Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

26.4.15

Nichts Neues vom BND

Hintergrund der aktuellen BND-Affäre ist die Erkenntnis, dass der Bundesnachrichtendienst der NSA dabei geholfen hat, europäische Unternehmen und europäische Institutionen und Politiker auszuspähen. Eine Erkenntnis die wenig Neuigkeitswert hat, außer, dass es vielleicht neue Belege für die Wirtschafts- und Politspionage der NSA und die Hilfeleistung des Bundesnachrichtendiensts gibt. Die grundlegende Tatsache als solche ist altbekannt. Die öffentlichen Erklärungen der Politik sind ebenfalls wie gehabt. Thomas Oppermann (SPD) – der für mich exemplarisch für die insoweit geschlossenen Reihen der Spitzenpolitiker steht – hat sich laut SPON wie folgt geäußert:

Im BND scheint es Bereiche zu geben, in denen sich ein von Vorschriften und Rechtslage ungestörtes Eigenleben entwickelt hat.

Wenn ich so etwas lese, frage ich mich ernsthaft, wo Herr Oppermann die letzten Monate und Jahre war und ob es sich hier um eine besonders ausgeprägte Form von Naivität handelt oder doch nur um die geheuchelte Empörung eines Politikers, der seit langer Zeit weiß was läuft.

Dass der BND ein Eigenleben führt und sich wenig bis gar nicht um (verfassungs-)rechtliche Vorgaben kümmert, ist etwas, was sich dem halbwegs aufmerksamen Beobachter seit längerer Zeit förmlich aufdrängt. Dass der BND dabei von der Bundesregierung faktisch nicht kontrolliert wird, obwohl die Dienst- unf Fachaufsicht bei ihr liegt und die parlamentarische Kontrolle nicht im Ansatz funktioniert, sind ebenfalls Dinge, die hinlänglich bekannt sind. Auch wenn sie möglicherweise noch nicht vollständig in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit vorgedrungen sind.

Die Reaktion der Politik ist dieselbe wie seit Jahren. Man gibt sich überrascht und verspricht Aufklärung. Dabei kennt die Politik die Abläufe und Zusammenhänge seit langer Zeit. Ihre Überraschung ist nur geheuchelt. Aufklärung wird es deshalb auch dieses Mal keine geben. Vielleicht muss BND-Präsident Schindler tatsächlich zurücktreten, aber er wäre nur das Bauernopfer, das gewährleistet, dass die grundlegenden Strukturen unangetastet bleiben.

Die aktuelle Berichterstattung legt aber zumindest den Blick auf ein Phänomen frei, das man nur als absurd bezeichnen kann. Der BND hilft den US-Diensten bei einer Spionage, deren Ziel die deutsche und europäische Wirtschaft und Politik ist. Die tatsächliche Aufgabe der deutschen Dienste ist es allerdings, genau diese Art der Spionage abzuwehren und zu verhindern. Hier wäre letztlich auch die Frage zu stellen, ob nicht die Begehung von Straftaten nach § 93 ff. StGB durch Mitarbeiter des BND im Raum steht.

Man kann vor diesem Hintergrund gar nicht oft genug betonen, dass die Tätigkeit von Geheimdiensten eine Gefahr für einen freiheitlichen Rechtsstaat darstellt, weshalb bei den Diensten die Systemfrage zu stellen ist. Solange das kein Politiker ernsthaft macht, wird sich Spirale der gespielten Empörung und der anschließenden Nichtaufklärung nicht nur fortsetzen, sondern immer schneller drehen.

posted by Stadler at 13:04  

8 Comments

  1. Ist Landesverrat nicht strafbar?
    Aber was tun, wenn staatliche Strafverfolger nicht gegen staatliche Landesverräter vorgehen?
    Leben wir insofern in einem Failed State?

    Comment by Hinnerk — 26.04, 2015 @ 17:02

  2. Wie immer gilt:
    Wenn ein Politiker etwas sagt, hat er entweder keine Ahnung, wovon er redet oder er lügt. Trifft beides gleichzeitig zu, ist er Regierungsmitglied. Von dieser Regel gibt es keine Ausnahme.

    Comment by Rangar — 27.04, 2015 @ 00:15

  3. hinnerk, ich bin mir mittlerweile gar nicht mehr so sicher, ob eine strafrechtliche verantwortung unserer dienste überhaupt möglich ist. wünschen kann man sich vieles.

    .~.

    Comment by dot tilde dot — 27.04, 2015 @ 08:52

  4. Alle Geheimdienstmitarbeiter müssten wegen Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation strafrechtlich verfolgt warden.

    Comment by Rangar — 27.04, 2015 @ 11:01

  5. Ich denke mir schon seit längerem, dass unsere Demokratie, bzw. unser Wahlverhalten, gar nicht auf Dauer funktionieren kann.
    Warum?

    Wir wählen alle vier Jahre irgendwelche Leute, die uns in den Medien prominent gemacht werden.
    Diese Leute treffen oft genug als Neulinge auf einen Staats-Apparat, der nicht alle 4 Jahre ausgetauscht wird, sondern seit und unter vielen Regierungen besteht. Es sind die gleichen Menschen, die gleichen Strukturen und die gleichen Zwänge.
    Dort ändert sich kaum etwas, und das geht auch gar nicht.

    Beim japanischen Kaiser bestimmt der Hof-Apparat, was er zu tun und zu lassen hat.
    Ich vermute da Ähnlichkeiten auch bei uns.
    Der Geheimdienst-Apparat besteht, die Regierungs-Menschen und -Parteien wechseln.
    Wer wird also im Zweifel wissen, wie der Hase läuft und die Fäden ziehen können?

    Und dann dieses Naturgesetz, dass sich ein Verwaltungs-Apparat ab ca. 500 Menschen verselbständigt und sich stetig zu vergrößern sucht und sich mit sich selbst beschäftigt.

    Genau betrachtet wählen wir alle vier Jahre Front-Männer und -Frauen, böswillig auch Strohpuppen genannt.
    Es hat sicher auch jemand schon die Meinungsveränderung bei Politikern vor Regierungsverantwortung und während dessen beobachtet?

    Wer regiert unser Land wirklich?
    Oder, mit wem müssen die Regierungspolitiker die Regierung teilen?
    Und das liegt jedenfalls außerhalb unserer scheinbaren Demokratie.

    Comment by Frank — 27.04, 2015 @ 11:04

  6. Die Geheimdienste können nur so beseitigt werden, wie das 1990 in der DDR geschah, durch den Zusammenbruch eines Staates. Dabei werden diese aber von den neuen Geheimdiensten übernommen. Haben danach durchaus mehr Einfluss als vor der Übernahme.

    War auch nach 1945 so im westlichen Teil von Deutschland.

    In der Sowjetuinion blieb nach deren Zerfall als einzige halbwegs funktionierende Organisation der KGB, der sowjetische Geheimdienst. Dieser liefert heute die sichersten Kader für das Funktionieren Russlands.

    Die Notwendigkeit der Geheimdienste an sich, ist zu hinterfragen. Gegenwärtig ist das System westeuropäischer – nicht nur westeuropäischer – Prägung mit den bestehenden westeuropäischen Werten ohne Geheimdienste nicht vorstellbar. Es ist eine Illusion, ohne Geheimdienste funktionieren zu können, ohne grundlegender Veräderung vieler heutiger Wertvorstellungen.

    Kontrolle der Geheimdiesnte etc. ändert nichts, verrigert auch nicht den Schaden, den die Geheimdienste anrichten.

    Die DDR-Bürger (am Runden Tisch etc.), welche die Stasi 1990 auflösten, meinten z.B., die HVA (Hauptverwaltung Aufklärung) sei notwendig. Dieser Teil der Stasi schütze ja den Staat, die lieben Bürger vor den Angriffen aus dem Ausland.

    Comment by Rolf Schälike — 27.04, 2015 @ 20:40

  7. @5 Frank. Du hast absolut recht.

    So kam auch Stalin an die Macht. Er leitete den Parteiapparat der Bolschewiken. Dieser Apparat blieb. Die gewählten ZK-Mitglieder auf den Parteitagen waren jeweils andere Personen. Der Apparat blieb und konnte sich verselbständigen. Dieser hatte die wahre Macht.

    Ergänzend möchte ich hinzufügen, dass auch die Politiker in Deutschland abhängig sind vom Apparat. Jeder gewählte Abgeordnete musse erst Mal lernen, wie die Parlamentsbürokratie funktioniert.

    Es gibt einen Haufen von Gesetzen, welche die Parlamentarier in ihrer freien Entscheidung einschränken.

    Daran sind die Piraten gescheitert, daran wird auch Sonneborn in Brüssel scheitern.

    Das System ist gewissermaßen selbsterhaltend, aber mit Lücken für Kriminelle und Populisten.

    Insgesamt filtert das System nicht gerade die Besten nach oben in die Chefetagen der Politik und Verwaltung. Kriminelle haben die besseren Chancen. Absolut ehrliche, gesetzestreue Menschen
    haben überhaupt keine Chancen die Karriereleiter halbwegs hoch zu erklimmen.

    Comment by Rolf Schälike — 27.04, 2015 @ 20:54

  8. — „Wenn ich so etwas lese, frage ich mich ernsthaft, wo Herr Oppermann die letzten Monate und Jahre war und ob es sich hier um eine besonders ausgeprägte Form von Naivität handelt oder doch nur um die geheuchelte Empörung eines Politikers, der seit langer Zeit weiß was läuft.“–

    Herr Oppermann ist schon lange nicht mehr ernstzunehmen. Warum dieser Jurist und Bundestagsabgeordnete nach zahlreichen Skandalen überhaupt noch in seinem Amt sitzt, liegt an dem Schutz der GroKo, die eher als kriminelle Vereinigung zu bezeichnen ist. Rechtsverdreher, Klüngel und Hinterzimmerstraftäter.

    Comment by Justus — 28.04, 2015 @ 18:57

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.