Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.11.11

Die GEMA-Vermutung

Im Netz empört man sich gerade darüber, dass die GEMA auch Vergütungsansprüche für öffentliche Musikveranstaltungen geltend macht, obwohl auf diesen Veranstaltungen (angeblich) nur Musik aufgelegt wurde, die unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht worden ist.

Das kann durchaus so sein und hat seinen Grund in der sog. GEMA-Vermutung. Die Rechtsprechung geht seit Jahrzehnten davon aus, dass bei der öffentlichen Wiedergabe und Aufführung von Musik eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass die GEMA als größte Verwertungsgesellschaft berechtigt ist, die Rechte aller Berechtigten wahrzunehmen. Diese sog. GEMA-Vermutung ist z.T. auch gesetzlich verankert. § 13 c WahrnG. § 13b WahrnG erlegt dem Veranstalter übrigens die Pflicht auf, vorab eine Einwilligung der GEMA einzuholen und anschließend der Verwertungsgesellschaft eine Aufstellung der bei der Veranstaltung benutzten Werke zu übersenden.

Die sog. GEMA-Vermutung führt faktisch zu einer Umkehr der Beweislast. D.h., der Veranstalter muss die GEMA-Vermutung widerlegen und im Zweifel nachweisen, dass ausschließlich GEMA-freie Musik gespielt wurde. Das bedeutet, dass man nicht nur eine vollständige Tracklist braucht, sondern auch die Daten der Urheber (Komponisten/Texter).

Warum es überhaupt Verwertungsgesellschaften wie die GEMA gibt, erläutert das BMJ auf einer Infoseite. Auf europäischer Ebene findet aktuell eine Reformdiskussion statt, die mir inhaltlich aber noch eher vage zu sein scheint.

posted by Stadler at 17:16  

16 Comments

  1. Man hätte Rechteverwerter eingrenzen sollen als es noch ging.

    Comment by Frank — 8.11, 2011 @ 17:21

  2. Ich frage mich, wie der Gesetzgeber dazu kommt, einen bestimmten privaten (!) Verein gesetzlich einseitig zu bevorzugen?

    Jeder bekäme sofort einen Facepalm-Anfall, wenn der Gesetzgeber auf die Idee käme, Microsoft so ein Recht zuzuteilen. Es gäbe dann die Microsoft-Vermutung: Überall, wo Software eingesetzt wird, ist das bestimmt erstmal welche von Microsoft, und dann muß gegenüber Microsoft bewiesen werden, daß man nur Software anderer Hersteller verwendet — und wenn man das nicht kann, muß man auf jeden Fall für jeden Computer Lizenzgebühren bezahlen.

    Ich meine … geht’s noch?

    Comment by Sabine Engelhardt — 8.11, 2011 @ 17:26

  3. Nicht zu vergessen, dass man die Urheber mit bürgerlichem Namen anzugeben hat, was bei pseudonym veröffentlichter CC-lizensierter Musik ähnlich realistisch sein dürfte wie in der Analogie z.B. zur Widerlegung der Microsoft-Vermutung den Namen „des Firefox-Schreibers“ anzugeben.

    Comment by JK — 8.11, 2011 @ 17:48

  4. Am Erschütterndsten finde ich, daß es da ganz ganz viele Menschen gibt, die beruflich Tracklisten abgleichen. (Wenn ihr mal kurz überschlagen wollt, wieviele öffentliche Musikveranstaltungen es in D täglich so gibt…) Eine Tätigkeit, die ich ihrer bürokratischen Stupidität und Sinnlosigkeit nach eher im Kaiserreich vermutet hätte.

    Comment by Sanníe — 8.11, 2011 @ 17:59

  5. Zum Abgleichen der Tracklisten sei mir folgender Link gestattet: http://www.youtube.com/watch?v=jiOTKjXZaYI

    Comment by JK — 8.11, 2011 @ 18:01

  6. Eine Frage kommen mir da in den Sinn:

    §13c(2) „Sind mehr als eine Verwertungsgesellschaft zur Geltendmachung des Anspruchs berechtigt, so gilt die Vermutung nur, wenn der Anspruch von allen berechtigten Verwertungsgesellschaften gemeinsam geltend gemacht wird.“
    Was bedarf es denn, eine zweite Verwertungsgesellschaft zu gründen?

    Comment by Thorsten — 8.11, 2011 @ 18:24

  7. @Torsten: Frag mal bei den Leuten vom OpenMusicContest nach, die versuchen gerade genau das.

    http://www.openmusiccontest.org/
    (leider habe ich jetzt auf die Schnelle keinen passenden Deep Link dort gefunden, aber es gab dieses Jahr einen Vortrag eines OMC-Mitglieds bei der FSFE Fellowship in Düsseldorf, da wurde das ausführlich diskutiert.)

    Comment by Sabine Engelhardt — 8.11, 2011 @ 18:29

  8. Neben der Tatsache, dass sich hier jemand aufgrund eine falschen Gesetzesregelung leistungslos Geld zu erschleichen versucht (schnorren wie ein Penner), hat die Creative-Commons-Lizenz Mängel. Ich bin da auch drüber gestolpert in Wikipedia, wo es eine Vielzahl von Lizenmodellen z.B. für Fotos gibt: CC, GPL, gemeinfrei usw. Bei der Creative-Commons-Lizenz muss man den Namen des Urhebers nennen, aber der Urheber ist nicht verpflichte seinen Namen zu nennen: Das keine eine Abseitsfalle sein, auf die im Musikbereich Schnorrer wie die GEMA springen: Das macht das leistungslose und widerliche Schmarotzen der GEMA nicht besser, aber die CCler öffnen hier den ekelerregenden Schmarotzern die Türe. In diese Falle ist der Urheber ist ja auch der angesprochene DJ gestolpert.

    Nichtsdestotrotz finde ich es moralisch in hohem Maße verwerflich, wenn Menschen ihre Werke der Allgemeinheit vorsätzlich kostenlos zu Verfügung zu stellen, dann dafür Geld abzuzocken. Diese verwerfliche Verhalten ist von Schutzgelderpressungen der Mafia oder Cosa Nostra nicht zu unterscheiden: leistungslose Schmarotzer.

    Comment by Jan Dark — 8.11, 2011 @ 21:11

  9. Die GEZ ist auch nicht anders. „Rechtsstaat“ ist ein Begriff, der neu definiert werden müsste, denn nicht was als (ge)Recht empfunden wird, gilt im jetzigen Rechtsstaat als Recht.

    Comment by Frank — 9.11, 2011 @ 08:21

  10. Es ist eigentlich relativ einfach, eine Verwertungsgesellschaft nach UrhWG zu gründen.

    Gilt die Vermutung, dass alle Ansprüche zurecht erfolgen, dann nicht auch für solche Mini-Verwertungsgesellschaften?

    Comment by AndreasM — 9.11, 2011 @ 11:03

  11. Naja, der „Mensch aus Düsseldorf vom OMC“ (Michalke) hat da wohl eine Webseite (c-3-s.de) aufgemacht und da gibt es eine Mailingliste, aber passieren tut da derzeit anscheinend nichts mehr. Vielleicht braucht es da Manpower / Geld / CC-Künstler / ehrenamtliche Juristen um die Sache weiter nach vorne zu bringen?!

    Comment by Ein Mensch — 9.11, 2011 @ 11:03

  12. Wir versuchen gerade zu belegen, dass die Mehrheit der Urheber nicht bei der GEMA angemeldet ist:

    http://musik.klarmachen-zum-aendern.de/pressemitteilung/2011/10/08/operation_gema-vermutung-1255

    Comment by Musikpirat — 11.11, 2011 @ 22:15

  13. § 13b WahrnG sagt ganz klar, dass die Verpflichtung, vor der Veranstaltung eine Genehmigung einzuholen, gegenüber der Verwertungsgesellschaft besteht, „welche die Nutzungsrechte an diesen Werken wahrnimmt“. Wenn tatsächlich keine Verwertungsgesellschaft diese Nutzungsrechte wahrnimmt, muss auch gegenüber keiner Verwertungsgesellschaft irgendetwas angemeldet werden. Die GEMA-Vermutung ist in dem angegebenen Paragraphen gerade nicht verankert. Die GEMA kann eine Anmeldungspflicht behaupten und ein Richter mag ihr wegen der GEMA-Vermutung glauben, aber tatsächlich besteht die Pflicht nicht, wenn keine Musik gespielt wird, deren Urheber die GEMA vertritt.

    Comment by Nie Mand — 14.11, 2011 @ 14:02

  14. Das ist doch ein Sumpf mit der „Gema-Vermutung“. Wir haben hier einen offensicht häufig auftretenden Fall. In einem Thai Massage Stuio wurde thailändische Musik von einem in Thailand erworbenen CD-Sampler gespielt. Diese ist mutmaßlich gema-frei, da der thailändische Gema-Partner MCT leidglich 101 Künstler vertritt. Dennoch beharrt die GEMA auf Zahlung, obwohl ihr Angabe zu Tracks, Künstler und Label übermittelt wurden und scheint nicht daran interessiert, diese Angaben zu prüfen. Gibt es nicht eine Pflicht zum Nachweis der Verwertungsrechte auch wenn man erst mal von der Gema-Vermutung ausgeht, die im Falle von Ländern, wo Geam-partner kaum Künstler vertreten, nicht greift?

    Comment by mekong — 19.05, 2012 @ 15:41

  15. @mekong:

    Die Krone der Perversion:

    Ja, diese Pflicht gibt es. Aber nicht die GEMA muss beweisen, sondern der „Aufführer“. – Ergo muss der Aufführer mit jedem Urheber in persönlichen Kontakt treten und sich die Lizenz schriftlich und am Besten rechtlich belastbar (also anwaltlich) bestätigen lassen und jede einzelne Bestätigung bei der GEMA vorweisen bzw. im ungünstigsten Fall einklagen. Erst dann sind andere Entscheidungen durch die Gerichte zu erwarten.

    Comment by ich — 28.08, 2012 @ 10:31

  16. So wie ich das sehe ist ihre Darstellung nicht richtig. Veranstalter von Wiedergaben lizenzfreier Werke müssen nach §13b nicht die Erlaubnis der GEMA einholen und müssen daher auch nicht die Lizenzfreiheit von sich aus beweisen.
    Wenn allerdings die GEMA von sich aus auf den Veranstalter zu kommt und wissen will, was aufgeführt wird…dann…ja dann? Dann ergibt sich aus dem Gesetz nicht zweifelsfrei, ob der Veranstalter zur Auskunft verpflichtet ist.

    Comment by Martin — 15.05, 2015 @ 17:48

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