Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.3.14

Kein Unterlassungsanspruch gegen Bewertung nach Schulnoten in Bewertungsportal

Erst vor einigen Wochen habe ich über ein Urteil des Landgerichts Kiel berichtet, wonach eine negative Bewertung eines Arztes nach Schulnoten in einem Online-Bewertungsportal regelmäßig nicht beanstandet werden kann.

Ähnlich hat nun auch das Landgericht München I entschieden (Urteil vom 15.01.2014, Az.: 25 O 16238/13). Die bloße Bewertung der Leistungen eines Arztes und seiner Praxis anhand von Schulnoten stellt nach Ansicht des Gerichts ein bloßes Werturteil dar, das mangels Schmähkritik nicht untersagt werden kann.

Das gilt nach Ansicht des Landgerichts selbst dann, wenn, wie im konkreten Fall, die Barrierefreiheit der Praxis mit der Note 6 bewertet worden ist, obwohl der Arzt darlegen konnte, dass seine Praxis über einen Fahrstuhl zu erreichen ist, die Praxistür während der Öffnungszeiten auf Druck hin aufgeht und die Räumlichkeiten auf einer Ebene liegen.

(Urteil via Kanzlei Prof. Schweizer)

posted by Stadler at 14:04  

4.3.14

Himbeer-Vanille Abenteuer ganz ohne Himbeeren und Vanille?

Teetrinker und Joghurtesser, die auch einen Blick auf die Inhaltsliste werfen, kennen das Problem, das den BGH jetzt zu einer Vorlage an den EuGH bewogen hat (Beschluss vom 26.02.2014, Az.: I ZR 45/13 – Himbeer-Vanille Abenteuer).

Ein Tee wurde unter der Bezeichnung „Himbeer-Vanille Abenteuer“ vertrieben, mit dem Vermerk „nur natürliche Zutaten“. Auf der Packung waren zudem Himbeeren und Vanilleschoten abgebildet. Tatsächlich enthielt der Tee aber keinerlei Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere.

Der BGH geht davon aus, dass der Verbraucher aufgrund der sprechenden Bilder (Himbeeren und Vanilleschoten) auf der Verpackung davon ausgeht, dass diese Bestandteile auch enthalten sind und deshalb gar keine Veranlassung mehr sieht, dies anhand des Zutatenverzeichnisses zu überprüfen. Aus diesem Grund möchte der BGH eine Irreführung im Sinne der Richtlinie über die Etikettierung von Lebensmitteln annehmen.

In der Pressemitteilung des BGH heißt es:

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 der Richtlinie über die Etikettierung von Lebensmitteln durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellung den Eindruck des Vorhandenseins einer bestimmten Zutat erwecken dürfen, obwohl die Zutat tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 dieser Richtlinie ergibt. Der EuGH hat in der Vergangenheit in Fällen, in denen sich die zutreffende Zusammensetzung eines Lebensmittels aus dem Zutatenverzeichnis ergab, die Gefahr einer Irreführung als gering eingestuft, weil er davon ausgeht, dass der mündige Verbraucher die ihm gebotenen Informationsmöglichkeiten wahrnimmt. Nach Ansicht des BGH können diese Grundsätze aber dann nicht gelten, wenn – wie im Streitfall – der Verbraucher aufgrund der Angaben auf der Verpackung bereits die eindeutige Antwort auf die Frage erhält, ob der Geschmack des Produkts durch aus Himbeerfrüchten und Vanillepflanzen gewonnene Aromen mitbestimmt wird. In einem solchen Fall hat auch der mündige Verbraucher keine Veranlassung mehr, sich anhand des Zutatenverzeichnisses zusätzlich zu informieren.

posted by Stadler at 09:24  

3.3.14

Einstweilige Anordnung des BVerfG gegen Ablehnung einer audiovisuellen Zeugenvernehmung

Die Strafprozessordnung sieht die Möglichkeit einer audiovisuellen Zeugenvernehmung vor. Wenn die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen besteht, kann das Gericht anordnen, dass der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort bzw. in einem anderen Raum aufhält (§ 247a StPO). Die Aussage wird dann zeitgleich in Bild und Ton in den Sitzungssaal übertragen.

Das Landgericht Waldshut-Tiergarten hat eine solche Anordnung in einem Verfahren wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung abgelehnt. Hiergegen hat die Zeugin Verfassungsbeschwerde erhoben und gleichzeitig beim Bundesverfassungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Das BVerfG hat diese einstweilige Anordnung mit Beschluss vom 27. Februar 2014 (Az.: 2 BvR 261/14) dann auch erlassen, dem Gericht untersagt, die Zeugin im Sitzungssaal zu vernehmen und zur Begründung u.a. folgendes ausgeführt:

Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beinhalte über den Schutz vor der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität hinaus auch den Schutz vor seelischen Verletzungen jedenfalls insoweit, als es sich um Beeinträchtigungen handele, die – wie tiefgreifende Angstzustände und hochgradige Nervosität – als Schmerzen anzusehen seien. Der Staat habe den ihm bei der Erfüllung seiner Schutzpflicht zustehenden Gestaltungsspielraum im Falle des § 247a Abs. 1 StPO in dem Sinne genutzt, dass er im Spannungsverhältnis zwischen dem Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung im Strafprozess einerseits und der Wahrung des Grundrechts des Zeugen andererseits die Möglichkeit zu einer besonders schutzbedürftige Zeugen weniger belastenden Gestaltung der Vernehmung eingerichtet habe. Zu diesen besonders schutzbedürftigen Zeugen zählten gerade die Opfer von Sexualstraftaten.

Der Beschluss des Landgerichts vom 5. Februar 2014 trage dem nicht ausreichend Rechnung. Soweit das Gericht das Vorliegen einer dringenden Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihr Wohl in Zweifel ziehe, sei es im Rahmen seiner Pflicht zur Sachaufklärung gehalten, etwaige Unsicherheiten über das Vorliegen der Gefahr im Wege der Amtsaufklärung zu beseitigen. Diese Möglichkeit habe das Gericht noch nicht einmal in Erwägung gezogen, was dem Beschluss die Grundlage entziehe. Im Übrigen ergebe sich entgegen der Auffassung des Gerichts aus dem ärztlichen Befundbericht auch mit der erforderlichen Klarheit, dass gerade die Vernehmung in Anwesenheit des Angeklagten eine besondere Gefahr für ihr seelisches Wohlbefinden begründ.

posted by Stadler at 12:30  

1.3.14

GEMA vs. YouTube: Das Urteil in der Analyse

Das Landgericht München I hat YouTube vor einigen Tagen (Urteil vom 25.02.2014, Az.: 1 HKO 1401/13) u.a. dazu verurteilt, es zu unterlassen, Sperrhinweise einzublenden, die besagen, ein Video sei nicht verfügbar, weil es Musik enthält, zu deren Nutzung die GEMA keine Rechte eingeräumt hat.

Das Landgericht stützt sein Urteil ausweislich der Urteilsbegründung, auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht.

Bereits die Annahme, zwischen der GEMA und YouTube bestünde ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, erscheint nicht zwingend. Das Gericht behilft sich insoweit mit der Annahme, sowohl die GEMA als auch YouTube würden versuchen, die Rechteinhaber an sich zu binden, wobei die Sperrhinweise von YouTube geeignet wären, Rechteinhaber von der GEMA abzuziehen. Und ein Abwerben von Rechteinhabern von der GEMA würde unmittelbar zu Werbeeinnahmen bei YouTube führen, weil die Videos solcher Rechteinhaber dann beanstandungslos bei YouTube laufen könnten. Abgesehen davon, dass damit wohl die Grenze selbst eines äußerst weitreichenden Verständnisses eines Wettbewerbsverhältnisses erreicht sein dürfte, hat das Gericht an dieser Stelle die GEMA-Vermutung unberücksichtigt gelassen. Denn die führt gerade dazu, dass die GEMA auch die Rechte an Musikwerken wahrnimmt, für die sie gar keine Rechtseinräumung besitzt. Die Annahme des Landgerichts ist also bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht wirklichkeitsnah.

Das Gericht hätte an dieser Stelle natürlich auch die naheliegendere Überlegung anstellen können, dass YouTube kein wirtschaftliches Interesse an der Einblendung solcher Sperrhinweise haben kann, weil es Werbeeinnahmen nur dann erzielt, wenn es Musikvideos zeigt und nicht dann, wenn es sie nicht zeigt. Bei dieser Auslegung wäre freilich die Begründung eines Wettbewerbsverhältnis und vor allen Dingen die Annahme einer geschäftlichen Handlung kaum mehr zu rechtfertigten gewesen.

Ich möchte das UWG zunächst für einen Moment beiseite schieben und den Sachverhalt rein äußerungsrechtlich betrachten. Die Tatsachenbehauptung, das Video könne nicht angezeigt werden, weil es Musik enthält, für das die GEMA keine Rechte eingeräumt hat, ist zumindest dann wahr, wenn das Video tatsächlich GEMA-pflichtige Musik enthält. Die Tatsachenbehauptung mag verkürzt sein, weil sie den Hintergrund der Auseinandersetzung nicht erläutert, aber sie ist nicht unwahr. Und ist es im Meinungskampf nicht geboten, nur solche Aussagen zu treffen, die gleichzeitig sämtliche Hintergründe einer Auseinandersetzung erörtern. Man würde also äußerungsrechtlich kaum zur Annahme einer unwahren Tatsachenbehauptung gelangen können.

Kann aber eine Äußerung die wegen der Wertung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nicht als unerlaubte Handlung zu qualifizieren ist, als wettbewerbswidrig eingestuft werden? Grundsätzlich ist das denkbar, weil im Wettbewerbsrecht strengere Anforderungen gelten, wobei auch hier – wie immer – die Wertungen von Art. 5 GG berücksichtigt werden müssen.

Das Landgericht geht in seiner Entscheidung davon aus, die Sperrtafeln von YouTube hätten einen herabsetzenden Inhalt im Sinne von § 4 Nr. 7 UWG.  Das Gericht nimmt insoweit an, die Aussage YouTubes sei zwar möglicherweise objektiv richtig, aber unvollständig und dadurch irreführend. Und zwar deshalb, weil YouTube nicht erwähnt, dass die Rechte nur deshalb von der GEMA nicht eingeräumt werden, weil sich YouTube weigert, das von der GEMA geforderte Entgelt zu bezahlen.

Macht dieser Umstand die Aussage von YouTube aber tatsächlich unrichtig und herabsetzend? Die GEMA muss grundsätzlich jedem der das von der GEMA festgesetzte Entgelt entrichtet, auch Rechte für die öffentliche Wiedergabe einräumen. Weil YouTube und GEMA aber seit längerem darüber streiten welche Vergütung angemessen ist, hat die GEMA YouTube bislang keine Rechte eingeräumt.  Ich frage mich, ob diese etwas ausführlichere Darstellung für die Außenwirkung der GEMA nicht ebenso negativ wäre wie die verkürzte Fassung? Auch im Wettbewerbsrecht ist eine Kritik an einem Konkurrenten möglich, wenn sie sich einer angemessenen Wortwahl bedient und keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthält. Meines Erachtens beachtet das Landgericht München I hier – selbst wenn man eine Anwendbarkeit des UWG unterstellt – die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 5 GG nicht hinreichend.

Anders liegt die Sache allerdings dort, wo die Sperrtafeln den Hinweis enthalten, die GEMA hätte das Video gesperrt. Das ist in der Tat, sofern die GEMA nicht zu einer Sperrung aufgefordert hat, eine unrichtige Tatsachenbehauptung, die sowohl Wettbewerbs- als auch äußerungsrechtlich zu beanstanden ist.

Das Urteil des Landgerichts München I ist nach meiner Einschätzung somit jedenfalls teilweise unrichtig.

posted by Stadler at 13:19  
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