Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.11.12

Neue Abmahngefahr für Onlinehändler

Das OLG Bremen hat mit Urteil vom 05.10.2012 (Az. 2 U 49/12) entschieden, dass die Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ wegen Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB AGB-rechtlich unzulässig und damit auch wettbewerbswidrig ist. Demgegenüber soll eine Circa-Angabe allerdings zulässig sein.

Das Argument des Gerichts lautet, dass sich die Beklagte mit der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ eine nicht hinreichend bestimmte Frist für die Erbringung der Leistung vorbehält, wodurch die dem Kunden im Falle einer Fristüberschreitung zustehenden Rechte, vor allem die aus §§ 281, 323 und 280 Abs. 2 iVm. § 286 BGB ausgehöhlt würden. Demgegenüber hält das Gericht die Angabe „Lieferfrist ca. 3 Tage“ für zulässig.

Nun besteht das Problem des Versandhändlers natürlich darin, dass er ein exaktes Lieferdatum schon deshalb nicht angeben kann, weil er auf die Postlaufzeiten keinen Einfluss nehmen kann, jedenfalls in Fällen des Standardversands. Dies hat der beklagte Händler versucht durch den Begriff „voraussichtlich“ zum Ausdruck zu bringen.

Das Urteil des OLG Bremen stellt m.E. semantische Haarspalterei dar. Denn circa deutet ebenso wie voraussichtlich die Möglichkeit einer Abweichung an. Wenn man als Synonym von voraussichtlich beispielsweise vermutlich oder wahrscheinlich ansieht, dann wird man der Circa-Angabe auch keinen entscheidend anderen Wortsinn beimessen können.

Die eBay- und Onlinehändler sollten ihre Angaben jedenfalls entsprechend anpassen, denn es werden sich bestimmt Abmahner finden, die sich auf die Entscheidung des OLG Bremen stürzen.

posted by Stadler at 18:29  

2.10.12

Jede fünfte Retoure im Onlinehandel missbräuchlich?

Ein Forschungsgruppe der Uni Bamberg – die von Trusted Shops fachlich und operativ unterstützt wird – ist zu dem Ergebnis gelangt, dass knapp jede fünfte Warenrücksendung (19,1 %) nach Ausübung des Widerrufsrechts bei Fernabsatzgeschäften missbräuchlich sei.

Diese Annahme ist – worauf im shopbetreiber-blog auch hingewiesen wird – bereits deshalb problematisch, weil es im Rechtssinne keinen Missbrauch darstellt, wenn jemand von seinem gesetzlichen Widerrufsrechts gebrauch macht. Die Forschungsgruppe definiert es als missbräuchlich, wenn jemand mit dem Vorsatz bestellt, die Ware innerhalb der Widerrufsfrist zu nutzen und dann an den Händler zurückzuschicken.

Nachdem die Zahlen auf Umfragen bei Versandhändlern beruhen, sind sie zudem mit Vorsicht zu genießen. Denn der Kunde muss keinen Grund für den von ihm erklärten Widerruf angeben. Das heißt aber auch, dass der Händler den Grund für den Widerruf im Regelfall nicht kennt. Ob der Kunde also von Anfang an vorhatte, den Vertrag nicht zu erfüllen und zu widerrufen, lässt sich daher in den meisten Fällen nicht zuverlässig feststellen.

Ob die EU derartige Studien zum Anlass nehmen wird, das Widerrufsrecht in irgendeiner Form zu erschweren oder einzuschränken, zum Beispiel dadurch, dass man dem Verbraucher einen Teil der Versandkosten aufbürdet, halte ich für eher zweifelhaft.

Interessant wäre zudem auch die Klärung der Frage, wie häufig es umgekehrt passiert, dass ein Händler die Rückabwicklung verweigert, obwohl fristgerecht ein Widerruf erklärt worden ist.

posted by Stadler at 12:28  

5.9.12

Notice And Take Down auch für Europa?

Die EU-Kommission hat gerade ein öffentliches Konsultationsverfahren zur Etablierung eines Notice-And-Take-Down-Verfahrens – sie nennt es notice & action – durchgeführt. Hintergrund sind Überlegungen, in Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie eine Regelung über ein formalisertes Notice-And-Take-Prozedere, offenbar nach dem Vorbild des amerikanischen DMCA, aufzunehmen.

Der Digital Millennium Copyright Act (DMCA)  sieht ein sog. Notice-And-Take-Down-Verfahren vor, das einen Hoster vollständig aus der Haftung für eine Urheberrechtsverletzung entlässt, sofern er auf einen entsprechenden Hinweis hin den beanstandeten Content umgehend vom Netz nimmt. Wozu das führt, zeigt ein aktueller Berichts von Heise-Online.

Wenn man Hoster und Portalbetreiber gesetzlich ermuntert, möglichst zügig zu löschen, sobald auch nur eine Löschaufforderung eines (vermeintlich) Verletzten vorliegt, dann muss das zwangsläufig dazu führen, dass in großem Maße gerade auch solche Inhalte gelöscht werden, die in Wirklichkeit keinerlei Rechte verletzen.

Denn der Hoster oder Portalbetreiber hat in vielen Fällen überhaupt keine Möglichkeit zu überprüfen, ob tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliegt. Und es ist auch die Frage, ob das überhaupt seine Aufgabe sein kann.

Mit diesem Problem bin ich in meiner anwaltlichen Beratungspraxis fast jede Woche konfrontiert und zwar manchmal aus dem Blickwinkel eines Portalbetreibers und ein andermal mal aus Sicht desjenigen, der sich in seinen Rechten verletzt fühlt. Zumeist geht es hier gar nicht um Fragen des Urheberrechts, sondern um äußerungsrechtliche Auseinandersetzungen.

Der BGH hat für solche Fälle faktisch bereits eine Art Notice-And-Take-Down-Verfahren postuliert und damit möglicherweise eine Rechtsfortbildung betrieben, die ihm nicht zusteht.

Nach meiner (rechtspolitischen) Einschätzung, sollte ein Hoster oder Portalbetreiber überhaupt nur dann Content seiner Nutzer/Kunden löschen, wenn ihn ein Gericht oder eine Behörde förmlich dazu verpflichtet hat, oder wenn eine für jedermann offensichtliche Straftat vorliegt. Dass die Klärung von oftmals schwierigen Sach- oder Rechtsfragen durch ein Gericht erfolgt und nicht einem Provider oder Portalbetreiber überlassen werden kann, ist nicht zuletzt auch ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit. Mit einem Notice-And-Take-Down-Verfahren werden ohne Beachtung des Rechtswegs nämlich rechtliche Fakten geschaffen, die in nicht wenigen Fällen auf eine nicht hinnehmbare Informationsunterdrückung hinauslaufen.

Das deutsche und europäische Recht sind von dieser Betrachtungsweise allerdings noch weit entfernt und es hat auch nicht den Anschein, als würde die Kommission in diese Richtung marschieren wollen.

posted by Stadler at 21:53  

16.5.12

Button-Lösung kommt zum 01.08.2012

Das Gesetz gegen Kostenfallen im Internet wurde laut einer Pressemitteilung des BMELV heute im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt damit zum 1. August 2012 in Kraft. Für E-Commerce-Anbieter besteht also Handlungsbedarf. Betreiber von Webshops und Anbieter sonstiger kostenpflichtigter Online-Services müssen sowohl den Bestellbutton bis zu diesem Zeitpunkt anbringen, als auch – vor Abgabe der Bestellung – zusätzliche Informationspflichten erfüllen.

Einen informativen und ausführlichen Beitrag dazu, wie der Bestellbutton zu gestalten ist, wo er angebracht werden muss und welche Informationen dem Kunden vor dem Klick auf den Button erteilt werden müssen, liefert das Shopbetreiber-Blog.

Wenn der Button bzw. der Bestellvorgang ab dem 01.08.2012 nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, kommt nach dem Willen des Gesetzgebers kein Vertrag mehr zustande. Die Folgen sind für E-Commerce-Anbieter also drastisch.

Vermutlich wird dieses neu Belehrungsmonster aber weniger vor Abofallen schützen, als wieder nur redliche, aber von den ständigen Gesetzesänderungen überforderte Shopbetreiber treffen. Der Gesetzgeber überfordert damit sowohl die Anbieter als auch die Verbraucher. Mit effektivem Verbraucherschutz hat das nichts zu tun.

posted by Stadler at 15:04  

4.5.12

Widerrufsrecht auch bei der Änderung eines bestehenden Vertrags

Die vzbv hat ein für Telefon- und Providerkunden wichtiges Urteil erstritten. Das OLG Koblenz hat dem Provider 1&1 mit Urteil vom 28.03.2012 (Az.: 9 U 1166/11) die Verwendung einer AGB-Klausel verboten, derzufolge bei der Inhaltsänderung eines bestehenden Vertrags kein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht bestehen soll.

Das OLG führt in seiner Urteilsbegründung aus:

Auch die Änderung eines bestehenden Vertrages ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 312b BGB ein Fernabsatzvertrag, der Verbraucher ist in gleichem Umfang in Bezug auf den Abänderungsvertrag wie bei einem Erstvertrag schutzwürdig und damit entsprechend über sein Widerrufsrecht zu belehren.

posted by Stadler at 22:13  

8.2.12

Widerrufsbelehrung bei eBay-Verkauf

Die Widerrufsbelehrung kann bei einem Verkauf über eBay auch noch unmittelbar nach dem Ende der Auktion per E-Mail übersandt werden. Die 14-tägige Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 BGB wird dadurch gewahrt, hat das OLG Hamm mit Urteil vom 10.01.2012 (Az.: I -4 U 145/11) entschieden.

Die Rechtsansicht des OLG Hamm entspricht der Intention des Gesetzgebers, der die Vorschrift des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB gerade deshalb geändert hatte, um eine bis dahin bestehende Benachteiligung von eBay-Händlern zu beseitigen.

posted by Stadler at 17:41  

6.12.11

Auch über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts muss belehrt werden

Der Springer-Verlag ist von einem Verband wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen worden, weil er in einer Werbung, die ein Aboformular für die Zeitschrift Computerbild enthielt, nicht darauf hingewiesen hat, dass im Falle des Abschlusses eines Abonnoments kein Widerufsrecht nach fernabsatzrechtlichen Vorschriften besteht.

Bei Fernabsatzverträgen muss der Unternehmer den Verbraucher über das Bestehen und Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts informieren (Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB). Damit ist also auch das Fehlen der Information, dass kein Widerrufsrecht besteht, wettbewerbswidrig.

Die Leitsätze der Urteils des BGH vom 09.06.2011 (Az.: I ZR 17/10) lauten:

a) In einer Werbeanzeige für ein Zeitschriftenabonnement, der ein Bestellformular beigefügt ist, mit dem die Zeitschrift abonniert werden kann, muss gemäß § 312c Abs. 1 BGB, Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB darauf hingewiesen werden, dass im Falle einer Bestellung kein Widerrufsrecht besteht.

b) Zeitungen und Zeitschriften zählen nicht zu den Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs im Sinne des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB.

c) Die Regelung des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB gilt nicht für den herkömmlichen Versandhandel.

d) Die für Ratenlieferungsverträge gemäß § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3, § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB geltende Bagatellgrenze von 200 € ist bei Fernabsatzverträgen nicht entsprechend anwendbar.

UWG § 4 Nr. 11
Die Vorschrift des Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB über die Verpflichtung zur Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts ist im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

posted by Stadler at 11:53  

29.11.11

LG Hamburg zur Preisangabenpflicht bei eBay-Verkäufen

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 24.11.2011 (327 O 196/11) entschieden, dass bei Verkäufen über eBay der Grundpreis bereits in der Angebotsübersicht angegeben werden muss und nicht erst im Rahmen der Artikelbeschreibung.

Wer Waren nach Volumen, Fläche oder Länge anbietet, muss gem. § 2 PAngV neben dem Endpreis auch den Grundpreis pro kg, m etc. angeben. Wer also z.B. 500 g Zucker verkauft, muss zusätzlich zum Preis der Packung auch den Grundpreis je kg angeben.

Das Landgericht Hamburg beruft sich auf die Rechtsprechung des BGH und führt aus, dass der Verbraucher grundsätzlich in der Lage sein müsse, den Endpreis und den Grundpreis auf einen Blick wahrzunehmen. Hieraus ergebe sich, dass der Grundpreis bereits bei der Präsentation von Waren im Rahmen der Angebotsübersichten genannt werden müsse. Aber auch bei der Artikelbeschreibung ist es nach Ansicht des LG Hamburg nicht ausreichend, den Grundpreis kleingedruckt und fernab des Endpreises zu nennen.

Quelle: PM des LG Hamburg vom 28.11.2011

 

posted by Stadler at 09:30  

11.10.11

Neue Verbraucherschutzrichtlinie angenommen

Der Rat der Europäischen Union hat heute eine neue Verbraucherschutzrichtlinie, die zuvor bereits vom Europaparlament beschlossen wurde, angenommen.

Die Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) soll eine Vollharmonisierung der Informationspflichten und des Widerrufsrecht im Fernabsatz bewirken. Der Bundestag muss diese Richtlinie jetzt wiederum in deutsches Recht umsetzen, was wohl im Laufe der nächsten zwei Jahre passieren wird.

Auch wenn diese Richtlinie zu einer für Shopbetreiber sinnvollen Vereinheitlichung führen wird, bedeutet dies andererseits, dass man sich im E-Commerce schon wieder auf modifizierte Informationspflichten einstellen muss, nachdem der deutsche Gesetzgeber ohnehin bereits mehrfach und auch erst kürzlich Änderungen vorgenommen hat. Eine neue Musterwiderrufsbelehrung wird es dann wohl auch wieder geben.

Die wesentlichen Aspekte der Richtlinie hat der Kollege Dr. Föhlisch im Shop-Betreiber-Blog erläutert.

posted by Stadler at 16:53  

24.9.11

Ein Verbot anonymer Bezahlung im Netz wäre rechtlich und ökonomisch falsch

Die Bundesregierung will das anonyme Bezahlen im Netz zur Bekämpfung der Geldwäsche verbieten. Jeder der online bezahlt, soll sich künftig vorher ausweisen müssen, auch bei Kleinbeträgen.

Das sieht der Entwurf eines Gesetzes zur Optimierung der Geldwäscheprävention, der seit Monaten diskutiert wird, vor. Der Zahlungsdienstleister wird verpflichtet, die Identität seines Vertragspartners prüfen.

Was also im normalen Leben selbstverständlich ist, nämlich beim Bäcker um die Ecke oder im Supermarkt anonym einzukaufen, wäre online dann nicht mehr möglich.

Das ist im Ergebnis nicht nur verfassungsgrechtlich fragwürdig, weil dies zu einer weitreichenden Erfassung der Einkaufsgewohnheiten der Bürger führt, sondern auch ökonomisch unsinnig. Die Akzeptanz von Bezahlsystemen, gerade im Bereich des Micropayment, hängt maßgeblich davon ab, dass diese einfach und unbürokratisch funktionieren.

In der Union und auch weiten Teilen der SPD – für die EU-Kommission gilt nichts anderes – herrscht mittlerweile die generelle Haltung vor, nach der im Internet alles, was technisch an Kontrolle machbar erscheint auch umgesetzt werden soll. Andernfalls beklagte man nicht hinnehmbare Schutzlücken und malt das Schreckgespenst vom rechtsfreien Raum an die Wand. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Im Internet werden mittlerweile Vorgänge reguliert und überwacht, die im realen Leben vom Staat nicht erfasst werden. Oder was würden Sie davon halten, wenn Sie zukünftig an der Supermarktkasse den Ausweis vorzeigen müssten, wenn sie dort eine Tüte Milch kaufen und bar bezahlen? Genau das möchte der Staat aber jetzt im Internet für Geschäfte des täglichen Lebens verlangen.

Die Denkweise, dass der Staat alle Kontrolltechniken, die technisch in Betracht kommen auch anzuwenden hat, weil ansonsten Strafverfolgungslücken entstehen, erinnert mich tatsächlich eher an die Stasi als an einen freiheitlichen Rechtsstaat. Leider durchzieht diese Geisteshaltung alle europäischen und nationalstaatlichen Institutionen in zunehmendem Maße. Wer eine freiheitliche Position einnimmt, wird als Sicherheitsrisiko betrachtet und als verantwortungslos diffamiert.

Zumindest der Bundesdatenschutzbeauftragte hat in erfreulich eindeutiger Weise zu dem Gesetzesvorhaben Stellung genommen.

posted by Stadler at 16:46  
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