Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

25.1.10

Zensur über den Umweg des Jugendschutzes?

Ein neuer Entwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) bezieht die Access-Provider nunmehr ausdrücklich in den Kreis derjenigen mit ein, die von den Behörden zu Jugendschutzmaßnahmen im Sinne des Staatsvertrags verpflichtet werden können. Zum Portfolio der gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen gehören Sperrungsverfügungen gegen Provider, ebenso wie „Sendezeitbeschränkungen“ für Internetangebote und die „Kennzeichnung“ jugendgefährdender Angebote.

Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur hat jetzt ausführlich und ablehnend zu diesen geplanten und zum Teil schon geltenden Maßnahmen Stellung bezogen. Der Provider 1&1 hat in sehr drastischen Worten vom Ende der freien Kommunikation im Internet gesprochen.

Auch wenn man das für übertrieben halten mag, sind viele Landespolitiker offenbar nicht in der Lage zu erkennen, welche Auswirkungen derartige „Jugendschutzmaßnahmen“ auf das Netz tatsächlich haben. Und genau das muss ihnen zügig vor Augen geführt werden.

Gerade die sich deutlich verstärkende Tendenz, technische Dienstleister als Hilfsorgane zur Kontrolle von Inhalten heranzuziehen, geht zwangsläufig mit einem massiven Eingriff in technische Normen und einer Manipulation technischer Standards einher. Dieses Konzept des Sperrens und Filterns unterscheidet sich sachlich sehr wenig von dem der Chinesen. Man muss das so deutlich sagen. Und natürlich geht es nur um einen guten und legitimen Zweck. Aber das ist in China ja auch nicht anders.

posted by Stadler at 16:00  

13.1.10

Provider sollen stärker in den Jugendschutz eingebunden werden

Gestern habe ich über einen aktuellen Arbeitsentwurf zur Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) berichtet, der die Idee von Sendezeitbegrenzungen für Internet-Angebote aufgreift und weiter ausweitet. Die Regelung ist im Grundsatz allerdings bereits in der geltenden Fassung des JMStV enthalten, aber nie umgesetzt worden. Tatsächlich neu ist u.a. die genaue Definition unterschiedlicher Altersstufen. Ebenfalls neu und gänzlich unklar ist aus meiner Sicht die geplante Regelung in § 5 Abs. 2 S. 3 JMStV, die lautet:

Die Kennzeichnung von Angeboten, die den Zugang zu Inhalten vermitteln, die gemäß §§ 7 ff. des Telemediengesetzes nicht vollständig in den Verantwortungsbereich des Anbieters fallen, insbesondere weil diese von Nutzern in das Angebot integriert werden oder das Angebot durch Nutzer verändert wird, setzt voraus, dass der Anbieter nachweist, dass die Einbeziehung oder der Verbleib von Inhalten im Gesamtangebot verhindert wird, die geeignet sind, die Entwicklung von jüngeren Personen zu beeinträchtigen.

Diese Regelung ist ersichtlich auf Access-Provider und Hoster zugeschnitten. Der genaue Regelungsgehalt erschließt sich allerdings nicht, was primär an den handwerklichen Mängeln der Gesetzesformulierung liegt. „Angebote, die den Zugang zu Inhalten vermitteln„, gibt es nämlich nicht. Die Formulierung ist perplex, denn die technische Dienstleistung der Zugangsvermittlung stellt kein (Inhalts-)Angebot dar. Es hat allerdings ganz den Anschein, als wolle man damit Zugangs- und Host-Provider in die Verpflichtung zur Kennzeichnung jugendgefährdender Inhalte im Internet unmittelbar einbinden.

Den Grundstein für eine derartig verquere Vermischung von Technik und Inhalt, wie man sie in § 5 Abs. 2 S. 3 des Entwurfs wiederfindet, hat der deutsche Gesetzgeber bereits in den 90’er Jahren gelegt, zu Zeiten des Teledienstegesetzes und Mediendienstestaatsvertrags. Denn der Zugangsprovider wird seit dieser Zeit als Diensteanbieter betrachtet und damit auch wie ein Inhaltsanbieter behandelt. Anbieter im Sinne von TMG und JMStV sind nämlich auch diejenigen, die den Zugang zur Nutzung von Telemedien vermitteln, also die Access-Provider. Damit hat man den Provider und den Content-Anbieter mittels einer gesetzlichen Fiktion gleichgestellt.

Wernn man heute über Netzneutralität diskutiert, sollte man sich vor Augen führen, dass die Gesetzgebung von Bund und Ländern diese grundsätzliche Weichenstellung, die der Vorstellung von Netzneutralität zuwider läuft, bereits vor mehr als 10 Jahren getroffen hat. Der TK-Dienstleister Zugangsprovider, der eine neutrale technische Dienstleistung erbringt, wird als Diensteanbieter qualifiziert und damit einem Content-Anbieter gleichgestellt. Was die Sache schließlich gänzlich absurd macht, ist der Umstand, dass der Gesetzgeber gleichzeitig in § 1 TMG und in § 2 Abs. 2 JMStV zum Ausdruck bringt, dass die Gesetze nicht für Telekommunikationsdienste gelten sollen. Auf diesen Wertungswiderspruch habe ich in der rechtswissenschaftlichen Diskussion immer wieder hingewiesen, u.a. in beiden Auflagen von „Haftung für Informationen im Internet„. Die meisten Fachautoren haben die Einbeziehung des Access-Providers in den Kreis der Diensteanbieter nach TMG (und JMStV) allerdings verteidigt, u.a. mit dem Argument, dass dem Provider ansonsten die Haftungsprivilegierung des TMG nicht zugute kommen würde. Was man dabei übersehen hat, ist, dass damit die eigentlich klar zu ziehende Grenze zwischen Technik und Inhalt verwischt wird und man sich gleichzeitig von der Netzneutralität verabschiedet hat. Es ging hierbei nicht um die Haftungsprivilegierungen, sondern darum, über einen technischen Dienstleister auf die Inhalte Einfluss nehmen zu können. Und hierfür war es erforderlich, den Internet-Service-Provider qua Gesetz wie einen Inhaltsanbieter zu behandeln.

Daneben schlummert auch in der bereits geltenden Fassung des JMStV die Möglichkeit, Zugangsprovider zur Sperrung von Websites zu verpflichten, Zensursula aus Gründen des Jugendschutzes sozusagen.

Bereits der Mediendienstestaatsvertrag sah die Möglichkeit vor, sog. Sperrungsanordnungen gegen Zugangsprovider zu erlassen, wovon die Bezirksregierung Düsseldorf im Jahre 2002 auch Gebrauch gemacht hat. Die Regelung zu den Sperrungsverfügungen existiert immer noch, sie findet sich jetzt in § 59 Abs. 3 des Rundfunkstaatsvertrags. Diese Regelung gilt auch im Bereich des Jugendschutzes. § 20 Abs. 4 JMStV besagt nämlich, dass die zuständige Landesmedienanstalt für Anbieter von Telemedien entsprechend § 59 Abs.2 bis 4 des Rundfunkstaatsvertrages die jeweiligen Entscheidungen treffen kann, zu denen eben auch Sperrungsverfügungen gegen Provider zählen.

Update:
Wie ich gerade gehört habe, sehen die Provider die wesentliche Änderung zu ihren Lasten darin, dass jetzt in § 3 Nr. 2 JMStV die Zugangsvermittler ausdrücklich als Anbieter definiert werden, weshalb man befürchtet, dass sämtliche Anforderungen des Jugendschutzes, die der Staatsvertrag aufstellt, die Access-Provider direkt treffen könnte.

posted by Stadler at 11:15  

16.11.09

Hat die Netzneutralität Verfassungsrang?

Ansgar Koreng geht in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Computer und Recht (CR 2009, 758) der Frage nach, ob es einen verfassungsrechtlichen Auftrag an den Gesetzgeber gibt, die Netzneutralität zu gewährleisten.

Netzneutralität definiert Koreng zunächst als die Diskriminierungsfreiheit des Transports von Daten durch die Access-Provider in dem Sinne, dass der Provider den von ihm übermittelten Daten indifferent gegenüberstehen muss.

Der Autor führt dann aus, dass der Gesetzgeber mit Blick auf die Notwendigkeit eines freien und möglichst pluralen Diskurses gehalten ist, diese Pluralität auch zu gewährleisten und abzusichern.

Koreng leitet deshalb aus dem Grundgesetz eine Schutzpflicht des Staates für einen diskriminierungsfreien Netzzugang ab.

Dieser verfassungstheoretische Ansatz ist gerade in Zeiten interessant, in denen über Three-Strikes-Out diskutiert wird und in denen der Bundestag ein sog. Zugangserschwerungsgesetz beschlossen hat, dessen Ausweitung auf verschiedenste „unerwünschte“ Inhalte rege diskutiert wird.

posted by Stadler at 16:55  

7.7.09

Deep Packet Inspection

Die ORF Futurezone hat sich mit dem Politologen Ralf Bendrath – den man auch von netzpolitik.org kennt – über Deep Packet Inspection unterhalten. Mithilfe dieser Technologie werden Datenströme im Netz nach inhaltlichen Kriterien gefiltert. Ein lesenswerter Beitrag zu den Hintergründen und Gefahren dieser Filter- und Überwachungstechnologie.

posted by Stadler at 15:39  

16.6.09

Die Schimäre vom Subsidiaritätsprinzip und andere Irrtümer

Die Pressemitteilung der SPD zum Sperrgesetz klingt beeindruckend. Wieder einmal hat man es der CDU und eigentlich allen gezeigt, sich auf voller Linie durchgesetzt und man höre und staune, das Subsidiaritätsprinzip im Gesetz verankert.

Dumm ist nur, dass sich die CDU ebenfalls zufrieden zeigt und im Netz großer Aufruhr herrscht. Der Wortlaut der Pressemitteilung, wonach nur dann gesperrt werden darf, wenn eine Löschung nicht erfolgreich bewerkstelligt werden kann, entspricht nicht so ganz dem Gesetzeswortlaut, aber die Schönfärberei gehört nunmal zum politischen Geschäft. Dass sich die Behauptung einer Verankerung des Subsidiaritätsprinzips bei näherer Betrachtung als Schimäre erweist, lenkt aber auch nur davon ab, dass bereits die grundsätzliche Weichenstellung dieses Gesetzes falsch ist.

Der Zugangsprovider hat keinen Zugriff und keine physisch-reale Möglichkeit auf Inhalte einzuwirken. Er bildet deshalb von vornherein den falschen Anknüpfungspunkt für die Kontrolle des Contents. Man hat bei der SPD, von der Union ganz zu schweigen, nach wie vor den Gesamtkontext noch nicht erfasst. Der eigentlich relvante Aspekt wird andernorts z.T. unter dem Schlagwort der Netzneutralität diskutiert.

Im Kern geht es darum, dass man einen TK-Dienstleister, der eine rein technische und neutrale Leistung erbringt, nicht für die Kontrolle von Inhalten heranziehen darf, weil dies zwangsläufig eine Manipulation technischer Abläufe mit sich bringt. Der Zugangsprovider muss nämlich technische Internet-Standards und Normen manipulieren, er wird gezwungen, in die Architektur des Netzes einzugreifen, um das zu erreichen, was der Staat von ihm verlangt. Es ist deshalb vernünftig zu fordern, dass sich der Staat jeglicher Manipulation technischer Standards und Normen zu enthalten hat.

Die grundsätzliche Weichenstellung ist aber auch deshalb falsch, weil das Gesetz in Wahrheit die Verbreitung kinderpornografischer Schriften fördert, anstatt wie beabsichtigt, den Zugang zu ihnen zu erschweren. An dieser Stelle zeigt sich sehr deutlich, dass sich die politisch Verantwortlichen nicht mit den bisherigen Sperrbemühungen in Deutschland („Düsseldorfer Sperrungsverfügungen“) und deren Auswirkungen befasst haben. Die Düsseldorfer Sperrungsanordnungen haben seinerzeit im Jahre 2002 diejenigen Websites, die Gegenstand der Sperrung waren, überhaupt erst bekannt gemacht und dafür gesorgt, dass die Zugriffe auf diese Seiten deutlich zunahmen. Derselbe Effekt ist auch hier zu erwarten. Die geheim zu haltenden Sperrlisten werden sehr schnell auf Wikileaks auftauchen, ohne, dass das BKA dies verhindern kann und damit eine Navigationshilfe für Pädophile und auch Neugierige bilden. Auf der Stopp-Seite des BKA werden ohnehin nur die Dümmsten landen, denn diese simple technische Manipulation, die den Providern abverlangt wird, kann jedes Kind im Handumdrehen umgehen.

Es wäre gerade deshalb so wichtig, eine breite gesellschafts- und rechtspolitische Diskussion zu führen, wie dies der Sachverständige Sieber in der Expertenanhörung im Bundestag auch gefordert hat. Warum sich die SPD wieder einmal von der Union treiben lässt, ist unklar. Die Politik hat die vielen Facetten dieser Thematik jedenfalls noch nicht einmal angekratzt und die meisten Abgeordneten haben schlicht keine Ahnung von den möglichen Auswirkungen ihres Abstimmungsverhaltens.

Aber eines möchte ich hier ganz deutlich sagen. Die Abgeordneten, die dem Gesetz zustimmen, werden damit faktisch die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte fördern und damit das Gegenteil dessen erreichen, was sie vermutlich wollen. Gleichzeitig wird eine Struktur etabliert, die als Zensur-Infrastruktur zumindest tauglich ist und wegen des als Overblocking bezeichneten Effekts werden zudem eine ganze Menge legaler Inhalte in Mitleidenschaft gezogen werden.

Und auch wenn manche es als Formalität betrachten – die es nicht ist – aber dem Bund fehlt schlicht die Gesetzgebungskompetenz, worauf in der Sachverständigenanhörung auch sehr deutlich hingewiesen wurde.

posted by Stadler at 20:11  

17.2.09

Abschied von der Netzneutralität?

Seit längerem wird auf EU-Ebene das sog. Telecom-Paket diskutiert, das TK-Anbieter und Internet-Service-Provider stärker in die Pflicht nehmen soll, auf unerwünschte Inhalte Einfluss zu nehmen.

Eine Allianz aus verschiedenen großen Telcos und Netzwerkausrüstern (AT&T, Vodafone, Cisco, Alcatel Lucent u.a.) fordert neuerdings in Brüssel ein „Netzwerkmanagement“.

Bürgerrechtler sehen darin einen Vorstoß der Telcos das Internet stärker kontrollieren und beinflussen zu können und warnen vor einer Netz-Diskriminierung.

Das Prinzip offener und dezentraler Netze ist denjenigen ein Dorn im Auge, die das Internet regulieren und ihrem Sinne kontrollieren wollen.

Offene Netze sind sozial nützlich und im Sinne der Allgemeinheit, während die Preisgabe der Netzneutralität nur bestimmten Interessengruppen nutzt.

posted by Stadler at 14:39  
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