Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.9.10

„Ihre rechtliche Beurteilung geht fehl“

Die Korrespondenz mit Anwaltskollegen, die massenhaft Filesharer abmahnen, bietet immer wieder Anlass zur Erheiterung. Eine Rechtsanwaltsgesellschaft schreibt mir gerade:

„Ihre rechtliche Beurteilung, dass Ihre Mandantschaft unserer Mandantschaft gegenüber nur zur Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung verpflichtet sei, geht fehl. (…) Gerichtsstand ist bekanntlich Hamburg“.

Ich könnte den Kollegen jetzt zum Beispiel folgendes schreiben:

„Ihre rechtliche Beurteilung, wonach zwingend die vorformulierte Unterlassungserklärung abgegeben werden muss, geht fehl. Gerne können wir auch vor dem Landgericht Hamburg über die Rechtswirksamkeit einer von mir formulierten Unterlassungserklärung streiten“.

Die Anwälte dieser Kanzlei sind natürlich auch schlauer als die bei Waldorf, Rasch, Nümann & Lang oder Kornmeier. Dort akzeptiert man meine Unterlassungserklärungen nämlich.

posted by Stadler at 10:28  

21.9.10

Salz und Zucker: Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag

Über den Umweg netzpolitik.org (wieder einmal) bin ich auf einen der besten (journalistischen) Texte zum Thema „Jugendmedienschutzstaatsvertrag“ überhaupt gestoßen. In verständlicher, nichtjuristischer Sprache bringt Swen Wacker die Zweifel an der Neuregelung des JmStV und des Jugendmedienschutzkonzepts im Allgemeinen auf den Punkt.

Diejenigen, die dieses gesetzgeberische Konzept zu verantworten haben, sind Medienpolitiker, die in der Tradition der Rundfunkregulierung stehen und die deshalb versuchen, altbekannte Regulierungsinstrumente wie Altersbeschränkungen und Sendezeiten mit aller Macht auch auf das Internet zu übertragen. Warum dieses Konzept des alten Weins in neuen Schläuchen nicht funktionieren kann, macht der Beitrag von Wacker deutlich.

Das neue „Landesblog Schleswig-Holstein“ will sich mit landespolitischen Themen beschäftigen und ist ab sofort bei mir gebookmarkt, auch wenn ich am anderen Ende der Republik sitze.

posted by Stadler at 10:22  

21.9.10

BVerfG: Geräteabgabe auf Drucker und Plotter

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 30. August 2010 (Az.: 1 BvR 1631/08) eine Entscheidung des BGH (Urt. v. 6. Dezember 2007 – I ZR 94/05) zur Geräteabgabe für Drucker und Plotter aufgehoben und zurückverwiesen. Der BGH hatte eine urheberrechtliche Geräteabgabe nach § 54 UrhG (a.F.) auf solche Geräte abgelehnt.

Das BVerfG sah zunächst das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt, weil der BGH die Frage nicht an den EuGH vorgelegt hat.

Daneben tendiert das BVerfG aber auch dazu, dass bereits die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG verletzt ist und betont einmal mehr, dass das Urheberrecht als Eigentum im Sinne der Verfassung anzusehen ist. Wer also den Begriff des „geistigen Eigentums“ als Kampfbegriff ablehnt, muss zumindest erkennen, dass er sich damit nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts befindet. Wieder einmal eine Entscheidung zugunsten der Verwertungsgesellschaften (hier: VG Wort).

Der BGH wird also entweder an den EuGH vorlegen müssen oder seine bisherige Rechtsprechung mit Blick auf die Vorgabe des BVerfG aufgeben.

Allerdings steht wiederum eine Entscheidung des EuGH zur Geräteabgabe nach spanischem Recht an, die auch die deutsche Geräteabgabe nach § 54 UrhG in Frage stellen könnte. Die Rechtslage ist also derzeit etwas unübersichtlich.

posted by Stadler at 07:51  

20.9.10

Urheberrrechtlicher Schutz von „Tweets“

Auf Twitter ist die Nachrichtenlänge bekanntlich auf 140 Zeichen begrenzt. Ob Tweets aufgrund ihrer Kürze urheberrechtlichen Schutz genießen können, wird derzeit in Blogs diskutiert. Wie der Kollege Nebgen schon angemerkt hat, ist die Länge allein kein Kriterium für die Frage der Schutzfähigkeit. Maßgeblich ist nach dem Gesetz vielmehr, dass es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handelt (§ 2 Abs. 2 UrhG). Die Rechtsprechung hat hierfür den Rechtsbegriff der Schöpfungshöhe geprägt, den sie freilich eher uneinheitlich anwendet. Entscheidend ist immer, dass wir es mit einem individuellen geistigen Schaffen zu tun haben. Originelle und individuelle Tweets können daher ebenso urheberrechtlichen Schutz genießen, wie z.B. kurze Gedichte. Die Masse der banalen und alltäglichen Tweets wird aber die notwendige Schöpfungshöhe nicht erreichen.

Selbst wenn ein Tweet im Einzelfall ein urheberrechtliches Werk darstellen sollte, ist die Weiterverbreitung in Form des Retweets dennoch zulässig, denn das entspricht seiner Zweckbestimmung. Ähnlich wie man grundsätzlich eine Verlinkung urheberrechtlich nicht verbieten kann, wenn man eine Website ins Netz stellt, wird man das Retweeten urheberrechtlich nicht untersagen können.  Schon anders kann es freilich sein, wenn Tweets außerhalb von Twitter kopiert und öffentlich wiedergegeben werden.

Vielleicht wird es ja auch zu diesem Thema demnächst urheberrechtliche Abmahnungen geben. Erstaunen würde mich das nicht.

posted by Stadler at 18:20  

20.9.10

Gegen Kinderpornografie und lästige Details

Wer sich vertiefter mit der Frage befasst hat, ob sog. Access-Blockaden zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet sinnvoll und rechtmäßig sind, muss sich über ein Fernsehinterview wie es das ZDF gestern ausgestrahlt hat, zumindest wundern. Was (juristisch) gegen „Netzsperren“ spricht, habe ich im letzten Jahr für den AK Zensur in einem Brief an den Bundespräsidenten ausführlich erläutert.

Der Fernsehjournalist Peter Hahne hat in seiner Sendung Stephanie zu Guttenberg interviewt und mit der Frau des Verteidigungsministers über ihre Rolle als Präsidentin des Kinderschutzvereins „Innocence in Danger“ gesprochen. Einen Schwerpunkt bildete auch die Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet. Leider wurde hierbei einmal mehr gezielt auf Emotionen gesetzt, unter Ausblendung der Fakten. Mit keinem Wort erwähnt Hahne, dass die Mehrzahl der Experten dem Konzept der Zugangserschwerung skeptisch bis ablehnend gegenüber steht, sondern beklagt lediglich, die Politik würde nicht entschlossen genug handeln.

Dass sich eine solche Technik für diejenigen anbietet, die Netzsperren befürworten, hat Ursula von der Leyen im letzten Wahlkampf schon demonstriert. Denn das Thema Kinderpornografie lässt sich wie kein zweites instrumentalisieren. Dass diese Technik aber auch in vermeintlich journalistischen Formaten zum Einsatz kommt, zeigt, wie tief das ZDF in dieser Hinsicht mittlerweile gesunken ist. Brillant analysiert hat das einmal mehr Stefan Niggemeier im Fernsehblog der FAZ.

posted by Stadler at 11:21  

20.9.10

Datenweitergabe durch Einwohnermeldeämter

Die Gemeinde Eching bei München (Landkreis Freising) hat Daten von Kindern aus ihrem Melderegister an einen Adressbuchverlag weitergegeben, der ein regionales Telefonbuch herausbringt. Die Gemeinde hat diesen Fehler mit einer Datenpanne begründet.

Diese Meldung aus meiner Heimatregion möchte ich zum Anlass nehmen, um auf die in diesem Fall einschlägige Vorschrift von Art. 32 Abs. 3 MeldeG hinzuweisen. Denn was viele Bürger vermutlich nicht wissen, ist, dass die Gemeinden nach dieser Vorschrift berechtigt sind, Meldedaten volljähriger Bürger an Adressbuchverlage zu übermitteln. Dem kann man als Bürger allerdings widersprechen. Diese „Übermittlungssperre“ kann mithilfe von im Netz verfügbarer Formularen beim Einwohnermeldeamt beantragt werden.

posted by Stadler at 08:13  

18.9.10

Einstein des Staatsrechts

Unter diesem Titel hält Heribert Prantl in der Wochenendausgabe der Süddeutschen eine Laudatio auf den ehemaligen Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde zu dessen 80. Geburtstag.

Hier darf dann natürlich auch der vermutlich berühmteste Satz Böckenfördes nicht fehlen „Der freiheitliche, säkularisierte Rechtsstaat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Der sich anschließende Teil des Zitats (Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 60),

„Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt, mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren versuchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“

der in der SZ nicht abgedruckt ist, beschreibt den Gegensatz von Freiheit und Staatsgewalt und das Dilemma das sich für einen Rechtsstaat daraus ergibt und regt immer wieder zum Nachdenken an.

posted by Stadler at 13:55  

17.9.10

Gutachten zum Jugendschutz im Internet bleibt geheim

Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 13.08.2010 (10 A 10076/10.OVG) entschieden, dass die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz ein von ihr eingeholtes Gutachten über die Verfolgbarkeit von Internetanbietern bei Verstößen gegen das Jugendschutzrecht nicht herausgeben muss.

Ein Rechtsanwalt hatte auf Grundlage des Landesinformationsfreiheitsgesetzes die Herausgabe eines Gutachtens verlangt, das sich mit der Frage beschäftigt, wie man Internetanbieter, die ihren Sitz nur zum Schein ins Ausland verlegt haben, verfolgen kann.

Das Gericht meint, die Landeszentrale hätte die Herausgabe des Gutachtens zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit verweigern dürfen. Hierzu heißt es im Urteil wörtlich:

Würde nämlich das Gutachten – und damit der Wissensstand der Behörde – den betroffenen Content-Providern über den Kläger (der ausweislich seines Internet-Auftritts viele Mandanten aus der Erotikbranche berät und gegen staatliche Stellen insbesondere in medien- und jugendschutzrechtlichen Fragen vertritt, vgl. www.d.com) bekannt, hätten die Anbieter Anhaltspunkte zur Entwicklung neuer Verschleierungstaktiken. Es besteht daher die Gefahr, dass sie sich weiterhin dem Zugriff der deutschen Behörden entziehen, obwohl sie materiell-rechtlich den Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags unterliegen und für Verstöße zur Verantwortung gezogen werden können.

posted by Stadler at 21:57  

16.9.10

Kritische Anmerkung zur W-LAN-Entscheidung des BGH

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Computer und Recht (CR 2010, 592) ist eine Anmerkung von Gerald Spindler zur Entscheidung des BGH „Sommer unseres Lebens“ erschienen. Spindler, einer der bedeutendsten deutschen Rechtswissenschaftler, setzt sich in seinem Aufsatz äußerst kritisch mit der Rechtsprechung des I. Zivilsenats auseinander, die eine Haftung des Betreibers eines privaten W-LAN-Routers für Urheberrechtsverletzungen bejaht.

Spindler erachtet es zunächst als zweifelhaft, dass der BGH die IP-Adresse als ausreichenden Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Rechtsverletzung des Anschlussinhabers genügen lässt. Spindler weist insoweit u.a. auf einen Widerspruch in der Entscheidung hin, die er in den Ausführungen des BGH sieht, wonach die IP-Adresse bestimmungsgemäß keine zuverlässige Auskunft über die Person eines Nutzers gibt. Nicht ganz zu Unrecht fragt Spindler, wie diese Feststellung mit der Annahme einer Vermutung einer Rechtsverletzung durch den Anschlussinhaber vereinbar sein soll.

Spindler ist ferner der Auffassung, dass der Betreiber eines privaten W-LANs, ebenso wie ein kommerzieller Access-Provider, in den Genuss der Haftungsprivilegierung des § 8 TMG kommen muss. Eine Ansicht, die ich auch immer wieder vertreten habe, z.B. in dem Aufsatz „Der unfreiwillige Access-Provider – Haftung des Anschlussinhabers für Rechtsverletzungen über (offene) W- LANs, AnwZert ITR 09/2010, Anm. 3“ und in diesem Blog.

Völlig zu Recht weist Spindler zudem darauf hin, dass das eventuelle Eigeninteresse an einer Verschlüsselung des W-LAN nicht per se in eine Pflicht gegenüber Dritten umschlagen muss. Spindler stellt des weiteren auch die berechtigte Frage, warum solche Sicherungsmaßnahmen (Verschlüsselung eines W-LAN) überhaupt geeignet sein sollen, die Rechtsgüter Dritter (also die Urheberrechte der Rechteinhaber) zu schützen.

Wie in praktisch allen seinen Veröffentlichungen bietet Gerald Spindler, auch wenn man seine Ansicht nicht in jedem Punkt teilen muss, eine durchdachte und dogmatisch überzeugende Argumentation an.

posted by Stadler at 18:43  

16.9.10

Kopieren von Musik direkt im Fachmarkt?

Verschiedene Zeitungen berichten über einen kuriosen Fall. Eine Frau war in die CD-Abteilung eines Elektronikfachmarkts marschiert, hatte ihr Notebook aufgeklappt und sich einige CDs auf das Notebook gerippt, bis ein Ladendedektiv die Aktion beendete. Hat sich die Frau strafbar gemacht oder in zivilrechtlicher Hinsicht das Urheberrecht verletzt, würde nunmehr die Fragestellung in einer studentischen Klausur lauten.

Eine interessante Frage, könnt man doch meinen, das Vorgehehen sei von der Schrankenbestimmung des § 53 UrhG (Privatkopie) abgedeckt. Denn die verwendete Kopiervorlage ist weder rechtswidrig hergestellt noch wurde sie öffentlich zugänglich gemacht. Es gab allerdings schon vor längerer Zeit Entscheidungen – z.B. des Kammergerichts Berlin (GRUR 1992, 168) – die die Privilegierung versagt haben, wenn sich der Nutzer die Möglichkeit zur Vervielfältigung nicht auf rechtmäßige Weise verschafft hat.

Unabhängig von der Frage des Urheberrechts wird der Fachmarkt es als Eigentümer der CDs zivilrechtlich jedenfalls nicht dulden müssen, dass diese im Laden zur Anfertigung von Kopien benutzt werden.

posted by Stadler at 13:25  
« Vorherige SeiteNächste Seite »