Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

12.2.13

Beugehaft gegen Onlineredakteur

Das Amtsgericht Duisburg hat mit Beschluss vom 01.02.2013 gegen einen Onlineredakteur des Bewertungsportals „Klinikbewertungen.de“ fünf Tage Beugehaft verhängt, um die Herausgabe von Nutzerdaten zu erzwingen.

Hintergrund ist eine Strafanzeige einer Therapeutin der Rehaklinik Bad Hamm wegen übler Nachrede durch eine anonyme Bewertung auf Klinikbewertungen.de. Der beanstandete Beitrag wurde von dem Portal bereits 2011 gelöscht, der Portalbetreiber bzw. der zuständige Onlineredakteur verweigern gegenüber Staatsanwaltschaft und Polizei aber die Preisgabe der Nutzerdaten.

Aus diesem Grund wurde der Onlineredakteur schließlich zur richterlichen Vernehmung beim Amtsgericht Duisburg geladen. Nachdem er sich auch dort auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat, hat das Amtsgericht Dusiburg mit Beschluss vom 02.07.2012 zunächst Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, gegen den Onlienredakteur festgesetzt. Das Gericht geht in der Begründung des Beschlusses davon aus, dass dem Zeugen kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO zusteht, weil bei Mediendiensten eine bloße Einstellung fremder Texte nicht ausreichend sei, sondern vielmehr eine redaktionell aufbereitete Information vorliegen müsse. Diese Rechtsansicht ist nach meiner Einschätzung im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG nicht haltbar. Diesen Aspekt hatte ich im Zusammenhang mit der Beschlagnahmeaktion bei der Augsburger Allgemeinen bereits erörtert. Darüber hinaus geht das BVerfG aber auch davon aus, dass § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO keine abschließende Regelung enthält, sondern sich das Zeugnisverweigerungsrecht auch unmittelbar aus Art. 5 GG ableiten lässt.

Nachdem das Landgericht Duisburg den Beschluss des Amtsgerichts im Beschwerdeverfahren bestätigt hat, hat der betroffene Onlineredakteur am 14.12.2012 Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts und Landgerichts Duisburg erhoben.

Offenbar will man beim Amtsgericht Duisburg aber die Entscheidung aus Karlsruhe nicht abwarten. Zwischenzeitlich wurde gegen den Onlineredakteur mit Beschluss vom 01.02.2013 nämlich Erzwingungshaft angeordnet.

An dieser Stelle ist aber ganz unabhängig von der Frage, ob ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht oder nicht, immer zu prüfen, ob die Anordnung von Beugehaft gegen einen Zeugen zur Bedeutung der Strafsache nicht außer Verhältnis steht. Insoweit ist die Frage, ob der Vorwurf einer üblen Nachrede – zumal der fragliche Kommentar längst nicht mehr online war – überhaupt die Anordnung von Beugehaft rechtfertigen kann.

Die Frage, ob sich Meinungsportale und Blogs auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen können bzw. unter welchen Voraussetzungen Zwangsmittel gegen einen Betreiber in Betracht kommen, bedarf dringend einer Klärung durch das Bundesverfassungsgericht.

 

Update vom 13.02.2013:
Nachdem in den Blogkommentaren eine rege Diskussion über das Für und Wider eines Zeugnisverweigerungsrechts für Betreiber von Meinungsportalen entstanden ist, möchte ich meinen Beitrag noch um einige rechtliche Ausführungen ergänzen.

Wenn man sich dieser Frage aus dem Blickwinkel des einfachen Rechts nähert, dann muss man zunächst feststellen, dass § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO Personen ein Zeugnisverweigerungsrecht gewährt, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Informations- und Kommunikationsdiensten die der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienen, berufsmäßig mitwirken. Wenn man sich also am Wortlaut der Vorschrift orientiert, dann muss ein Mitarbeiter eines Bewertungsportals diesem Schutz unterfallen, denn das Bewertungsportal dient der Meinungsbildung und der Onlineredakteur wirkt auch berufsmäßig mit. Die Einschränkung, die hier viele vornehmen wollen, dass ein Zeugnisverweigerungsrecht nur dann bestehen soll, wenn Informationen redaktionell aufbereitet werden, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen.

Dieses Recht dient auch nicht in erster Linie dem Schutz des Verfassers, sondern dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Informationsdienstes.

Die grundlegende Problematik lässt sich anhand des konkreten Falles anschaulich darstellen. Es geht vorliegend um den Vorwurf einer üblen Nachrede, also einer (vermeintlich) falschen Tatsachenbehauptung über eine bestimmte Klinik bzw. das Verhalten des dortigen Personals.

Wer ein Portal eröffnet, in dem Menschen bestimmte Leistungen bewerten können, sieht sich immer mit dem Problem konfrontiert, dass kritische Bewertungen auf bestimmte Missstände oder Mängel hinweisen, deren Richtigkeit der Portalbetreiber nicht überprüfen kann. Wenn man den Portalbetreiber jetzt einer weitgehenden Haftung aussetzt, dann schafft man eine Atmosphäre, in der immer weniger Menschen bereit sein werden, einen derartigen haftungsträchtigen aber sozial erwünschten Dienst zu betreiben. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage, ob sich das Zeugnisverweigerungsrecht vielleicht zusätzlich durch § 10 TMG abstüzen lässt, noch gar nicht erörtert.

Wenn man die rechtliche Fragestellung aus Sicht der Grundrechte erörtert, bietet es sich zunächst an, auf die Rechtsprechung des BVerfG Bezug zu nehmen. Insoweit erscheinen mir die Entscheidungen Chiffreanzeigen, Südkurier und Cicero aus denen ich nachfolgend einige, aus meiner Sicht einschlägige Passagen zitieren möchte, einschlägig.

Chiffreanzeigen:

Das Grundrecht der Pressefreiheit umfaßt, wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, auch den Anzeigenteil von Presseerzeugnissen (BVerfGE 21, 271 [278f.]). Wenn die Presse ihren Lesern Anzeigen, ebenso wie Nachrichten oder Leserbriefe im redaktionellen Teil, ohne eigene Stellungnahme zur Kenntnis bringt und die Leser auf diese Weise über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder die in ihnen zum Ausdruck gebrachten Meinungen informiert, so gehört dies zu den herkömmlichen und typischen Presseaufgaben (BVerfGE a.a.O., [279]). Nicht unberücksichtigt bleiben darf auch die Bedeutung des Anzeigenteils für die Erfüllung der Kommunikationsaufgabe der Presse (Ricker, Anzeigenwesen und Pressefreiheit, 1973, S. 22 ff. [31, 34]) sowie für die Erhaltung ihrer wirtschaftlichen Grundlagen als wesentlicher Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit (vgl. Ricker, a.a.O., S. 42 ff.). Ebenso wie im Bereich des redaktionellen Teils kann schließlich auch im Bereich des Anzeigenteils die Vertrauenswürdigkeit der Presse davon abhängen, daß staatliche Eingriffe nicht zu besorgen sind.

Südkurier:

Das Grundrecht der Freiheit der Presse beschränkt sich aber nicht darauf, Presseorgane vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Verbreitung ihrer eigenen Meinung zu schützen. In weitem Umfange begnügt sich die Presse in ihrem redaktionellen Teil damit, reine Nachrichten weiterzugeben, und enthält sich dabei der Stellungnahme zu der Richtigkeit der verbreiteten Nachricht und erst recht der Verwertung dieser Nachricht als einer Grundlage für eine eigene Meinungsäußerung. Dabei ist es selbstverständlich, daß die Schriftleitung unter den ihr zugegangenen Nachrichten eine gewisse Auswahl treffen muß zwischen ihr wichtig, also zur Verbreitung geeignet erscheinenden und weniger wichtigen oder unwichtigen, die sie von der Verbreitung ausschließt. Daß auch eine solche Verbreitung reiner Nachrichten ohne eigene Stellungnahme von der Pressefreiheit geschützt ist, kann nicht zweifelhaft sein; diese läßt eine Nachrichtensperre nicht zu. Daher beginnt die Pressefreiheit nicht erst mit der pressemäßigen Verbreitung einer eigenen Meinung, sondern umfaßt bereits die Beschaffung der Information und deren Verbreitung (so die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, zuletzt BVerfGE 20, 162 [176]). Auch eine Anzeige stellt eine Nachricht dar. In der Regel gibt die Anzeige keine Meinung des Anzeigenden wieder, sondern fordert lediglich nicht bekannte mögliche Leser auf, ihm ein Angebot zum Abschluß eines Vertrags über den in der Anzeige bezeichneten Gegenstand zu machen. Es kommt aber auch vor, daß der Anzeigende seine eigene Meinung verbreiten will; so bedienen sich politische Parteien, wirtschaftliche und kulturelle Vereinigungen sowie Einzelpersonen häufig des Anzeigenteils von Zeitungen, um ihren Standpunkt der Allgemeinheit gegenüber zu vertreten und für ihre Bestrebungen zu werben. In allen diesen Fällen bringt die Presse die Anzeige, ebenso wie Nachrichten im redaktionellen Teil, ihren Lesern ohne eigene Stellungnahme zur Kenntnis und informiert sie lediglich über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder über die in ihnen etwa enthaltenen, von anderen geäußerten Meinungen. Dies gehört zu der typischen Aufgabe der Presse.

Cicero:

Die Gewährleistungsbereiche der Presse- und Rundfunkfreiheit schließen diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit ein, ohne welche die Medien ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen können. Geschützt sind namentlich die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse beziehungsweise Rundfunk und den Informanten (vgl. BVerfGE 100, 313 <365> m.w.N.). Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann (vgl. BVerfGE 20, 162 <176, 187>; 36, 193 <204>).

Wie so häufig stellt sich dabei natürlich die Frage, ob und in welchem Umfang diese Rechtsprechung übertragbar ist. Man kann allerdings konstatieren, dass eine redaktionelle Aufbereitung kein Kriterium ist, das vom BVerfG für relevant erachtet wird. Auch die bloße Verbreitung reiner Nachrichten, ohne eigene Stellungnahme, wird von der Pressefreiheit geschützt. Dies umfasst Leserbriefe, Zuschriften oder selbst Anzeigen, wenn der Leser über die zum Ausdruck gebrachte fremde Meinung informiert wird.

Nach diesen Maßstäben müssen auch Meinungsforen entsprechend geschützt sein.

Interessant ist außerdem die Frage, ob der Verfasser einer Bewertung oder eines Kommentars nicht auch als eine Art Informant zu betrachten ist, der gerade diejenigen Informationen liefert, die für den Betrieb eines Meinungsforums oder einer Bewertungsplattform essentiell sind. Eine Bewertungsplattform ist nämlich darauf angewiesen, dass die Nutzer Bewertungen vornehmen, also Tatsachen schildern und Werturteile abgeben.

Wenn man dem Betreiber oder Mitarbeiter von Meinungsforen kein Zeugnisverweigerungsrecht zubilligen will, dann wird man ihnen künftig raten müssen, von der gesetzlichen Möglichkeit, Kommentare und Bewertungen anonym abgeben zu lassen, Gebrauch zu machen. Denn wer keine Informationen über die Person des Verfassers eines Kommentars hat, kann auch als Zeuge dazu keine Angaben machen.

posted by Stadler at 16:17  

5.2.13

BGH: Rapidshare muss Wortfilter einsetzen und externe Linksammlungen überprüfen

Eine neue Entscheidung des BGH zur Haftung des Filehosters Rapidshare – die ich hier anhand der Pressemitteilung des BGH bereits besprochen habe – ist gestern im Volltext veröffentlicht worden (Urteil vom 12.07.2012, Az.: I ZR 18/11).

Der BGH betrachtet Rapidshare als Host-Provider, der ab dem Zeitpunkt für Urheberrrechstverletzungen haftet, in dem er von einer konkreten Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wurde. Die Pflichten von Rapidshare beschränken sich nach Ansicht des BGH aber nicht auf die bloße Löschung beanstandeter Dateien. Vielmehr ist es Rapidshare in diesem Fall auch zumutbar, Wortfilter einzusetzen und externe Linksammlungen zu überprüfen, die auf Server von Rapidshare verweisen.

Der BGH meint inosweit, dass es Rapidshare grundsätzlich auch zumutbar sei, eine manuelle Kontrolle jedenfalls einer einstelligen Zahl von Linksammlungen durchzuführen. Ob darüber hinaus auch eine automatisierte Kontrolle einer größeren Anzahl von Linksammlungen zuzumuten ist, hängt nach Ansicht des BGH von den derzeitigen technischen Möglichkeiten ab. Der BGH hierzu wörtlich:

Die Klägerin hätte dann unter Sachverständigenbeweis stellen können, dass es mittlerweile mit denselben Techniken, mit denen Suchmaschinen und interessierte Nutzer die Download-Links auffinden, möglich ist, automatisiert die Linksammlungen zu durchsuchen und die entsprechenden Hyperlinks aufzufinden. Dabei wäre insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass der Antrag zu b) nur Hyperlinks mit dem Bestandteil „rapidshare.com/files“ erfasst.

Der BGH weist in seiner Entscheidung allgemein darauf hin, dass die Fa. Rapidshare nicht verpflichtet ist, die von ihr gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen (Art. 15 Abs. 1 RL 2000/31/EG – umgesetzt durch § 7 Abs. 2 TMG). Ob allerdings die anschließend vom BGH konkretisierten Prüfpflichten mit dem gesetzlichen Verbot von § 7 Abs. 2 TMG bzw. Art. 15 Abs. 1 ECRL vereinbar sind, thematisiert der Senat nicht weiter. Denn die Verpflichtung zum Einsatz von Wortfiltern lässt sich durchaus auch als Verpflichtung zur Überwachung gespeichterter Informationen deuten, ebenso wie die Verpflichtung zur Kontrolle externer Linksammlungen dahingehend verstanden werden kann, dass damit nach Umständen geforscht werden muss, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Denn es handelt sich gerade nicht um eine bloße Entfernung oder Sperrung im Sinne von § 7 Abs. 2 S. 2 TMG. Es stellt sich insoweit also durchaus die Frage, ob diese Entscheidung des BGH mit europäischem Recht vereinbar ist.

posted by Stadler at 11:09  

27.10.12

Die Themen der Woche im Blog

TK-Überwachung: Auskunftspflicht über Bestandsdaten soll neu geregelt werden

Markenrecht: Kann das Zeichen @ als Marke eingetragen werden?

Urheberrecht/Filesharing: Gesetzesinitiativen zur Beschränkung der Störerhaftung

Datenschutz: Wie sinnvoll und wie demokratisch ist die geplante EU-Datenschutzgrundverordnung?

Soziale Netze: Wie Facebook mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet

Haftung/Urheberrecht: Haften Blogger für Embedded Content?

posted by Stadler at 13:52  

23.10.12

Haften Blogger für Embedded Content?

Letzte Woche haben mehrere Blogs über Abmahnungen von Universal berichtet, in denen Blogbetreiber aufgefordert wurden, Embedded Links auf ein Musikvideo bei YouTube zu entfernen. Beispielsweise der Kollege Dosch hat unter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf die Auffassung vertreten, dass Blogger bei dieser Art der Einbindung von Videos urheberrechtlich haften würde. Der rechtliche Hintergrund wird bei Telemedicus gut erläutert.

Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung ist das Postulat der Paperboy-Entscheidung des BGH, dass im Falle eines (Deep-) Links keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung stattfindet. Denn der BGH geht davon aus, dass ein urheberrechtlich geschütztes Werk durch einen bloßen Link nicht öffentlich zugänglich gemacht werden kann, weil es bereits zugänglich ist. Der BGH hat sich in diesem Urteil ausdrücklich der von mir vertretenen Ansicht angeschlossen, wonach grundsätzlich kein urheberrechtlicher Störungszustand geschaffen wird, wenn der Zugang zu dem Werk durch das Setzen von Hyperlinks (auch in der Form von Deep-Links) nur erleichtert wird.

Die Frage ist jetzt, ob sich an dieser Betrachtung dadurch etwas ändert, dass man ein Video einbettet, indem man einen von YouTube angebotenen HTML-Code in sein Blog integriert, der dazu führt, dass ein Vorschaubild des Videos angezeigt wird und das Video dann zwar direkt über das Blog gestartet werden kann, aber tatsächlich weiterhin über die Videoplattform abgerufen wird.

Auch beim Embedded-Video wird nämlich nur der Zugang zu einem Werk erleichtert, das an einer anderen Stelle im Netz bereits zugänglich ist. Die Argumentation aus dem Paperboy-Urteil passt also auch hier. Der zusätzliche Aspekt der Einbettung kann m.E. daher nur über ergänzende juristische Konstruktionen, wie etwa der Annahme eines Zueigenmachens, zur Bejahung einer Urheberrechtsverletzung führen.

An dieser Stelle muss m.E. zwischen unterschiedlichen Formen des Einbettens differenziert werden. Ein Inlinelink, bei dem der Betrachter tatsächlich den Eindruck gewinnt, beispielsweise ein Bild sei integraler Bestandteil der eigenen Website, muss nicht zwingend mit einem Embedded-Video gleichzusetzen sein. Denn beim eingebundenen Video ist dem Durchschnittsnutzer natürlich bewusst, dass es sich um ein YouTube-Video handelt, weil man das YouTube-Logo einerseits bereits auf dem Vorschaubild sieht und es sich andererseits mittlerweile um eine ebtalierte und verbreitete Form der Verlinkung von Videos handelt, an die sich der User gewohnt hat.

Nach meiner juristischen Einschätzung liegt in diesen Fällen also weder eine originäre Urheberrechtsverletzung vor, noch besteht eine Störerhaftung für eine fremde Urheberrechtsverletzung. Da diese Frage höchstrichterlich nicht geklärt ist und die Rechtsansichten der Gerichte durchaus auseinandergehen, besteht derzeit für Blogger allerdings ein Haftungsrisiko, wenn sie Videos einbetten.

 

posted by Stadler at 11:04  

4.10.12

BGH zur Haftungsbegrenzung in AGB

Der BGH hat in einer heute im Volltext veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 18.07.2012, Az.: VIII ZR 337/11) zu mehreren AGB-Klauseln eines Ernergieversorgers Stellung genommen. Dabei ging es u.a. auch um die Wirksamkeit einer – in ähnlicher Form – sehr geläufigen Regelung zur Haftungsbegrenzung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Die verwendete Klausel lautete:

Bei in sonstiger Weise verursachten Schäden haftet e. bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, auch seiner Erfüllungsgehilfen, nach den gesetzlichen Bestimmungen. Das gleiche gilt bei fahrlässig verursachten Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit.] Bei fahrlässig verursachten Sach- und Vermögensschäden haften e. und seine Erfüllungsgehilfen nur bei der Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht, jedoch der Höhe nach beschränkt auf die bei Vertragsschluss vorhersehbaren und vertragstypischen Schäden; [wesentliche Vertragspflichten sind solche, deren Erfüllung den Vertrag prägt und auf die der Kunde vertrauen darf].“

Die Klausel ist nach Ansicht des BGH wirksam. Zur Begründung führt das Gericht aus:

Die Revision wendet sich mit Recht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klausel 4, bei der nur die Haftungsbeschränkung im Streit steht, verstoße gegen das aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB folgende Transparenzgebot. Die von der Beklagten abstrakt formulierte Haftungsbeschränkung „auf die bei Vertragsschluss vorhersehbaren und vertragstypischen Schäden“ ist wirksam.
a) Der Senat hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung Klauseln zu prüfen, in denen die Haftung auf eine bestimmte Summe begrenzt war. Er hat entschieden, dass sich die Wirksamkeit einer summenmäßigen Haftungsbegrenzung in einem Formularvertrag danach richtet, ob die Höchstsumme ausreichend bemessen ist, um die vertragstypischen, vorhersehbaren Schäden abzudecken (Senatsurteile vom 27. September 2000 – VIII ZR 155/99, aaO S. 216; vom 25. Februar 1998 – VIII ZR 276/96, aaO S. 133 mwN). Allerdings ist der Verwender nicht gezwungen, die Haftungsbegrenzung durch die Angabe einer Höchstsumme näher darzustellen. Oftmals wird ihm dies nicht möglich sein. Vor allem sind Sonderkunden eines Energieversorgungsunternehmens auch keine in sich homogene Gruppe, so dass sich die Höhe vertragstypischer, im Rahmen der Adäquanz liegender Sach- und Vermögensschäden für sie nicht allgemein bestimmen lässt (Senatsurteil vom 25. Februar 1998 – VIII ZR 276/96, aaO S. 135). Die Haftungsbegrenzung kann daher grundsätzlich auch so erfolgen, dass die Haftung unter Herausnahme atypischer Schäden auf den vertragstypisch zu erwartenden Schaden beschränkt wird (Dammann, aaO § 309 Nr. 7 Rn. 110; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 309 Nr. 7 Rn. 39 f.; MünchKommBGB/Wurmnest, 6. Aufl., § 309 Nr. 7 Rn. 30; jeweils mwN; vgl. auch Senatsurteil vom 27. September 2000 – VIII ZR 155/99, aaO S. 244 f.; Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2001 – VIII ARZ 1/01, BGHZ 149, 89, 99).
b) Dabei sind allerdings die sich aus dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebenden Anforderungen zu beachten. Das Transparenzgebot verpflichtet die Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner eindeutig und verständlich darzustellen, damit diese sich bei Vertragsschluss hinreichend über die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen klar werden können (BGH, Urteile vom 17. Januar 1989 – XI ZR 54/88, BGHZ 106, 259, 264 mwN; vom 26. Oktober 2005 – VIII ZR 48/05, BGHZ 165, 12, 21 f.; vom 23. Februar 2011 – XII ZR 101/09, WM 2011, 1190 Rn. 10; vom 14. März 2012 – VIII ZR 202/11, aaO Rn. 24). Maßstab der Beurteilung sind die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders (Senatsurteil vom 26. Oktober 2005 – VIII ZR 48/05, aaO S. 22; BGH, Urteile vom 15. April 2010 – Xa ZR 89/09, WM 2010, 1237 Rn. 25; vom 23. Februar 2011 – XII ZR 101/09, aaO; vom 14. März 2012 – VIII ZR 202/11, aaO). Auch dem wird die Klausel in der gewählten abstrakten Formulierung gerecht.
aa) Die Unterscheidung, ob ein Schaden vorhersehbar oder unvorhersehbar ist, ist dem durchschnittlichen Vertragspartner eines Energieversorgungsunternehmens geläufig. Bei der Vorhersehbarkeit handelt es sich um einen – gerade auch im Zusammenhang mit Schadensereignissen verwendeten – allgemein gebräuchlichen Begriff. In schadensrechtlichen Zusammenhängen bringt er einen Teil dessen zum Ausdruck, was Fahrlässigkeit ausmacht. Denn Fahrlässigkeit setzt die Vorhersehbarkeit der Gefahr voraus, gegen deren Verwirklichung Vorkehrungen getroffen werden sollten (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2006 – X ZR 46/04, NJW-RR 2006, 965 Rn. 12). Dabei verlangt das zum Fahrlässigkeitsvorwurf gehörende Erfordernis der Vorhersehbarkeit nicht, dass sich der Schädiger vorzustellen vermag, wie sich der Schadenshergang im Einzelnen abspielt und in welcher Weise sich der Schaden verwirklicht. Es genügt vielmehr, dass der Schädiger die Möglichkeit des Eintritts eines schädigenden Erfolges im Allgemeinen hätte voraussehen können (BGH, Urteile vom 4. Mai 1993 – VI ZR 283/92, NJW 1993, 2234 unter II 1 b; vom 10. November 1992 – VI ZR 45/92, NJW-RR 1993, 345 unter II 3). Insoweit verkürzt das in der Klausel aufgestellte Vorhersehbarkeitserfordernis eine Haftung der Beklagten für sich allein nicht, sondern erläutert nur eine selbstverständliche Voraussetzung für ihre Haftung bei fahrlässig verursachten Schäden.
bb) Ebenso ist der Begriff des vertragstypischen Schadens für einen durchschnittlichen Vertragspartner hinreichend verständlich. Es handelt sich um einen Ausdruck, der in der Gesetzessprache, aber auch im allgemeinen Sprachgebrauch Verwendung findet. Die Gebräuchlichkeit des Begriffs „typisch“ im Sinne eines „für eine bestimmte Person oder Sache charakteristisch“ (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl., S. 946) kommt insbesondere in einer Vielzahl von Gesetzesüberschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 433, 488, 535, 581, 586, 598, 607, 611, 631, 651a, 662, 688, 765 BGB) zum Ausdruck, die mit der Überschrift „Vertragstypische Pflichten“ für den jeweiligen Vertragstyp die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, welche dem Vertrag sein Gepräge geben, schlagwortartig umschreiben. Dass der Begriff „vertragstypisch“ selbsterklärend ist, zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass der Gesetzgeber bei der genannten Begriffsverwendung im Zuge der Schuldrechtsreform keinen Anlass zur Erläuterung gesehen, sondern seine Bedeutung als selbstverständlich vorausgesetzt hat.

posted by Stadler at 14:03  

8.9.12

Haftet Google für seine Autovervollständigung?

Presseberichten zufolge hat Bettina Wulff Google vor dem Landgericht Hamburg auf Unterlassung verklagt, weil die sog. Auto-Complete-Funktion der Suchmaschine dem Nutzer zu dem Suchbegriff „Bettina Wulff“ ergänzende Suchbegriffe wie „Rotlichtvergangenheit“ oder „Escort“ anbietet. Ich möchte hier nicht die Erfolgsaussichten einer Klage kommentieren, von der ich nicht einmal den Klageantrag kenne.

Man kann sich aber allgemein mit der Frage befassen, ob und inwieweit Google für Persönlichkeitsrechtsverletzungen haftet. Für Suchmaschinentreffer ist dies bereits, interessanterweise durch das OLG Hamburg, entschieden worden. Nach diesem Urteil kann es Google nicht untersagt werden, bestimmte Suchergebnisse anzuzeigen, die in Bezug auf die Person des Klägers die Begriffe “Immobilie” und “Betrug” bzw. “Machenschaften” enthalten.

Und ich denke, dass dieses Ergebnis zwingend ist und auch für die Funktion Autovervollständigung gilt und zwar völlig unabhängig davon, ob Suchmaschinen haftungsprivilegiert sind oder nicht. Denn die Frage, ob eine bestimmte Äußerung noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist oder die Persönlichkeitsrechte eines anderen verletzt, kann nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BGH nur nach Würdigung des gesamten Kontexts in dem die beanstandete Äußerung steht, beurteilt werden.

Wenn man diese Rechtsprechung ins Kalkül zieht, wird man schwerlich zu dem Ergebnis gelangen können, dass beispielsweise die Suchwortkombination „Bettina Wulff“ und „Rotlichtvergangenheit“ stets und unabhängig von ihrem jeweiligen Kontext rechtsverletzend ist. Denn sonst wäre auch die gesamte aktuelle Berichterstattung über die Prozesse Wulffs gegen Google und Jauch zu beanstanden, einschließlich dieses Blogbeitrags. Das ist aber nicht der Fall, zumal Frau Wulff mit ihrem juristischen Vorgehen selbst Öffentlichkeit schafft und damit die Vorlage für eine zulässige Berichterstattung liefert. Wenn es aber auch zulässige Inhalte gibt, die nach Eingabe der beanstandeten Suchkombinationen angezeigt werden können, folgt allein daraus, dass für ein Totalverbot der Anzeige einer Trefferergänzung durch die Auto-Complete-Funktion kein Raum ist.

Wenn man also die maßgebliche Rechtsverletzung darin sieht, dass Google eine entsprechende Ergänzung der Suchbegriffe über die Auto-Complete-Funktion anbietet, dann müsste das Gericht hierzu feststellen können, dass diese Kombination unter allen Umständen persönlichkeitsrechtsverletzend wäre und eine rechtmäßige Variante ausgeschlossen ist. Diese Feststellung ist aber bereits deshalb nicht möglich, weil sich die Rechtsverletzung nur aus dem Zusammenspiel mit dem verlinkten Inhalt ergeben kann und nicht allein aus der Kombination von Suchbegriffen bei Google. Andernfalls würde man den Gesamtkontext ignorieren. Solange nach Eingabe einer entsprechend vervollständigten Suchanfrage aber auch rechtmäßige Treffer erscheinen, scheidet ein Verbotsausspruch gegenüber Google aus.

Hinzu kommt der Umstand, dass mit einem solchen Verbot eine nützliche Suchmaschinenfunktionalität insgesamt in Frage gestellt würde. Denn bei der Auto-Complete-Funktion werden laut Google nur solche Ergänzungen vorgeschlagen, die bereits zuvor besonders häufig von den Nutzern verwendet worden sind. Es handelt sich also lediglich um eine automatisierte technische Suchhilfe. Hätte die Klage von Bettina Wulff Erfolg, dann würde Google wohl täglich mit der Aufforderung konfrontiert werden, die Anzeige irgendwelcher Ergänzungsvorschläge zu unterlassen und müsste die Funktion der Autovervollständigung deshalb wohl insgesamt abschalten. Es geht hier also ganz grundlegend um die Frage der Aufrechterhaltung nützlicher und hilfreicher Suchmaschinenfunktionen.

Letztlich diskutiert man also nur wieder die in wechselndem Gewand regelmäßig wiederkehrende Frage, inwieweit man Intermediäre für rechtswidrige Inhalte Dritter in Haftung nehmen kann.

Update vom 09.09.2012:
Hier in den Kommentaren und in anderen Blogs wird darauf hingewiesen, dass sich Google mit seiner Auto-Complete-Funktion nicht wirklich neutral verhalten würde, sondern, dass es zahlreiche Fälle gibt, in denen Google (manuell) eingreift und bestimmte Suchergänzungen von sich aus sperrt bzw. unterdrückt.

Die Frage ist, ob dieser Umstand als juristisches Argument gegen Google taugt und wenn ja, wozu das dann führt? Wenn ich heute bei Google eine Suchabfrage starte und nur den Buchstaben b eingebe, dann schlägt mir Google neben Bild und bahn.de auch bereits Bettina Wulff als Suchwort vor. Das erscheint mir nicht ungewöhnlich, vielmehr dürfte es naheliegend sein, dass gerade dieses Suchwort im deutschsprachigen Bereich derzeit zu den vier oder fünf meistgesuchten Begriffen gehört, die mit b beginnen. Wenn man jetzt das Suchwort bis auf Bettina erweitert, schlägt Google bereits „bettina wulff prostituierte“ und „bettina wulff escort“ vor. Wenn ich anschließend auf „bettina wulff escort“ vervollständige, dann stammen die ersten Suchergebnisse durchwegs von renommierten deutschen Redaktionen, u.a. von Focus und ZEIT Online. Wenn also die Annahme zutreffend ist, dass Google mit seiner Autocomplete-Funktion die Verbreitung von Verleumdungen fördert, müssten insbesondere die ersten Treffer, also Focus und ZEIT, persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte aufweisen. Genau das ist aber nicht der Fall. Die Autovervollständigung führt vielmehr ganz ersichtlich primär dazu, den Zugang zu nicht rechtsverletzendem Content zu fördern. Kann man es Google vor diesem Hintergrund also tatsächlich verbieten, zum Suchbegriff „Bettina Wulff“ die Ergänzung „Escort“ anzubieten?

Mich erinnert diese Diskussion einmal mehr an die Debatten, die rund um das Thema Netzsperren geführt wurden, denn was Bettina Wulff will, ist nichts anderes als eine Zugangserschwerung. Es erscheint erneut verlockend, dafür einen technischen Dienstleister in Anspruch zu nehmen, obwohl dieser das fragwürdige Gerücht nicht in die Welt gesetzt hat und auch nicht originär dafür verantwortlich ist, dass sich Menschen, die von ihrer Neugier getrieben werden, gezielt und massenhaft bei Google auf die Suche nach diesem Gerücht begeben.

Natürlich wirkt Google an der Verbreitung dieses Gerüchts mit und zwar sogar ganz massiv. Denn genau das ist die Funktion und Aufgabe einer Suchmaschine. Müsste man also nicht konsequenterweise von der eher läppischen Diskussion um die Auto-Complete-Funktion Abstand nehmen und sogleich fordern, dass Google bestimmte Suchkombinationen – also z.B. Bettina Wulff Escort – schlicht nicht mehr zulassen darf? Dass Google gelegentlich selbst Hand anlegt und in die Funktionalität der Autovervollständigung manuell eingreift, ist bedenklich. Man sollte aber daraus nicht die Forderung ableiten, dass Google dies deshalb in noch größerem Umfang tun müsste.

Ich habe, auch aus rechtspolitischen Gründen, überhaupt keine Sympathie für die Klage Wulffs gegen Google und hoffe sehr, dass Google den Rechtsweg ausschöpfen wird, sollte dies notwendig werden.

posted by Stadler at 22:31  

5.9.12

Notice And Take Down auch für Europa?

Die EU-Kommission hat gerade ein öffentliches Konsultationsverfahren zur Etablierung eines Notice-And-Take-Down-Verfahrens – sie nennt es notice & action – durchgeführt. Hintergrund sind Überlegungen, in Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie eine Regelung über ein formalisertes Notice-And-Take-Prozedere, offenbar nach dem Vorbild des amerikanischen DMCA, aufzunehmen.

Der Digital Millennium Copyright Act (DMCA)  sieht ein sog. Notice-And-Take-Down-Verfahren vor, das einen Hoster vollständig aus der Haftung für eine Urheberrechtsverletzung entlässt, sofern er auf einen entsprechenden Hinweis hin den beanstandeten Content umgehend vom Netz nimmt. Wozu das führt, zeigt ein aktueller Berichts von Heise-Online.

Wenn man Hoster und Portalbetreiber gesetzlich ermuntert, möglichst zügig zu löschen, sobald auch nur eine Löschaufforderung eines (vermeintlich) Verletzten vorliegt, dann muss das zwangsläufig dazu führen, dass in großem Maße gerade auch solche Inhalte gelöscht werden, die in Wirklichkeit keinerlei Rechte verletzen.

Denn der Hoster oder Portalbetreiber hat in vielen Fällen überhaupt keine Möglichkeit zu überprüfen, ob tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliegt. Und es ist auch die Frage, ob das überhaupt seine Aufgabe sein kann.

Mit diesem Problem bin ich in meiner anwaltlichen Beratungspraxis fast jede Woche konfrontiert und zwar manchmal aus dem Blickwinkel eines Portalbetreibers und ein andermal mal aus Sicht desjenigen, der sich in seinen Rechten verletzt fühlt. Zumeist geht es hier gar nicht um Fragen des Urheberrechts, sondern um äußerungsrechtliche Auseinandersetzungen.

Der BGH hat für solche Fälle faktisch bereits eine Art Notice-And-Take-Down-Verfahren postuliert und damit möglicherweise eine Rechtsfortbildung betrieben, die ihm nicht zusteht.

Nach meiner (rechtspolitischen) Einschätzung, sollte ein Hoster oder Portalbetreiber überhaupt nur dann Content seiner Nutzer/Kunden löschen, wenn ihn ein Gericht oder eine Behörde förmlich dazu verpflichtet hat, oder wenn eine für jedermann offensichtliche Straftat vorliegt. Dass die Klärung von oftmals schwierigen Sach- oder Rechtsfragen durch ein Gericht erfolgt und nicht einem Provider oder Portalbetreiber überlassen werden kann, ist nicht zuletzt auch ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit. Mit einem Notice-And-Take-Down-Verfahren werden ohne Beachtung des Rechtswegs nämlich rechtliche Fakten geschaffen, die in nicht wenigen Fällen auf eine nicht hinnehmbare Informationsunterdrückung hinauslaufen.

Das deutsche und europäische Recht sind von dieser Betrachtungsweise allerdings noch weit entfernt und es hat auch nicht den Anschein, als würde die Kommission in diese Richtung marschieren wollen.

posted by Stadler at 21:53  

6.7.12

EuGH entscheidet über Netzsperren

Der österreichische OGH hat dem Europäischen Gerichtshof mit Beschluss vom 11.05.2012 (Az.: 4Ob6/12d) eine Reihe von interessanten Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, u.a. zur Zulässigkeit der Anordnung von Netzsperren gegen Zugangsprovider wegen Urheberrechtsverletzungen sowie die Frage, ob privilegierte Privatkopien nur dann zulässig sein können, wenn die Kopiervorlage rechtmäßig ist.

Hintergrund der Vorlage an den EuGH sind Entscheidungen österreichischer Gerichte, durch denen Access-Providern verboten wurde, ihren Kunden Zugang zur – mittlerweile ohnehin geschlossenen – Plattform kino.to zu vermitteln.

Die Vorlagefragen betreffen die Auslegung der sog. InfoSoc-Richtlinie und lauten:

1. Ist Art 8 Abs 3 RL 2001/29/EG (Info-RL) dahin auszulegen, dass eine Person, die ohne Zustimmung des Rechteinhabers Schutzgegenstände im Internet zugänglich macht (Art 3 Abs 2 Info-RL), die Dienste der Access-Provider jener Personen nutzt, die auf diese Schutzgegenstände zugreifen?

2. Wenn Frage 1 verneint wird:

Sind eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch (Art 5 Abs 2 lit b Info-RL) und eine flüchtige und begleitende Vervielfältigung (Art 5 Abs 1 Info-RL) nur dann zulässig, wenn die Vorlage der Vervielfältigung rechtmäßig vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht wurde?

3. Wenn Frage 1 oder Frage 2 bejaht wird und daher gegen den Access-Provider des Nutzers gerichtliche Anordnungen nach Art 8 Abs 3 Info-RL zu erlassen sind:

Ist es mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der danach erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten, vereinbar, einem Access-Provider ganz allgemein (also ohne Anordnung konkreter Maßnahmen) zu verbieten, seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten Website zu ermöglichen, solange dort ausschließlich oder doch weit überwiegend Inhalte ohne Zustimmung der Rechteinhaber zugänglich gemacht werden, wenn der Access-Provider Beugestrafen wegen Verletzung dieses Verbots durch den Nachweis abwenden kann, dass er ohnehin alle zumutbaren Maßnahmen gesetzt hat?

4. Wenn Frage 3 verneint wird:

Ist es mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der danach erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten, vereinbar, einem Access-Provider bestimmte Maßnahmen aufzutragen, um seinen Kunden den Zugang zu einer Website mit einem rechtswidrig zugänglich gemachten Inhalt zu erschweren, wenn diese Maßnahmen einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordern, aber auch ohne besondere technische Kenntnisse leicht umgangen werden können?

Möglicherweise wird sich der EuGH im Rahmen seiner Entscheidung auch mit dem Verhältnis von InfoSoc-Richtlinie und E-Commerce-Richtlinie auseinandersetzen, denn die E-Commerce-Richtlinie enthält speziell für Zugangsprovider weitgehende Haftungserleichterungen. Der EuGH hat hierzu bereits im letzten Jahr entschieden, dass eine richterliche Anordnung gegenüber einem Anbieter von Internetzugangsdiensten zur Einrichtung eines Systems der Filterung der von ihm durchgeleiteten elektronischen Kommunikationen, das unterschiedslos auf alle seine Kunden anwendbar ist, gegen das Unionsrecht verstößt.

Das Verfahren ist beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-314/12 anhängig.

(via e-comm)

posted by Stadler at 22:47  

1.6.12

Treffende juristische Analyse des Urteils Klehr ./. Kompa des LG Hamburg

Vor einigen Tagen habe ich hier über ein Urteil des Landgerichts Hamburg berichtet, durch das dem bloggenden Rechtsanwalt Markus Kompa der Verweis auf einen Filmbeitrag des ZDF, der über YouTube abrufbar war, verboten worden ist. Das Urteil hat für viel Diskussionsstoff und zahlreiche Medienberichte gesorgt.

Gerade lese ich eine wirklich scharfsinnige juristische Analyse des Urteils, die von dem hochgeschätzten Kollegen Dr. Ralf Petring stammt. Petring hat sich die Urteilsbegründung genauer angesehen und legt eine ganze Reihe von Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten der Argumentation des Landgerichts offen.

posted by Stadler at 22:59  

30.5.12

BGH zur Haftung bei der Einbindung von RSS-Feeds

Der BGH hat mit Urteil vom 27. März 2012 (Az.: VI ZR 144/11), das heute im Volltext veröffentlicht wurde, entschieden, dass der Betreiber eines Informationsportals, der erkennbar fremde Nachrichten anderer Medien (hier: RSS-Feeds) ins Internet stellt, grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist erst verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt.

Der BGH nimmt in seinem Urteil zunächt zu der Frage Stellung, unter welchen Voraussetzungen man sich online fremde Inhalte zu eigen macht und erläutert, dass jemand, der Nachrichten aus fremden Blogs und Websites einbindet, sich diese Nachrichten grundsätzlich nicht zu eigen macht, wenn keine redaktionelle Kontrolle stattfindet und erkennbar bleibt, dass es sich um Fremdinhalte handelt. Hierzu führt der Senat aus:

Maßgeblich für die Frage, ob sich der Anbieter die auf seinem Internetportal eingestellten Inhalte, die er nicht selbst geschaffen hat, zu eigen macht, ist eine objektive Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände, wobei insbesondere die Frage der inhaltlichen redaktionellen Kontrolle der fremden Inhalte und die Art der Präsentation von Bedeutung sind. Ein Zu-Eigen-Machen liegt regelmäßig vor, wenn die fremde Äußerung so in den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint. Auch lediglich undistanziert wiedergegebene Äußerungen Dritter können dem Vertreiber zugerechnet werden, wenn er sie sich zu Eigen gemacht hat. Ob dies der Fall ist, ist jedoch mit der im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung zu prüfen. Schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung kann sich ergeben, dass lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung oder Stellungnahme mitgeteilt wird. Dies ist beispielsweise bei dem Abdruck einer Presseschau der Fall (vgl. BVerfG NJW 2004, 590, 591; WM 2009, 1706, 1709; Senatsurteil vom 17. November 2009 – VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11 mwN). Im Streitfall liegt es vergleichbar.

Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts wird im Streitfall eine redaktionelle Kontrolle nicht durchgeführt; vielmehr ist der beanstandete Feed automatisiert im Rahmen eines bestehenden Abonnementvertrages zwischen der Beklagten und der Streithelferin ungeprüft übernommen worden.
Die auf der Website der Beklagten dargestellten Inhalte sind auch als fremd gekennzeichnet worden, indem sich direkt unter der Überschrift der Verweis auf die Ursprungs- bzw. Zielseite – hier: „Bild.de“ – befindet. Dadurch wird dem Leser hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei dem Artikel nicht um eine eigene Berichterstattung der Beklagten, sondern um eine fremde Nachricht – hier: der Streithelferin – handelt.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte als Betreiberin des Informationsportals eine inhaltliche Verantwortung für die veröffentlichten Nachrichten Dritter übernehmen wollte, finden sich nicht. Die Internetseite der Beklagten war nach den unangegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen als Informationsportal ausgestaltet, welches keine eigenen Inhalte enthielt, sondern mit Hilfe sogenannter RSS-Feeds Schlagzeilen aus Medien und Blogs wiedergab und jeweils einen Link zu dem entsprechenden Ursprungsartikel bereit hielt. In dem Impressum wies die Beklagte insofern unter anderem darauf hin, dass „alle Artikel und grafischen Elemente, so wie sie sind, … weiterverbreitet werden“.
Unter diesen Umständen reicht entgegen der Auffassung der Revision im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung allein die Tatsache, dass die Beklagte die Medien, von denen sie mittels eines Abonnementvertrages die RSS-Feeds bezog, vorausgewählt hatte, nicht aus, um einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des „Zu-Eigen-Machens“ zu begründen.

Anschließend verneint der BGH eine Störerhaftung in Form der sog. Verbreiterhaftung. Hierzu wird im Urteil folgendes ausgeführt:

Die Störerhaftung in der Form der Verbreiterhaftung darf jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Denn zu dem von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Kommunikationsprozess kann die Mitteilung einer fremden Meinung oder Tatsachenbehauptung auch dann zählen, wenn der Mitteilende sich diese weder zu Eigen macht noch sie in eine eigene Stellungnahme einbindet, sondern die fremde Äußerung lediglich verbreitet (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2009 – VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 13 mwN; BVerfGE 85, 1, 22; BVerfG, WM 2009, 1706). Eine Haftung des Verbreiters fremder Nachrichten als Störer setzt deshalb die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus; deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, aaO Rn. 22 und vom 30. Juni 2009 – VI ZR 210/08, aaO Rn. 18 – Domainverpächter, jeweils mwN).

Der Betreiber eines Informationsportals, der wie die Beklagte erkennbar fremde Nachrichten anderer Medien und Blogs ins Internet stellt, ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Das würde den Betrieb des dem Informationsinteresse der Mediennutzer dienenden, auf schnelle und aktuelle Information ausgerichteten Informationsportals unzuträglich hemmen. Den Betreiber eines Informationsportals trifft deshalb erst dann eine Prüfpflicht, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Betreiber eines Informationsportals auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Inhalt einer in das Portal eingestellten Nachricht hin, kann der Betreiber des Portals als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, aaO Rn. 24 – Hostprovider und vom 30. Juni 2009 – VI ZR 210/08, aaO Rn. 27 – Domainverpächter).

Wichtig erscheint mir auch noch folgende Urteilspassage:

Im Streitfall hat die Beklagte, nachdem sie von den Klägern auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts ihrer Mandantin durch die Streithelferin hingewiesen worden ist, die beanstandete Berichterstattung aus ihrem Angebot genommen. Infolgedessen ist sie nicht zur Störerin geworden und war auch keinem Unterlassungsanspruch ausgesetzt.

Wer also als sog. mittelbarer Störer einen bestimmten fremden Inhalt entfernt, nachdem er von einer Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt worden ist, hat damit die ihn treffende Verpflichtung erfüllt. Ein Unterlassungsanspruch besteht in diesem Fall gegen ihn dann nicht mehr.

posted by Stadler at 11:22  
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