Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.6.10

eBay-Händler und die 14-tägige Widerrufsfrist

Morgen am 11.06.2010 treten Änderungen im Fernbsatzrecht in Kraft. Es wird u.a. – wieder einmal – eine neue Musterwiderrufsbelehrung geben, die nunmehr Gesetzesrang hat. Außerdem will der Gesetzgeber durch eine Änderung von § 355 BGB erreichen, dass auch eBay-Händler eine nur zweiwöchige Widerrufsfrist einräumen können und nicht die von einem Monat.

Hierbei ist allerdings vorerst noch Vorsicht geboten, denn über eine Widerrufsfrist von 14 Tagen darf nur dann belehrt werden, wenn diese Belehrung unmittelbar nach Vertragsschluss in Textform erfolgt. Diese Belehrung müsste deshalb sinnvollerweise Bestandteil der E-Mail sein, die den Kauf bzw. das Auktionsende bestätigt. eBay wird, nach eigenen Angaben, die in „Mein eBay“ bzw. im Verkaufsformular im Feld „Rücknahmebedingungen“ angegebene Widerrufs- oder Rückgabebelehrung des Verkäufers voraussichtlich aber erst ab Juli 2010 in die E-Mail zum Angebotsende integrieren.

Bis dahin sollten eBay-Händler zwar zwingend die neue Musterwiderrufsbelehrung verwenden, allerdings zunächst weiterhin mit der Monatsfrist.

posted by Stadler at 12:26  

10.6.10

GEZ für alle

Die Ministerpräsidenten der Länder sollen sich bereits auf eine Reform der Rundfunkgebühren geeinigt haben, obwohl das Thema (auch) für heute auf der Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz steht. Danach soll das bisherige Modell, das darauf abgestellt hat, dass Empfangsgeräte vorgehalten werden, durch eine Rundfunkabgabe für jeden Haushalt abgelöst werden. Man zahlt also auch dann, wenn man keinen Fernseher hat.

Die GEZ soll allerdings nicht abgeschafft werden. Die Streitigkeiten werden sich möglicherweise jetzt hin zu der Frage verlagern, was ein Haushalt ist. Es steht auch zu vermuten, dass es in Deutschland mehr Haushalte gibt als Gebührenzahler, so dass dieses Modell eine Erhöhung der Anzahl der Beitragszahler verspricht und damit höhere Einnahmen.

Vermutlich werden die ersten Verfassungsbeschwerden nicht lange auf sich warten lassen. Denn auch wenn Paul Kirchof das Modell als verfassungskonform bezeichnet hat, kann man natürlich der Auffassung sein, dass ein „Anschluss- und Benutzungzwang“ nicht so ganz in das grundgesetzliche Konzept der Meinungs- und Rundfunkfreiheit passt.

posted by Stadler at 08:00  

9.6.10

Brief an die Ministerpräsidenten zum JMStV

Zur geplanten Verabschiedung der Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrags (JMStV), die ich für verfehlt halte, habe ich einen Brief an die Ministerpräsidenten mitunterzeichnet, der dazu auffordert, die Beschlussfassung zu verschieben und sich nochmals in Ruhe mit den Sachargumenten zu befassen, die gegen die Novelle im Speziellen und das Konzept des deutschen Jugendmedienschutzes im Allgemeinen sprechen.

posted by Stadler at 22:42  

9.6.10

Dissertation „Unterlassungsansprüche im Internet“

Die Dissertation „Unterlassungsansprüche im Internet“ von Alexander Hartmann ist seit heute zum kostenfreien Download online. Ich finde es bemerkenswert, dass Alexander es geschafft hat, dem Beck-Verlag die Gestattung für diese Onlineveröffentlichung abzuschwätzen. Denn die Verlage sind bekanntlich keine Verfechter von Open-Access.

Damit ist eine wichtige wissenschaftliche Publikation zum Thema der Störerhaftung frei verfügbar.

posted by Stadler at 22:25  

9.6.10

Filesharing: Richterliche Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG überflüssig?

Der BGH hat in seinem Urteil zur Haftung des Betreibers eines privaten W-LAN-Routers beiläufig die Ansicht vertreten, dass IP-Adressen Bestandsdaten und keine Verkehrsdaten sein sollen. Abgesehen davon, dass diese Ansicht mit Blick auf das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG höchst problematisch ist, würde dies dazu führen, dass die Rechteinhaber zur Geltendmachung ihres Auskunftsanspruchs nach § 101 Abs. 2 UrhG nicht mehr auf gerichtliche Hilfe nach § 101 Abs. 9 UrhG angewiesen wären. Hierauf weist ein Artikel von gulli hin. Die Vorschrift, die eigentlich nur zu diesem Zweck geschaffen worden ist, wäre damit letztlich überflüssig. Denn eine richterliche Anordnung ist nach § 101 Abs. 9 UrhG nur dann erforderlich, wenn die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten erteilt werden kann.Auskunft über Bestandsdaten könnte man demgegenüber direkt beim Provider verlangen.

Das Bundesverfassungsgericht geht in der Hauptsacheentscheidung und der Eilentscheidung zur Vorratsdatenspeicherung allerdings davon aus, dass IP-Adressen dem Grundrecht von Art. 10 GG unterliegen, weil die Ermittlung des Anschlussinhabers zu einem bestimmten Telekommunikationsvorgang nur unter Verwendung von Verkehrsdaten möglich ist. Das BVerfG nimmt insoweit auch auf § 96 TKG Bezug. Der BGH hat sich in seiner Entscheidung offenbar gar nicht erst die Mühe gemacht, sich mit der gegenläufigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zu befassen.

posted by Stadler at 07:30  

8.6.10

Ministerpräsidenten wollen JMStV am 10.06.2010 beschließen

Auf der Tagesordnung der Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder am 10. Juni 2010 in Berlin steht u.a. die Unterzeichnung der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag). Danach wird die Abstimmung in den Landtagen wohl wirklich nur noch Formsache sein.

Update vom 10.06.2010:
Die Ministerpräsidenten haben den JMStV erwartungsgemäß beschlossen.

posted by Stadler at 17:08  

8.6.10

Die Datensammler vom BKA

Der Kollege Vetter ereifert sich – nicht ganz zu Unrecht – über eine Verordnung der Bundesinnenministeriums, die den schönen Namen „Verordnung über die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des Bundeskriminalamtgesetzes gespeichert werden dürfen“ trägt und die gerade die Zustimmung des Bundesrats erhalten hat.

Wer verstehen will, worum es geht, muss zunächst die §§ 8 und 9 des BKAG lesen, denn diese Vorschriften bilden nach § 7 Abs. 6 BKAG die gesetzliche Grundlage dieser Verordnung.

Ich muss gestehen, dass ich die Vorschrift des § 8 BKAG heute zum ersten Mal lese und ich muss weiter gestehen, dass ich speziell § 8 Abs. 2 BKAG auch nicht verstehe. Die Vorschrift lautet:

„Weitere personenbezogene Daten von Beschuldigten und personenbezogene Daten von Personen, die einer Straftat verdächtig sind, kann das Bundeskriminalamt nur speichern, verändern und nutzen, soweit dies erforderlich ist, weil wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, daß Strafverfahren gegen den Beschuldigten oder Tatverdächtigen zu führen sind.“

Weitere personenbezogene Daten – also über Abs. 1 hinaus – dürfen dann gespeichert werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass gegen Beschuldigte oder Tatverdächtige ein Strafverfahren zu führen ist. Man möchte doch meinen, dass bei Beschuldigten und Tatverdächtigen regelmäßig Grund für die Einleitung eines Strafverfahrens besteht, im Falle von Beschuldigten muss sogar schon ein Ermittlungsverfahren bestehen, weil dieses Verfahren den Beschuldigtenstatus überhaupt erst begründet.

Was unter weitere personenbezogene Daten zu verstehen ist, besagt das Gesetz nicht, sondern überlässt es vielmehr dem Verordnungsgeber. Ob das allerdings der Vorgabe der sog. Wesentlichkeitstheorie entspricht, die besagt, dass der Gesetzgeber das Wesentliche selbst zu regeln hat und nicht der Exekutive überlassen darf, wird man bezweifeln dürfen.

Ein Blick in § 2 der Verordnung offenbart allerdings ein weiteres Problem. Denn dort wird keineswegs nur die Art der Daten näher bestimmt, wie der Titel der Verordnung vorgibt. Vielmehr wird der Kreis der Betroffenen Personen erheblich erweitert. Die Verordnung spricht von „Beziehungen zu Personen“ und „Gruppenzugehörigkeit“, von „Gefährdern“ und „relevante Person“.

Bei der Lektüre dieser Begriffe muss ich spontan an Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ denken. Wer also in irgendeiner Beziehung zu einem Tatverdächtigen steht oder nur derselben Gruppe (Sportverein, Stammtisch?) angehört, kann auf diesem Umweg in einer Datei des BKA landen. Und relevant wird im Zweifel jede Person sein, die die Ermittlungsbehörden, aufgrund welcher absurden Umstände auch immer, für relevant erachten. Wenn man sich den uferlosen Katalog des § 2 der Verordnung ansieht, muss man ohne weiteres zu der Schlussfolgerung gelangen, dass diese Vorschrift von seiner gesetzlichen Ermächtigungsnorm nicht gedeckt ist.

Und der gesetzlichen Regelung selbst, insbesondere § 8 Abs. 2 BKAG, mangelt es nicht nur an der erforderlichen Normklarheit. Die Regelung wonach bei Beschuldigten Grund zur Annahme bestehen muss, dass gegen sie ein Strafverfahren geführt wird, stellt eine Tautologie dar.

posted by Stadler at 08:00  

6.6.10

Nervosität beim JMStV

Ein vor wenigen Tagen auf dem Server des Landes Rheinland-Pfalz veröffentlichtes Dokument zur Novellierung des Jugendmedienschutzstaatsvertrags (JMStV) deutet auf eine gewisse Nervosität hin. Denn man ist bemüht, nochmals zu bekräftigen, dass der Entwurf auf breite Akzeptanz stößt, die technische Umsetzbarkeit gegeben sei und auch das Hans Bredow Institut die geplante Neuregelung positiv beurteile. Was von der Einschätzung des Bredow Instituts zu halten ist, habe ich unlängst bereits dargestellt.

Insgesamt überzeugender wäre es freilich, wenn man sich endlich mit der vorgebrachten konstruktiven Kritik befassen würde. Siehe z.B.:
Forderungskatalog des AK Zensur
JMStV: „Behüten, wo es nötig ist“

posted by Stadler at 08:58  

5.6.10

Im Reich der Angela Merkel

Gustav Seibt, einer der bedeutenden Feuilletonisten der Gegenwart, schreibt in der Süddeutschen (SZ vom 05./06. Juni 2010, S. 13) zu den Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten einen Satz, mit dem praktisch alles gesagt ist:

„Diese fahle Gestalt (Christian Wulff, Anm. d. Verf.) beleuchtet von der Seite auch die ausgeschlagene Möglichkeit Joachim Gauck, dessen glanzvolle, von Freimut und Intelligenz getragene Redebegabung, dramatische Biographie und moralische Deutlichkeit eine so ideale und dabei eigenständige Rollenausfüllung versprochen hätten, dass klar ist: Im Reich der Angela Merkel ist dergleichen unvorstellbar.“

Die Auseinandersetzung um die Nachfolge von Horst Köhler könnte für die Bundesregierung zur Zerreißprobe werden und groteske Züge trägt sie ohnehin. SPD und Grünen ist mit der Nominierung von Joachim Gauck ein Coup gelungen, an dem die Union und in noch stärkerem Maße die FDP zu beißen hat. Weiß man doch, dass Merkel große Stücke auf Gauck hält und man höre und staune, sogar die CSU bereits vor über zehn Jahren versucht hat, Gauck für eine Kandidatur gegen Johannnes Rau zu gewinnen. Unter anderen Vorzeichen hätten die Konservativen Gauck also für einen prima Kandidaten gehalten. Umstände, die nebenbei belegen, wie absurd deutsche Parteipolitik in Wirklichkeit ist.

Die angeschlagene Regierung Merkel/Westerwelle möchte derzeit allerdings jemanden aus der aktuellen Politik, auf den Verlass ist und der im Zweifel die Bundesregierung stützen soll. Einen Ja-Sager und Abnicker also. Sein Name: Christian Wulff.

Aber ihm steht plötzlich der charismatische Joachim Gauck gegenüber, DDR-Bürgerrechtler und ehemals Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen (vulgo: Gauck-Behörde). Und sofort setzt auch in Union und FDP die Diskussion ein, denn es gibt dort nicht wenige, die den streitbaren Demokraten Gauck für die bessere Wahl halten. Und vielleicht brauchen wir ja gerade jetzt einen wie Gauck in diesem Amt.

Möglicherweise wird diese Groteske auch durch die Linke vollendet, die sich in ihrer wenig überraschenden Ablehnung von Gauck als das outet, was sie in Wirklichkeit ist, nämlich eine im schlechten Sinne konservative Partei.

posted by Stadler at 23:21  

4.6.10

Access-Sperren in Brüssel weiterhin Thema

EU-Kommissarin Cesilia Malmström setzt sich weiter für Access-Sperren ein. Wie der AK Zensur in einer Pressemeldung mitteilt, hat die Kommissarin auf einem Treffen der Justizminister der Mitgliedsstaaten den Gegnern von Netzsperren vorgeworfen, ihnen ginge es um „Meinungsfreiheit“ für Kinderpornografie. Dieses schändliche „Argument“ ist bereits aus der letztjährigen deutschen Diskussion bekannt, aber es wird auch durch regelmäßige Wiederholung nicht richtig.  Ähnlich wie Ursula von der Leyen in der deutschen Diskussion, will sich Frau Malmström offenbar nicht von Fakten ablenken lasen.

Die berechtigte Sorge der Netzgemeinde besteht u.a. darin, dass zur Durchführung dieser „Sperren“ eine Infrastruktur geschaffen werden müsste, die es dem Staat bzw. einer Behörde wie dem BKA ermöglicht, ohne ausreichende Kontrolle, beliebig “unerwünschte Inhalte” auszufiltern und auf geheim zu haltende Sperrlisten zu setzen. Diese Infrastruktur würde anschließend Schritt für Schritt auch auf andere Bereiche erstreckt werden. Entsprechende Forderungen gibt es von Lobbyisten unterschiedlichster Couleur bereits zu Genüge.

In einer Vielzahl von Blogeinträgen habe ich immer wieder dargestellt, welche sachlichen Gründe gegen „Access-Blockaden“ sprechen. Aus gegebenem Anlass hier nochmals der Hinweis auf einige dieser Texte:

Netzsperren: Wo stehen die zu sperrenden Server eigentlich?
Kinderpornografie im Web kann effektiv bekämpft werden
Sperrung von Kinderpornografie im Netz: Die falschen Tatsachenbehauptungen der Bundesregierung
Bundestagsgutachten zu Netzsperren
Internes “Rechtsgutachten” des BMI zu Access-Sperren
Sperrungsverfügung gegen Access-Provider (Ein älterer Beitrag von mir für die Zeitschrift Multimedia und Recht, der sich mit den Düsseldorfer Sperrungsverfügungen juristisch auseinandersetzt)

posted by Stadler at 21:54  
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