kombination mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der sog. Störerhaftung.

Ähnliche Initiativen gibt es derzeit auch in der Hamburger und der Bremer Bürgerschaft. In Bremen hat die SPD-Fraktion einen Antrag „Rechtssicherheit für Anbieter von freiem Internet“ eingebracht, der noch etwas progressiver klingt als der aus Berlin. In dem Antrag wird gefordert, WLAN-Betreiber gesetzlich einem Access-Provider gleichzustellen und im Urheberrecht auf Änderungen hinzuwirken, die klare Voraussetzungen für das Vorliegen von Störerhaftung schaffen, wobei nach Möglichkeit insbesondere nichtgewerbliche WLAN- Betreiber von einer entsprechenden Haftung freigestellt werden sollen.

Sollte es tatsächlich zu einer entsprechenden Gesetzesinitiative über den Bundesrat kommen, ist allerdings mit heftigem lobbyistischen Gegenwind der Rechteinhaber zu rechnen, deren politischer Einfluss bekanntlich enorm ist.

posted by Stadler at 13:05  

12.1.12

Auch das VG Köln spricht sich gegen Netzsperren bei Glücksspielen aus

Nach dem Verwaltungsgericht Düsseldorf hat jetzt auch das Verwaltungsgericht Köln Sperrungsanordnungen der Bezirksregierung Düsseldorf gegen die Telekom aufgehoben (Urteil vom 12.01.2012, Az.: 6 K 5404/10). In der Pressemitteilung des VG heißt es hierzu:

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt und stellte fest, dass die Klägerin als bloßer „Access-Provider“ nach dem gestuften Haftungs- und Verantwortungssystem des Telemediengesetzes nicht für die Inhalte der Domains der beiden Sportwettenanbieter verantwortlich sei, auch wenn sie um deren Rechtswidrigkeit wisse. Die Klägerin könne auch nicht nach allgemeinem Ordnungsrecht in Anspruch genommen werden. Denn die Bezirksregierung Düsseldorf habe die Klägerin gezielt als einen der beiden großen Anbieter in Nordrhein-Westfalen in Anspruch genommen, ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept zum gleichzeitigen Vorgehen gegen alle „Access-Provider“ in Nordrhein-Westfalen zu haben. Dadurch werde in wettbewerbsverzerrender Weise in das Marktgeschehen und die Grundrechte der Klägerin eingegriffen. Diese müsse zu recht besorgen, durch die angefochtene Anordnung als „zensierte“ Anbieterin stigmatisiert zu werden.

Die Pressemitteilung deutet allerdings darauf hin, dass das VG eine Inanspruchnahme aller Provider in NRW als sog. Nichtstörer für möglich hält und nur selektive Sperrungsanordnung gegenüber den großen Providern als Ungleichbehandlung betrachtet.

posted by Stadler at 20:26  

29.12.11

Filesharing: Landgericht Köln umgeht das OLG

Das OLG Köln hatte unlängst aufhorchen lassen, weil es in einer Filesharing-Angelegenheit einen Beschluss des Landgerichts Köln, durch den einer Beklagten Prozesskostenhilfe verweigert worden war, aufgehoben hatte.

Das Landgericht Köln hat die Beklagte in dem eigentlichen Verfahren nunmehr dennoch verurteilt (Urteil vom 30.11.2011, Az.: 28 O 482/10). Auch wenn man ohne Kenntnis der konkreten Akte mit Schlussfolgerungen immer vorsicht sein muss, klingt mir die Urteilsbegründung doch arg nach dem Versuch, den Beschluss des Oberlandesgerichts zu umgehen. Denn das Landgericht stützt sich primär darauf, dass die Beklagte nur eine von zwei Verletzungshandlungen bzw. Zeitpunkten (ausdrücklich) bestritten hat. Die allgemeine Erklärung, dass ein Schriftsatz nur Wiederholungen enthalte und der Klagevortrag bereits bestritten worden sei, beinhaltet m.E. ein generelles Bestreiten. Zumindest wird hieraus, entgegen der Ansicht des LG Köln, die Absicht, die Rechtsverletzung insgesamt bestreiten zu wollen, hinreichend deutlich im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO.

Die Beklagte wird vermutlich Berufung einlegen, weshalb man auf die (neuerliche) Entscheidung des OLG Köln gespannt sein darf.

posted by Stadler at 16:08  

24.11.11

Allgemeine gerichtliche Sperrungs- und Filteranordnungen gegenüber Zugangsprovidern sind unzulässig

Der Europäische Gerichtshof hat heute entschieden (Az.: C-70/10), dass eine richterliche Anordnung an einen Anbieter von Internetzugangsdiensten zur Einrichtung eines Systems der Filterung der von ihm durchgeleiteten elektronischen Kommunikationen, das unterschiedslos auf alle seine Kunden anwendbar ist, gegen Unionsrecht verstößt.

Eine belgische Verwertungsgesellschaft, die die Rechte an Werken der Musik wahrnimmt, hatte gegen einen Internetzugangsanbieter eine richterliche Anordnung erwirkt, die den Provider verpflichtete, es seinen Kunden unmöglich zu machen, Dateien, die ein Werk der Musik aus dem Repertoire der Verwertungsgesellschaft enthalten, in irgendeiner Form mit Hilfe eines „Peer-to-Peer“-Programms zu senden oder zu empfangen.

Diese richterliche Anordnung verstößt nach Ansicht des EuGH gegen das Gemeinschaftsrecht.

Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass die fragliche Anordnung den Provider dazu verpflichten würde, eine aktive Überwachung sämtlicher Daten seiner Kunden vorzunehmen, um jeder künftigen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen. Diese allgemeine Überwachungspflicht verstößt nach dem Urteil des EuGH sowohl gegen die E-Commerce-Richtlinie als auch gegen die anwendbaren (europäischen) Grundrechte.

Neben der unternehmerischen Freiheit des Internet-Service-Providers sieht der EuGH vor allen Dingen auch die Grundrechte der Internetnutzer auf Informationsfreiheit und Schutz ihrer personenbezogenen Daten als verletzt an.

Im Urteil des Gerichtshofs heißt es hierzu wörtlich:

Darüber hinaus würden sich die Wirkungen dieser Anordnung nicht auf den betroffenen Provider beschränken, weil das Filtersystem auch Grundrechte der Kunden dieses Providers beeinträchtigen kann, nämlich ihre durch die Art. 8 und 11 der Charta geschützten Rechte auf den Schutz personenbezogener Daten und auf freien Empfang oder freie Sendung von Informationen.Zum einen steht nämlich fest, dass die Anordnung, das streitige Filtersystem einzurichten, eine systematische Prüfung aller Inhalte sowie die Sammlung und Identifizierung der IP-Adressen der Nutzer bedeuten würde, die die Sendung unzulässiger Inhalte in diesem Netz veranlasst haben, wobei es sich bei diesen Adressen um personenbezogene Daten handelt, da sie die genaue Identifizierung der Nutzer ermöglichen.

Zum anderen könnte diese Anordnung die Informationsfreiheit beeinträchtigen, weil dieses System möglicherweise nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen Inhalt und einem zulässigen Inhalt unterscheiden kann, so dass sein Einsatz zur Sperrung von Kommunikationen mit zulässigem Inhalt führen könnte. Denn es ist unbestritten, dass die Antwort auf die Frage der Zulässigkeit einer Übertragung auch von der Anwendung gesetzlicher Ausnahmen vom Urheberrecht abhängt, die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren. Ferner können bestimmte Werke in bestimmten Mitgliedstaaten gemeinfrei sein oder von den fraglichen Urhebern kostenlos ins Internet eingestellt worden sein.

Somit ist festzustellen, dass das fragliche nationale Gericht, erließe es die Anordnung, mit der der Provider zur Einrichtung des streitigen Filtersystems verpflichtet würde, nicht das Erfordernis beachten würde, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einerseits dem Recht am geistigen Eigentum und andererseits der unternehmerischen Freiheit, dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freien Empfang oder freie Sendung der Informationen zu gewährleisten.

Die Entscheidung ist übrigens auch für Datenschutzrechtler interessant, weil der EuGH en passant feststellt, dass IP-Adressen personenbezogene Daten sind.

Update:
Dass die Entscheidung des EuGH ein Grundsatzurteil gegen Internetsperren sei, wie z.B. der Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht schreibt, halte ich für eine etwas voreilige Schlussfolgerung. Der EuGH hat nur über die Vorlagefrage entschieden, ob ein Gericht auf Grundlage allgemeiner Unterlassungsansprüche eine generelle Sperrungs- bzw. Filteranordnung gegen Zugangsprovider aussprechen darf. Wie eine gesetzliche Regelung in einem Mitgliedsstaat – z.B. das deutsche Zugangserschwerungsgesetz –  zu beurteilen wäre, ist damit nicht gesagt.

Die Argumentation des EuGH, insbesondere der Verweis auf verschiedene Grundrechtsverletzungen, deutet allerdings darauf hin, dass auch ein entsprechendes Gesetz problematisch wäre, wobei es sicherlich Rechtsgüter gibt, denen man eine höhere Wertigkeit beimessen muss als dem Urheberrecht oder den gewerblichen Schutzrechten. Netzsperren zur Unterbindung von Urheberrechtsverletzungen werden allerdings nach dieser Entscheidung des Gerichtshofs nur noch schwer zu begründen sein.

Die Argumentation des EuGH – insbesondere auch was die Informationsfreiheit und die Gefahr der Beeinträchtigung anderer legaler Angebote angeht – entspricht insoweit auch dem, was hierzulande gegen das Zugangserschwerungsgesetz vorgebracht wurde.

posted by Stadler at 13:49  

21.11.11

Domaininhaber haftet für Sponsored Links

Das Landgericht Stuttgart hat im Rahmen eines Verfügungsverfahrens (Beschluss v. 11.11.2011, Az.: 17 O 706/11) entschieden, dass der Inhaber einer Domain für Sponsored Links auf Unterlassung haftet und zwar unabhängig davon, ob er diese Sponsored Links selbst veranlasst hat oder sie vielmehr von seinem Hoster bzw. Domainanbieter automatisiert z.B. via Sedo eingeblendet worden sind. Ein ausführlicher Bericht zu den Hintergründen dieser Entscheidung findet sich beim Kollegen Prof. Dr. Ralf Kitzberger.

Es gibt leider Provider, wie z.B. auch 1&1, die der rechtswidrigen Unsitte frönen, die Domains ihrer Kunden für eigene Werbezwecke zu missbrauchen und ohne Wissen des Kunden Domainparking-Content von Sedo mit ebensolchen Werbelinks einzubinden.

Dem Verfahren beim Landgericht Stuttgart lag möglicherweise ein derartiger Sachverhalt zugrunde.

posted by Stadler at 22:02  
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