Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.3.10

Innovative Bekämpfung von Urheberrechtsverstößen

Die Musik- und Filmindustrie ist nur noch dann innovativ, wenn es um die Verfolgung von Filesharern geht. Neuestes Beispiel ist Warner Bros., die jetzt technikaffine Studenten bzw. Absolventen technischer Studiengänge anwerben, damit diese im Rahmen eines Praktikums Warner bei der Bekämpfung des Filesharings unterstützen. Das wirklich schlagende Argument von Warner lautet, dass diese jungen Leute schließlich mit dem Filesharing aufgewachsen sind und deshalb auch Experten auf diesem Gebiet sein müssen.

Und dafür gibt es sogar eine offizielle Stellenausschreibung!

posted by Stadler at 12:25  

26.3.10

Die Schimäre vom Diebstahl des geistigen Eigentums

In der heutigen Ausgabe der Süddeutschen (S. 12), kritisiert Michael Hutter in einem äußerst lesenswerten Beitrag die Rede vom Diebstahl geistigen Eigentums.

In der Tat haben sich Ausdrücke wie „Raubkopie“ und „Diebstahl geistigen Eigentums“ etabliert, wenn man von einer urheberrechtswidrigen Vervielfältigung von Werken spricht. Dieses Bild könnte unrichtiger freilich gar nicht sein, denn beim Diebstahl und beim Raub wird vom Täter eine Sache weggenommen, während in dem anderen Fall ein Geisteswerk kopiert und damit vermehrt wird. Es ist also anschließend nichts weg, sondern in Wahrheit ist noch mehr davon da als vorher. Wenn man einen halbwegs passenden Vergleich zu herkömmlichen Straftaten ziehen will, dann eher zu den Fällen der Erschleichung einer Leistung, die vergütungspflichtig ist.

Unpassende Begriffe wie der der Raubkopie sind eine unmittelbare Folge der Fiktion vom geistigen Eigentum, das nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem tatsächlichen Eigentum gleichgesetzt und dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG unterstellt worden ist.

Die Verlage sowie die Musik- und Filmindustrie klammern sich vehement an diese Vorstellung vom geistigen Eigentum, was den Blick auf das verstellt, was notwendig wäre, um dieser Industrie das Überleben zu sichern.

Denn die Unterhaltungsindustrie hat in Wahrheit noch nie Geisteswerke verkauft, sondern – wie Hutter es in seinem Beitrag für die SZ nennt – immer nur Behälter. Diese Behälter heißen Bücher, Schallplatten, CD’s, DVD’s. Und seit man diese Behälter nicht mehr zwingend benötigt, hat sich gezeigt, dass Geisteswerke nicht wie Sachen festgehalten werden können und es neuer Mechanismen bedarf, wenn man weiterhin an ihrer wirtschaftlichen Verwertung partizipieren will.

Diesen neuen Mechanismen hat sich speziell die Musikindustrie immer strikt verweigert und sie tut das heute noch. Die Major-Labels hätten Ende der 90’er Jahre damit beginnen können, eine große Plattform für den kostenpflichtigen Download von Musik aufzubauen. Stattdessen hat man Tauschbörsen und P2P-Netzwerke und deren User mit juristischen Mitteln verfolgt und sich gleichzeitig Einnahmen in Milliardenhöhe entgehen lassen. Als dann ca. fünf Jahre später Apple der Musikindustrie demonstriert hat, wie man im Netz mit dem Vertrieb von Musik Geld verdienen kann, war man keineswegs begeistert, sondern hat auch diese Entwicklung nur zögerlich angenommen. Der Zug ist in der Zwischenzeit allerdings weiter gefahren. Derzeit ist dennoch deutlich zu erkennen, dass die stark steigende Zahl kostenpflichtiger Downloads die Umsätze der Musikindustrie wieder stabilisiert hat. Das hätte die Industrie vor 10 Jahren auch schon haben können, freilich auf damals noch deutlich höherem Niveau.

Es fehlt der Branche aber weiterhin die Einsicht, dass man zwingend neue Vertriebsformen benötigt, weil man im Laufe der Zeit immer weniger körperliche Werkexemplare verkaufen wird. Diese Entwicklung ist zwangsläufig, kein Gesetzgeber dieser Welt wird sie aufhalten.

Eines dieser Modelle auf das die Industrie setzen könnte, mag es auch noch unausgegoren und mit Blick auf internationale, völkerrechtliche Verträge nicht ohne Schwierigkeiten umsetzbar sein, ist die Idee von der Kulturflatrate.

Die Industrie und offenbar auch die Bundesregierung sind aber noch nicht einmal bereit, über dieses Modell zu diskutieren.

Am Ende wird die Frage nicht sein, ob der juristische Kampf gegen Filesharer legitim ist oder nicht, sondern allein ob er wirtschaftlich sinnvoll ist. Und das ist er nicht. Denn die Eindämmung des Filesharing in den letzten 5 Jahren, auf die sich die Musikindustrie so gerne beruft, hat der Industrie keine steigenden Umsatzzahlen beschert. Die Zusammmenhänge sind also möglicherweise doch anders als die Musikindustrie glaubt. Man kann die Branche nicht zu wirtschaftlich sinnvollem Verhalten zwingen, aber zumindest der Gesetzgeber sollte endlich damit aufhören, das Urheberrecht ständig weiter wider die Interessen der Allgemeinheit zu verschärfen.

Die Einführung eines Auskunftsanspruchs gegen Provider in § 101 UrhG hat bisher nur zur Entstehung eines neuen Abmahnunwesens geführt. Die Zahl der jährlichen Filesharing-Abmahnungen bewegt sich nur im Musikbereich deutlich im sechsstelligen Rahmen, wovon wiederum bestimmt 90 % auf sog. One-Song-Abmahnungen entfallen. Das ist zwar für einen dadurch neu entstandenen Geschäftszweig um Unternehmen wie DigiProtect lukraktiv, nützt aber der Musikindustrie wenig. Ganz im Gegenteil verschlechtert man sein Ansehen damit nur weiter. Solange Politik und Industrie aber in ihrer reflexhaften und rückwärtsgewandten Haltung übereinstimmen, dürfte sich wenig ändern.

posted by Stadler at 11:30  

23.3.10

Bushido: Filesharing-Abmahner und Urheberrechtsverletzer

Der meines Erachtens wenig talentierte Rapper Bushido gehört zu denjenigen Künstlern, die das lukrative Geschäft mit dem Filesharing-Abmahungen selbst in die Hand genommen haben.

Dass er allerdings selbst in beträchtlichem Ausmaß das Urheberrecht Dritter verletzt, hat heute das Landgericht Hamburg entschieden (Urteil vom 23.03.2010, Az.: 308 O 175/08, 310 O 155/08). Bushido und sein Verlag wurden zur Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz dem Grunde nach verurteilt und Bushido persönlich auch zu sog. Billigkeitsentschädigung. Auch die Klaganträge auf Rückruf der Tonträger und Vernichtung waren offenbar erfolgreich.

posted by Stadler at 18:24  

8.3.10

Aktuelle Filesharing-Abmahnungen der Kanzlei Kornmeier

Die Rechtsanwälte Kornmeier & Partner, bekannt als Massenabmahner im Bereich des Filesharing, sind in letzter Zeit häufiger für andere Auftraggeber als die Firma DigiProtect tätig. Namentlich Abmahnungen für die

-Superstar Entertainment GmbH & Co. KG (Tobias Schulz, Guten Morgen Sonnenschein, Bravo Hits 67) und die

-Ministry of Sound Recordings GmbH (Laurent Wolf, Walk The Line, Sunshine Vol. 32)

sind mir insoweit aufgefallen.

Ob das wohl damit und damit zusammenhängt?

posted by Stadler at 12:48  

6.3.10

Haftung für privates W-LAN

Gerade bin ich auf einen interessanten Beitrag des Kollegen Dr. Roggenkamp zur Frage der Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses für eine rechtsmissbräuchliche Nutzung seines W-LANs, gestoßen. Diese Frage wird der BGH in einigen Wochen verhandeln und anschließend auch entscheiden. Rechtsanwalt Dr. Roggenkamp vertritt nun die These, dass der BGH die Schutzbehauptung der missbräuchlichen Nutzung des W-LANs nicht durchgehen lassen wird und entsprechend der Grundsätze der sog. „Halzband-Entscheidung“ den Anschlussinhaber sogar als Täter einer Urheberrechtsverletzung verurteilen wird.

Wenn man sich diesem Themenkomplex nähert, muss man sich zunächst die Tragweite derartiger Schlussfolgerungen vor Augen führen. Hierzu gilt es, die ganze Bandbreite der Thematik zu betrachten. Es geht nämlich gerade auch um die Zukunft öffentlicher Hotspots und offener Netze im Allgemeinen. Auf meinem Tisch landen auch regelmäßig Fälle von Hotels und Pensionen, die auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, weil Gäste, denen im Hotel Netzzugang gewährt worden ist, dem Filesharing gefröhnt haben. Auch die Studenten-WG, bei der man sich einen Anschluss teilt, zählt zu den Klassikern. Der Dumme ist dort schlicht derjenige, der den Anschluss angemeldet hat.

Die entscheidenden Fragen lauten, ob der Betreiber/Anschlussinhaber verpflichtet ist, sein W-LAN so zu verschlüsseln, dass ein Missbrauch ausscheidet und ob ihn zudem die Pflicht trifft, das Internetnutzungsverhalten seiner Familienangehörigen und Mitbewohner so zu überwachen, dass ein Missbrauch ausgeschlossen ist.

Hier stellt sich zuerst die ganz banale Frage der Möglichkeit einer solchen Kontrolle. Kann der Familienvater die Internetnutzung seines 16-jährigen Sohnes so überwachen, dass sichergestellt ist, dass es nicht zu Urheberrechtsverletzungen kommt? Und wie ist das in einer Studenten-WG? Wer diese Möglichkeit bejaht, der möge mir bitte genau erklären, wie man sich das vorstellen darf. Die einzige realistische Alternative besteht in diesen Fällen nämlich darin, sämtliche Mitbwohner und Familenmitglieder gänzlich von der Internetnutzung auszuschließen. Denn anders lässt sich die Gefahr des Missbrauchs und damit der eigenen Haftung, nicht beseitigen.

Der BGH wird also die Frage zu prüfen haben, ob dies dem Anschlussinhaber möglich und zumutbar ist. Die Kriterien sind bei der Störerhaftung und der Verschuldenshaftung im Grunde dieselben. Was bei der Störerhaftung Prüfpflichten heißt, nennt der BGH im Bereich der deliktischen Haftung Verkehrspflichten.

Ob die „Halzband-Entscheidung“ insoweit tatsächlich aufschlussreiche Anhaltspunkte liefert, darf bezweifelt werden. Gegenstand dieser Entscheidung war die missbräuchliche Nutzung eines eBay-Accounts durch einen Dritten. Der BGH geht in diesem Fall davon aus, dass der Inhaber eines eBay-Accounts gehalten ist, seine Zugangsdaten geheim zu halten und sorgfältig zu verwahren. Verstößt er hiergegen und kann ein Dritter deshalb unter seinem Mitgliedsnamen agieren, muss er sich so behandeln lasen, als hätte er selbst gehandelt. Der BGH betont insoweit auch, dass ein eBay-Account gerade die Möglichkeit eröffnet unter einer bestimmten Identität im Rechtsverkehr zu handeln. Es geht also letztlich auch um die Frage einer Rechtsscheinshaftung.

Diese ganzen Überlegungen treffen auf den Betreiber eines W-LANs nicht zu. Er handelt von vornherein nicht, nach außen erkennbar, unter einer bestimmten Identität im Rechtsverkehr. Dem Inhaber eines eBay-Accounts ist es außerdem auch ohne weiteres möglich, seine Zugangsdaten geheim zu halten und sicherzustellen, dass Dritte keinen Zugriff auf das Mitgliedskonto nehmen können. Auch insoweit ist die Ausgangslage eine gänzlich andere. Denn der Betrieb eines W-LANs dient regelmäßig ja gerade auch dem Zweck, mehreren Personen Zugang zum Internet zu ermöglichen.

Wenn man die Halzband-Entscheidung auf den Betrieb eines W-LANs übertragen wollte, dann würde das beispielsweise bedeuten, dass ein Familenvater und Anschlussinhaber die Zugangsdaten seines W-LAN-Routers strikt geheim halten müsste und keinesfalls seiner Ehefrau und seinen Kindern gestatten dürfte, seinen Internetzugang mitzubenutzen. Eine absurde Vorstellung. Bei eBay kann sich auch jeder ohne weiteres ein eigenes Profil anlegen, weshalb gar keine Notwendigkeit besteht, die Identität eines anderen zu nutzen. Demgegenüber besteht allerdings ein unabweisbares praktisches Bedürfnis dafür, dass sich mehrere Personen einen Internetzugang teilen.

Bei der Frage der Haftung für die missbräuchliche Nutzung von W-LANs spielt aber noch ein anderer Aspekt eine Rolle, der bislang wenig beachtet wurde. Der Betreiber eines W-LANs ist, soweit er anderen Personen den Zugang zum Internet vermittelt, als eine Art Access-Provider zu betrachten, weshalb sich die Frage der Anwendbarkeit des § 8 TMG stellt. Und das ist zumindest für die Bejahung von Schadens- und Aufwendungsersatzansprüchen von Bedeutung.

In der Diskussion fehlt es auch an einer klaren Differenzierung zwischen prozessualen und materiell-rechtlichen Aspekten. Es mag durchaus sein, dass den Inhaber eines Internetanschlusses eine Pflicht zum substantiierten Bestreiten trifft. Das sollte man allerdings nicht mit der materiell-rechtlichen Schlussfolgerung, der Inhaber eines Internetanschlusses würde als Störer oder gar Täter für Rechtsverletzungen haften, verwechseln. Denn diese Schlussfolgerung wird der BGH in der anhängigen Streitsache nach meiner Einschätzung nicht ziehen.

posted by Stadler at 20:46  

3.3.10

BGH verhandelt über die Frage der Haftung für offenes W-Lan

Der Bundesgerichtshof verhandelt am 18.03.2010 (Az.: I ZR 121/08) ein Verfahren, das insbesondere für die Fälle des Filesharing von größter Bedeutung ist. Es geht nämlich um die Frage, ob und inwieweit der Inhaber eines Internetanschlusses dafür haftet, dass sein (offenes) W-Lan von einem Dritten missbräuchlich für Urheberrechtsverletzungen genutzt worden ist. Das OLG Frankfurt hatte in der Berufungsinstanz eine solche Haftung, auch unter dem Aspekt der Störerhaftung, verneint.

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 03.03.2010

posted by Stadler at 17:40  

27.2.10

Großer Artikel über das Geschäftsmodell Filesharing-Abmahnung in der SZ

In der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung vom 27./28.02.2010 beschäftigt sich Johannes Boie unter dem Titel „Hier spielt die Musik“ mit dem Geschäftsmodell der Filesharing-Abmahnindustrie, insbesondere mit dem Netzwerk um die DigiProtect GmbH, die Rechtsanwaltskanzlei Kornmeier und die Fa. DigiRightSolutions. Der Artikel ist u.a. deshalb interssant, weil der Autor die DigiProtect GmbH und Rechtsanwalt Dr. Udo Kornmeier in Frankfurt besucht hat und auch seine diesbezüglichen Eindrücke schildert. Und eine interessante Zahl nennt Boie. DigiProtect hat nach eigenen Angaben im Jahr 2009 zwischen 45.000 und 60.000 Abmahnungen verschickt. Wenngleich ich diese Zahlen noch für eher untertrieben halte, zeigt das bereits die Dimension des Geschäftsmodells „Turn Piracy Into Profit“ auf. Denn DigiProtect ist nur einer von mehreren großen Playern in diesem Geschäftszweig, dessen Erstarken die Folge einer gesetzgeberischen Fehlentwicklung ist.

Update vom 28.02.10:
Der Artikel ist jetzt auch online abrufbar

posted by Stadler at 16:50  

23.2.10

OLG Hamm: Rechtsmissbräuchliche Abmahnung

Ein neues Urteil des OLG Hamm vom 12.11.2009 (Az.: 4 U 93/09) zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit von Abmahnungen ist auch für die Fälle des Filesharing interessant. Darauf hat Jens Ferner zu Recht hingewiesen. Denn das OLG Hamm beanstandet, dass der Anwalt einerseits mit seinem Mandanten pauschal abrechnet und andererseits vom Gegner die Erstattung von Anwaltskosten fordert. Das erinnert in der Tat an die Praxis der meisten Filesharing-Abmahner.

posted by Stadler at 22:00  

19.2.10

Stellen Filesharing-Abmahner selbst Dateien in P2P-Netzwerken bereit?

Die Vermutung, dass Rechteinhaber bzw. Gesellschaften wie DigiProtect Honigtöpfe aufstellen, in die Filesharer dann tappen, geistert immer wieder durch das Netz. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Gesellschaften wie DigiProtect selbst MP3-Dateien in Filesharing-Netzwerken platzieren, um Tauschbörsennutzer in die Abmahnfalle zu locken?

Der Vertrag zwischen DigiProtect und Kontor Records (u.a. Scooter) aus dem Jahre 2007 enthält hierzu folgende Klausel:

„DigiProtect ist verpflichtet, vor Einstellung von Aufnahmen in Netzwerke die gesonderte schriftliche Zustimmung von Lizenzgeber für jedes einzelne Netzwerk einzuholen.“

Ob das dann in einzelnen Fällen auch passiert, bleibt freilich unklar.

posted by Stadler at 17:30  

18.2.10

Filesharing: Wie zuverlässig ist die Ermittlung des Anschlussinhabers?

In der aktuellen Ausgabe der c’t (5/2010, S. 50) stellt Holger Bleich die Beweisführung der Rechteinhaber bei der Ermittlung der Rechtsverletzer in Fällen des Filesharing in Frage.

Wie die Ermittlung und Abmahnung von Filesharern abläuft, habe ich vor einigen Wochen in einem längeren Beitrag erläutert.

Das gerichtliche Auskunftsverfahren, durch das derjenige Anschlussinhaber identifiziert wird, über dessen Anschluss die Nutzung von P2P-Netzwerken stattgefunden haben soll, stellt mittlerweile ein Massenverfahren dar, bei dem sowohl auf Seiten der Antragsteller als auch der Gerichte, insbesondere des Landgerichts Köln, nur noch mit Textbausteinen gearbeitet wird. Eine Einzelfallprüfung findet nicht statt. Die Beschlüsse des Landgerichts Köln enthalten stets folgenden Textbaustein:

Die Kammer sieht dabei von weiteren Ermittlungen ab, da nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 101 Abs. 9 UrhG auszugehen ist und im Rahmen weiterer Ermittlungen nichts Sachdienliches mehr zu erwarten ist.

Wie das Gericht zu dieser Einschätzung gelangt, besagt der Beschluss freilich nicht.

Die Antragsteller, egal ob sie z.B. von den Rechtsanwälten Kornmeier oder wie im Beispiel der c’t von der Kanzlei Nümann & Lang vertreten werden, verweisen im Hinblick auf die angebliche Zuverlässigkeit ihrer Ermittlungsmaßnahmen immer auf Aussagen von „Privatgutachtern“ oder auf eidesstattliche Versicherungen von „Administratoren“, die bestätigen, dass eine Software verwendet wird, die in der Lage ist, eindeutig und zweifelsfrei ein bestimmtes Werk anhand des Hash-Werts zu ermitteln. Das Gericht prüft, auch mangels eigener Sachkenntnis, dabei regelmäßig weder die fachliche Eignung dieser Sachverständigen, noch die Plausibilität der inhaltlichen Aussagen.

Die Hashwert-Methode mag mit hoher Wahrscheinlichkeit zu richtigen Ergebnissen führen, eindeutig und zweifelsfrei sind diese Ergebnisse aber nicht. Es ist unstreitig einerseits so, dass ein und dasselbe Musikstück mit verschiedenen Hash-Werten im Umlauf sein kann und es andererseits zumindest möglich ist, dass inhaltlich unterschiedliche Dateien denselben Hash-Wert aufweisen.

Es kann aber auch bei den Providern zu Fehlern kommen, wenn die IP-Adresse einem Anschlussinhaber zugeordnet wird. Für den Betroffenen ist auch nicht überprüfbar, ob die IP-Adresse, die er angeblich benutzt hat, überhaupt Gegenstand des fraglichen Auskunftsbeschluss ist.

Die c’t hat in ihrem Beitrag das Gutachten, auf das sich die Kanzlei Nümann & Lang regelmäßig beruft, von einem unabhängigen Sachverständigen durchsehen lassen, der erhebliche Mängel und Defizite festgestellt hat.

Die Schlussfolgerung der c’t, dass zwar in den meisten Fällen zumindest der richtige Anschlussinhaber ermittelt wird, dass aber wohl eine gewisse Fehlerquote verbleibt, deckt sich mit den Erkenntnissen meiner Sachbearbeitung. Die Fehlerquote dürfte sich bereits im Prozent- und nicht mehr im Promillebereich bewegen. Nun mag man eine Zuverlässigkeit von 98 oder 99 % für hoch halten. Angesichts von hunderttausenden derartiger Abmahnungen jährlich, bedeutet das aber auch, dass tausende gänzlich Unbeteiligter in Anspruch genommen werden.

Dass außerdem in jedem zweiten Fall der Anschlussinhaber nicht der Verletzer ist, kommt hinzu. Ob der Anschlussinhaber ohne weiteres in Anspruch genommen werden kann, stellt eine umstrittene Rechtsfrage dar, die einer höchstrichterlichen Klärung bedarf.

Das System der Filesharing-Abmahnungen funktioniert auch deshalb, weil Gerichte wie das Landgericht Köln den Angaben der Antragsteller in den Auskunftsverfahren blindlings folgen.

posted by Stadler at 13:00  
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