Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

18.2.12

Braucht der Internetprotest professionellere Strukturen?

Falk Lüke schreibt in der taz, dass die digitale Zivilgesellschaft vor allem aus Feierabendakteuren besteht und es deshalb notwendig sei feste Strukturen zu schaffen, ähnlich wie bei Greenpeace.

Aber ist das wirklich der richtige Ansatz? Waren die Arbeitskreise gegen Vorratsdatenspeicherung einerseits und gegen Internet-Sperren und Zensur andererseits nicht gerade deshalb so erfolgreich, weil es an festen Strukturen fehlt und man netztypisch flexibel agieren konnte? Brauchen wir also wirklich feste Strukturen, die sich an der alten deutschen Vereinsmeierei orientieren?

Greenpeace ist großartig, aber es kann und wird kein Vorbild für den Netzaktivismus sein. Der schnell anschwellende Protest gegen ACTA hat gerade erst gezeigt, dass die Mechanismen im Netz andere sind und sich die Dynamik aus vielen unterschiedlichen Quellen speist. Es ist eher das Prinzip des Schwarms, wie es beispielsweise Wikipedia verkörpert, und es sind weniger einzelne Vereine und Organisationen, die den Onlineprotest vorantreiben.

Die aus dem Internet kommende Bürgerrechtsbewegung sollte in dem Wunsch nach Professionalisierung nicht den Fehler machen, sich zu stark an klassische lobbyistische Strukturen anzulehnen, sondern muss vielmehr den bisherigen Weg der losen und sich spontan ändernden Bündnisse weitergehen, damit ihr die Graswurzeldynamik, die sie bislang auszeichnete, nicht verloren geht.

Denn es ist genau das, wovor die Politik Angst hat, weil sie die Mechanismen nicht versteht und glaubt es mit einem gesichtlosen und unbekannten Gegner zu tun zu haben. Der Onlineprotest muss deshalb versuchen, seine Stärken beibehalten. Wer zu sehr auf klassische, vermeintlich professionellere Strukturen setzt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er damit versucht, den Gegner mit dessen Mitteln zu schlagen, was zugleich bedeutet, die eigenen, ungleich effektiveren Mittel aus der Hand zu geben.

Feierabendakteure sind für den Onlineprotest daher wichtiger als professionelle Lobbyisten, wenn man einen Protest der Bürger und Nutzer organisieren will und sich nicht darauf verlassen möchte, dass irgendwelche Verbände und Gruppierungen schon unsere Interessen vertreten werden. Wir sind bisher besser damit gefahren, es selbst zu machen.

posted by Stadler at 16:14  

24.6.11

EU normiert keine Pflicht zur (Wieder-)Einführung von Netzsperren

Art. 21 des Entwurfs einer Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie, sieht entgegen bisheriger Entwürfe nunmehr offenbar keine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten mehr vor, Access-Sperren, die in Deutschland durch Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes gerade wieder beseitigt wurden, einzuführen. Das berichten netzpolitik.org und EDRi.

Wie der Brüssel-Insider Ralf Bendrath – der selbst an diesem Ergebnis nicht ganz unbeteiligt sein dürfte – für netzpolitik.org schreibt, hat Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sehr aktiv und erfolgreich in diese Richtung verhandeln lassen.

Zu wenig beachtet wird bei solchen Erfolgen auch, dass sich die Organisation European Digital Rights (EDRi) mit Joe McNamee in Brüssel sehr engagiert und wirkungsvoll für unsere Bürgerrechte einsetzt und dort auch als offizieller Interessenvertreter akkreditiert ist. Weil die Öffentlichkeitsarbeit von EDRi nicht so spektakulär ist, wie die anderer Gruppen, wird das aber hierzulande wenig wahrgenommen. An dieser Stelle ist auch die passende Gelegenheit auf das EDRi-gram, den zweiwöchentlichen Newsletter über Bürgerrechte in Europa, den es auch in einer deutscher Fassung gibt, hinzuweisen.

Und im konkreten Fall darf man auch Christian Bahls (MOGIS), einen der engagiertesten deutschen Netzsperren-Gegner nicht unerwähnt lassen. Bahls hat sich auf eigene Kosten in Brüssel dafür eingesetzt, dass die verbindliche Sperrverpflichtung nicht über den Umweg der EU nach Deutschland zurückkehrt.

posted by Stadler at 11:18  

12.4.11

Internet-Lobbyismus: „Digitale Gesellschaft“

Morgen soll also der Startschuss für den neuen Verein „Digitale Gesellschaft“ fallen, der schon im Vorfeld als „Greenpeace für Internetschützer“ oder als eine „Electronic Frontier Foundation für Deutschland“ bezeichnet worden ist.

Was steckt dahinter? Blogger Markus Beckedahl (netzpolitik.org) will einen Verein gründen, der sich für Bürgerrechte im Netz einsetzt und als Träger diverser Kampagnen fungieren soll. Klingt zunächst nach einer Art Dachverband für bestehende Gruppen.

Es gibt mindestens zwei Gründe skeptisch zu sein.

Die „Digitale Gesellschaft“ verfolgt offenbar einen Top-Down-Ansatz und will sich auf wenige ausgewählte Mitglieder beschränken. Das steht in Widerspruch zur Struktur des Netzes und der Art und Weise, wie sich Bürgerprotest bisher online organisiert hat. Der Versuch, das Modell Greenpeace auf das Netz zu übertragen, erscheint nicht wirklich innovativ und ist eher alter Wein in neuen Schläuchen.

Die Arbeit haben bisher außerdem andere gemacht. Die digitale Bürgerrechtsbewegung, die sich in den letzten Jahren etabliert hat, wird vor allen Dingen von Gruppen wie dem AK Vorrat oder dem AK Zensur getragen, die einiges bewegt haben. Daneben gibt es etablierte Player wie den CCC oder den FoeBud und auf europäischer Ebene zum Beispiel EDRI.

Der Versuch, auf diesen Zug aufzuspringen und eine Dachorganisation zu gründen, noch dazu als Closed-Shop, dürfte eher auf eine Zersplitterung als auf eine Bündelung der Kräfte hinauslaufen. Der deutsche Netz-Pionier Stefan Münz hat es auf Twitter anders formuliert:

Ein Internet-Lobby-Verband? Das ist doch wie ein Grillabend gegen Massentierhaltung!

Auch da ist was dran.

posted by Stadler at 22:16  

23.10.10

Der nächste Kniefall vor dem Lobbyismus

Die Pharmabranche will gerne auch nutzlose Medikamente auf den Markt bringen dürfen und die Politik scheint ihr genau das, gestatten zu wollen. Die geplante Reform des Arzneimittelgesetzes ist ein weiterer Beleg dafür, dass diese Bundesregierung der Pharmalobby nichts entgegen zu setzen hat. Zum Nachteil der Bürger.

posted by Stadler at 14:27  

12.9.10

Wie die Meinungen auseinander gehen

Bei Heise-Online lese ich, dass der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Günter Krings, das geforderte Leistungsschutzrecht für Verlage als einen „Garant für Vielfalt und einen Motor für Innovation“ bezeichnet hat. Und an dieser Stellung muss ich wieder einmal erkennen, wie weit die Einschätzungen doch divergieren können. Ich halte dieses Leistungsschutzrecht nämlich für innovationhemmend und sehe darin geradezu einen Anschlag auf die Informationsfreiheit.

Vielleicht muss man die Aussage von Krings einfach als das sehen, was es ist, nämlich einen Kniefall vor den Lobbyisten. Und den gab es in letzter Zeit ja häufiger.

posted by Stadler at 21:28  

28.4.10

Instrumentalisiert die Musikindustrie Kinderpornografie?

Die Rechteindustrie unterstützt die europaweiten Vorhaben, Kinderpornografie im Internet durch providerseitige Access-Blockaden zu bekämpfen gerade deshalb, weil sie sich davon die Etablierung einer Sperrinfrakstruktur erhofft, die anschließend auch für die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen genutzt werden kann. Dieser Zusammenhang ist nicht neu und wird von Sperrgegnern immer wieder ins Feld geführt.

Neu ist allenfalls die Information, dass ein Vertreter der IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) diese Zusammenhänge und die Intension der Musikindustrie vor einigen Jahren ganz freimütig auf einem Kongress dargestellt hat, wovon der schwedische EU-Abgeordnete Engström in seinem Blog berichtet. Eine interessante Lektüre, der die Absurdität des politischen Lobbyismus verdeutlicht.

posted by Stadler at 10:40  

4.10.09

Musikbranche stellt Forderungen an die neue Bundesregierung

Wie nicht anders zu erwarten war, fordern die Urheberrechtslobbyisten des Deutschen Musikverlegerverbandes eine weitere Verschärfung des Urheberrechts zu ihren Gunsten. Der Appell dürfte sich v.a. an die FDP richten, die schon im Wahlkampf einerseits ein freiheitliches Netz, andererseits aber eine Stärkung der Position der Rechteinhaber propagiert hatte. Dies war freilich nicht die einzige Quadratur des Kreises die sich im Wahlkampfprogramm derjenigen Partei wiederfindet, die sich selbst als liberal bezeichnet. Es wird z.B. interessant sein zu beobachten, wie die FDP mit der Forderung nach Netzsperren zur Verhinderung von Urheberrechtsverstößen umgehen wird.

Was in dieser Diskussion allerdings gerne verschwiegen wird, ist, dass das Urheberrecht in den letzten Jahren ohnehin mehrfach und massiv zu Gunsten der Rechteinhaber und zu Lasten der Verbraucher verändert worden ist, ohne, dass dies zu einem messbaren wirtschaftlichen Effekt bei den Rechteinhabern geführt hätte. Dass die neue Bundesregierung die notwenige Diskussion über die Modernisierung des Urheberrechts, die zwangsläufig mit einer Abkehr von der bisherigen Linie verbunden wäre, führen wird, halte ich für unwahrscheinlich. Vielmehr dürfte der Einfluss der Lobbyisten auf die FDP sogar noch deutlich stärker sein, als dies bei SPD oder Grünen der Fall war.

Update vom 05.10.09
Hierzu passt auch die Meldung vom 05.10.09 bei Golem „Gema bringt sich in Stellung“

posted by Stadler at 12:20  

9.7.09

Die Verlage wollen, dass der Staat "Fehlentwicklungen" im Internet korrigiert

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) fordert von der Politik zur Stabilisierung des Zeitungsmarkts eine Lockerung des Kartellrechts, eine weitere Absenkung der Mehrwertsteuer für Verlagsprodukte sowie die „Unterstützung bei der Korrek­tur von Fehlentwicklungen im Internet“. Wörtlich heißt es in der Pressemitteilung vom 09.07.2009:

„Nur mit einem umfassenden Leistungsschutzrecht könne dem Con­tent-Klau Einhalt geboten werden. Im nächsten Schritt gehe es dann darum, Bezahlmodelle für Internetinhalte zu entwickeln. Die Onlinewerbung allein werde nicht ausreichen, publizistische Qualität im Internet zu finanzie­ren. Deshalb müssten Wege gefunden werden, die von der Gratiskultur wegführten. „Es geht um den Erhalt der Qualitätspresse in einer digitali­sierten Welt“

Was sich die Verlage unter einem neuen Leistungsschutzrecht vorstellen, hat Hubert Burda unlängst skizziert. Ihm ist es ein Dorn im Auge, dass man über Suchmaschinen und Links einfach so und kostenlos auf die „Qualitätsangebote“ der Zeitungen im Netz gelangt.

Das können die Verlage natürlich jederzeit selbst ändern, indem sie ihren Content nicht mehr frei zugänglich ins Netz stellen. Dazu bedarf es keiner neuen gesetzlichen Regelungen. Da die Verlage aber wissen, dass sie derzeit nicht in der Lage sind, Bezahlmodelle zu etablieren, soll der Gesetzgeber offenbar Suchmaschinen und vielleicht auch Zugangsanbieter zwingen, Teile ihres Erlöses an die Zeitungen abzuführen oder gar die Verlinkung auf Zeitungartikel gesetzlich beschränken.

Das Verhalten der Verlage ist anachronistisch. Sie reagieren in derselben rückwärtsorientierten Art und Weise, wie dies die Musikindustrie seit mehr als 10 Jahren tut. Den zugrundeliegenden Modellen ist bislang, trotz zahlreicher Verschärfungen des Urheberrechts zugunsten der Content-Industrie, der Erfolg versagt geblieben und das wird auch so bleiben.

Die Verlage fordern Eingriffe des Gesetzgebers in die Markt- und Gesellschaftsentwicklung. Dass die „freie Presse“, die sich gerne als 4. Gewalt sieht, jetzt eine staatliche Intervention fordert und sich damit vom Staat abhängig macht, ist wiedersinnig und gefährlich.

Es wird ein Zeitungssterben geben und wir werden sicherlich auch Verlagspleiten erleben. Dennoch sollte man sich davor hüten, die Zeitung als solche bereits als schutzwürdiges Kulturgut zu betrachten. Es gibt mittlerweile im Netz jede Menge hochwertigen Journalismus abseits der etablierten Verlage. Das Internet begünstigt eine neue Form des Journalismus, durch das die Zeitungen ihre Deutungshoheit verlieren. Damit muss kein Nachteil für die Allgemeinheit verbunden sein. Bei den Apellen der Verlage geht es denn auch nicht um die Sicherung von Qualitätsjournalismus und Meinungsvielfalt, sondern allein um die wirtschaftlichen Interessen der Branche. Und diese Interessen rechtfertigen keine Eingriffe des Staates in die Strukturen und Mechanismen des Netzes, im Wege neuer urheberrechtlicher Leistungsschutzrechte. Es gibt entgegen der Ansicht der Verlagsbranche keine Fehlentwicklung, die zu berichtigen wäre. Dennoch werden die Lobbyisten der Verlagsbranche jetzt damit beginnen, die Bundesregierung und die Abgeordneten massiv in ihrem Sinne zu bearbeiten.

posted by Stadler at 16:10  

26.6.09

Beeinflussen käufliche Abgeordnete das Urheberrecht?

Thomas Hoeren, einer der bedeutendsten Informationsrechtler dieses Landes hat die Frage aufgeworfen, ob die Übermacht der Urheberrechtslobby gegenüber den Interessen der Kreativen und Nutzern vielleicht auch an der Käuflichkeit von Abgeordneten liegt und verweist auf das Beispiel eines Europaabgeordneten.

Fakt ist in jedem Fall, dass der normale Bürger keine Vorstellung davon hat, mit welchem Aufwand verschiedenste Interessengruppen Lobbyismus betreiben, der ganz massiv direkt bei einzelnen Abgeordneten ansetzt.

posted by Stadler at 17:55  
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