Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

19.6.13

Ude hätte besser weiterhin zum Fall Mollath geschwiegen

Nachdem sich Horst Seehofer mehrfach zum Fall Mollath geäußert und zuletzt die Justiz zur Eile gemahnt hat, sah sich wohl auch sein Herausforderer Christian Ude veranlasst, zu diesem Fall, der die Menschen in Bayern bewegt, Stellung zu nehmen. Nur leider offenbart Udes Aussage in einem Interview mit der Mittelbayerischen Zeitung eine erschreckende Unkenntnis der Fakten.

Ude wird dort u.a. mit den Worten zitiert:

Ich kann eine Gefährlichkeit nicht vollkommen ausschließen. Herr Mollath hat ja unstrittig Autoreifen zerstochen.

Das ist leider falsch. Richtig ist vielmehr, dass Mollath auch diesen Tatvorwurf stets bestritten hat. Sein Verteidiger Gerhard Strate nimmt u.a. hierzu in einem Schreiben vom 01.05.2013 an die Staatsanwaltschaft Regensburg ausführlich Stellung und zeigt eklatente Fehler der Tatsachenfeststellung des Gerichts auf.

Daran anknüpfend, schreibt Prof. Ernst Henning Müller (Update vom 02.05.2013) im Beck-Blog:

Nun hat RA Strate gerade in dieser Beziehung „nachgelegt“: Wenn man die neue Stellungnahme Strates vom gestrigen Tage liest, wird man nicht umhin kommen, auch in Beziehung auf die Sachbeschädigungen zu der Auffassung zu gelangen: Hier wurde eine kaum mit Indizien belegte polizeiliche Hypothese („Der Molllath könnte ein Motiv haben“) vom Gericht trickreich zu einer Tatfeststellung ausgebaut, einzig und allein dazu, eine Grundlage für Herrn Mollaths „Gemeingefährlichkeit“ zu schaffen.

Woher also Christian Ude die Erkenntnis hat, Mollath hätte unstreitig Autoreifen zerstochen, wird sein Geheimnis bleiben. Vielleicht sollte sich Ude auch im Wahkampf einfach nur zu Themen äußern, über die er sich informiert hat bzw. informieren hat lassen.

posted by Stadler at 15:36  

17.6.13

Fall Mollath: Wer hat den Staatsanwalt zurückgepfiffen?

Die Süddeutsche berichtet heute darüber, dass ihr ein Entwurf des Wiederaufnahmeantrags der Staatsanwaltschaft Regensburg vorliegt, in dem der sachbearbeitende Oberstaatsanwalt dem ehemaligen Vorsitzenden Richter explizit Rechtsbeugung vorwirft. Die von der SZ zitierten Passagen Brixner habe „keinerlei Interesse an einem prozessordnungsgemäßen Ablauf des Anhörungsverfahrens“ gezeigt und „Die von ihm gewählte Vorgehensweise erfüllt den Straftatbestand der Rechtsbeugung.“ fehlen in dem letztlich gestellten Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft völlig. Lediglich ein verklausulierter Rechtsbeugungsvorwurf findet sich darin noch.

Die Schlussfolgerung hieraus erscheint mir eindeutig. Der sachbearbeiteitende Oberstaatsanwalt Meindl wurde zurückgepfiffen. Vermutlich durch den Generalstaatsanwalt, mit dem der Wiederaufnahmeantrag abgestimmt war, wie Meindl im Untersuchungsausschuss des Landtags ausgesagt hat. Ob auch das Justizministerium involviert war, werden wir vermutlich nie erfahren. Ganz offensichtlich wird dadurch aber, dass die Staatsanwaltschaft einem Richter a.D. keine Rechtsbeugung vorwerfen will, obwohl genau dies dem sachbearbeitenden Staatsanwalt sogar offensichtlich erscheint.

Das wirft noch eine weitere Frage auf, nämlich die nach dem Legalitätsprinzip des § 152 Abs. 2 StPO. Danach muss die Staatsanwaltschaft wegen aller verfolgbaren Straftaten einschreiten. Das gilt in Bayern aber offenbar nicht, wenn es um den Verdacht der Rechtsbeugung gegen einen Richter geht. Es ist gerade diese selektiv-rechtswidrige Praxis die das Ansehen der Justiz beschädigt.

posted by Stadler at 22:18  

11.6.13

Besuch von der Polizei nach Tweet zur Causa Mollath

Der Fall über den Richard Gutjahr heute in seinem Blog berichtet, ist so unglaublich, dass man ihn unbedingt weiterverbreiten muss. Die Ärztin Ursula Gresser (Mitglied der CSU!) twitterte „Wann Mollath freikommt? Diese Frage könnte man Frau Merk am Mo. 10.06.13 um 19 Uhr im Landgasthof Hofolding stellen„.

Der Hinweis bezog sich auf eine bereits angekündigte öffentliche Veranstaltung mit Justizministerin Beate Merk.

Wegen dieses Tweets bekam Ursula Gresser gestern Besuch von zwei Polizeibeamten in zivil. Grund des Besuchs laut Aussagen der Beamten: Das Sicherheitspersonal der Justizministerin habe Bedenken in Bezug auf Frau Gresser angemeldet, wegen des oben genannten Tweets. Die Justizministerin hat den Polizeibesuch bei der Ärztin also veranlasst.

Im Gespräch hat Ursula Gresser den Beamten dann angeboten, den Tweet zu löschen, was sie dann auch getan hat.

Auf Nachfrage Richard Gutjahrs bei der Polizei hat er schließlich die Auskunft erhalten, der Besuch sei notwnedig gewesen, um etwaige Störungen – vermutlich der Veranstaltung – zu verhindern. Die Justizministerin scheint wegen der Sache Mollath reichlich nervös zu sein. Dass man deswegen allerdings die Polizei zu unbescholtenen Bürgern schickt, ist ein Umstand, über den berichtet werden muss.

Update:
Das Justizministerium dementiert die Darstellung von Ursula Gresser in einer Pressemitteilung. Dort ist die Rede von einem Schreiben eines besorgten Anwalts vom 23.05.13, das Anlass für den polizeilichen Hausbesuch gewesen sei. Über den Inhalt des Schreibens und den Mandanten des Anwalts erfährt man nichts. Warum sollte ein über 2 Wochen altes Schreiben plötzlich zu einem Hausbesuch der Polizei führen? Richard Gutjahr bleibt in seinem Blog bei seiner bisherigen Darstellung. Er hat mit dem Pressesprecher des Polizeipräsidiums München gesprochen, der ihm wiederum bestätigte, dass Anlass des Hausbesuches eine Nachricht aus dem Internet gewesen sei. Das Dementi des Ministeriums klingt für mich nicht sonderlich plausibel.

posted by Stadler at 09:45  

10.6.13

Der Fall Mollath ist über den Einzelfall hinaus von Bedeutung

Morgen wird Gustl Mollath persönlich im Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags aussagen. Ein Ausschuss, der schon einige interessante Aussagen zu Tage gefördert hat, u.a. die des verurteilenden Richters Otto Brixner, der einräumt, die Verteidigungsschrift Mollaths samt Anlagen nicht gelesen zu haben oder die eines Generalstaatsanwaltes, der das Urteil gegen Mollath für mehr als schludrig hält.

In der heutigen Aussage der SZ kritisiert Heribert Prantl die im Fall Mollath maßgebliche gesetzliche Regelung des § 63 StGB mit den Worten:

Existenzielle Eingriffe erfordern existenzielle Sorgfalt – auch vom Gesetzgeber. Der Fall Mollath ruft nach einer gründlichen Reform des Mollath-Paragrafen.

Mir stellt sich hierbei allerdings tatsächlich die Frage, wie der Gesetzgeber das genauer regeln sollte. Die Vorschrift des § 63 StGB lautet:

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Im Fall Mollath ist das vordergründige Problem, dass ein Gericht und ein bzw. mehrere Gutachter die existentielle Sorgfalt haben vermissen lassen, die notwendig ist, wenn man jemanden langjährig zwangsweise unterbringt. Bedenklich ist in diesem Kontext aber ein allgemeiner Trend. Die strafrichterlich angeordneten Unterbringungen haben sich in den letzten 25 Jahren verdreifacht. Sachverständige und Gerichte sind also zunehmend schneller bei der Hand, wenn es darum geht, jemanden zwangsweise unterzubringen. Es gibt einen gefährlichen Trend zur Zwangspsychiatrisierung. Und hier stellt sich dann in der Tat die Frage, wie man die existentielle Sorgfalt, die Prantl zu Recht einfordert, gewährleisten kann. Wenn man am Gesetz nichts ändert, wird es vermutlich immer wieder Fälle geben, in denen Brixeners und Leipzigers zusammenkommen und sich beachtliche juristische und psychiatrische Fehlleistungen potenzieren.

In privaten Diskussionen zum Fall Mollath höre ich außerdem immer wieder die Aussage, Mollath sei ja vielleicht doch verrückt, zumindest extrem seltsam. Das mag sein, nur hat er die Straftaten, die ihm vorgeworfen werden, möglicherweise nicht begangen und für die Annahme er sei für die Allgemeinheit gefährlich, spricht auch nicht viel. Und diese beiden Fehleinschätzungen bekommt man auch durch eine gesetzliche Neuregelung nicht in den Griff.

Der Fall Mollath ist auch deshalb wichtig, weil er Missstände aufzeigt, die einer sorgfältigen Aufarbeitung bedürfen. Gesetzgeber und Gesellschaft müssen sich Gedanken darüber machen, wie man solche Fälle künftig vermeidet. Wir müssen über den konkreten Fall hinaus über die Mängel in der Justiz und der Psychiatrie reden, die solche Fehlleistungen überhaupt erst möglich machen. Denn es gibt vermutlich noch mehrere Mollaths von denen wir nur nichts wissen.

posted by Stadler at 22:21  

29.4.13

Fall Mollath: Neue Untersuchung durch alten Gutachter

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth hat laut einer heute veröffentlichten Pressemitteilung in der Sache Mollath beschlossen, eine ergänzende Stellungnahme des zuletzt mit der Begutachtung befassten psychiatrischen Sachverständigen einzuholen. In der Pressemitteilung heißt es:

Der Sachverständige soll die Fragen beantworten, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Untergebrachte erneut Straftaten begehen wird, welcher Art diese Straftaten sein werden, welche Häufigkeit und welchen Schweregrad sie haben werden.

Dieser externe Gutachter ist Prof. Pfäfflin, der Mollath 2011 bereits im Auftrag der Vollstreckungskammer begutachtet hatte. Auf dieses Gutachten hatte die Kammer 2011 die Fortdauer der Unterbringung gestützt. Das Hauptargument des Gutachters, das sich die Kammer zu eigen gemacht hatte, wonach ohne „therapeutische Bearbeitung der Anlasstaten“ die Wahrscheinlichkeit sehr hoch sei, dass es zu weiteren vergleichbaren Taten kommen, beinhaltete bereits seinerzeit freilich keine eigenständige und aktuelle Gefährlichkeitsprognose. Gegen diese Fortdauerentscheidung ist noch eine Verfassungsbeschwerde Mollaths anhängig.

Die Kammer führt in ihrer Pressemitteilung außerdem aus:

Die Strafvollstreckungskammer und der Sachverständige haben dabei weiterhin davon auszugehen, dass der Untergebrachte die Taten, wegen derer das Landgericht Nürnberg-Fürth am 08.08.2006 rechtskräftig die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat, begangen hat.

Diese Entscheidung der Vollstreckungskammer wird wohl dazu führen, dass Mollath auch die nächsten Monate noch in der Anstalt verbringen wird. Sollte das Landgericht Regensburg zwischenzeitlich die Wiederaufnahme des Strafverfahrens anordnen, würden die Karten freilich neu gemischt. Denn die Anordnung der Wiederaufnahme beseitigt die Rechtskraft des alten Urteils und beendet auch dessen Vollstreckbarkeit.

Es sieht also ganz danach aus, als würde man in Bayreuth auf Zeit spielen und auf die Entscheidung aus Regensburg warten.

posted by Stadler at 17:07  

30.3.13

Fall Mollath: Psychiatrie hält an bisheriger Einschätzung fest

Telepolis berichtet heute im Fall Mollath, dass der Leiter der forensischen Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses Bayreuth, in dem Gustl Mollath untergebracht ist, Dr. Klaus Leipziger an seiner bisherigen Einschätzung festhält. Das ist bereits deshalb wenig überraschend, weil derselbe Klaus Leipziger das Gerichtsgutachten gefertigt hatte, aufgrund dessen die Unterbringung Mollaths überhaupt erst angeordnet wurde. Überraschend und gleichzeitig entlarvend ist allerdings die dazugehörige Begründung.

Laut Telepolis hat das Bezirkskrankenhaus Bayreuth in einer Stellungnahme gegenüber dem Landgericht Bayreuth ausgeführt, dass Sinn und Zweck der Maßregelvollzugsbehandlung nicht in Ansätzen erreicht werden konnten und somit weitere rechtserhebliche Straftaten, wie in den Anlassdelikten, zu erwarten seien.

Weil Mollath also nicht kooperiert und sich nicht behandeln lässt, ist kein Therapieerfolg eingetreten, weshalb weiterhin damit zu rechnen ist, dass Mollath Straftaten, wie die im Urteil festgestellten, begeht.

Wer zu Unrecht unterbracht wurde, hat dieser Logik folgend keine Chance wieder aus der Psychiatrie entlassen zu werden, solange er sich nicht einer nicht notwendigen Therapie unterzieht. Denn bis dahin gibt es logischerweise auch keinen Therapieerfolg und damit auch keinen Grund für die Annahme, dass die einmal festgestellte Gefährlichkeit entfallen sein könnte.

Das ist ein fataler Teufelskreis, zumal im konkreten Fall hinzu kommt, dass das Strafurteil gerade maßgeblich auf dem Gutachten desjenigen Psychiaters beruht, der Mollath jetzt eine fortdauernde Gefährlichkeit attestiert. Die neuen Tatsachen will dieser Sachverständige auch nicht würdigen, da er an den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils ja nicht rütteln kann. Er müsste damit natürlich auch seine eigenen Schlussfolgerungen in Frage stellen. Tatsächlich untersucht hat Leipziger Mollath auch weiterhin nicht.

Die Begründung der Klinik ist kafkaesk. Das grundlegende Problem besteht schon darin, dass über der Unterbringung Mollath weiterhin derjenige Psychiater befindet, der ihn durch ein fehlerhaftes Gutachten überhaupt erst in die Psychiatrie gebracht hat. Warum die Unterbringung erkennbar rechtswidrig war, hat Oliver Garcia in einem längeren Blogbeitrag überzeugend dargelegt. Die Strafvollstreckungskammer in Bayreuth täte gut daran, darauf zu dringen, eine aktuelle und wissenschaftlich fundierte Gefährlichkeitsprognose zu fordern. Und die erfordert eine eingehende Untersuchung Mollaths.

Dass sich Mollath angesichts der Vorgeschichte nicht unbedingt von Klaus Leipziger oder dessen Mitarbeitern untersuchen lassen will, sollte aber für jedermann nachvollziehbar sein.

Vermutlich haben wir es hier nicht mit einem bedauerlichen Einzelfall, sondern mit einem systemischen Problem zu tun. Wenn dann noch falsche tatrichterliche Feststellungen im Rahmen eines Strafverfahrens hinzu kommen, befindet sich der Betroffene in einem Teufelskreis aus dem es kaum noch ein Entrinnen gibt. Allein der Umstand, dass sich die strafrichterlich angeordneten Unterbringungen in den letzten 25 Jahren verdreifacht haben, sollte zum Nachdenken anregen.

posted by Stadler at 22:33  

25.3.13

Fall Mollath: Der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft

Der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft in Sachen Mollath ist seit enigen Tagen online verfügbar und ermöglicht einen weiteren, tieferen Einblick in die Hintergründe des Falles. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg ist teilweise gelobt und zum Teil auch kritisiert worden. Die Kritik bezieht sich vor allem darauf, dass es die Staatsanwaltschaft vermieden hat, ein Fehlverhalten der beteiligten Richter, Staatsanwälte und gerichtlich bestellten Sachverständigen zu rügen. Es wird vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass eine Rechtsbeugung durch den Vorsitzenden Richter nicht gegeben sei.

Dem Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft dürfte entscheidende Bedeutung beizumessen sein, denn er formuliert zwei durchgreifende Wiederaufnahmegründe, während mir der Wiederaufnahmeantrag des Verteidigers nicht erfolgsversprechend erscheint. Der Vorsitzende war zweifellos ganz massiv voreingenommen, aber selbst das reicht für die Annahme von Rechtsbeugung nicht aus.

Die Staatsanwaltschaft stützt sich zunächst auf den Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 1 StPO, der voraussetzt, dass in der Hauptverhandlung zu Ungunsten des Verurteilten eine als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war. Das bezieht sich im konkreten Fall auf das ärtzliche Attest, in dem der Ehefrau Mollaths diejenigen Verletzungen attestiert wurden, die letztlich zu der Verurteilung wegen Körperverletzung geführt haben. Denn das Attest stammt nicht von der Ärztin Dr. Madeleine Reichel, die allerdings als Ausstellerin erscheint, sondern von deren Sohn Markus Reichel, der im Zeitpunkt der Attesterstellung in der Praxis seiner Mutter als Weiterbildungsassistent tätig war, die Facharztprüfung zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht abgelegt hatte.

In der Berichterstattung von SPON ist der Umstand eines solchen unrichtigen Attests in Verkennung der Rechtslage als unerheblich erachtet worden. Bei der Frage, ob eine Urkunde echt oder unecht ist, kommt es nämlich nicht darauf an, ob die Urkunde inhaltlich korrekt ist, sondern einzig und allein darauf, ob die Urkunde tatsächlich von demjenigen stammt, der als ihr Aussteller erscheint. Das Gericht ist in seinem Urteil davon ausgegangen, dass das Attest von der erfahrenen Allgemeinärztin Dr. Madeleine Reichel stammt, weil es den Stempel ihrer Praxis trägt und keinerlei Zusatz erkennbar war, der darauf hindeutet, dass der Sohn der Ärztin das Attest ausgestellt und unterschrieben hat.

Es handelt sich somit um eine unechte Urkunde, die zu Ungunsten Mollaths in die Hauptverhandlung eingebracht wurde.

Außerdem stützt sich die Staatsanwaltschaft auf § 359 Nr. 5 StPO, der neue Tatsachen oder Beweismittel verlangt. Ein solches neues Beweismittel stellt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft der Zeuge Edward Braun dar, der angibt erst 2010 von der Unterbringung Mollaths erfahren zu haben. 2011 hat er dann eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, in der er mehrere Telefongespräche mit Herrn und Frau Mollath schildert. In einem dieser Telefonate soll Frau Mollath u.a. ankündigt haben, ihren Mann fertig machen zu wollen und auf seinen Geisteszustand prüfen zu lassen, wenn er ihre Schwarzgeldgeschäfte anzeigt.

Dieser Zeuge wurde von der Staatsanwaltschaft Regensburg Anfang 2013 vernommen und hat seine Angaben bestätigt und ergänzt. Das Interessante daran ist, dass der Zeuge den Zeitpunkt des zweiten Anrufs von Mollaths Ehefrau mit dem 31.05.2002 angibt und mitteilt, er hätte sich das Datum notiert. Genau an diesem Tag soll Mollath seine Frau – nach Aktenlage – geschlagen haben. Und genau an diesem Tag hat Mollaths Exfrau gegenüber dem Zeugen also gesagt, dass sie ihren Mann fertig machen, ihm was anhängen und auf seinen Geisteszustand hin überprüfen lassen will.

Dieser neue Zeuge ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft geeignet, die Glaubwürdigkeit von Mollaths Ehefrau zu erschüttern. Denn das Landgericht war noch davon ausgegangen, die Exfrau habe ohne Belastungseifer ausgesagt.

Die Staatsanwaltschaft schildert weiter, dass sich Mollath dann ab Ende 2002 an die HVB gewandt und auf die Geschäfte seiner Frau hingewiesen hat. Die HVB führte daraufhin eine interne Prüfung durch, die vom 15.01. – 05.03.2003 dauerte und zu dem in der Presse immer wieder zitierten Revisonsbericht vom 17.03.2003 führte. Am 15.01.2003 erstattete Petra Mollath Strafanzeige gegen ihren Mann wegen Körperverletzung. Nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft hat Frau Mollath kurz davor von dem Schriftwechsel ihres Mannes mit der Bank erfahren und davon, dass die Vorwürfe bankintern überprüft werden.

Diese zeitliche Abfolge legt nahe, dass Frau Mollath genau so vorgegangen ist, wie sie es dem Zeugen Braun gegenüber angekündigt hatte.

posted by Stadler at 22:39  

25.2.13

Fall Mollath: Weiter nichts Neues aus der Anstalt

Seit einiger Zeit ist der Wiederaufnahmeantrag von Mollaths Verteidiger Strate öffentlich bekannt, der sich wie eine Fehlerchronik der Justiz liest. Mich hat daran allerdings etwas verwundert, dass sich der Antrag explizit auf das Beweis- und Aktenmaterial beschränkt, das dem Landgericht Nürnberg-Fürth bei seinem Urteil am 8.8.2006 zur Verfügung stand oder bei ordnungsgemäßer Aufklärung schon damals hätte zur Verfügung stehen können. Im Zentrum des Antrags steht deshalb der Vorwurf der vorsätzlichen Rechtsverletzung durch Gericht und Sachverständige, während betont wird, dass die neuen Erkenntnisse, die die Staatsanwaltschaft Regensburg gewonnen hat, bewusst nicht verarbeitet wurden, weil sich der Verteidigerantrag als Ergänzung des zu erwartenden staatsanwaltlichen Antrags versteht. Der Schuss könnte natürlich nach hinten losgehen, sollte die Staatsanwaltschaft doch keinen Wiederaufnahmeantrag stellen. Zumal mir etwas der Glaube daran fehlt, dass ein Gericht dem seinerzeit entscheidenden Gericht tatsächlich Rechtsbeugung attestieren wird.

Lesenswert ist auch der Blogbeitrag von Henning-Ernst Müller, der offenbar Einsicht in die Akte hatte und zu dem Schluss kommt, dass in dem Verfahren derart viele und so erhebliche Fehler gemacht worden seien, dass die Rechtskraft des Urteils und die weitere Unterbringung nicht mehr mit rechtsstaatlicher Legitimität aufrecht erhalten werden könne.

Oliver Garcia befasst sich in einem neuen Blogbeitrag mit der Rolle des Gutachters Klaus Leipziger und legt auch juristisch überzeugend dar, weshalb man dessen maßgebliches Gutachten als fehlerhaft und nicht tragfähig einschätzen muss. Das bestätigt meine bereits vor einiger Zeit hier vertretene Ansicht.

Ganz unabhängig davon, ob die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmeverfahrens vorliegen oder nicht, ist mittlerweile wohl mehr als deutlich, dass die Voraussetzungen einer Unterbringung zu keinem Zeitpunkt in ordnungsgemäßer und rechtsstaatlicher Art und Weise festgestellt wurden. Und das kann und muss bei der Frage der Fortdauer berücksichtigt werden.

Je mehr Fakten und Details bekannt werden, umso stärker erinnert der Fall Mollath allerdings an „Einer flog über das Kuckucksnest“ und weniger an ein rechtsstaatliches Verfahren.

posted by Stadler at 22:13  

28.12.12

Mollath: Irgendwie gefährlich

Unter dem Titel „Irgendwie gefährlich“ nimmt der Jurist, Kriminologe und Psychologe Thomas Galli in der SZ vom 27.12.2012 (S. 2) den Fall Mollath zum Anlass, die gesetzlichen Regelungen zu kritisieren, die die Gefährlichkeit als maßgebliche Voraussetzung einer Unterbringung in der Psychiatrie ansehen.

Denn es gibt laut Galli keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass Gefährlichkeitsprognosen auch nur annähernd präzise möglich sind. Und wer einmal als gefährlich eingestuft worden ist, gerate laut Galli in einen Teufelskreis, denn niemand wolle die Verantwortung dafür übernehmen, diese Prognose zu revidieren. Letztlich tue man nur so, als könnte man die Gefährlichkeit eines Individuums wissenschaftlich objektivieren und messen.

Bezogen auf den Fall Mollath ist auch frappierend, wie wenig ihm gedroht hätte, wäre er nur als gewöhnlicher Straftäter qualifiziert worden. Denn Mollath hätte – gefährlich oder nicht – für die ihm vorgeworfenen Straftaten voraussichtlich nur eine Bewährungsstrafe erhalten und wäre nie in Haft gegangen. Nur weil er im Strafprozess als schuldunfähig eingestuft wurde, sitzt Mollath letztlich seit sieben Jahren in der Psychiatrie. Mollath gilt also im Grunde nur deshalb für die Allgemeinheit als dauerhaft gefährlich, weil er für verrückt gehalten wird. Man kann sich hier durchaus die Frage stellen, weshalb die Schwelle für eine Unterbringung nach § 63 StGB – wie im Falle Mollath – deutlich niedriger ist, als beispielsweise bei einer Unterbringung eines schuldfähigen Täters in der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB.

posted by Stadler at 22:55  

28.12.12

Der Streit um die Meinungshoheit im Fall Mollath ist auch ein journalistisches Lehrstück

Die ZEIT und der SPIEGEL haben unlängst versucht, den Fall Mollath in einem anderen Licht darzustellen und die These vom Justizirrtum zu widerlegen. Der Versuch, die Meinungsführerschaft der Süddeutschen zu brechen, war beiden Artikeln gemein. Beide Artikel bieten Anlass dafür, sich über die Seriosität und Ausgewogenheit der Berichterstattung Gedanken zu machen.

Der Beitrag der ZEIT, der zunächst zumindest fundierter wirkte als der bei SPON, hat sich vor allem mit der unrichtigen Behauptung ins Aus geschossen, Mollath hätte den Strafverteidiger Gerhard Strate nicht mandatiert, was man mit der These verknüpfte, Mollath würde es sich in der Rolle des Märtyrers der bayerischen Strafjustiz bequem machen. Denn wie sich kurze Zeit später herausstellte, hatte Mollath Strate bereits vor Erscheinen des ZEIT-Artikels mit dem Wiederaufnahmeverfahren beauftragt. Eine steile These deren Ausgangspunkt eine falsche Tatsachenbehauptung ist, ist nicht unbedingt das, was man sich unter Qualitätsjournalismus vorstellt.

Dass aus dem Kontext gerissene Einzelumstände fast immer die Möglichkeit bieten, einen Sachverhalt in gänzlichem Gegensatz zur Wirklichkeit darzustellen, weiß im Grunde jeder. Um diese Technik im konkreten Einzelfall zu erkennen, muss man sich als Leser aber bereits intensiv mit einem bestimmten Thema befasst haben. Und genau das haben die meisten Leser von ZEIT oder SPIEGEL natürlich nicht getan. Vielmehr vertrauen sie darauf, dass ihnen ein solide recherchierter Bericht geboten wird, der die Fakten ausgewogen beleuchtet. Ein Vertrauen, das zumindest in diesem Fall nicht gerechtfertigt war.

Die Süddeutsche hat in der Sache Mollath im Anschluss an die Artikel von SPIEGEL und ZEIT nochmals nachgelegt, was wie ein Seitenhieb auf ZEIT und SPIEGEL wirkte. Die Süddeutsche weist darauf hin – was ZEIT und SPON verschweigen – dass die psychiatrische Untersuchung Mollaths im Strafverfahren überhaupt erst auf Initiative seiner Exfrau erfolgte. Wenn man sich vor diesem Hintergrund die Chronologie der Gutachten und gutachterlichen Stellungnahmen zum Geisteszustand Mollaths vor Augen führt, gewinnt die eidesstattliche Versicherung des Zahnarztes Edward Braun deutlich an Plausibilität. Braun hatte erklärt, Mollaths Frau habe ihm gegenüber telefonisch angekündigt, ihren Mann fertig zu machen und auf seinen Geisteszustand überprüfen zu lassen, sollte er ihre Geschäfte zur Anzeige zu bringen.

Auch mit dem von ZEIT und Spiegel für den Geisteszustands Mollaths ins Feld geführten Umstand, Mollath hätte sich in der Einrichtung über längere Zeit hinweg geweigert, sich zu waschen, beschäftigt sich die SZ. Offenbar hatte Mollath angegeben, sich aufgrund von Allergien seit Jahren lediglich mit Kernseife zu waschen, die man ihm in der Einrichtung aber verweigerte. Anschließend hat er sich dann solange nicht gewaschen, bis er schließlich die Kernseife bekam. Sprechen derartige Umstände tatsächlich für eine gestörte Psyche? Jedenfalls kann man auch an solchen Nebensächlichkeiten ganz offensichtlich eine Story in eine bestimmte Richtung hochziehen, wie die ergänzende Stellungnahme der Journalistin Beate Lakotta recht anschaulich belegt.

Dabei gerät in der Berichterstattung insgesamt aus dem Blick, was juristisch relevant ist. Das ist nämlich die Frage, ob Mollath tatsächlich Straftaten begangen hat und ob er (weiterhin) eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Und das erscheint auf Basis der bekannten Fakten mittlerweile mehr als zweifelhaft. Diese Schlussfolgerung ist zu ziehen und sie wird jetzt voraussichtlich auch juristisch gezogen werden. Im Streit um die journalistische Meinungsführerschaft scheint das aber keine Rolle zu spielen.

Die Berichterstattung der ZEIT und des SPIEGEL ist erkennbar von dem Wunsch getragen, einen Scoop zu landen. Es wäre wenig spektakulär gewesen, nur das zu wiederholen, was andere bereits geschrieben haben. Es musste deshalb etwas Neues her. Aus diesem Grund wurde das bisher Geschriebene in Zweifel gezogen, um einen Kontrapunkt zu setzen. Um dieses Ergebnis zu erreichen, war es erforderlich, Fakten selektiv darzustellen und auch die ein oder andere Unwahrheit einzustreuen.

Die journalistische Technik die ZEIT und SPON hier anwenden, habe ich im Laufe der Jahre bei Themen, mit denen ich mich auskenne, immer wieder beobachten können. Der Tendenzjournalismus ist wohl deutlich weiter verbreitet, als gemeinhin angenommen wird. Und diesen Umstand sollte man bei allem was man liest berücksichtigen, egal in welchem (vermeintlich) seriösen Medium ein Beitrag erscheint. Denn auch Blätter wie ZEIT oder SPIEGEL sind bereit, dem Leser etwas vorzugaukeln, wenn dadurch die Story spektakulärer wird.

posted by Stadler at 09:16  
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