Eine ganze Reihe von Blogs haben ihre Schließung angekündigt und als Grund dafür die Neureglung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags genannt, die zum 01.01.2011 in Kraft treten soll.
Dem werde ich mich sicherlich nicht anschließen und eine Alterskennzeichnung wird dieses Blog auch nicht bekommen. Denn nach meiner Einschätzung hatten meine Blogbeiträge auch bislang keine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung, weshalb es keinen Grund gibt sie zu labeln.
Kritisch wird es für das Gros der Blogger erst dann werden, sollte das eintreten, was sich der Gesetzgeber erhofft, nämlich, dass es demnächst effektive Jugendschutzprogramme – also Filtersoftware – gibt. Denn dann besteht die Gefahr, dass diese Filterprogramme Inhalte, die keine Alterskennzeichnung haben, ausfiltern, mit der Folge, dass sie für Jugendliche, die nur gefiltert surfen, nicht mehr erreichbar sind.
Auch der von mir sehr geschätzte Kris Köhntopp ist auf dem Holzweg, wenn er meint, er müsse sein Blog jetzt zwingend mit einer Alterskennzeichnung versehen und „Ab 16“ oder „Ab 18“ labeln. Wäre das der Fall, dann hätte er auch in den letzten Jahren erst nach 22 Uhr „senden“ dürfen. Die Beurteilungskriterien als solche ändern sich nämlich nicht.
Die Mehrheit der Blogs und Websites werden deshalb nicht betroffen sein. Gleichwohl gibt es auch Stimmen, die die Ansicht vertreten, dass durch die Neureglung eine Art Kontrollpflicht für Content-Anbieter geschaffen wird. Wenn aber selbst die Juristen verunsichert und uneinig darüber sind, welche Folgen die Neufassung hat, sollte man sich über die Unsicherheit, die zum Beispiel bei den Bloggern herrscht, nicht wundern.
Update:
Die Ansicht von Udo Vetter, der meint, nur wer Inhalte anbietet, die ausschließlich für Nutzer ab 16 oder 18 Jahren geeignet sind, müsse eine Alterskennzeichnung einführen, teile ich nicht. Sie ist auch nicht mit dem Wortlaut der geplanten Regelung vereinbar. § 5 Abs. 1 JMStV-E sieht vier Altersstufen vor (ab 6, ab 12, ab 16 und ab 18 Jahren) und betont gleichzeitig, dass eine Altersstufe „ab 0 Jahre“ nur für offensichtlich nicht entwicklungsbeeinträchtigende Angebote in Betracht kommt. Also auch derjenige, der Inhalte online stellt, die mit „ab 12“ zu bewerten sind, braucht eine Alterskennzeichung oder muss anderweitig dafür Sorge tragen, dass der Zugang von Kindern und Jugendlichen entsprechend erschwert wird.
2. Update (2.12.2010):
Nachdem auch immer wieder die Frage gestellt wird, was denn eigentlich entwicklungsbeinträchtigende Angebote seien, hierzu noch ein paar Erläuterungen. Es handelt sich um einen sog. unbestimmten Rechtsbegriff, der alles andere als neu ist und aus dem Jugendschutzgesetz übernommen wurde. In § 14 Abs. 1 JSchG ist von Inhalten die Rede, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Aber auch das hilft nicht sehr viel weiter. Letztlich geht es um Wertmaßstäbe und Wertvorstellungen und da können die Auffassungen weit auseinander gehen. Der vielbeschworene gesellschaftliche Wertekonsens besteht eben nicht immer.
Als Wertmaßstäbe anerkannt sind die Grundwerte der Verfassung, insbesondere die Menschenwürde, das aus Art. 3 GG abgeleitete Toleranzgebot aber auch das Demokratieprinzip. Danach stuft man z.B. rassistische, gewaltverherrlichende, nationalsozialistische oder auch pornografische Inhalte als entwicklungsbeeinträchtigend ein. Entscheidend soll aber immer auch sein, ob Kinder oder Jugendliche ihres Alters in der Lage sind, die Inhalte differenziert und distanziert wahrzunehmen. Denn es wird sich andererseits nicht vermeiden lassen, Kinder und Jugendliche mit der Realität zu konfrontieren.
Die typischen Meinungsblogs sind m.E. deshalb nicht entwicklungsbeeinträchtigend, denn sie tragen gerade zur staatsbürgerlichen Bildung von Jugendlichen bei.