Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.1.10

Filesharing: Bushido mahnt auch wieder ab

Der Berliner Rapper Bushido gehört zu den wenigen Künstlern, die das lukrative Geschäft der Filesharing-Abmahnungen selbst in die Hand genommen haben. Aktuell mahnt Bushido (Abmahnschreiben der Rechtsanwälte Bindhardt, Fiedler, Rixen und Zerbe vom 14.01.2010) den Titel „Eine Chance/Zu Gangsta“ von dem Sampler „Bravo Black Hits Vol. 21“ ab. Gestützt wird die Abmahnung auf einen Auskunftsbeschluss des Landgerichts Köln vom 22.09.2009 (9 OH 1532/09).

Bushido fordert neben einer Unterlassungserklärung „nur“ einen pauschalen Abgeltungsbetrag von EUR 350,- was im Vergleich zur Forderung anderer Rechteinhaber eher gering ist. Das liegt aber vermutlich nur daran, dass nicht noch eine zwischengeschaltete Gesellschaft wie DigiProtect oder Logistep mitverdient.

Das Geschäftsmodell der Filesharing-Abmahnung á la Bushido ist, wie in anderen Fällen auch, durchaus fragwürdig, vor allem mit Blick auf die geforderte Abgeltungspauschale. Bei Bushido, dessen Label bei Sony Music unter Vertrag steht, stellt sich aber auch noch die Frage, ob er nicht ausschließliche Nutzungsrechte an den Konzern übertragen hat. Denn in diesem Fall würde es ihm an der Aktivlegitimation für die Geltendmachung von Urheberrechtsverletzungen fehlen.

Mit Bushido mahnt im übrigen einer ab, der es selbst mit den Urheberrechten nicht immer so genau nimmt. Oder ist das doch eher als Battle unter Gangstern zu verstehen? Aber lieber Bushido, ein richtiger Gangsta braucht doch kein Urheberrechtsgesetz.

posted by Stadler at 12:00  

17.1.10

Apple geht gegen Blogger vor, wegen des Aufrufs Fotos des "Apple Tablet" einzuschicken

Das Blog Gawker hat demjenigen 10.000 US-Dollar angeboten, der ein Foto oder Video des „Apple Tablets“ einsendet. Diesen „Tablet Hunt“ hat Apple anwaltlich abmahnen lassen und verlangt Unterlassung. Und dies mit einer erstaunlichen Begründung: Eine Veröffentlichung solcher Fotos würde Firmengeheimnisse von Apple verletzten, denn schließlich seien die entsprechenden Informationen streng vertraulich. Der Hype treibt seltsame Blüten.

posted by Stadler at 19:38  

14.1.10

OLG Köln: Haftung des Anschlussinhabers für Dritte

Das Urteil des OLG Köln vom 23.12.2010, über das ich kürzlich schon berichtet habe, in dem eine Haftung des Anschlussinhabers in Fällen des Filesharing bejaht wird, ist mittlerweile im Volltext online.

Ungeachtet der Einwände, die ich schon dargestellt habe, fallen bei der Lektüre des Urteils weitere Punkte auf. Bemerkenswert finde ich vor allem folgende Passage:

Das bloße gegenüber zwei Jungen im Alter von 10 und 13 Jahren ausgesprochene Verbot, an Tauschbörsen teilzunehmen, genügte zur Vermeidung von Rechtsverletzungen durch die Kinder nicht. Die Beklagte hatte nach ihrem Vortrag selbst von Computern wenig Kenntnisse und benutzte den PC, der gegen ihren anfänglichen Widerstand auf Betreiben der Schule der Kinder angeschafft worden war, kaum. Die beiden ältesten Kinder konnten danach davon ausgehen, dass von Seiten der Beklagten nicht die Gefahr von Kontrollen drohte, weil sie die hierfür erforderlichen Kenntnisse nicht hatte. Die Kinder mussten deswegen auch die Entdeckung ihrer Teilnahme an Tauschbörsen nicht befürchten. Damit stellte sich das elterliche Verbot als nicht von Sanktionen bedroht dar und die Kinder konnten unbeschränkt über den PC und den Internetzugang verfügen.

Abgesehen davon, dass diese Ausführungen nicht ansatzweise mit der Rechtsprechung des BGH zur lediglich beschränkten Verantwortlichkeit des mittelbaren Störers vereinbar sind, ist auch der sachliche Gehalt der Aussage bemerkenswert. Eltern können sich nicht darauf berufen, dass sie selbst wenig Ahnung von Computern haben, sondern sie müssen das Nutzungsverhalten ihrer minderjährigen Kinder trotzdem derart kontrollieren, dass es erst gar nicht zum Filesharing kommt.

posted by Stadler at 18:17  

13.1.10

BGH: Keine Erstattung von Abmahnkosten bei Schubladenverfügung

In einem heute veröffentlichten Urteil hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nur dann besteht, wenn die Abmahnung vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen worden ist.

Wird also zuerst eine einstweilige Verfügung beantragt (sog. Schubladenverfügung) und erst danach abgemahnt, um zu sehen, ob der Verletzer eine Unterlasusngserklärung abgibt, besteht kein Aufwendungsersatzanspruch, auch nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag.
BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 – I ZR 216/07

posted by Stadler at 15:00  

8.1.10

Abmahnindustrie: 450.000 Filesharing-Abmahnungen im Jahr 2009?

Netzwelt.de und gulli.com haben eine Jahresstatistik 2009 zu Abmahnungen von Urheberrechtsverletzungen in P2P-Netzwerken veröffentlicht.

Die Statistik geht von 453.000 Abmahnungen wegen Filesharings im Jahre 2009 aus, von denen allein 161.000 auf die DigiProtect GmbH entfallen sollen. DigiProtect wiederum beschäftigt damit gleich mehrere Anwaltskanzleien, u.a. Kornmeier und Partner, Denecke, von Haxthausen und Graf von Westphalen.

Da es sich bei den Zahlen um Hochrechnungen und Prognosen handelt, dürfte von einer erheblichen Ungenauigkeit auszugehen sein. Dass allerdings die Zahl der Filesharing-Abmahnungen deutlich zugenommen hat, deckt sich mit der Einschätzung aus meiner Sachbearbeitung. Dies ist vor allem bedingt durch die Einführung des gerichtlichen Auskunftsverfahrens nach § 101 Abs. 9, 2 UrhG. Wenn man berücksichtigt, dass das Landgericht Köln schon in einzelnen Auskunftsverfahren z.T. mehr als 10.000 IP-Adressen zu Anschlussinhabern zuordnet und zudem weiß, dass das Landgericht Köln nur für diese Verfahren eine eigene (Hilfs-)Kammer eingerichtet hat, so erscheint die Zahl von 450.000 Abmahnungen im Bereich des Filesharing keinesfalls abwegig.

Mittlerweile handelt es sich in jedem Fall um ein Geschäft von industriellem Ausmaß. Aus diesem Grund ist es auch wenig verwunderlich, wenn einer der Big-Player dieser Szene, Rechtsanwalt Udo Kornmeier, empfindlich darauf reagiert, dass man sein Geschäftsmodell in Frage stellt.

Mein Ausblick für das Jahr 2010: Die Luft wird für die Abmahnkanzleien erheblich dünner werden. Zumal der Gegenwind aus unterschiedlichen Richtungen kommen dürfte. Die Gerichte werden sich vermehrt mit neuen Erkenntnissen zur Abrechnungspraxis dieser Anwaltskanzleien auseinandersetzen müssen und auch Verbraucherschutzverbände sollten mittlerweile genügend Anlass und Munition haben, die Geschäftspraxis der Abmahnkanzleien kritisch zu beleuchten.

posted by Stadler at 13:00  

7.1.10

OLG Köln: Haftung des Anschlussinhabers beim Filesharing

Verschiedene Gerichte bejahen eine Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses in den Fällen des Filesharings und zwar nicht nur auf Unterlassung, wie z.B. das Landgericht Düsseldorf mit Urteil vom 27.05.09 entschieden hat, sondern auch auf Erstattung von Abmahnkosten, wie das OLG Köln in einem Urteil vom 23.12.2009 (Az.: 6 U 101/09) jüngst meinte.

Entscheidungen dieser Art werfen zahlreiche Fragen auf, die endlich einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Eine Verantwortlichkeit als lediglich mittelbarer Störer setzt nach der Rechtsprechung des BGH die Verletzung von zumutbaren Prüfpflichten voraus. Ist es dem Anschlussinhaber aber tatsächlich möglich und zumutbar, laufend das Nutzungsverhalten seiner Kinder oder seines Ehegatten zu überwachen und zu überprüfen? Mir erscheint die Rechtsprechnung, die das großzügig bejaht, als äußerst weltfremd.

Wenn es um Schadensersatz- oder Aufwendungsersatzansprüche geht, stellt sich zudem die Frage, ob nicht die Haftungsprivilegierungen der §§ 7 ff. TMG eingreifen können. Eine Frage, die die Instanzgerichte freilich bislang erst gar nicht stellen.

Macht die Bereitstellung eines Internetzugangs, z.B. mittels eines W-LANS, für im Haushalt lebende Familienangehörige den Anschlussinhaber zu einem Diensteanbieter nach dem TMG und damit zu einer Art Access-Provider? In den Fällen, in denen jemand ein Internetcafe betreibt, Hotspots an Flughäfen unterhält oder als Hotelier den Gästen Internetzugang anbietet, wird diese Frage zumindest schon erörtert. Diese Überlegungen lassen sich aber auch auf den Anschlussinhaber übertragen, der nur seinen Familienangehörigen oder Mitbewohnern den Internetzugang zur Verfügung stellt. Es handelt sich nämlich auch dabei um eine Form der Vermittlung des Zugangs zum Internet, die sich zwanglos unter die Vorschrift des § 8 TMG subsumieren lässt. Das bedeutet dann freilich aber, dass dieser Zugangsprovider als Nichtverantwortlicher zu qualifizieren ist, womit Ansprüche auf Schadensersatz und Aufwendungsersatz gegen ihn ausscheiden.

Man darf gespannt sein, ob die Rechtsprechung diese rechtliche Schlussfolgerung irgendwann ziehen wird. Derzeit scheinen mir viele Urteile eher von der Haltung geprägt zu sein, dass irgendjemand einfach haften muss. Und diese Haltung wird anschließend nur noch notdürftig und wenig überzeugend juristisch eingekleidet.

posted by Stadler at 17:23  

7.1.10

OLG Hamm: Kein Anspruch auf Kostenerstattung bei Gegenabmahnung

Nach einem neuen Urteil des OLG Hamm vom 03.12.2009 (Az. 4 U 149/09) besteht im Falle einer Gegenabmahnung regelmäßig kein Anspruch auf Erstattung der für die Gegenabmahnung aufgewendeten Rechtsanwaltskosten. Das OLG Hamm führt außerdem aus, dass der zu Unrecht Abgemahnte sich mit einer negativen Feststellungsklage wehren kann, aber vor Erhebung dieser Feststellungsklage grundsätzlich nicht gehalten ist, selbst eine (Gegen-)Abmahung auszusprechen.

Die Entscheidung des OLG Hamm steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich vor einigen Jahren (Urteil vom 29.04.2004, Az.: I ZR 233/01) mit dem Thema beschäftigt und entschieden hat, dass der Abgemahnte die Kosten seiner Gegenabmahnung nur dann ausnahmsweise erstattet verlangen kann, wenn die Abmahnung in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht auf offensichtlich unzutreffenden Annahmen beruht, bei deren Richtigstellung mit einer Änderung der Auffassung des vermeintlich Verletzten gerechnet werden kann, oder wenn seit der Abmahnung ein längerer Zeitraum verstrichen ist und der Abmahnende in diesem entgegen seiner Androhung keine gerichtlichen Schritte eingeleitet hat.

posted by Stadler at 10:00  

21.12.09

Vorerst kein Strafverfahren gegen Rechtsanwalt Kornmeier

Wie Gulli berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Rechtsanwalt Dr. Kornmeier wegen der Geltendmachung nicht berechtigter Anwaltskosten im Zusammenhang mit der Abmahnung von Filesharern abgelehnt. Das Argument der Staatsanwaltschaft lautet, dass dem Abgemahnten im Ergebnis kein Schaden entsteht, selbst wenn man unterstellt, der Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten sei nur vorgetäuscht. Die Staatsanwaltschaft meint nämlich, der Auftraggeber von Kornmeier, die Fa. DigiProtectm hätte wegen der Verletzung der Urheberrechte einen Schadensersatzanspruch in Höhe eines Vielfachen der Anwaltskosten, was zu einer Schadenskompensation führen würde.

Diese Argumentation weist gleich mehrere Schwachpunkte auf.

Wenn ein Rechtsanwalt von seinem Gegner zu hohe Gebühren fordert, stellt dies einen Betrug dar (Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, § 352, Rn. 9).

Was die Staatsanwaltschaft zu der Annahme veranlasst, die Schadensersatzforderungen seien um ein Vielfaches höher als die Anwaltskosten, ist unklar. Wenn die Kanzlei Kornmeier für DigiProtect eine Kostenklage erhebt, macht sie regelmäßig ein Anwaltshonorar von EUR 651,80 geltend und ergänzend Schadensersatz in Höhe von EUR 150,-. Bereits diese eigene Bezifferung von DigiProtect zeigt deutlich, dass die Kanzlei Kornmeier von einem Schaden ausgeht, der wesentlich niedriger ist, als die geltend gemachten Anwaltskosten.

Diese Relation ist auch deshalb realistisch, weil DigiProtect weder Rechteinhaber ist noch über umfassende ausschließliche Nutzungsrechte an dem Werk verfügt. Vielmehr erhält DigiProtect vom Rechteinhaber ein Nutzungsrecht, das auf die öffentliche Zugänglichmachung über P2P-Netzwerke beschränkt ist.

Update vom 24.12.09:
Lese gerade in der c’t (vom 21.12.09, S. 154) den sehr ausführlichen Artikel von Holger Bleich „Die Abmahn-Industrie“. Dort findet sich auch ein Interview mit Volker Römermann, einem der Spezialisten für anwaltliches Berufsrecht. Römermann wörtlich: „Diese Abmahnanwälte laufen ein hohes Risiko. Fordern sie Gebührenerstattung ohne jede Rechtsgrundlage, dann ist das Betrug„. Es dürfte m.E. nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die Staatsanwaltschaften um diese Erkenntnis nicht mehr herum kommen. Die Luft wird dünner für diejenigen, die Filesharing-Abmahnungen zum Geschäftsmodell ausgebaut haben.

posted by Stadler at 14:15  

18.12.09

Neues von Kornmeier

Die von der Kanzlei Kornmeier beauftragte Frankfurter Anwaltskanzlei schreibt mir gerade, dass man sich entschlossen hätte, gegen diskreditierende Äußerungen, die von mir oder Teilnehmern (!) meines Blogs verbreitet werden, nicht weiter gerichtlich vorzugehen. Das freut mich natürlich außerordentlich, wenngleich dieser Rückzug nicht ganz freiwillig erfolgt ist.

Außerdem teilt man mir mit, dass man selbst die zuständige Staatsanwaltschaft vollinhaltlich über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt hätte und die Abteilung für Wirtschaftsstrafachen hierauf aber die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgelehnt habe. Wörtlich wird hierzu angefügt: „Sobald Sie Gelegenheit hatten, dies zu verifizieren, werden Sie hierüber sicherlich in Ihrem Blog „Internet-Law“ berichten„.

Das mach ich doch gerne liebe Kollegen, wobei es mir schwer fällt, diese Information jetzt zu verifizieren, weil die fragliche Strafanzeige jedenfalls nicht von mir erstattet worden ist und ich auch nicht weiß, wie sie begründet worden ist. Es wird sich vermutlich um die Strafanzeige der Gulli-Redaktion handeln.

Wie ich aus meiner Sachbearbeitung weiß, setzt die Kanzlei Kornmeier ihre Geschäftspraxis vorerst auch unverändert fort. Die Frage wird sein, wie lange noch.

posted by Stadler at 16:10  

11.12.09

Die Abrechnungspraxis der Filesharing-Abmahnanwälte

Am Landgericht Köln war vorgestern ein interessantes Spektakel zu beobachten. Die Rechtsanwälte Rasch und Spreckelsen waren als Zeugen geladen und sollten in einem Prozess, in dem sie selbst die Klagepartei – Major-Labels der Musikindustrie – vertreten, darüber Auskunft erteilen, wie sie ihr Anwaltshonorar mit ihren Mandanten abrechnen. Die Kanzlei Rasch gehört zu den Big-Playern im Geschäft mit den Filesharing-Abmahnungen.

Rechtsanwalt Solmecke berichtet auf seiner Website über die Zeugeneinvernahme. Die beiden Anwälte haben offenbar ausgesagt, dass sie im Innenverhältnis die Anwaltsgebühren reduzieren, wenn sie mit dem Abgemahnten einen Vergleich schließen. Aber Derartiges muss freilich vorher mit den Auftraggebern ausdrücklich abgestimmt sein.

Wenn die Abmahnkanzleien mit ihren Mandanten aber eine Vereinbarung getroffen haben, die vom Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abweicht, dann dürfen Sie auch von ihrem Gegner keine RVG-Gebühren fordern. Aber genau das passiert regelmäßig und war auch Gegenstand der Klage vor dem Landgericht Köln.

Die meisten der Kanzleien, die Filesharer verfolgen, verlangen vom Abgemahnten in ihrem Abmahnschreiben zunächst einen pauschalen Zahlbetrag der Anwaltshonorar und Schadensersatz beinhaltet, wobei nicht erkennbar ist, welcher Anteil genau auf die Anwaltskosten entfällt. Erst wenn der Abgemahnte sich weigert, diesen Betrag zu zahlen, erhöht man die Forderung in einem nächsten Schreiben, indem man eine Berechnung der Anwaltskosten nach dem RVG vornimmt und einen Schadensersatzbetrag hinzufügt. Diese erhöhten Kosten werden dann gelegentlich auch eingeklagt.

Hier stellt sich zunächst die Frage, wie man behaupten kann, nach RVG abzurechnen, wenn man zunächst und primär Anwaltshonorar fordert, das niedriger ist, als das nach dem RVG.

Was die Kanzlei Kornmeier und ihre Auftraggeberin die Fa. DigiProtect angeht, so liegen mir diesbezüglich neue Erkenntnisse vor. In einer eidesstattlichen Versicherung vom 30.11.2009 – abgegeben gegenüber dem Landgericht Frankfurt am Main – erklärt Herr Dr. Udo Kornmeier, dass es seiner Mandantin DigiProtect wegen der Vielzahl von Abmahnschreiben aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich ist, für jeden einzelnen Fall eine anwaltliche Vergütung auf Basis einer 1,3 RVG-Gebühr aus einem angemessenen Streitwert von EUR 10.000,- zu bezahlen. Kornmeier erklärt weiter, dass seine Kanzlei deshalb mit DigiProtect ein monatliches Pauschalhonorar vereinbart hat, dessen Höhe sich nach dem monatlichen Zeitaufwand sowie der von der Kanzlei gestellten personellen oder sonstigen Infrakstruktur richtet (was allerdings wiederum nicht ganz widerspruchsfrei ist – Anm. d. Verf.). Erst wenn der Rechtsverletzter mit einem pauschalierten Vergleichsangebot nicht einverstanden ist, so Kornmeier weiter, erteilt DigiProtect Klageauftrag, wobei es Gegenstand des Klageauftrags ist, eine 1,3 RVG-Gebühr aus einem Gegenstandswert von EUR 10.000,- geltend zu machen. Und nur in diesem Fall, wird DigiProtect eine Rechnung nach RVG ausgestellt und laut Kornmeier von DigiProtect auch beglichen.

Das bedeutet nichts anderes, als dass man zunächst ein Pauschal- oder Zeithonorar vereinbart hat. Da der Abgemahnte aber nur die Kosten erstatten muss, die tatsächlich entstanden sind, kann er nicht verpflichtet sein, Kosten nach dem RVG zu erstatten. Daran ändert sich auch nichts, wenn diese nicht entstandenen Kosten anschließend eingeklagt werden, denn durch die Klageerhebung entstehen die Kosten ebenfalls nicht. Was DigiProtect und Kornmeier vereinbart haben, dient einzig und allein der größtmöglichen Einnahmenerzielung. Denn die Auswechslung der Abrechnungsmodalitäten dient allein dem Zweck, den vom Gegner zu erlangenden Erstattungsbetrag zu erhöhen, während DigiProtect diese Gebühren ansonsten nicht bezahlen müsste. Die Gebühren sind somit letztlich fiktiv und fiktive Gebühren sind nicht erstattungsfähig. Im Falle von DigiProtect ist aufgrund eines Telefaxschreibens von Dr. Kornmeier vom 19.03.08, in dem er das Geschäftsmodell durchaus abweichend darstellt, aber ohnehin fraglich, ob nicht doch noch ganz anders abgerechnet wird.

Ganz generell ist zu fragen, wozu es führt, wenn Abmahnkanzleien die Gebührenvereinbarungen mit ihren Auftraggebern flexibel bzw. variabel ausgestalten. Wenn der Abgemahnte sofort bezahlt, dann geben sich Kanzleien wie Rasch oder Kornmeier mit einem Honorarbetrag zufrieden, der in der geforderten Pauschale enthalten ist und der die gesetzlichen Gebühren unterschreitet, wobei nicht genau erkennbar ist, wie hoch der Honoraranteil ist. Erst wenn nicht bezahlt wird, berechnet man Honorar auf Basis des RVG und klagt dieses in manchen Fällen sogar ein.

Ein Blick in die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) belegt, dass es sich bei diesem Konstrukt keineswegs um eine Gebührenabrechnung nach RVG handelt, sondern um eine Erfolgshonorarvereinbarung. In § 49b Abs. 2 RVG ist das Erfolgshonorar legal definiert als:

Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält

Und genau mit einem solchen Fall haben wir es zu tun. Die Höhe der anwaltlichen Vergütung steht nicht von vornherein fest, sondern sie richtet sich nach dem Verlauf der Angelegenheit und hängt davon ab, in welcher Höhe der Abgemahnte zahlt. Dieses Abrechnungsmodell lässt sich deshalb als Erfolgshonorarvereinbarung qualifizieren. Und eine solche Erfolgshonorarvereinbarung ist nur in den engen Grenzen des § 4a RVG zulässig. Und die Voraussetzungen dieser Norm sind in den Filesharing-Fällen kaum erfüllt.

Geht man davon aus, dass diese Form der Vergütungsvereinbarung unzulässig und damit unwirksam ist, dann kann man stattdessen freilich nicht ohne weiteres auf die gesetzlichen Gebühren zurückgreifen, weil dies nach der Rechtsprechung des BGH bereits gegenüber dem eigenen Mandanten eine unzulässige Rechtsausübung darstellen würde, was erst Recht gegenüber dem Gegner gelten müsste.

Der Abgemahnte muss immer nur diejenigen Gebühren erstatten, die bei seinem Gegenüber auch tatsächlich und nachweisbar entstanden sind. Welche Gebühren sind aber entstanden, wenn man es von vornherein mit einer variablen Vereinbarung zu tun hat und nicht mit feststehenden und unveränderlichen RVG-Gebühren? Lassen sich in diesem Fall überhaupt konkrete Gebühren auf den Einzelfall umlegen bzw.sind solche Gebühren berechenbar?

Und genau hier stößt man an die Grenzen des Geschäftsmodells Filesharing-Abmahnung. Selbst wenn man nicht unterstellt, dass das Geschäftsmodell ohnehin so konzipiert ist, dass der Anwalt seinen Auftraggeber von jeglichem Kostenrisiko freistellt, bleibt immer die Frage bestehen, ob tatsächlich feste, berechenbare Anwaltskosten entstanden sind, deren Erstattung verlangt werden kann.

Die Geltendmachung von RVG-Gebühren kommt m.E. in diesen Fällen jedenfalls nicht in Betracht. Die Kostenklagen die Kornmeier oder Rasch für ihre Mandanten erheben, stellen m.E. deshalb eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung von Gebühren dar, die in dieser Form mit der eigenen Mandantschaft nicht vereinbart sind und tatsächlich auch nicht entstanden sind, sondern vielmehr fiktiv zum Zwecke der Einnahmenerzielung berechnet werden.

Sinn und Zweck der Abmahnung ist es aber nicht, Einnahmen zu erzielen, sondern Rechte zu verteidigen. Dieses Ziel ist aber hier deutlich in den Hintergrund getreten. Turn Piracy Into Profit lautet stattdessen die Devise. Die Rechteinhaber und einige findige Unternehmen wie DigiProtect haben erkannt, dass man aus der Piraterie eben auch Profit schlagen kann. Das mag man je nach Standpunkt als legitim betrachten, mit deutschem Recht ist es nicht vereinbar.

posted by Stadler at 12:45  
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