Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.6.13

Der Fall Mollath ist über den Einzelfall hinaus von Bedeutung

Morgen wird Gustl Mollath persönlich im Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags aussagen. Ein Ausschuss, der schon einige interessante Aussagen zu Tage gefördert hat, u.a. die des verurteilenden Richters Otto Brixner, der einräumt, die Verteidigungsschrift Mollaths samt Anlagen nicht gelesen zu haben oder die eines Generalstaatsanwaltes, der das Urteil gegen Mollath für mehr als schludrig hält.

In der heutigen Aussage der SZ kritisiert Heribert Prantl die im Fall Mollath maßgebliche gesetzliche Regelung des § 63 StGB mit den Worten:

Existenzielle Eingriffe erfordern existenzielle Sorgfalt – auch vom Gesetzgeber. Der Fall Mollath ruft nach einer gründlichen Reform des Mollath-Paragrafen.

Mir stellt sich hierbei allerdings tatsächlich die Frage, wie der Gesetzgeber das genauer regeln sollte. Die Vorschrift des § 63 StGB lautet:

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Im Fall Mollath ist das vordergründige Problem, dass ein Gericht und ein bzw. mehrere Gutachter die existentielle Sorgfalt haben vermissen lassen, die notwendig ist, wenn man jemanden langjährig zwangsweise unterbringt. Bedenklich ist in diesem Kontext aber ein allgemeiner Trend. Die strafrichterlich angeordneten Unterbringungen haben sich in den letzten 25 Jahren verdreifacht. Sachverständige und Gerichte sind also zunehmend schneller bei der Hand, wenn es darum geht, jemanden zwangsweise unterzubringen. Es gibt einen gefährlichen Trend zur Zwangspsychiatrisierung. Und hier stellt sich dann in der Tat die Frage, wie man die existentielle Sorgfalt, die Prantl zu Recht einfordert, gewährleisten kann. Wenn man am Gesetz nichts ändert, wird es vermutlich immer wieder Fälle geben, in denen Brixeners und Leipzigers zusammenkommen und sich beachtliche juristische und psychiatrische Fehlleistungen potenzieren.

In privaten Diskussionen zum Fall Mollath höre ich außerdem immer wieder die Aussage, Mollath sei ja vielleicht doch verrückt, zumindest extrem seltsam. Das mag sein, nur hat er die Straftaten, die ihm vorgeworfen werden, möglicherweise nicht begangen und für die Annahme er sei für die Allgemeinheit gefährlich, spricht auch nicht viel. Und diese beiden Fehleinschätzungen bekommt man auch durch eine gesetzliche Neuregelung nicht in den Griff.

Der Fall Mollath ist auch deshalb wichtig, weil er Missstände aufzeigt, die einer sorgfältigen Aufarbeitung bedürfen. Gesetzgeber und Gesellschaft müssen sich Gedanken darüber machen, wie man solche Fälle künftig vermeidet. Wir müssen über den konkreten Fall hinaus über die Mängel in der Justiz und der Psychiatrie reden, die solche Fehlleistungen überhaupt erst möglich machen. Denn es gibt vermutlich noch mehrere Mollaths von denen wir nur nichts wissen.

posted by Stadler at 22:21  

31 Comments

  1. Sehr richtig und wichtig.

    Comment by fernetpunker — 10.06, 2013 @ 22:49

  2. Ich stimme Ihnen zu. Das Umdenken muß eher bei der Rechtsprechung als bei der Legislative stattfinden.

    § 63 StGB war ein Schwerpunktthema beim Strafverteidigertag 2009. Gabriele Steck-Bromme hat dort diese treffende Formulierung gefunden (http://www.strafverteidigertag.de/Strafverteidigertage/Ergebnisse/33_AG6_Steck-Bromme.htm):

    Der § 63 StGB – mit seinen ungeheuerlichen Konsequenzen, mit seinem Riesenaufwand und mit den enormen Kosten – dieser § 63 war eindeutig als extreme Ausnahmevorschrift gedacht, und so wurde er auch jahrzehntelang gehandhabt. In den letzten Jahren aber sind die Unterbringungen explosiv angestiegen, ohne dass am § 63 auch nur ein Komma verändert worden wäre.

    Ebenfalls lesenswert:

    http://www.strafverteidigervereinigungen.de/Strafverteidigertage/Ergebnisse/33_AG6_Jasch.htm

    Die Konjunktur der Maßregeln stellt kein isoliertes Phänomen innerhalb des Strafrechts dar sondern fügt sich nahtlos ein in eine Rechtsentwicklung, die vor allem in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts spürbar wurde: Schrittweise aber kontinuierlich entwickelt sich das Strafrecht von einem retrospektiv-reaktiven hin zu einem präventiv-proaktiven Instrument. Das ursprünglich schuldvergeltende Strafrecht mit einer präventiven Zweckbestimmung wird dabei zum Teil umgewandelt in ein Sicherheitsrecht.

    Zu Tendenzen in der BGH-Rechtsprechung, § 63 StGB wieder auf den vernünftigen Kern zurückzuführen:

    http://blog.delegibus.com/2013/02/24/der-fall-mollath-ein-mehrpersonenstuck-teil-2/

    In dem Gesetz ging es darum, die Vollzugsreihenfolge zu ändern, um die Scharen der neuerdings psychisch Kranken zunächst in den Gefängnissen “parken” zu können, bis sie an die fertiggestellten Maßregelanstalten überstellt werden. Da nach neuesten Erkenntnissen der Fachwelt beinahe jeder Zweite als psychisch gestört gilt, wird die Umschichtung von (befristet) Strafgefangenen zu (unbefristet) Untergebrachten noch lange nicht abgeschlossen sein.

    Daß der BGH vereinzelt noch versucht, der Pathologisierungsbewegung auf strafrechtlichem Gebiet Einhalt zu gebieten, läßt sich an einem Beispielsfall illustrieren, der etwas ausführlicher dargestellt werden soll, weil er sich gut zum Fall Mollath ins Verhältnis setzen läßt:
    […]

    Comment by O. García — 10.06, 2013 @ 23:00

  3. Es gibt europäische Staaten, die es grundsätzlich ablehnen Personen mit Zwang in die Psychiatrie einzuliefern. Das wird nur dann gemacht, wenn es mind. 2 unabhängige Instanzen gibt, die ein Gutachten bestätigen. Es würde schon helfen, wenn es einen Zwang für einen weiteren Gutachter gibt, der in keiner Verbindung mit der begutachtenden Institution steht.

    Comment by Peter Gratz — 10.06, 2013 @ 23:21

  4. Meines Wissens gewähren die Niederlande seit Jahrzehnten immer noch jedem Flüchtling aus der deutschen Psychiatrie unter den entsprechenden Umständen politisches Asyl.

    Comment by Bonzo — 11.06, 2013 @ 00:03

  5. „Mollath sei ja vielleicht doch verrückt, zumindest extrem seltsam“

    Eben. Beides ist ja glücklicherweise nicht verboten.

    Comment by Jens — 11.06, 2013 @ 01:16

  6. Prantl zeigt, dass er im System nicht außerhalb des Systems denkt. Die „Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus“ mit der gerichtlichen Diagnose der Gemeingefährlichkeit gehört zu einem ganzen Komplex, den wahrscheinlich die wenigsten überschauen. Der ganze Komplex fällt wohl unter den Begriff der „negativen Spezialprävention“.

    Dazu das BVerfG 1977 in BVerfGE 45, 187 (257):
    „Der Strafzweck der negativen Spezialprävention durch Sicherung vor dem einzelnen Täter kann durch dessen Verwahrung auf Lebenszeit vollkommen erreicht werden. Ob aber der lebenslange Vollzug der Freiheitsstrafe aus Sicherheitsgründen auch notwendig ist, hängt von der Rückfallgefahr ab. Sie ist, wie sich aus der Umfrage bei den Ländern ergibt, bei Mördern gering (etwa 5%), während die übliche Rückfallhäufigkeit 50 bis 80% beträgt. Dieser Umstand läßt die vom Landgericht angestellte Erwägung begründet erscheinen, daß der Sicherungszweck allein die ausnahmslose Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe bei Mord nicht rechtfertigt.“

    Sicherungsverwahrung gehört zweifellos auch zu dieser Art negativer Spezialprävention. Dazu heißt es in Wikipedia, das BVerfG habe den „Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens 31. Mai 2013 verfassungskonforme Regelungen zu schaffen und die Sicherungsverwahrung neu auszugestalten.“ Ist das geschehen?

    In den Kontext gehört wohl auch das Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) http://www.gesetze-im-internet.de/thug/BJNR230500010.html das mir ein Ad-Hoc-Gesetz zur Umgehung des Verbots nachträglicher Sicherungsverwahrung darstellt. Im ThUG sind einige konkrete Anforderungen genannt, die erfüllt sein müssen, um jemanden als gemeingefährlich wegzusperren, darunter (§ 1) dass derjenige „an einer psychischen Störung leidet und eine Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit, ihres Vorlebens und ihrer Lebensverhältnisse ergibt, dass sie infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird“.

    Legt man solche Maßstäbe an, kann man über die Beliebigkeit von § 63 StGB nur lachen – oder weinen.

    Eingeführt wurde die negative Spezialprävention ins deutsche Recht anscheinend durch das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933. Das BVerfG befand noch 2004, dass dies ein Fortschritt gegenüber „Todesstrafe, Galeerensklaverei oder Deportation“ war (BVerfGE 109, 133 (134)).

    Negative Spezialprävention erscheint mir insgesamt ein ziemlich fragwürdiges Konzept zu sein. Aber die guten Deutschen haben sich dran gewöhnt.

    Comment by Erbloggtes — 11.06, 2013 @ 02:51

  7. Wenn man 500.000 nicht nimmt und die Klappe hält, muss man wirklich „verrückt, zumindest extrem seltsam“ sein. :-)

    Comment by fernetpunker — 11.06, 2013 @ 04:45

  8. Es ist dringend geboten,dass das Verfassungsgericht auch eine Amtsausforschende Stellung einnimmt und Weisungen mit sofortiger Wirkung erlassen kann!Wie ein Fall Mollath unter den Augen der Verfassungsschützer über sieben Jahre ohne zumindest sofortige Abänderung der eklatanten Verfassungsverstöße existieren kann, ist inakzeptabel den freiheitlich demokratischen Rechtstaat mit seiner zugrundeliegenden Verfassung zerstörend – im Einzelnen wie im Gesamten!

    Comment by susi — 11.06, 2013 @ 07:43

  9. Diskutieren wir also über die Justiz. Es gilt der alte Satz: Du kannst es schnell haben, Du kannst es billig haben und Du kannst es gut haben. Wähle zwei.

    Man kann natürlich schon gründlicher arbeiten lassen, nur wird man dann möglicherweise mehr Richter brauchen http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/richterdienstgericht-urteil-rdg-6-12-richter-karlsruhe-faul-unabhaengigkeit/2/ und das könnte Geld kosten. Hier können wir dann auch gleich mit der Diskussion aufhören, denn der Staat will nicht mehr, sondern weniger Geld für die Justiz ausgeben vgl. etwa die aktuellen Bemühungen zur PKH und BerH. Schnell geht bei der Justiz jetzt schon nichts.

    Die selbsternannten Eliten sind auch nicht auf eine gute Justiz angewiesen, denn ihnen passiert es höchstens ganz ausnahmsweise, dass sie in deren Räderwerk geraten und wenn dann haben sie Topanwälte. Im Gegenteil ist eine schlechte Justiz von Vorteil, da sie leichter politisch lenkbar ist. So kann man schöne Schaufenstergesetze schaffen und einen Rechtsstaat auf dem Papier haben ohne ihn verwirklichen zu müssen.

    Comment by ThorstenV — 11.06, 2013 @ 08:20

  10. http://www.spiegel.de/panorama/justiz/umstrittener-psychiatriefall-ex-frau-belastet-gustl-mollath-a-904926.html

    Comment by Franzy — 11.06, 2013 @ 09:19

  11. @ Franzy:
    Was soll die Frau auch anderes sagen?

    Aber an den Fakten hat sich ja nichts geändert, denn der Bericht der Innenrevison ist Tatsache, auch die Intervention des Richters und auch das Verhalten von Mollath damaligem Anwalt.

    Ebenfalls laufen mind. 20 Steuerstrafverfahren.

    Comment by Anonymous — 11.06, 2013 @ 12:47

  12. „Auch Regensburg hat Fall Mollath verschleppt“

    http://www.br.de/nachrichten/oberpfalz/mollath-landgericht-regensburg-hat-fall-verschleppt-henning-mueller-102.html

    Comment by Franzy — 11.06, 2013 @ 15:43

  13. Die gesamte Justiz und der STrafvollzug gehören gründlichst reformiert.
    „Zwangsbehandlung“ fängt schon im „normalen STrafvollzug“ an wenn „normale“ Gefangene mit DEm Versprechen vorzeitiger Entlassung in eine sogenannte „sozialtherapeutische Abteilung“ gelockt werden.
    Andererseits werden Therapie und Gespräche sogar seitens der Anstalt verweigert….eine Logik wie sie wohl nur die Justiz verstehen kann.
    So wundert mich im Fall Mollath eigentlich garnichts mehr…leider!

    Comment by xaver — 11.06, 2013 @ 20:24

  14. @ThorstenV. Der Vorsitzende Richter Brixner hat im Falle Mollath mehrfach Recht gebeugt (siehe u.a. Wiederaufnahmeantrag Strate). Was hat das mit Richtermangel und Unterfinanzierung zu tun, frage ich Sie, wenn ein Richter der jetzigen Frau seines ehemaligen Handballschützlings gemäß das Recht beugt (Quelle: Report Mainz/ARD)?

    Comment by fernetpunker — 12.06, 2013 @ 02:59

  15. Ich meine Mollath hat auch Auswirkungen auf die Wahl.
    Am 2.3.2013 habe ich dem Bayerischen Ministerpräsident einen Brief geschrieben:
    „Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Bayern Geltung
    verschaffen. Im Interview mit Telepolis sagt die Anwältin von Gustl Mollath: „Mollath wurde in einem Maße, wie es kaum zu beschreiben ist,
    Unrecht zugefügt“. (http://home.broadpark.no/~wkeim/files/1303stre-ba.htm)

    Der Minsiterpräsident lässt am 14.3.2013 antworten, dass er versteht, dass ich mich an ihm wende, weist auf den Wiederaufnahmeantrag hin, der „allein den unabhängigen Gerichten“ obliegt. Weiter schreibt er Ich würde es
    begrüssen, wenn bei Ihrer persönlichen Bewertung auch die in diesem Rahmen öffentlich (Staatsministerin Dr. Merk)mitgeteilten Informationen Berücksichtigung finden.“
    (http://home.broadpark.no/~wkeim/files/130314ba.pdf )

    Staatsministerin Dr. Beate Merk schreibt: „Aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten richterlichen Unabhängigkeit kann ich mich zu diesem Verfahren nicht äußern.“

    Art. 97 (1) GG lautet „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.“ Diese Forderung des Grundgesetzes ist in Bayern nicht verwirklicht. Richter werden angestellt, befördert und unterliegen der Dienstaufsicht des Justizministeriums. Staatsanwälte unterliegen den Weisungen des Justizministeriums.
    (http://home.broadpark.no/~wkeim/files/1303stre-ba.htm )

    Immer wenn ich in den letzten Jahren, darauf hinwies, dass das nicht europäischen Normen entspricht, bekam ich zur Antwort, dass das der
    demokratischen Legitimation diene.

    Alle mit Mollath befassten Richter – auch jetzt bei der Verzögerung der Wierderaufnahme – sind durch Angestellung, Beförderung und der
    Dienstaufsicht dem CSU-Justizministeriums unterworfen und stellen sich über
    das Gesetz.

    Dafür ist die CSU verantwortlich und ist deshalb abzuwählen.

    Comment by Walter Keim — 12.06, 2013 @ 09:28

  16. @Walter Keim:
    Nur zwei Anmerkungen. Das Grundgesetz gilt natürlich auch in Bayern. Staatsanwälte sind keine Richter, sondern (weisungsgebundene) Beamte.

    Comment by Stadler — 12.06, 2013 @ 09:42

  17. @Bonzo, Sie schrieben:

    „Meines Wissens gewähren die Niederlande seit Jahrzehnten immer noch jedem Flüchtling aus der deutschen Psychiatrie unter den entsprechenden Umständen politisches Asyl.“

    Da wüsst ich gern mehr.

    Comment by Schwarz — 12.06, 2013 @ 09:52

  18. Pressemitteilung im Fall H. Mollath

    http://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/landgerichte/bayreuth/13_06_12_pressemitteilung_gustl_m.pdf

    Comment by Franzy — 12.06, 2013 @ 10:22

  19. @14 fernetpunker Gerechtfertigt hat aber auch er es (wie es häufig der Fall ist, wenn man den Fehler selbst nicht mehr vertuschen kann) damit, dass er so sehr im Stress war. Da kann man doch nicht auch noch lesen, was der Angeklagte vorträgt. Im Gegenteil muss man da alles tun, um den Fall schnell durchzubringen. Man muss da auch ein wenig tricksen, damit der Fall möglichst sauber aussieht, sonst schöpft noch der BGH Verdacht und man muss dann nochmal ganz von vorn anfangen und alles Mögliche auch tatsächlich ermitteln, statt es in freier richterlicher Überzeugung als wahr, da völlig plausibel anzunehmen.

    Es ist mir schon klar, dass das Berufen auf unvermeidbare Schlamperei nur der letzte Verzweiflungsschritt ist, den die Justiz erst dann tut, wenn der ganze Koffer an Vertuschungsmöglichkeiten (das fängt ja vorbauend schon im Verfahren selbst an, wo man zu Deals und Rechtsmittelverzicht drängt) ausnahmsweise mal nicht gewirkt hat. Trotzdem ist es aber grundsätzlich ein sinnvoller Einwand der Justiz zur Selbstverteidigung, denn ultra posse nemo obligatur gilt auch für Richter. Da der Fall Mollath inzwischen vom „Ist doch alles in Ordnung“-Stadium zum „Nicht in Ordnung, aber wir konnten nicht wirklich was dagegen tun“-Stadium übergegangen ist, muss sich auch die Gegenargumentation anpassen. Wir sind ja keine Richter, sondern an echter Klärung der Gründe interessiert. Da muss man auch in Betracht ziehen, dass es ein Systemfehler ist und die scheinbaren Akteure tatsächlich nicht oder nur teilweise das wirkliche Problem sind d.h. es sich nicht nur um eine Schutzbehauptung handelt, dass die Justiz vollkommen überfordert wäre, müsste sie gesetzestreu handeln.

    Comment by ThorstenV — 12.06, 2013 @ 16:25

  20. @Torsten V

    No, Sir: Typen wie Ex-Vors. Landrichter Otto Brixner sind nicht überfordert. Sondern überflüssig, überbezahlt und das Realresultat langjähriger CSU-Alleinherrschaft im Freistaat Bayern

    Comment by Schwarz — 13.06, 2013 @ 15:33

  21. @ThorstenV. Die Aussage von Brixner, er habe noch andere Sachen zu bearbeiten gehabt, ist doch in dem Falle Gustl Mollath eine Schutzbehauptung! Ihre Ausführungen gehen an der Sache vorbei. Hier war man nicht überarbeitet, sondern es ist vorsätzlich das Recht gebeugt worden. Für den Anruf bei der Finanzverwaltung war Herr Brixner z.B. nicht zu überarbeitet.

    Comment by fernetpunker — 13.06, 2013 @ 22:59

  22. @ThorstenV: Selbstverständlich ist das nur eine Schutzbehauptung! Wegen Arbeitsüberlastung gesetzliche Vorschriften nicht einhalten zu können? Glauben Sie, dass ein Bürger mit dem Verteidigungsansatz vor Gericht durchkommen würde? Gerade von der Justizt kann man aufgrund ihrer Vorbildfunktion erwarten, dass sie sich – gerade auch in schweren Zeiten – erst Recht an die Vorschriften hält!

    Comment by BrainBug2 — 14.06, 2013 @ 20:09

  23. @Erbloggtes: „Negative Spezialprävention erscheint mir insgesamt ein ziemlich fragwürdiges Konzept zu sein.“

    Negative Spezialprävention besagt m.W. eigentlich nur, dass der konkrete Täter (spezial) durch die Strafe davon abgehalten wird (prävention), erneut Angriffe auf das Wohl der Allgmeinheit auszuüben (negativ, weil auf den Täter durch Ausschluss von der Gesellschaft eingewirkt wird).

    Diesen Ansatz, eine Strafe durch den Staat zu rechtfertigen, halte ich für absolut legitim. Wenn der Gesetzgeber z.B. für Diebstahl einen Strafrahmen von bis zu 5 Jahren Haft ( § 242 StGB) aufstellt, dann darf er bei der Entscheidung über die Höhe dieses Strafrahmens sehr wohl einfliessen lassen, für wie lange er den Täter der Tat wegen von der Gesellschaft fernhalten lassen will – auch mit dem negativ spezialpräventiven Motiv, dass der Täter diese Tat in dieser Zeit der Gesellschaft nicht mehr zufügen kann.

    Grundvoraussetzung für jede Strafsetzung in einem Rechtsstaat ist aber, dass die Strafe selbst nach rechtsstaatlichen Grundsätzen bemessen wird.

    Gerade das ist aber bei der Sicherungsverwahrung ebenso wie bei der Unterbringung in einem psychatrischen Krankenhaus nicht der Fall. Hier erfolgt die Freiheitsentziehung – das massivste Sanktionsmittel einer Gesellschaft abgesehen von der Todesstrafe-, ohne dass sie von der Vorwerfbarkeit abhängig gemacht. Hier erfolgt die Freiheitsentziehung, ohne dass deren Höchstdauer vorab durch eine Entscheidung des Gesetzgebers vorgegeben ist. Hier erfolgt die Freiheitsentziehung aufgrund der Prognose, wie sich der Täter zukünftig verhalten werde.

    Jeder dieser drei Rechtfertigungsgründe für sich macht die Freiheitsentziehung für einen Rechtsstaat bereits unzulässig. Wenn der Staat sich entscheidet, eine Tat dem Täter nicht vorwerfen zu können, dann darf er die Tat auch nicht sanktionieren. Wenn man zur Rechtsstaatlichkeit richtigerweise die Abschätzbarkeit von Rechtsregeln zählt, dann muss man auch für Sicherungsverwahrungen einen Höchstrahmen auf Basis der zu ahndenden Tat durch Gesetz verlangen. Und drittens: Wenn die Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßnahme von einer Prognose zukünftigen Verhaltens des Täters abhängig gemacht wird, dann maßt sich der Staat an, hellsehen zu können. Das ist ziemlich nah dran an Willkür, oder? Und schon per se ein Verstoß gegen das Gebot der Menschenwürde, das nach der Idee der Menschenrechte vorstaatlich gilt – und damit sogar unabhängig davon, ob der Staat sich als Rechtsstaat definiert.

    Comment by BrainBug2 — 14.06, 2013 @ 21:15

  24. Hallo RA Stadler, hier wird nicht rechtsadvokatisch, sondern bürgerrechtlich zur AFFÄRE MOLLATH argumentiert
    http://filmundbuch.wordpress.com/2013/06/14/die-affare-mollath-eine-film-und-buchvorstellung-von-richard-albrecht/

    Comment by anon — 14.06, 2013 @ 22:51

  25. Wiederaufnahme-Antrag „light“
    Begründung für erneuten Mollath-Prozess wurde offensichtlich entschärft

    http://gabrielewolff.wordpress.com/2013/05/26/der-fall-mollath-eine-hangepartie/#comment-11466

    Comment by Franzy — 15.06, 2013 @ 14:10

  26. Liebe Juristen,
    es reicht eben nicht, sich auf Fachkompetenz zu berufen. Zu Euerm Metier gehören immer auch gesunder Menschenverstand und Empathie. Sonst kommt es zu solchen Grässlichkeiten wie im Mollath-Fall. Und noch etwas: merkt Ihr nicht (mangels G.M.& E -s.oben), dass das Ganze auch immer ein Zeitgeist-Problem ist: nach Finanzkrise und offshore-leaks kann man nicht mehr von Kavaliersdelikten reden. Mollath war mit seiner Sensibilität und Moralität der Zeit voraus – das hat ihn 7 Jahre in die Psychiatrie gebracht.
    Michael Füting,M.A.

    Comment by Michael Füting M.A. — 15.06, 2013 @ 15:22

  27. Lieber Michael Füting M.A: Genau das dürfte das Problem sein: der verurteilende Richter hat offenbar nach seinem gestunden Menscherverstand und vielleicht mit voller Empathie für das vermeintliche Opfer Petra M. geurteilt. Hätte er streng nach dem Gesetz geurteilt, wäre Mollath heute wohl ein freier Mann.

    Das ist das wertvolle am Gesetz: Es gilt für alle gleich und schützt uns vor dem „gesunden Menschenverstand“ des Einzelnen und der subjektiven Empathie (und ihrer Negation, der Antipathie) des Richters.

    Noch einmal: Hätte der Richter streng nach dem Gesetz geurteilt, wäre Mollath heute wohl frei.Nicht umsonst hat die sta den Vorwurf der Rechtsbeugung erhoben (s. Link Nr. 26)

    Comment by BrainBug2 — 15.06, 2013 @ 19:40

  28. #28 BrainBug2

    Nein. Falsch, hintenrum und bloß geredet. Herr Vors. Landrichter a.D. Otto Brixners Urteil vom 8.8.2006 stellt das schlimmsten Justizverbrechen, das es gibt, dar – vorsätzliche, mehrfache und bis heute wirksame BEUGUNG DES RECHTS. Das hat auch die Staatsanwaltschaft in ihrem ersten großen Wiederaufnahmeantrag so gesehen und als absoluten Grund für einen Wiederaufnahmeprozess gewertet.

    Und Sie kommen hier mit common sense … nein Danke. Wenn Sie schon keine Dokumente lesen, sondern nach common sense beurteilen – der oben #25 genannte Beitrag
    des Bürgerrechtlers fasst auch Brixners strategisches Wegsperrhandeln nochmal zusammen als berufsrichterlich
    veranblaßte SCHWERE FREIHEITSBERAUBUNG. Diese gilt in Deutschland als Verbrechen.

    Comment by stadtschloss — 15.06, 2013 @ 22:15

  29. Der engagierte RA des Herrn Mollath glaubt fest daran, ihn in Kürze aus der Haft zu bringen, ansonsten wird er wieder mal Rechtsmittel einlegen.

    Der „Fall“ (es ist ein echter Fall der Justiz, nicht ein „Fall“ des Herrn Mollath, dieser STEHT wacker alles durch) wird uns noch lange beschäftigen und als Mahnmal des Justizversagens in die deutsche Rechtsgeschichte eingehen.

    Man kann nur hoffen, daß nach dessen Freilassung alles getan wird, ihm durch Entschädigungen (das kann man nicht entschädigen) ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen, damit er die mittlerweile acht Jahre Folter aufarbeiten, und sein Restleben eventuell überhaupt jemals wieder halbwegs genießen kann.

    Jura- und Medizinstudenten wird dieser Skandal zukünftig an allen Unis als abschreckendes Beispiel des Versagens vor Augen geführt.

    Die Beweismittel sind für deren Generationen im Netz gefixt.

    Comment by Schindler — 17.06, 2013 @ 18:36

  30. Hi @Schindler

    ich sags mal naturwissenschaftlich: Rechtsstaat udn Rechtsmittelstaat ergeben ein reziprokes Verhältnis.
    Oder schlichter: je mehr Rechtsmittel ich einbringen muß zur Rechtsdurchsetzung – desto weniger Rechtsstaat gibt es.

    Hoffe, mit dieser Schlichtüberlegung Volljurist(inn)en nicht überfordert zu haben;-)

    Comment by stadtschloss — 17.06, 2013 @ 18:57

  31. Passt schon.

    Comment by Schindler — 17.06, 2013 @ 19:20

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.