Mein Versuch, den Text des Richtlinienentwurfs, den „Censilia“Malmström heute vorgestellt hat, zu finden, verlief leider bislang erfolglos. Folgende Textpassage vom Server der EU klingt aber bereits sehr deutlich:
Member States will be obliged to ensure that access to websites containing child pornography can be blocked, as they are very difficult to take down at the source, especially if the site is outside the EU. The proposal will leave it to Member States to decide exactly how the blocking should be implemented but legal safeguards will always apply.
Danach haben die Mitgliedsstaaten die Pflicht eine Zugangserschwerung umzusetzen. Klar dürfte andererseits aber auch sein, dass das Europaparlament dieser Richtlinie zustimmen muss.
Frau Malmström hat erklärt, die dunklen Ecken des Internets aufräumen zu wollen. Es könnte jetzt allerdings auch sein, dass die Bürger damit anfangen, die dunklen Ecken in den Hinterzimmern der EU auszuleuchten.
Update vom 30.03.2010:
Der vollständige Richtlinienentwurf ist doch bereits online und gibt weitere Aufschlüsse. Bemerkenswert ist zunächst, dass der Entwurf, anders als das deutsche Recht, jede Person unter 18 Jahren als Kind definiert (Art. 2a). Damit wird auch die Jugendpornografie umfasst und man muss außerdem Auswirkungen auf Fälle normaler Jugendsexualität befürchten. Neben dem legitimen Anliegen, den Missbrauch von Kindern und die Verbreitung von Darstellungen dieses Missbrauchs zu bekämpfen, scheinen mir, speziell für den Jugendbereich, auch fragwürdige Moralvorstellungen eine Rolle zu spielen.
Das umstrittene Access-Blocking findet sich in Art. 21 des Richtlinienentwurfs:
1. Member States shall take the necessary measures to obtain the blocking of access by Internet users in their territory to Internet pages containing or disseminating child pornography. The blocking of access shall be subject to adequate safeguards, in particular to ensure that the blocking is limited to what is necessary, that users are informed of the reason for the blocking and that content providers, as far as possible, are informed of the possibility of challenging it.
2. Without prejudice to the above, Member States shall take the necessary measures to obtain the removal of internet pages containing or disseminating child pornography.
posted by Stadler at 21:20
Wie gestern schon berichtet, hat die EU-Kommissarin Malmström heute einen Richtlinenentwurf zum Kinderschutz angekündigt, der u.a. die Blockade von Websites durch Zugangsprovider beinhaltet. Dieser Ansatz weist auch deshalb groteske Züge auf, weil man parallel auf EU-Ebene weiterhin über das Erfordernis von Netzneutralität diskutiert. Denn Access-Sperren beinhalten zwangsläufig die Manipulation technischer Abläufe und Standards. Wer Provider zwingt, Informationsströme umzuleiten, wirft die Netzneutralität über Bord.
Die Argumente, die gegen das deutsche Vorhaben angeführt worden sind, treffen auch auf die EU-Pläne zu. Dass derartige Sperren sehr leicht zu umgehen sind, gehört dabei noch zu den schwächeren Argumenten. Viel schwerer wiegt beispielsweise der Umstand, dass die erhebliche Gefahr besteht, dass andere legale Inhalte quasi mitgesperrt werden (Overblocking). Und genau das findet in allen Ländern, in denen solche Access-Blockaden praktiziert werden, auch tatsächlich statt. Hinzu kommt der Aufbau einer Sperrinfrastruktur, die, wenn sie erst einmal vorhanden ist, Begehrlichkeiten wecken wird, verschiedensten rechtswidrigen oder unerwünschten Content ebenfalls in gleicher Art und Weise zu blockieren.
Schließlich muss man aber auch in aller Deutlichkeit sagen, dass Access-Blockaden nicht nur ungeeignet sind, Kinderpornografie im Netz zu bekämpfen, sondern vielmehr sogar der gegenläufige Effekt erzielt werden dürfte. Wer Sperrlisten erstellt, die nicht geheim zu halten sind, liefert damit nämlich auch Linklisten für Pädophile. Wer Kinder schützen will, muss derartige Sperrvorhabern daher ablehnen. Man kann Kinderpornografie im Netz effektiver bekämpfen. Der Zugangsprovider, der keinen Zugriff auf die fraglichen Inhalte hat und deshalb im eigentlichen Sinne auch nicht sperren kann, ist in jedem Fall der falsche Anknüpfungspunkt.
Und auch über das Thema Zensur wird in diesem Kontext ernsthaft zu diskutieren sein.
posted by Stadler at 11:45
Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur hat gestern ein Dokument des Rates der EU veröffentlicht, in dem die Fortsetzung des Projekts CIRCAMP ausdrücklich betont und gefordert wird. Wesentlicher Bestandteil von CIRCAMP ist die Implementierung von CSAADF (Child Sexual Abuse Anti Distribution Filter), einem Konzept das ähnlich dem Zugangserschwerungsgesetz auf Access-Blockaden setzt und durch Eingriffe am DNS den Zugriff auf Seiten mit kinderpornografischen Inhalten verhindern und auf spezielle Stopp-Seiten umleiten will. Sämtliche Bedenken, die gegen das deutsche Vorhaben sprechen, sind auch hier angebracht.
posted by Stadler at 07:30
Die Gegner des Zugangserschwerungsgesetzes hatten ihre Kritik auf den sehr zutreffenden Slogan „Löschen statt Sperren“ zugespitzt. Wie kaum anders zu erwarten war, zieht das Bundeskriminalamt diesen Ansatz nunmehr in Zweifel. Das darf man als Beginn einer politisch geleiteten Kampagne sehen, die das Ziel verfolgt, das Konzept der Sperrlisten und Stopp-Schilder doch noch Realität werden zu lassen. Denn der Vorgang befindet sich derzeit wieder im parlamentarischen Prozess.
Das BKA argumentiert damit, dass „Löschen statt Sperren“ deshalb nicht funktionieren würde, weil der Content nach der Löschung an der Quelle häufig nach einigen Tagen an anderer Stelle wieder im Netz auftaucht. Das mag in einigen Fällen so sein, taugt aber nicht als Argument pro Access-Blockaden. Denn im Falle von DNS-Sperren müssen die Inhaltsanbieter noch nicht einmal den Server wechseln, sondern nur die Domain ändern, während der Content durchgehend online bleiben kann. Das vom BKA ins Feld geführte Argument spricht also erst recht gegen Access-Sperren.
Das Bundeskriminalamt ist im Grunde bislang nicht viel mehr als eine Koordinierungsstelle und kämpft deshalb für eine Erweiterung der eigenen Kompetenzen. Und insoweit wäre das Zugangserschwerungsgesetz aus Sicht des BKA ein wichtiger Baustein.
posted by Stadler at 23:00
Das Schicksal des Zugangserschwerungsgesetzes ist weiterhin offen. Während die Opposition die vollständige Aufhebung des Gesetzes fordert, möchte die Koalition bislang offenbar nur auf die Erstellung von Sperrlisten verzichten.
Da sich die Frage erneut im parlamentarischen Prozess befindet, haben sich der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur sowie weitere Unterzeichner in einem offenen Brief an die Bundestagsfraktion von CDU/CSU gewandt und ihre Argumente und Bedenken nochmals zusammenfassend vorgetragen.
posted by Stadler at 11:30
Kommentare deaktiviert für Was passiert mit dem Zugangserschwerungsgesetz?
Das Zugangserschwerungsgesetz ist am 23.02.10 in Kraft getreten und bereits gestern wurden im Bundestag in erster Lesung Gesetzesinitiativen von SPD, Grünen und Linken behandelt, die die Aufhebung des Gesetzes verlangen.
Die Redebeiträge der Union im Bundestag, wie der des Abgeordneten Heveling, sprechen nicht dafür, dass die Bundesregierung beabsichtigt, das Gesetz wieder aufzuheben. Man hört, das Justizministerium würde an einem eigenen Regierungsentwurf eines Gesetzes arbeiten, der bis zur dritten Lesung vorliegen soll. Das wird allerdings mit großer Sicherheit kein Aufhebungsgesetz sein, denn für ein solches bräuchte es keiner großartigen Ausarbeitung. Der Inhalt eines solchen Gesetzes wäre bestenfalls ein Dreizeiler. Stattdessen wird man vermutlich ein „Sperrgesetz“ einbringen, das verschiedene Hintertüren enthält und die bedenkliche technische Infrastruktur bei den Providern aufrecht erhält.
In der Zwischenzeit behilft sich die Bundesregierung mit einem Nichtanwendungserlass, durch den dem BKA aufgegeben wird, das Gesetz nicht anzuwenden und anders als im Gesetz vorgesehen, keine Sperrlisten zu erstellen und an die Provider zur Umsetzung weiterzuleiten.
Die Bundesregierung weist also eine Behörde an, ein in Kraft befindliches Gesetz nicht anzuwenden. Das ist ein in der Bundesrepublik einmaliger Vorgang und gleichzeitig der eklatanteste Verfassungsbruch den dieses Land bisher gesehen hat. Denn eine Regierung, die sich weigert Gesetze anzuwenden, stellt die parlamentarische Demokratie als solche in Frage.
posted by Stadler at 08:45
Das Zugangserschwerungsgesetz wird vermutlich schon morgen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und würde dann bereits am 23.02.2010 in Kraft treten.
Mit einer Art Nichtanwendungserlass – was im Hinblick auf ein Gesetz ein bislang einzigartiger Vorgang sein dürfte – will die Bundesregierung aber offenbar verhindern, dass das BKA das Gesetz tatsächlich umsetzt.
Die Bundesregierung hatte offenbar bis zuletzt gehofft, dass Bundespräsident Köhler das Gesetz „entsorgt“, was für die Politik sicherlich die bequemste Lösung gewesen wäre. Köhler hat ihr diesen Gefallen aber nicht getan und das Gesetz nach längerer Prüfungsphase doch noch ausgefertigt.
Update:
Das Zugangserschwerungsgesetz ist in der Ausgabe Nr. 6 aus 2010 vom 22.02.10 (S. 78) des Bundesgesetzblatts veröffentlicht worden und tritt daher am 23.02.2010 in Kraft.
posted by Stadler at 15:12
Das sog. Zugangserschwerungsgesetz hat Franziska Heine im vergangenen Jahr auf den Plan gerufen, beim Deutschen Bundestag eine Petition, die sie „Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten“ überschrieben hat, einzureichen. Kurze Zeit später hatten 134.000 Unterstützer nicht nur dafür gesorgt, dass daraus die erfolgreichste Petition der deutschen Geschichte wurde, sondern auch dafür, dass der Druck auf die Bundesregierung in dieser Frage erheblich zugenommen hat. Dieser Druck wurde aber nicht wie sonst von Lobbyisten erzeugt, sondern durch ganz normale Bürger.
Die Petition wird am 22.Februar 2010 im Petitionsausschuss des Bundestages behandelt. Nachdem das Gesetz jetzt nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten wohl doch in Kraft treten wird, bleibt das Thema weiterhin aktuell.
Franziska Heine, die Initiatorin der Petition, erhält Rederecht im Ausschuss und wird den Ausschussmitgliedern ihre Position und ihre Bedenken gegen das Zugangserschwerungsgesetz nochmals darlegen. Wer Franziska hierfür noch Anregungen mit auf den Weg geben möchte, kann und sollte im Blog des AK Zensur dazu einen Kommentar hinerlassen.
posted by Stadler at 10:42
Kommentare deaktiviert für Petition gegen Netzsperren am 22.Februar im Bundestag
Die Grünen wollen offenbar einen Gesetzesentwurf zur vollständigen Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes in den Bundestag einbringen, wie Heise berichtet. Das wäre in jedem Fall der richtige Ansatz und stellt die einzige saubere Lösung zur Beendigung des derzeitigen Schwebezustands dar.
Was den Inhalt des angekündigten „Löschgesetzes“, das an die Stelle des Zugangserschwerungsgesetzes treten soll, angeht, schweigt sich die Bundesregierung bislang aus. Man munkelt allerdings, dass hierdurch neue Befugnisse und Zuständigkeiten des BKA für derartige Löschungsmaßnahmen geschaffen werden sollen. Das würde allerdings voraussetzen, dass zunächst das Grundgesetz entsprechend geändert und eine diesbezügliche Verwaltungskompetenz des BKA geschaffen wird. Außerdem würden damit natürlich die Kompetenzen der Länder im Bereich des Polizei- und Sicherheitsrechts eingeschränkt, was zu Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern führen könnte.
posted by Stadler at 17:23
Kommentare deaktiviert für Von der Zugangserschwerung zur Löschung
Die Bundesregierung rückt von dem – gegen den Rat der meisten Fachleute – verabschiedeten Zugangserschwerungsgesetz wieder ab und möchte dieses nach einer Meldung von SpiegelOnline durch ein „Löschgesetz“ ersetzen. Möglicherweise entgeht man aber damit nur dem, was für die Bundesregierung ein mediales Fiasko wäre, nämlich, dass ihr der Bundespräsident die offensichtliche Verfassungswidrigkeit des Gesetzes bescheinigt und seine Unterschrift verweigert.
Was in einem Löschgesetz allerdings konkret geregelt werden soll, bleibt vorerst unklar. Sinnvoller wäre es allemal, wenn die deutsche Exekutive stattdessen endlich handeln würde. Denn für die Forderung „Löschen statt Sperren“ bedarf es keiner neuen gesetzlichen Regelungen. Wenn deutsche Polizei- und Sicherheitsbehörden auf kinderpornografische Inhalte im Netz aufmerksam werden, dann können Sie Abuse-Mails schreiben und parallel die zuständigen ausländischen Behörden informieren und auf eine Löschung hinwirken.
Jedenfalls zeigt die Entwicklung, dass die Arbeit des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zensur Früchte getragen hat. Die Politik sollte erkannt haben, dass die Bürger mittlerweile in der Lage sind, sich aus dem Netz heraus zu formieren und für erheblichen politischen Gegenwind zu sorgen.
posted by Stadler at 21:21
Kommentare deaktiviert für Kein Zugangserschwerungs- sondern ein Löschgesetz