Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.9.14

Berichterstattung über den Inhalt rechtswidrig beschaffter E-Mails kann zulässig sein

Der Fall einer Berichterstattung über E-Mails die der frühere Brandenburger Ministers Rainer Speer mit seiner Ex-Geliebten gewechselt hatte, hat vor einigen Jahren für viel Aufsehen gesorgt. In den E-Mails beklagte sich die Frau und Mutter eines Kindes von Speer über fehlende Unterhaltszahlungen. Das Landgericht Berlin hatte die Beklagte, den Springer-Verlag, u.a. dazu verurteilt, es zu unterlassen, den Inhalt einzelner E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten. Das Kammergericht hatte die Entscheidung bestätigt.

Der BGH hat diese Entscheidungen jetzt aufgehoben und die Auffassung vertreten, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das Interesse Speers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegt und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die veröffentlichten Informationen von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind (Urteil vom 30.09.2014, Az.:VI ZR 490/12).

In der Pressemitteilung des BGH heißt es hierzu:

Auf die Revisionen der Beklagten hat der u.a. für den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Zwar greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und seiner Geliebten gewechselten E-Mails stützt, in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Der Eingriff ist aber nicht rechtswidrig. Das von den Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die veröffentlichten Informationen von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers auch nicht beteiligt, sondern aus dem Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen gezogen. Die Informationen, deren Wahrheit der Kläger nicht in Frage stellt, haben einen hohen „Öffentlichkeitswert“. Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht. Die der Beklagten zu 1 zugespielten E-Mails belegen, dass sich der Kläger über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter E. entzogen und diese auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Er hat es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass seine ehemalige Geliebte für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezog, obwohl die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nicht gegeben waren. Denn die Kindesmutter hatte der zuständigen Behörde den Kläger pflichtwidrig nicht als Vater von E. benannt.

Der Bundesgerichtshof hat auch die Veröffentlichung verschiedener E-Mails in direkter oder indirekter Rede als zulässig angesehen. Die im Wortlaut veröffentlichten E-Mails dokumentieren mit besonderer Klarheit, wie der Kläger mit der Verantwortung gegenüber seiner nichtehelichen Tochter und der Mutter seines Kindes – und damit mittelbar gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste – umgegangen ist.

posted by Stadler at 21:19  

23.9.14

Das Datenschutzrecht schützt nicht vor einer Leistungsbewertung im Internet

Ärzte können nicht verhindern, im Internet bewertet zu werden. Das Datenschutzrecht bietet keine Handhabe dafür, nicht in ein Bewertungsportal aufgenommen zu werden. Das hat der BGH heute entschieden (Urteil vom 23. September 2014, Az.: VI ZR 358/13).

In der Pressemitteilung des BGH ist folgender Satz besonders bemerkenswert:

Das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt das Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit nicht.

Der BGH sieht – anders als zuletzt der EuGH – keinen Vorrang datenschutzrechtlicher Vorschriften vor dem Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit. Auch andere zentrale Passagen der Pressemitteilung des BGH sind lesenswert:

Die Beklagte ist deshalb nach § 29 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach § 29 Abs. 2 BDSG zur Übermittlung der Daten an die Portalnutzer berechtigt. Zwar wird ein Arzt durch seine Aufnahme in ein Bewertungsportal nicht unerheblich belastet. Abgegebene Bewertungen können – neben den Auswirkungen für den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch des Arztes – die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, so dass er im Falle negativer Bewertungen wirtschaftliche Nachteile zu gewärtigen hat. Auch besteht eine gewisse Gefahr des Missbrauchs des Portals.

Auf der anderen Seite war im Rahmen der Abwägung aber zu berücksichtigen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen vor dem Hintergrund der freien Arztwahl ganz erheblich ist und das von der Beklagten betriebene Portal dazu beitragen kann, einem Patienten die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Zudem berühren die für den Betrieb des Portals erhobenen, gespeicherten und übermittelten Daten den Arzt nur in seiner sogenannten „Sozialsphäre“, also in einem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit anderen Personen vollzieht. Hier muss sich der Einzelne auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit sowie auf Kritik einstellen. Missbrauchsgefahren ist der betroffene Arzt nicht schutzlos ausgeliefert, da er von der Beklagten die Löschung unwahrer Tatsachenbehauptungen sowie beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen verlangen kann. Dass Bewertungen anonym abgegeben werden können, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Möglichkeit zur anonymen Nutzung ist dem Internet immanent (vgl. § 13 Abs. 6 Satz 1 des Telemediengesetzes [TMG])

Quelle: PM des BGH vom 23.09.2014

posted by Stadler at 20:47  

12.8.14

Eine Replik auf den Beitrag „Die 5 Irrtümer zum Recht auf Vergessenwerden“ bei netzpolitik.org

Gastbeitrag von Rigo Wenning (Legal Counsel, W3C)

Auch Irrtümer können irrtümlich also solche bezeichnet werden

KirstenF reicht es. Sie findet die Berichterstattung der Medien zum Google-Urteil des EuGH mehr als kurios. Für alle, denen die Entscheidung (C-131/12) noch kein Begriff war, sei hier auf die Sammlung der bisherigen Beiträge verwiesen werden, aber auch auf die Meinung des Blogherren und meinen eigenen Beitrag.

Nun mögen wir alle KirstenF, weil sie als Direktor von EDRi in Brüssel für unser aller Freiheit kämpft. Und natürlich ist der Datenschutz in Europa ein Menschenrecht, das es zu verteidigen gilt. Und es ist klar, dass gerade Europa berufen ist, uns vor der Arroganz multinationaler Unternehmen zu schützen. Doch Thomas und ich hatten uns in Twitter zu weit aus dem Fenster gelehnt und ihren Beitrag kritisiert. Das ließ sich nicht mittels 140 Zeichen auflösen und wir bekamen mehrere Aufforderungen, unsere Kritik doch besser zu substanziieren. Das versuche ich jetzt, weil Thomas gerade keine Zeit hat.

Vorab: Löschen und Entfernen

Der ganze Blog-Eintrag bei Netzpolitik basiert zunächst auf der Unterscheidung zwischen Löschen und Links entfernen. Der EuGH hätte doch gar nicht gesagt, Google müsse den Link löschen, sondern nur entfernen. Bei einer so feinen Unterscheidung verläßt mich mein Sprachgefühl und ich schaue in den Duden. Dort werden dem Verb löschen die Funktion Brandbekämpfung und die Funktion beseitigen/tilgen zugesprochen. Nun schauen wir auf entfernen im Duden und es gibt die Bedeutung weggehen/verschwinden und beseitigen/dafür sorgen, dass etwas nicht mehr da ist. Da in beiden Wörtern die Funktion beseitigen vom Duden angeführt wird, könnte man durchaus vertreten, dass löschen und entfernen synonym gebraucht werden können.

1. Die Seiten bleiben online

Aber Kirsten will uns etwas anderes sagen. Nur weil etwas nicht mehr im Google ist, ist es doch nicht nicht mehr da. Der EuGH hatte ja entschieden, dass die Suchmaschine eine eigene Verletzung des Schutzgutes Privatsphäre bewirkt. Die Seite hatte ja ein aus der Versteigerungsanordnung abgeleitetes Recht auf Veröffentlichung, das der EuGH gar nicht überprüfen konnte, weil es nicht Teil der Vorlage war. Insofern ist Kirsten hier nicht ganz sauber, wenn sie sagt, die Seite bleibe doch online. Sie ist online, weil die AEPD bei ihrer Aktion nur Google im Auge hatte und eine echte Lösung weder angestrebt noch gewollt war.

Mit Kirsten finde ich kurios, wie die Berichterstattung unkritisch den Lautsprechern aus dem Google-Eco-System folgt. Aber der Lärm war absehbar. Jimmy Wales halte ich allerdings eher für unverdächtig. Dennoch erhebt sie im Punkt 1 einen Unfall des Prozesses C-131/12 zum Prinzip. Die Seite blieb ja deswegen online weil die AEPD die Grundlage für die Veröffentlichung eines Archivs nach 12 Jahren immer noch in der Versteigerung sah. Das war grober Unfug. Daraus kann man kein Prinzip machen.

2. Die Suchergebnisse werden nicht gelöscht

In Aussage Nummer 2 kulminiert dann die ganze Sinnlosigkeit der Entscheidung C-131/12 und es zeigt sich, warum die Entscheidung darüber hinaus gefährlich ist. Der Link sei ja nicht gelöscht, denn Google habe das noch im Index. Er sei nur entfernt. Das wiederum kommt auf das Auge desjenigen Betrachters an, für den beseitigt wurde. Für uns, nicht für Google oder andere Datenbanken. Das hat Anja Seeliger im Perlentaucher als Recht für die herrschende (und zahlungskräftige) Klasse interpretiert. Wenn der EuGH weniger Google und mehr Suchmaschine gedacht hätte, hätte er bemerkt, dass alle anderen Suchmaschinen den Link noch haben. Der satirische Gipfel des Urteils liegt gerade darin, dass die Dynamik der so entstandenen Regeln völlig verkannt wird. Nun macht Kirsten den Deckel zu. Denn das Gericht hatte selbst die Existenz des Links bei Google als Verletzung des Schutzguts bezeichnet. Das System Google kann aber den Link nur unterdrücken, wenn das System noch weiß, was es unterdrücken muss. Das heißt Google braucht den Link um ihn nicht zu zeigen. Wo ist dann aber das Recht auf Vergessen? Im Urteil ging es doch darum, dass Google Daten nicht verarbeiten darf, wenn es keinen Grund für die Verarbeitung gibt. Der Datenschutz ist bekanntermaßen ein generelles Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Wenn Google kein Recht hat den Link auszuwerfen, wo kommt dann das Recht her, den Link weiter vorzuhalten und zum Zwecke der Unterdrückung der Anzeige in den Suchergebnissen weiter zu verarbeiten? Das hat weder der EuGH noch sonst jemand thematisiert. Das macht Google einfach so, weil es nicht anders geht. Aus dem Faktischen wird auf die Rechtmäßigkeit geschlossen. Die Aussage Nummer 2 ist also ein Ausdruck der völlig untauglichen Datenschutzgesetze, aber sicher kein Irrtum der Medien.

3. Die Seite bleibt auffindbar

Die Suche sei nur nach dem Namen nicht mehr möglich, wohl aber könne die Seite anhand anderer Kriterien gefunden werden. Das ist ein netter Vorschlag. Wenn Google hier mitliest, sollten die sich den Vorschlag genau ansehen. Mit dem Urteil und dem Recht ist er kaum vereinbar. Das Gericht sagt, die betreffenden Informationen und Links der Ergebnisliste müssen gelöscht werden. Das ist auch konsequent. Wie oben schon ausgeführt, hat Google ja gar kein Recht mehr, die Daten überhaupt zu verarbeiten. Denn selbst wenn nur mit Irish bank robberies gesucht wird, muss doch Gerry Hutch verarbeitet werden. Herr Costeja González sowie die spanische und die italienische Regierung vertreten die Auffassung, die betroffene Person könne der Indexierung der sie betreffenden personenbezogenen Daten durch eine Suchmaschine widersprechen. Das ist die Frage, die das Gericht mit Ja beantwortet hat. Herr Costeja González kann also nicht der Suche mit seinem Namen widersprechen, sondern nur der Indexierung bestimmter Informationen. Kirsten beschreibt schön, wie wir uns den Datenschutz in der Umsetzung schön reden. Wir wollen alle guten Datenschutz und Kirstens Vorschläge sind teilweise zielführend. Allerdings finden sie keine Stütze im Recht. Das Argument aus dem irrtümlichen Irrtum 3 kann auch nicht richtig sein, wenn man mit Lorena Jaume-Palasí der Meinung ist, es gäbe keine teilweise Öffentlichkeit. Die Grenzen der Öffentlichkeit ließen sich zwar gegenüber der Privatsphäre und dem Individuum definieren. Umgekehrt aber sei ihre Reichweite nicht bestimmbar. Man könne ihr keine maximale Grenze vorschreiben. Das ist mit der irrtümlichen Lösung aus Aussage 3 nicht vereinbar.

4. Die Ergebnisse werden nur in den europäischen Versionen entfernt

Was Kirsten hier als Errungenschaft feiert, ist in Wirklichkeit eine Verhöhnung des Gerichts durch Google. Der EuGH hatte festgestellt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Suchmaschine ein datenschutzrechtlich relevanter Vorgang ist. Der EuGH hat festgestellt, dass Google Inc. in Kalifornien verantwortlich ist, weil es eine Filiale zum Einsammeln von Werbegeld in Spanien und anderswo in der EU unterhält. Wo bitte kommt dann die Chuzpe her zu glauben, nur die Seite google.de oder google.fr seien betroffen? Der EuGH hat eine Verpflichtung gegenüber einer juristischen Person festgestellt, nicht gegenüber irgendwelchen Instantiierungen der Software die diese juristische Person unterhält. Und diese juristische Person darf in Europa erhobene Daten künftig nicht mehr verabreiten. Nirgendwo. Man darf auf die Vollstreckungsmaßnahmen des spanischen Gerichts gespannt sein. Normalerweise würde in einem solchen Fall ein Zwangsgeld im Tagessatz-Verfahren angewendet. Stay tuned.

5. Das Recht auf Vergessenwerden ist keine neue Erfindung

Natürlich. Jeder der einmal mit Strafrecht zu tun hatte, jeder der schon Punkte in Flensburg (oder in Paris, wo sie heruntergezählt werden) hatte, weiß, dass das Recht multiple Regeln des Vergessens kennt. Was aber soll die Apologetik hinsichtlich einer Entscheidung, die zutiefst datenschutz-feindlich ist, weil sie den Datenschutz in eine tiefe Krise stürzen wird? Es haben ja alle hurra gerufen als Google eins drauf bekam. Dieser Ausdruck kollektiver Genugtuung zeigt ja schon, wie unser Verhältnis zum Don’t be evil – Konzern ist. Das Gericht hat den kranken Datenschutz in einem von der AEPD bewusst krank gemachten Fall einfach 1 zu 1 angewendet. Und jetzt regnet es. Wen wundert das?

Natürlich wollen wir guten Datenschutz. Ich bin froh, dass es den Datenschutz gibt. Aber der Datenschutz wandelt sich gerade von der gütigen Fee zum Kafka-Monster. Das Urteil hat ein Hinterfragen dieser Entwicklung ausgelöst. Und das ist gut so. Wir sollten also positiv eine Suchmaschinen-Neutralität fordern. Und ein Prinzip, das gerade keine teilweise Öffentlichkeit kennt. Wir sollten uns mit den Auswirkungen von elektronischen Archiven beschäftigen, die ja verfügbar sind. Wie verfügbar sollen sie sein? Wir sollten Google schon sagen, dass sie sich an die Regeln des Marktes halten müssen, in dem sie agieren. Aber der spanische Versuch ein Exempel zu statuieren, war wohl eher ein Rohrkrepierer. Und Rohrkrepierer sind laut und schreien Zensur, aber das ist auch falsch. Insofern hat Kirsten wieder recht.

posted by Stadler at 18:19  

11.8.14

Informationsfreiheitsgesetz darf nicht durch abschreckende Gebührenbescheide ausgehebelt werden

Das Vorgehen des Bundesministeriums des Inneren, einen Antrag auf Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz in mehrere Begehren aufzuspalten und dadurch 66 (!) gebührenpflichtige Amtshandlungen zu bescheiden, ist rechtswidrig und verstößt gegen § 10 IFG (a.F.). Das hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 10.07.2014 (Az.: VG 2K 232.13) entschieden.

Das BMI hatte von zwei Journalisten für ihr Auskunftsersuchen auf diese Art und Weise Gebühren und Auslagen von mehr als 14.000 verlangt.

Die Gebührenerhebung, so das VG Berlin, soll nach dem Willen des Gesetzgebers in einem Rahmen stattfinden, der eine prohibitive Wirkung für potentielle Antragsteller vermeidet. Im Urteil heißt es dazu u.a.:

Nur dann, wenn der Informationsberechtigte entweder ausdrücklich mehrere Informationsanträge gestellt hat oder sein einheitlicher Antrag verschiedene Lebenssachverhalte betrifft, die keinerlei inhaltlichen Zusammenhang aufweisen, darf die Behörde dem durch den Erlass mehrerer Gebührenbescheide gebührenrechtlich Rechnung tragen.

Auch in den Bundesländern wurde und wird teilweise versucht, die Informationsfreiheitsgesetzte durch hohe Gebühren auszuhebeln.

Udo Vetter zum selben Thema

posted by Stadler at 12:28  

17.7.14

Frag den Staat gewinnt gegen den Staat

Die Bundesrepublik Deutschland ist der Open Knowledge Foundation Deutschland e. V., die das Portal „Frag den Staat“ betreibt in einem Rechtsstreit um die Veröffentlichung von Dokumenten des Innenministeriums unterlegen.

Frag den Staat hatte auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes um die Übersendung einer internen Stellungnahme des Bundesministerium des Inneren (BMI) zur Frage der Zulässigkeit von Sperrklauseln bei der Europawahl ersucht. Das Ministerium hat diese Stellungnahme dann auch übersadt, allerdings verbunden mit dem Hinweis, dass dieses Papier aus urheberrechtlichen Gründen nicht veröffentlicht werden darf.

Nachdem Frag den Staat das Dokument dennoch veröffentlicht hatte, hat das BMI erfolglos versucht, gegen die Open Knowledge Foundation eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Das Landgericht Berlin und das Kammergericht haben den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung abgelehnt, dass das fragliche Schreiben die nach § 2 Abs. 2 UrhG notwendige Schöpfungshöhe nicht erreicht und deshalb keinen Urheberrechtsschutz genießt.

Zwischenzeitlich hatte die Open Knowledge Foundation auch eine sog. negative Feststellungklage gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben. Die anwaltlichen Vertreter der Bundesrepublik haben diese Klageansprüche jetzt prozessual anerkannt, weshalb das Landgericht Berlin ein Anerkenntnisurteil zu Lasten des Staates erlassen hat.

Die auch für künftige Verfahren dieser Art wesentliche Frage, wie das Spannungsverhältnis zwischen Urheberrecht und Informationsfreiheit aufzulösen ist, haben die Gerichte freilich nicht beantwortet, weil sie das Dokument im konkreten Einzelfall erst gar nicht für urheberrechtlich schutzfähig erachtet haben.

posted by Stadler at 10:27  

16.5.14

The ECJ is right, the result is wrong

Guest Contribution By Rigo Wenning (Gastbeitrag von Rigo Wenning) Legal Counsel, W3C

The pending EU privacy regulation has to address search engines

Introduction & Summary

Yesterday, the European Court of Justice decided on Case C-131/12. This decision has some rather surprising characteristics. This counts for the procedure as well as for the content. The first welcoming remarks hailing better privacy protection have faded into a disillusioned critique about the expected collateral damages of the decision with respect to freedom of speech and the added bureaucratic effort. A more down to earth view would suggest that the decision is actually a reminder that search and publicity reserve a lot of challenges, especially concerning the weighing of human rights against each other. It is also a reminder that data protection authorities are often bureaucrats with a regrettable lack of technical understanding. But this also addresses the technical community. I don’t think we can let the courts alone figure it out. In the following, I will try to show that the court was forced to decide the way it decided. This in turn transforms the case into a mandate for the privacy regulation to take the challenge into account. The challenge is to overcome the habit in the legal system to target the central entities in the distributed system that is the web and replace this lazy practice by something that plays well with the system. And there, the IT industry has to get active. Data protection is for the IT industry like environmental protection for the car industry. It makes their technology socially viable and it needs investment, e.g. standardizing the control interfaces for search crawlers.

The case

But let us first look at the underlying case. A local journal in Cataluña, La Vanguardia, has a PDF archive of its printed pages. On page 23 of La Vanguardia from 19 January 1998, there is a right column with small print announcements. It is part of a a database with past events exposed on the Internet. The PDFs are text PDFs, so a search engine can actually index the content. The announcement in question says:

Lesdues meitats indivises dun habitatge al carrer Montseny,8, propietat de MARIO COSTEJA GONZÁLEZ i ALICIA VARGAS COTS, respectivament. Superficie:90 m2.Cárregues: 8,5 milións de ptes. Tipas de sbhasta: 2 milions de ptes.cadascuna de lesmeitats.

Note that I the above paragraph reproduces the content, but contains a <div class="robots-nocontent"> element that tells the search engine not to take up that content. I’ll come back later to this issue of tagging.

Google indexed the PDFs and La Vanguardia has a rather high pagerank. A search on the name would obtain links to two pages of La Vanguardia’s newspaper, of 19 January and 9 March 1998 respectively, on which an announcement mentioning Mr Costeja González’s name appeared for a real-estate auction connected with attachment proceedings for the recovery of social security debts.

Mr González turned to the Agencia Española de Protección de Datos (Spanish Data Protection Agency; ‘the AEPD’) and requested La Vanguardia to remove the pages or alter them to avoid their indexing. He also requested that Google would not show the results anymore. There is no mention of the cached pages feature that Google has. Google refused and the AEPD and Mr González went to court. The Spanish court submitted the questions to the ECJ.

Is it privacy or Google-control? AEPD decision hard to understand

AEPD decided that the content on La Vanguardia could remain as this was justified by the intention to give maximum publicity to the auction in order to secure as many bidders as possible. I see everybody jump on the contradiction. But it is not the ECJ’s contradiction, it is a contradiction introduced by AEPD. And this way, the question was thus excluded from the decision of the ECJ.

Apart from the question how the AEPD could take this as an argument for the publication of an announcement from 1998, this creates a very interesting situation. There is a page on the on the Web that is currently served by a Web server and that is publicly available. There are a number of search engines that still have La Vanguardia’s archive indexed. Even La Vanguardia itself is still offering a search for names on its archives. But all this remains outside of the question submitted to the ECJ. This means that the AEPD, by its very decision not to further pursue La Vanguardia and other search engines, put the core question out of scope for the ECJ, who could only respond to the questions asked. The core question of the case is the justification of the AEPD that named classified adds from governmental procedures in journals can remain online for archives over a long time. This is a question that already the French legal service had to address in Légifrance and that all official journals have to address. A known and common question where a response on the European level wouldn’t have been a bad thing. But this question was not on the table. But what question was on the table?

It may be human to only look at the annoyance of the moment. And the annoyance of the moment was certainly the prominent listing within Google. The focus on somebody’s image within the services of Google blurs the clear view on the real issue behind the case. By the decision to let La Vanguardia go, the AEPD turned the case from a case about governmentally sponsored official publications with personal information into a case about the say of a data protection authority over Google. This is not a good basis for sensible solutions.

The court responds to 3 questions

Now there are two questions left:

  1. Is a search engine processing personal data?
  2. Can persons request removal of their personal data?

Additionally, the court addressed the question of territorial competence of data protection law. If one factors out the Google hype around the question, those are reasonable questions to ask.

In response to the questions, the ECJ undertakes a very detailed review of the various conditions and requirements of the legal texts in question. The English text (translated from Spanish) does not only sound like a very detached lawyer-like geeking exercise. In fact, the court remains deep in the weeds of detailed questions. One hardly gets the feeling the ECJ is addressing the higher exercise of weighing freedom of expression against privacy. Art. 10 of the ECHR or Art. 11 of the Charter of Fundamental Rights of the European Union are not cited a single time. The ECJ has simply not addressed that question, because the questions to the ECJ where such that it did not have to address it. So what are the questions the court addressed?

Is a search engine processing personal data?

Of course it does. But lawyers can’t be that simple. Instead, there is a detailed analysis whether Google can be a data controller. Of course they control what they process and what they provide to the public. They even make money with knowing it by providing detailed advertisement matching the search users are executing. The question about whether Google is a data controller serves for the court’s argumentation to determine whether Google can actually accomplish the request brought to them.

And Google? Google responds with the argument that made me laugh hard already when it was used to excuse the reading of people’s emails for the gmail advertisement: We do not actually read your email, the engine is doing that. Referring to uncle Harry or the man on the moon for things that one has diligently programmed and that one fully controls is a joke and will always remain a non-argument when confronted with real courts. If I would be the NSA, I would use the same argument in the current debate. From a legal point of view it was impossible for the ECJ to give in to this argumentation. Google said: We are only a cache and the court responded no you aren’t. It was inevitable, given the argumentation.

But Google is not a European company. One can’t follow all the rules of the world simultaneously. This counts even for Google. The international dimension was scrutinised and the court found a reasonable set of conditions to apply European or Spanish law to Google. In fact, Google is targeting the European market, makes money here, has even a Spanish subsidiary and thus has to respond to those rules. Reading the comments on the decision, many people think Google will now close the subsidiaries and contract directly from the US. But this isn’t so obvious as economic activity in a market as large as the European one needs some management and organisation that responds to local questions. If all goes wrong, such a targeted market will address the money flows to enforce its rules. While it is nice to read some of the romantic visions about the Internet in the blogosphere, it is prudent to keep a realistic view on things.

The right to be forgotten

Remains the question about the merits of a request to erase an entry in a database and to add a URI to the blacklist for the crawler. The Spanish court submitting the questions to the ECJ anchored the scope of the right to be forgotten within Article 14.a of Directive 95/46EC. Can a citizen ask a search engine to remove an entry?

Google is of the opinion that a search engine should only react once the publisher has erased the content. The Austrian Government supports this and addresses exactly the point about freedom of speech that Thomas Stadler was making, namely that (quoting from paragraph 64 of the judgement):

a national supervisory authority may order such an operator to erase information published by third parties from its filing systems only if the data in question have been found previously to be unlawful or incorrect or if the data subject has made a successful objection to the publisher of the website on which that information was published.

To all of us professionals of the Internet, this immediately makes sense and it addresses the end-to-end principle and works well with the distributed nature of the Internet in general and the Web in particular. But the ECJ did not follow that argument and here we are confronted with the most controversial question of the case. In articles about this subject matter there is often an undertone about courts not understanding the Internet. The counter argument to the Austrian position is of a rather legalistic and systemic nature which may not be understood, this time, by the netizens. I can only try to translate.

Mr González, the Italian, the Spanish and the Polish government do not accept the hierarchy. They say a person can request the removal from the search engine without having to pursue the publisher first. The Commission says that the fact that the information has been published lawfully and that it still appears on the original web page has no effect on the obligations of the search engine. Here the Polish government joins Austria and removes the obligation to act.

The court, confronted with the two opposite positions, makes a very systemic argument out of the legal nature of Directive 95/46EC. Processing of personal data is prohibited in Europe unless it is allowed. The ECJ draws from this fact that everybody who processes personal data must have a legal ground or the permission by the data subject to process that data. The journal La Vanguardia was already out of the question as described above because the AEDP declared they had a legal ground to publish the personal information. The ECJ could not reverse that decision as this was not a question it had to answer. Now they were looking for a reason for Google to process that data. And they couldn’t find one. So the prohibition prevails. And if someone requests removal and there is no legitimate grounds for processing (whatever that means), the person can ask to remove the data from the index.

Of course, the court ornaments all that with a flood of words of caution that this only counts in this very case and that this may be overridden by a legitimate interest of the Internet users concerning that information and that even a journalist could potentially use that information and that the court eventually did not feel very well with a mere prohibition and opened every window it could while closing the door. They already prepared the escape line.

Opinion: Who is responsible for the wrong result? Not the ECJ!

The decision has merits. It states the obvious: Google can’t just claim to be a cache and escape responsibility while making business on top of the functionality it controls. The decision is a clear warning for Google not to continue the argumentation around it’s not us, it’s just the engine. Search engines are processing personal data and they control the processing of that personal data. That means they are part of the relevant actors and can’t just hide in the woods of being an innocent middlebox that does nothing.

The decision identifies an additional impact on the privacy of individuals by the search engine over the publishing of the information. A fair assessment will follow the court in this analysis. But for the non-lawyers reading this: Having said that something impacts my right to privacy doesn’t say anything about the consequences that impact triggers or is supposed to trigger. Those consequences are not implied by the Charter of Fundamental Rights of the European Union. It only means we have to address the issue somehow. Nobody really questions that.

The decision shows why the Directive 95/46EC is outdated and needs urgent replacement. A court is not a parliament. A court is supposed to apply law, not to replace it. The ECJ did strictly apply the law. It could have been less strict and follow the Austrian position, but that would have been at the very limits of a possible argumentation. The Austrian position had also two branches that remained unexplored: One could argue that the search engine will only be forced to remove the entry from the index once the publisher has removed the content or one could argue that the search engine is only responsible if all other publishers have already removed the content. The latter would be a factual denial of the protection as duplication is so easy and frequently used in scenarios that follow the Streisand effect. The court hinted at this and made it one reason to have an independent right against the search engine operator. As Thomas Stadler already indicated, the funny thing here is that the ECJ is by its prominence responsible for the Streisand effect on Mr González. So the entire procedure had the exact opposite effect on him. While some people in Catalyuña knew about his difficulties of 1998 in the past, now the entire European union knows about it. Should we remove the court decision from the index?

If there is a feeling that the result of the decision is wrong, it is due to two factors: On the one hand, the AEDP’s decision to have the PDFs of La Vanguardia kept online is putting all the burden on the search engine while keeping the initial harm. This is hard to understand but not the fault of the ECJ. On the other hand, the search engines are an important part of the Web infrastructure. Manipulating search engines or opening the way for private persons to manipulate search engines is very sensitive. There is a feeling that the Directive 95/46EC on Data Protection is just too simplistic and one-sided in this respect. This in turn contributes to the finding in this opinion that Directive 95/46EC is the wrong tool for the Internet as it does not take into account the infrastructural responsibility of search engines. It also shows that if the privacy regulation is not decided by this parliament and has to be brought back into the next EU parliament, there could be a window of opportunity to introduce a provision establishing the Austrian position that a search engine is not infringing if the original source is not protected against indexing with tags or other means.

Finally, the decision has merits as it forces all search engine operators to think about their social responsibility and how they can contribute to the infrastructure they are living from. Search engines are the only actors of the Web that do not participate in standardisation in any way. Elements to control the crawlers are scattered all over the place. Every search engine has their own tags. In such a situation it is very hard for a new legislative effort to provide the right framework to put control into the hand of end users. The decision encourages all search engine operators to convene and discuss about controls and how to use them. The timing is right: The IETF talks about the next generation HTTP and W3C is still working on the HTML5 web platform. There is a decision to make whether to use the RDFa framework or something else. But at the end of the day, if the search engine operators remain inactive in this field, I predict that the courts will inflict things upon them on a case by case basis. This makes lawyers happy as it is very expensive. I don’t know whether it will make the search engine operators happy

posted by Stadler at 17:53  

13.5.14

Wer gegen Netzsperren ist, muss auch das EuGH-Urteil zu Löschpflichten von Google ablehnen

Nach dem heutigen Urteil des EuGH zu Löschpflichten eines Suchmaschinenbetreibers, das nicht nur von mir kritisch besprochen wurde, fand ich die Zustimmung der Politik, von Teilen der netzpolitischen Szene und Teilen der Berichterstattung doch bemerkenswert.

Bei netzpolitik.org sucht man vergeblich nach einer kritischen Anmerkung, vielmehr findet man es dort gut, dass ein „Zusammenhang zwischen Verantwortung und Werbeanzeigen-Verkaufsniederlassung“ hergestellt wird. Justizminister Heiko Maas meint, das Urteil würde die Datenschutzrechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern im Internet stärken, der grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht begrüßt das Urteil ebenfalls. Peter Schaar spricht von einem Etappensieg für den Datenschutz. Im Deutschlandfunk ist gar von einer „schallenden Ohrfeige für Google“ die Rede und davon, dass das Gericht das digitale Selbstbestimmungsrecht der Bürger gestärkt habe.

Man mag es begrüßen, dass der EuGH eine weitgehende Anwendbarkeit des europäischen Datenschutzrechts auf Google und seine Suchmaschine bejaht. Das sollte aber nicht den Blick auf die materielle Entscheidung des Gerichtshofs versperren.

Die offensichtliche Parallele zu den Netzsperren, die die Sachentscheidung des EuGH aufweist, wird kaum gezogen. Dabei geht es bei den Access-Sperren und den Löschpflichten von Google im Kern um dasselbe, nämlich darum, durch staatlichen Zwang den Zugang zu Inhalten im Internet zu erschweren. In beiden Fällen geschieht dies durch die Inpflichtnahme eines Netzdienstleisters, der dafür sorgen soll, dass die Mehrheit der Nutzer nicht mehr auf Inhalte zugreift, die als rechtlich problematisch angesehen werden. Bei Lichte betrachtet besteht zwischen beiden Phänomenen also kein relevanter Unterschied. Sowohl Suchmaschinenbetreiber als auch Access-Provider sind im Grunde Zugangsanbieter. Man wird an dieser Stelle sicher einwenden, dass sich Google bereits jetzt nicht neutral verhält und aus unterschiedlichen Gründen selbst immer wieder die Suchmaschinenergebnisse beeinflusst und Suchtreffer entfernt. Das erscheint mir aber kein tragfähiges Argument für die Forderung nach einer noch weiterreichenderen Manipulation von Suchergebnissen zu sein.

Der EuGH etabliert mit dieser Entscheidung nichts anderes als eine weitere Spielart der Netzsperren, durch die die Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz beeinträchtigt wird. Das ist für die europäischen Bürger mit Sicherheit keine gute Nachricht. Wer gegen Netzsperren aufgestanden ist, muss diese Entscheidung des EuGH ebenfalls ablehnen. Woher kommt also die Zustimmung? Vermutlich daher, dass es gegen Google geht und vermeintlich dem Datenschutz gedient wird. Für diese Art des Datenschutzes werden wir Bürger vermutlich aber früher oder später einen sehr hohen Preis zu zahlen haben.

Der EuGH unternimmt auch erst gar nicht den Versuch einer ergebnisoffenen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht einerseits und der Meinungs- und Informationsfreiheit andererseits, sondern postuliert einen regelmäßigen Vorrang des Datenschutzes. An dieser Stelle zeigt sich nebenbei auch eine dogmatisch fragwürdige Gleichsetzung von Datenschutz und Persönlichkeitsrecht.Die Entscheidung des EuGH  deutet insgesamt auf einen gefährlichen Paradigmenwechsel hin, der sich in dieser Form bisher weder in der Rechtsprechung des BVerfG noch der des EGMR findet.

Dass Google im Grunde ein Medienanbieter ist, dem man auch ein Medienprivileg zubilligen kann und muss, wird vom EuGH völlig ausgeblendet.

Wer wie ich die Meinungs- und Informationsfreiheit für das vielleicht höchste Gut einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft hält, kann gar nicht anders, als dieses Urteil entschieden abzulehnen.

posted by Stadler at 21:31  

13.5.14

Die Haftung von Google und das Recht auf Vergessenwerden im Internet

Der EuGH hat mit Urteil vom heutigen Tage (Az.: C – 131/12) entschieden, dass Google als Verantwortlicher personenbezogene Daten im Sinne der Datenschutzrichtlinie verarbeitet. Das stellt nach Ansicht des EuGH einen Eingriff in die Rechte der betroffenen Personen dar, der einer Rechtfertigung bedarf.

Deshalb kann der Suchmaschinenbetreiber unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen über diese Person zu entfernen. Eine solche Verpflichtung kann nach Ansicht des EuGH sogar dann bestehen, wenn die Veröffentlichung an der Quelle rechtmäßig ist.

Anschließend betont der EuGH allerdings, dass eine Abwägung mit der Informationsfreiheit der Internetnutzer vorzunehmen ist.

Der EuGH führt dann weiter aus, dass aufgrund von Zeitablauf auch ein „Recht auf Vergessenwerden“ besteht. In der Pressemitteilung des EuGH heißt es hierzu:

Zu der Frage, ob die betroffene Person nach der Richtlinie verlangen kann, dass Links zu Internetseiten aus einer solchen Ergebnisliste gelöscht werden, weil sie wünscht, dass die darin über sie enthaltenen Informationen nach einer gewissen Zeit „vergessen“ werden, stellt der Gerichtshof fest, dass die in der Ergebnisliste enthaltenen Informationen und Links gelöscht werden müssen, wenn auf Antrag der betroffenen Person festgestellt wird, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Einbeziehung der Links in die Ergebnisliste nicht mit der Richtlinie vereinbar ist. Auch eine ursprünglich rechtmäßige Verarbeitung sachlich richtiger Daten kann im Laufe der Zeit nicht mehr den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen, wenn die Daten in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der verstrichenen Zeit, den Zwecken, für die sie verarbeitet worden sind, nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen. Wendet sich die betroffene Person gegen die vom Suchmaschinenbetreiber vorgenommene Datenverarbeitung, ist u.a. zu prüfen, ob sie ein Recht darauf hat, dass die betreffenden Informationen über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird. Wenn dies der Fall ist, sind die Links zu Internetseiten, die diese Informationen enthalten, aus der Ergebnisliste zu löschen, es sei denn, es liegen besondere Gründe vor, z.B. die Rolle der betreffenden Person im öffentlichen Leben, die ein überwiegendes Interesse der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu diesen Informationen über eine solche Suche rechtfertigen.

Der EuGH begründet die von ihm postulierten Löschpflichten von Google unmittelbar mit der Datenschutzrichtlinie. Diese Entscheidung bestätigt das, was von Datenschützern gerne in Abrede gestellt wird, nämlich dass das Datenschutzrecht in einem erheblichen Spannungsverhältnis zur Meinungs- und Informationsfreiheit steht. Die Entscheidung ist deshalb problematisch, weil sie zu weitreichenden Löschpflichten von Google führen wird und damit auch dazu, dass Google künftig mit einer Flut von entsprechenden Löschungsaufforderungen zu rechnen hat. Das Urteil hat das Potential, die Funktionsfähigkeit von Suchwerkzeugen erheblich einzuschränken und damit auch die Auffindbarkeit von Inhalten im Netz zu beeinträchtigen.

Update:
Das Urteil des EuGH liegt mittlerweile auch im Volltext vor. Der Volltext enthält noch einen bemerkenswerten Aspekt. Der EuGH spricht davon, dass Informationen erst durch Google einer allgemeinen Öffentlichkeit („general public“) zugänglich gemacht werden, was bedeutet, dass sie ohne Google nur einer eingeschränkten Öffentlichkeit zugänglich sind. Google kann danach selbst bei Inhalten, die im Netz rechtmäßig veröffentlicht wurden, nicht länger davon ausgehen, dass auch die Indizierung für die Googlesuche stets rechtmäßig ist.

So manche Berichterstattung zu dem Urteil, erscheint mir nicht ganz zutreffend. Anders als SPON schreibt, geht es nicht nur um die Löschung sensibler persönlicher Daten, sondern um personenbezogene Daten ganz allgemein. Der EuGH postuliert einen grundsätzlichen Vorrang des Datenschutzrechts bzw. des Schutzes der Privatssphäre, worauf Carlo Piltz zu recht hinweist.

Auch der österreichische Medienrechtler Hans Peter Lehofer kritisiert das Urteil deutlich, ebenso wie der Berliner Kollege Niko Härting. Lehofer bringt das vom EuGH ausgelöste Dilemma mit einem Bonmot auf den Punkt:

Eine ketzerische Frage dazwischen: dürfte der Betroffene von Google auch verlangen, dass bei der Suche nach seiner Person ein Link auf dieses Urteil des EuGH aus den Ergebnlisten genommen wird (der Name des Betroffenen wurde vom EuGH nicht anonymisiert)?

Fürwahr, eine berechtigte Frage.

posted by Stadler at 10:48  

21.3.14

Twitter-Sperre in der Türkei verstößt gegen Art. 10 MRK

Die Türkei sperr bzw. blockiert Twitter. Beim Aufruf der Website erhält man laut Tagesschau.de in der Türkei einen Hinweis auf einen Gerichtsbeschluss zur Schließung von Twitter. Auf einer Wahlkampfveranstaltung hatte Minsiterpräsident Erdogan zuvor angekündigt, seine Regierung werde Twitter und andere Netzwerke vernichten und es sei ihm egal, was die internationale Gemeinschaft dazu sagen wird.

Twitter wird in der Türkei wesentlich intensiver genutzt als beispielsweise in Deutschalnd und stellt für viele Internetnutzer dort ein zentrales Kommunikationsmittel dar, wie diese Grafik zeigt.

Selbst die Bundesregierung reagiert in diesem Fall ungewöhnlich deutlich. Regierungssprecher Seibert twitterte folgendes:

In einer freien Gesellschaft ist es die Entscheidung der Bürger, wie sie kommunizieren wollen, nicht des Staates.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte die Türkei bereits im Jahre 2012 wegen einer generellen Sperrung des Zugangs zu Google Sites verurteilt und festgestellt, dass diese Maßnahme gegen Art. 10 MRK (Recht auf freie Meinungsäußerung) verstößt. Die Gesamtblockade von Google Sites auf Basis eines türkischen Gerichtsbeschlusses hatte der EGMR zudem als willkürlich angesehen. Eine gute Zusammenfassung (in deutscher Sprache) dieser Entscheidung findet sich bei e-comm.

Türkische Gerichte und türkische Behörden verstoßen mit der jetzigen Totalblockade von Twitter also erneut und sehenden Auges gegen die Menschenrechtskonvention. Denn die Sperrung von Twitter stellt ebenfalls eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des Informationszugangs dar, von der ein erheblicher Teil der türkischen Internetnutzer betroffen ist.

posted by Stadler at 10:46  

13.2.14

Die Haftung von Google für rechtswidrige Suchergebnisse

Das Landgericht Hamburg hat Google kürzlich zur Unterlassung der Verbreitung persönlichkeitsrechtsverletzender Bilder verurteilt. Das Urteil, über das ich hier schon kurz berichtet habe, liegt mittlerweile im Volltext vor (Urteil vom 24.01.2014, Az.: 324 O 264/11). Bereits vor dem Urteilsspruch hatte ich mich ausführlicher mit dem Verfahren und seiner grundlegenden Bedeutung befasst.

Das Landgericht Hamburg geht in seiner Entscheidung davon aus, dass Google ähnlich wie ein Host-Provider für rechtsverletzende Suchergebnisse ab dem Zeitpunkt haftet, ab dem es als Suchmaschinenbetreiber von den rechtsverletzenden Inhalten konkrete Kenntnis erlangt hat. Bemerkenswert ist insoweit auch, dass Google eine vollständige Unterlassungsverpflichtung treffen soll. Das heißt, es ist nicht ausreichend, wenn Google die beanstandeten Treffer entfernt, vielmehr muss es dafür sorgen, dass es auch in Zukunft nicht zu gleichartigen Rechtsverletzungen kommt.

Was die Störerhaftung von Google angeht, stützt sich das Landgericht Hamburg maßgeblich auf die Entscheidung des BGH zur Autocomplete-Funktion von Google. Diese Entscheidungen beinhaltet allerdings den Sonderfall, dass die Ergänzungsvorschläge von Google selbst stammen und es gerade nicht um den bloßen Verweis auf im Internet auffindbare Inhalte geht. Was die Basisfunktionalität einer Suchmaschine angeht, erscheint es keinesfalls zwingend, eine Störerhaftung des Betreibers anzunehmen. Insoweit kann man sowohl einen adäquat-kausale Beitrag zur Rechtsverletzung verneinen, als auch die Zumutbarkeit von Prüfpflichten in Abrede stellen. Die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit von Suchmaschinen geht weit über den Schutz von legitimen Geschäftsinteressen hinaus. Sie ist vielmehr ein Anliegen von allgemeinem Interesse. Suchmaschinen sind zwingend notwendig dafür, dass die Nutzer im WWW überhaupt etwas finden können. Der Staat muss daher, gerade auch im Lichte von Art. 5 GG gewährleisten, dass sie möglichst ohne jede Einschränkung arbeiten können.

Was die Reichweite des Unterlassungsanspruchs angeht, setzt sich das Landgericht Hamburg auch nicht mit derjenigen Rechtsprechung auseinander, die davon ausgeht, dass die Störerhaftung eines Hosters nicht bereits mit Zugang der Abmahnung beginnt, sondern erst dann, wenn der Betreiber auf eine ausreichend konkrete Abmahnung hin untätig bleibt. Wenn der Betreiber unverzüglich löscht, wird er danach nie zum Störer (vgl. OLG Stuttgart, Az.:  4 W78/13; BGH, Az.: VI ZR 210/08 – Domainverpächter). Nachdem Google im konkreten Fall auf Aufforderung hin gelöscht hat, aber die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigerte, wird diese Rechtsprechung auch vorliegend relevant.

Wenn man auch grundsätzlich eine Störerhaftung von Google annimmt, bleibt die Frage zu klären, ob diese nur auf eine Beseitigung bestehender Verstöße gerichtet ist oder auch die Unterbindung künftiger Verstöße umfasst. Nachdem diese Frage sowohl in der Literatur als auch der Rechtsprechung immer wieder erörtert worden ist, hätte man vom Landgericht Hamburg zumindest erwarten dürfen, dass es sich damit eingehend befasst.

posted by Stadler at 11:43  
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