In der aktuellen Ausgabe der c’t (5/2010, S. 50) stellt Holger Bleich die Beweisführung der Rechteinhaber bei der Ermittlung der Rechtsverletzer in Fällen des Filesharing in Frage.
Wie die Ermittlung und Abmahnung von Filesharern abläuft, habe ich vor einigen Wochen in einem längeren Beitrag erläutert.
Das gerichtliche Auskunftsverfahren, durch das derjenige Anschlussinhaber identifiziert wird, über dessen Anschluss die Nutzung von P2P-Netzwerken stattgefunden haben soll, stellt mittlerweile ein Massenverfahren dar, bei dem sowohl auf Seiten der Antragsteller als auch der Gerichte, insbesondere des Landgerichts Köln, nur noch mit Textbausteinen gearbeitet wird. Eine Einzelfallprüfung findet nicht statt. Die Beschlüsse des Landgerichts Köln enthalten stets folgenden Textbaustein:
„Die Kammer sieht dabei von weiteren Ermittlungen ab, da nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 101 Abs. 9 UrhG auszugehen ist und im Rahmen weiterer Ermittlungen nichts Sachdienliches mehr zu erwarten ist.„
Wie das Gericht zu dieser Einschätzung gelangt, besagt der Beschluss freilich nicht.
Die Antragsteller, egal ob sie z.B. von den Rechtsanwälten Kornmeier oder wie im Beispiel der c’t von der Kanzlei Nümann & Lang vertreten werden, verweisen im Hinblick auf die angebliche Zuverlässigkeit ihrer Ermittlungsmaßnahmen immer auf Aussagen von „Privatgutachtern“ oder auf eidesstattliche Versicherungen von „Administratoren“, die bestätigen, dass eine Software verwendet wird, die in der Lage ist, eindeutig und zweifelsfrei ein bestimmtes Werk anhand des Hash-Werts zu ermitteln. Das Gericht prüft, auch mangels eigener Sachkenntnis, dabei regelmäßig weder die fachliche Eignung dieser Sachverständigen, noch die Plausibilität der inhaltlichen Aussagen.
Die Hashwert-Methode mag mit hoher Wahrscheinlichkeit zu richtigen Ergebnissen führen, eindeutig und zweifelsfrei sind diese Ergebnisse aber nicht. Es ist unstreitig einerseits so, dass ein und dasselbe Musikstück mit verschiedenen Hash-Werten im Umlauf sein kann und es andererseits zumindest möglich ist, dass inhaltlich unterschiedliche Dateien denselben Hash-Wert aufweisen.
Es kann aber auch bei den Providern zu Fehlern kommen, wenn die IP-Adresse einem Anschlussinhaber zugeordnet wird. Für den Betroffenen ist auch nicht überprüfbar, ob die IP-Adresse, die er angeblich benutzt hat, überhaupt Gegenstand des fraglichen Auskunftsbeschluss ist.
Die c’t hat in ihrem Beitrag das Gutachten, auf das sich die Kanzlei Nümann & Lang regelmäßig beruft, von einem unabhängigen Sachverständigen durchsehen lassen, der erhebliche Mängel und Defizite festgestellt hat.
Die Schlussfolgerung der c’t, dass zwar in den meisten Fällen zumindest der richtige Anschlussinhaber ermittelt wird, dass aber wohl eine gewisse Fehlerquote verbleibt, deckt sich mit den Erkenntnissen meiner Sachbearbeitung. Die Fehlerquote dürfte sich bereits im Prozent- und nicht mehr im Promillebereich bewegen. Nun mag man eine Zuverlässigkeit von 98 oder 99 % für hoch halten. Angesichts von hunderttausenden derartiger Abmahnungen jährlich, bedeutet das aber auch, dass tausende gänzlich Unbeteiligter in Anspruch genommen werden.
Dass außerdem in jedem zweiten Fall der Anschlussinhaber nicht der Verletzer ist, kommt hinzu. Ob der Anschlussinhaber ohne weiteres in Anspruch genommen werden kann, stellt eine umstrittene Rechtsfrage dar, die einer höchstrichterlichen Klärung bedarf.
Das System der Filesharing-Abmahnungen funktioniert auch deshalb, weil Gerichte wie das Landgericht Köln den Angaben der Antragsteller in den Auskunftsverfahren blindlings folgen.