Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

12.4.11

Internet-Lobbyismus: „Digitale Gesellschaft“

Morgen soll also der Startschuss für den neuen Verein „Digitale Gesellschaft“ fallen, der schon im Vorfeld als „Greenpeace für Internetschützer“ oder als eine „Electronic Frontier Foundation für Deutschland“ bezeichnet worden ist.

Was steckt dahinter? Blogger Markus Beckedahl (netzpolitik.org) will einen Verein gründen, der sich für Bürgerrechte im Netz einsetzt und als Träger diverser Kampagnen fungieren soll. Klingt zunächst nach einer Art Dachverband für bestehende Gruppen.

Es gibt mindestens zwei Gründe skeptisch zu sein.

Die „Digitale Gesellschaft“ verfolgt offenbar einen Top-Down-Ansatz und will sich auf wenige ausgewählte Mitglieder beschränken. Das steht in Widerspruch zur Struktur des Netzes und der Art und Weise, wie sich Bürgerprotest bisher online organisiert hat. Der Versuch, das Modell Greenpeace auf das Netz zu übertragen, erscheint nicht wirklich innovativ und ist eher alter Wein in neuen Schläuchen.

Die Arbeit haben bisher außerdem andere gemacht. Die digitale Bürgerrechtsbewegung, die sich in den letzten Jahren etabliert hat, wird vor allen Dingen von Gruppen wie dem AK Vorrat oder dem AK Zensur getragen, die einiges bewegt haben. Daneben gibt es etablierte Player wie den CCC oder den FoeBud und auf europäischer Ebene zum Beispiel EDRI.

Der Versuch, auf diesen Zug aufzuspringen und eine Dachorganisation zu gründen, noch dazu als Closed-Shop, dürfte eher auf eine Zersplitterung als auf eine Bündelung der Kräfte hinauslaufen. Der deutsche Netz-Pionier Stefan Münz hat es auf Twitter anders formuliert:

Ein Internet-Lobby-Verband? Das ist doch wie ein Grillabend gegen Massentierhaltung!

Auch da ist was dran.

posted by Stadler at 22:16  

18 Comments

  1. Der zweite Grund das andere Vereine bereits Träger sind, sehe ich nur bedingt so. Richtig Ak Zensur, Ak Vorrat und CCC arbeiten auch heute schon zusammen. Aber überholt nicht absehbar die politische Realität die Arbeitsweise dieser Organisationen? Reicht die bestehende Form der Zusammenarbeit, Planung und Aussagekraft noch aus?

    Sie arbeiten heute meist auf Zuruf, Diskussion. Wirklich langfristige strategische Koordination gab es m.E. zuletzt bei der Schäubleschen Vorratsdatenspeicherung.

    Zum anderen schwächeln die Organisationen. Der AKV hat sogut wie keine OGs mehr und die FSA ist stark geschmolzen. Der Ak Zensur, war immer organisatorisch überschaubar und schießt dem AKV schonmal ein Auge aus. (Nicht böse gemeint, aber bedenklich) Der CCC macht und macht, wie immer. Allerdings ist auch klitzekleines Stück Wahrheit an der Tausschen Kritik vom Kekseessen als politisches Feigenblatt. Die Piraten wiederum sind innerhalb des Organisationsnetzes kaum noch inhaltlich vertreten, obwohl u.a. sie die Träger von sinnvollen Gesetzesvorschlägen sein könnten.

    Für mich steht jedenfalls eines fest,ohne organistorische Neuausrichtung der Netzcommunity werden wir gegen MiniVDS und Co. absehbar verlieren.

    Vorrausgetzt, die Digitale Gesellschaft kann alle Beteiligten von der Arbeit als vernetzende, strategiemoderierende und inhaltlich proffessionelle Dachplattform überzeugen halte ich die Idee bis auf weiteres für einen Zugewinn.

    Allerdings könnte man es sich auch einfacher machen und zuerst diese Organisationen und Netzfreaks deren Dach man sein möchte einbeziehen… Und da ist man bei:

    Das Argument „close“ halte ich ebenfalls für sehr kontraproduktiv.

    Comment by Jens — 12.04, 2011 @ 23:04

  2. Niemand von uns möchte einen Dachverband ala Bloggerverband oder Internet-ADAC gründen, das haben wir auch nicht gesagt. In den vergangenen Jahren gab es dazu verschiedene Bestrebungen, die immer im Sand verlaufen sind, weil zuviele unterschiedliche Player mit unterschiedlichen Motiven und Vorstellungen anscheinend nicht unter einen Hut passen.

    Wir orientieren uns an Organisationsmodellen wie Greenpeace und Campact. Wir wollen das, was wir seit sieben Jahren bei netzpolitik.org machen, weiterentwickeln. Das wird nicht closed-source sein, aber wir wollen nur nicht erstmal das erste Jahr mit rumreden verbringen, sondern unsere knappe Zeit dafür einsetzen, erstmal was aufzubauen und dann lansam zu öffnen.

    Herumgeredet wurde in den letzten Jahren eindeutig zu oft in Richtung „Müsste man mal“ und „Könnte man mal“, konkret gemacht wurde dabei leider viel zu selten etwas, obwohl das wichtig ist.

    Digitale Gesellschaft wird ein Angebot sein, was man schätzen oder ablehnen kann. Das ist wie beim Chaos Computer Club, Greenpeace oder EFF.

    Comment by Markus — 13.04, 2011 @ 07:59

  3. Ich bin auch verwundert darüber, dass man beispielsweise „La Quadrature Du Net“ als Vorbild nennt. Nach meiner Wahrnehmung ist es eher so, dass die Franzosen neidvoll nach Deutschland blicken und erstaunt sind, wie schlagkräftig und erfolgreich die Arbeit hier ist und war. Nirgendwo in ganz Europa gibt es derzeit eine so starke digitale Bürgerrechtsbewegung wie in Deutschland, was m.E. auch daran liegt, dass sich die Akteure nicht (nur) der alten Organisationsstrukturen bedienen. Mir erscheint der Ansatz von „Digitale Gesellschaft“ – so wie ich ihn bisher verstanden habe – daher eher anachronistisch.

    Comment by Stadler — 13.04, 2011 @ 09:45

  4. Wo Du La Quadrature du Net erwähnst: Ich empfehle Dir mal mit Jeremie Zimmerman zu reden, wie sie es schaffen, mehrere Menschen für Arbeiten zu finanzieren, für die sonst keiner Zeit hat und Lust hat.

    Comment by Markus — 13.04, 2011 @ 23:20

  5. Hat La Quqdrature du Net in Frankreich oder auf Ebene der EU mehr bewegt als der AK Zensur und der AK Vorrat? Wenn Deine Antwort nein lautet, dann musst Du Dir die Frage stellen, was daraus für Schlüsse zu ziehen sind. Wenn Deine Antwort ja lauten sollte, würde mich interessieren, wie Du darauf kommst.

    Ich habe nach meinem bisherigen Kenntnisstand – der Informationsgehalt Eurer Website ist allerdings nicht gerade hoch und Dein Beitrag für Heise geht auch kaum über Allgemeinplätze hinaus – den Eindruck, dass ihr keinen Erfolg versprechenden Ansatz verfolgt. Aber ich kann mich täuschen und lasse mich gern eines Besseren belehren.

    Comment by Stadler — 14.04, 2011 @ 10:28

  6. @Jens:

    „Der Ak Zensur, war immer organisatorisch überschaubar und schießt dem AKV schonmal ein Auge aus.“

    – Der AK Zensur hat sich meines Wissens nie in einer Weise öffentlich geäussert, die in Kontrast zu den Positionen des AK Vorrat standen.

    Wenn private Äusserungen von Alvar Freude negativ aufgenommen wurden, wäre es nett, nicht gleich der komplette AK Zensur mit in Geiselhaft zu nehmen (Ich weiß, das ist nicht ganz so einfach, mir und sicher auch den anderen Aktiven dort aber trotzdem wichtig).

    @Thomas:

    „Die Arbeit haben bisher außerdem andere gemacht. Die digitale Bürgerrechtsbewegung, die sich in den letzten Jahren etabliert hat, wird vor allen Dingen von Gruppen wie dem AK Vorrat oder dem AK Zensur getragen, die einiges bewegt haben.“

    Soso. Thomas, ich bin gerade ein wenig erstaunt.

    Ich dachte bisher, dass netzpolitik.org (Gründungs-)Mitglied des AK Zensur sei. Auch denke ich, dass wir bei Netzpolitik.org in den letzten 7 Jahren nicht den schlechtesten Job gemacht haben.* Bei div. netzpolitischen Themen standen wir regelmäßig einsam im Wind, bis irgendwo ein neuer Arbeitskreis gegründet wurde.

    Was also soll diese hochnotpeinliche Blutgrätsche? Das hast du doch nun wirklich nicht nötig (Bei anderen wundere ich ich leider weniger).

    ciao
    Olaf

    *PS: Zur „Digitalen Gesellschaft“ kann ich nichts sagen. Das möchte ich mir schlicht erst einmal in Ruhe ansehen. Meine grundsätzliche Meinung zu einem „Internet-ADAC“ kennst du ja von der AKZ-Mailingliste.

    Comment by JoSchaefers — 14.04, 2011 @ 17:48

  7. @Olaf: Es ging mir nicht darum, netzpolitik.org zu kritisieren und Dich habe ich noch weniger gemeint. Dass Markus sich beim AK Zensur sonderlich engagiert hat, muss mir allerdings entgangen sein.

    Einem Dachverband der nicht sagt, wer genau dahinter steht und auch mit den wichtigen Gruppen im Vorfeld nicht spricht, stößt bei mir auf Misstrauen.

    Auf sachliche Kritik mit einem Vokabular wie „hochnotpeinliche Blugrätsche“ zu antworten, ist allerdings etwas, was ich peinlich finde.

    Comment by Stadler — 14.04, 2011 @ 20:42

  8. Die beste Art, sich handlungsunfähig zu machen, ist die Gründung eines klassischen Vereins mit möglichst vielen stimmberechtigten Mitgliedern. Dann hat man fortan Laber-Meetings ohne Ende – mit Leuten, die viel meinen und ansagen, aber wenig konkret mittun wollen.
    Deshalb finde ich den Ansatz der Digitalen Gesellschaft voll ok. Später kann man ja sehen, in welchem Maße man aktive Mitmacher/Unterstützer auch formal beteiligt.

    Comment by Claudia — 15.04, 2011 @ 11:01

  9. Interessante Diskussion. Thomas hat valide Argumente, aber es kann in der Tat besonders in der Anfangszeit hinderlich bis sogar tödlich sein, die Diskussion zu breit zu fächern.

    Ich bin auch noch nicht lange aktiv, habe aber die Erfahrung gemacht, dass die meisten Gruppierungen die viel auf die Beine stellen, oft nur von 2-4 Leuten getragen werden. Der Rest schwimmt mit, beteiligt sich mal und mal nicht. Das heißt nicht, dass die Arbeit der anderen weniger Wert wäre, aber wenn sich diese 2-4 Menschen in der Marsch-Richtung einig sind, kann da einiges passieren.

    Genau die Diskussion die hier geführt wird beschäftigt mich schon eine Weile und es ist auch nicht leicht, gute Antworten (geschweige denn Lösungen) zu finden.

    Comment by Nike — 15.04, 2011 @ 12:06

  10. @Thomas: Nun, wenn du Netzpolitik.org oder mich nicht kritisieren wolltest, ist die Formulierung, dass die Arbeit andere gemacht hätte, wohl irgendwie missverständlich.

    Und bitte, was die Mitarbeit der im AK Zensur gebündelten NGOs betrifft, das ist ein Thema, das wir öffentlich besser nicht diskutieren sollten (von einigen lese ich gerade das erste Mal: http://ak-zensur.de/ueber-uns/ ,). Ich wüsste aber auch nicht, wo das jemals nennenswert anders gelaufen wäre.

    Ob die „dg“ ein „Dachverband“ werden will, wird sich zeigen. Markus dementiert das, ich kann es als Aussenstehender nicht beurteilen (Allerdings würde die Gründung in dieser Form wenig Sinn machen, aber das ist eine ganz andere Debatte).

    Als alter Netzpfadfinder fände es nur fair, nicht schon am Gründungstag mit der Kampagnenarbeit gegen eine offenbar als Konkurrenz wahrgenomme Initiative zu beginnen (Da sind bei Twitter die Masken gestern ja gleich reihenweise gefallen).

    Gerade auch, weil ich zwischen den Stühlen sitze und wir _alle_ Besseres zu tun haben, als uns vorwährend mit uns selbst und Postengeschacher an politischen Katzentischen zu beschäftigen.

    @Claudia: Das ist übrigens auch meine (private) Meinung. Aber sag das bitte niemandem.

    @Nike:

    dass die meisten Gruppierungen die viel auf die Beine stellen, oft nur von 2-4 Leuten getragen werden.

    Stimmt. Problematisch wird es allerdings, wenn diese Personen ihre Einzelinteressen entdecken. Besser für die Gruppierung ist es, wenn es dann frühzeitig aufgebaute Alternativen gibt, die zumindest für einen Ausgleich sorgen. Leider ist das regelmäßig nicht der Fall.

    Comment by JoSchaefers — 15.04, 2011 @ 12:42

  11. @Olaf: Ich habe erst gar nicht verstanden, warum Du Dich (persönlich) angesprochen gefühlt hast. Von den Gruppen, die m.E. in den letzten Jahren die Arbeit gemacht haben, habe ich exemplarisch den AK Zensur und den AK Vorrat genannt. Mit diesen Gruppen – für den AK Zensur bin ich mir da sicher – hat Markus bzw. die Digitale Gesellschaft im Vorfeld nicht gesprochen. Und das ist für mich von der Herangehensweise her unverständlich. Wo da die Kritik an Deiner Person versteckt sein soll, verstehe ich irgendwie nicht.

    Dass sowas wie die Digitale Gesellschaft sinnvoll sein kann, möchte ich gar nicht in Abrede stellen. Aber nur dann, wenn man versucht, die Kräfte zu bündeln. Das scheint aber nicht die Intention zu sein. Vielmehr möchte da wieder einmal jemand sein eigenes Süppchen kochen.

    @Claudia: Aber genau das ist doch gemacht worden. Es wurde ein klassischer Verein gegründet, mit stimmberechtigten Mitgliedern und allen dazugehörigen Folgen. Gruppen wie der AK Zensur funktionieren auch deshalb, weil diese Vereinsstruktur fehlt. Der Ansatz der DG ist „Old School“, wie es bei mrtopf.de formuliert wurde. So funktioniert das Netz aber nicht. Aber warten wir es ab.

    Comment by Stadler — 15.04, 2011 @ 13:34

  12. „Das scheint aber nicht die Intension sein.“

    Die Rechtschreibung, Herr RA Stadler, die Rechtschreibung:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Intension

    http://de.wikipedia.org/wiki/Intention

    Comment by Elena — 15.04, 2011 @ 21:07

  13. „Das scheint aber nicht die Intention zu sein.“

    Nun ist es richtig geschrieben, Herr RA Stadler. Prima.

    Comment by Elena — 16.04, 2011 @ 03:57

  14. Der politische Gegner reibt sich hier die Hände Ehrlich gesagt finde ich es peinlich bis traurig, wie offensichtlich hier der geehrte RA Stadler beleidigt ist, und denkt, irgendeine Position in der Szene verteidigen zu müssen. An genau solchen Eitelkeiten ist bis jetzt noch jede hoffnungsvolle Bewegung kaputtgegangen.
    Vorsicht ist bei solchen Leuten geboten, denen das Selbst wichtiger ist, als das politische Ziel. Das ist der bestimmende Zustand in der heutigen Politik, und das gilt es zu überwinden Herr Stadler. Seit‘ an Seit und nicht Initiativen, die sich einreihen, am ersten Tag noch bevor sie überhaupt etwas gemacht haben, torpedieren.

    Comment by Peter Hornstein — 16.04, 2011 @ 19:36

  15. Moin, ‚habe mich immer gefragt, wie netzpolitik.org oder NewThinking-Store funktionier(t)en. In Zukunft werde ich mich wohl fragen, wie digitale-gesellschaft.de funktioniert. Ich will genau wissen (können/dürfen), wie die Werkzeuge funktionieren, die ich benutze. Ahoi maxen

    Comment by maxen — 16.04, 2011 @ 20:16

  16. @Thomas:

    „Mit diesen Gruppen – für den AK Zensur bin ich mir da sicher – hat Markus bzw. die Digitale Gesellschaft im Vorfeld nicht gesprochen.“

    Ich befürchte fast, du solltest dir da nicht so sicher sein ;(

    „Vielmehr möchte da wieder einmal jemand sein eigenes Süppchen kochen.“ – Das ist, zumal 2 Tage nach der Vorstellung, ein erstaunlich heftiger Vowurf.

    Man könnte ihn auch anderen machen (Wem eigentlich nicht?). Egal, wir wissen beide, dass das zu nichts führt.

    Comment by JoSchaefers — 16.04, 2011 @ 20:41

  17. @Peter Hornstein:
    Mir ist jetzt nicht klar, inwiefern ich irgendeine Position in der Szene verteidigen würde und welche. Aber ich muss ja auch nicht alles verstehen.

    Mit Ihrer Argumentation lässt sich jedwede Sachkritik als schädlich abtun. Ich schaue mir die Arbeit an und würde mich freuen, wenn etwas Konstruktives dabei raus kommt. Aber zunächst bin ich skeptisch. Warum das so ist, habe ich erläutert.

    Comment by Stadler — 16.04, 2011 @ 20:59

  18. Das Netz und die netizens sind inzwischen mehr als nur die Freaks, Bastler, Nerds vom CCC, FoeBud, AK Zensur. Das ist ja gerade deren Leistung, auch Leute wie mich agitiert zu haben, die wir kein Python, Java, html können, die über Terminal Bash auf ihrem Apple-Computer nur wissen, daß es da, sollte das aus Versehen mal aufgehen, einen Tastaturbefehl gibt „cmd + q“, und die trotzdem ihre Bürgerrechte gewahrt sehen, unbeobachtet surfen und mailen wollen usw. Insofern ist eine Organisation welcher Art auch immer überfällig, die netzpolitische Themen auch mal setzen kann auf die mediale und öffentliche Agenda.

    Die PIRATEN waren es nicht. Ob der Beckedahl das macht? Warum warten wir nicht einfach mal ab, anstatt alles gleich zu zerreden?

    Comment by Seeräuber-Jens — 17.04, 2011 @ 16:18

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