Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.11.10

BGH: Urheberrechtsverstoß wegen Umgehung der Startseite

Der Bundesgerichtshof hat 2003 im sog. Paperboy-Urteil entschieden, dass die Setzung eines direkten („Deep“) Links auf eine Unterseite eines Internetangebots nicht wegen Umgehung der Startseite als Urheberrechts- und Wettbewerbsrechtsverletzung zu qualifizieren ist.

Eine ähnlicher Sachverhalt lag dem BGH nunmehr erneut zur Entscheidung (Urteil vom 29.04.2010, Az.: I ZR 39/08) vor, allerdings mit dem Unterschied, dass der Anbieter eine technische Maßnahme ergriffen hat, die bewirken sollte, dass sich jeder Nutzer zuerst auf die Startseite begeben muss, um dort eine sog. Session-ID zu erhalten, mit der er sich anschließend frei im Internetangebot bewegen kann. Der Beklagte hatte, wie es im Urteil heißt, eine programmtechnische Routine eingesetzt, die dazu führt, dass sein Hyperlink dennoch unter Umgehung der Startseite der Klägerin unmittelbar zur gewünschten Unterseite führt.

Hierin hat der BGH einen Eingriff in das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung des Werkes (§ 19a UrhG) gesehen und zwar selbst dann, wenn diese technische Maßnahme nicht als wirksam zu betrachten ist.

Der Leitsatz des BGH hierzu:

Bedient sich ein Berechtigter einer technischen Schutzmaßnahme, um den öffentlichen Zugang zu einem geschützten Werk nur auf dem Weg über die Startseite seiner Website zu eröffnen, greift das Setzen eines Hyperlink, der unter Umgehung dieser Schutzmaßnahme einen unmittelbaren Zugriff auf das geschützte Werk ermöglicht, in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes aus § 19a UrhG ein. Bei der technischen Schutzmaßnahme muss es sich nicht um eine wirksame technische Schutzmaßnahme im Sinne des § 95a UrhG handeln. Es reicht aus, dass die Schutzmaßnahme den Willen des Berechtigten erkennbar macht, den öffentlichen Zugang zu dem geschützten Werk nur auf dem vorgesehenen Weg zu ermöglichen.

posted by Stadler at 15:59  

15.10.10

BGH stärkt das Recht Links zu setzen

In einem jahrelang andauernden Streit zwischen dem Heise-Verlag und der Musikindustrie um die Frage, ob im Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung auf den Hersteller einer Software, die Kopierschutz umgeht, verlinkt werden darf, hat der BGH nunmehr zu Gunsten des Verlags entschieden. Heise war sowohl im Eilverfahren als auch im Hauptsacheverfahren vor dem Oberlandesgericht München unterlegen. Das Urteil des OLG München aus dem Hauptsacheverfahren hat der BGH heute laut einem Bericht von Heise aufgehoben.

In einem schon älteren Aufsatz für JurPC habe ich mich mit dem Urteil des OLG München aus dem Verfügungsverfahren beschäftigt und erläutert, warum die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts unzutreffend ist. Die Entscheidung ist m.E. für die Onlineberichterstattung insgesamt von großer Bedeutung. Die Urteilsgründe liegen allerdings noch nicht vor.

posted by Stadler at 11:32  

29.9.10

Links auf kinderpornografische Inhalte sind längst strafbar

Heise berichtet heute darüber, dass ein Vertreter des BKA in einer Ausschussanhörung vor dem Europaparlament gefordert hat, auch Besitz und Verbreitung von Links auf einschlägige kinderpornografische Webseiten eindeutig unter Strafe zu stellen.

Wer sich den deutschen Straftatbestand des § 184b StGB betrachtet und die juristische Diskussion hierzu kennt, weiß allerdings, dass sowohl das Verlinken als auch das Aufrufen entsprechender Websites längst als strafbar angesehen wird. Die Forderung des BKA dürfte deshalb nur darauf abzielen, die deutsche Regelung in ganz Europa zu etablieren.

Update:
Udo Vetter beschäftigt sich mit der Frage, wie der Beamte das wohl gemeint hat bzw. ob damit schon der abgelegte oder notierte Link zur Strafbarkeit führen soll.

posted by Stadler at 14:24  

24.9.09

Sony Music mahnt jetzt auch Blogs ab

Sony Music mahnt jetzt offenbar auch Blogs ab, die (nur)auf HipHop Mixtapes verlinken. U.a. wird hierbei die Verletzung der Urheberrechte an Tracks des deutschen Rappers Curse beanstandet.

Was in tatsächlicher Hinsicht dazu zu sagen ist, kann man bei dei den blog.rebellen nachlesen. Die Musikindustrie schießt weiter auf ihr eigenes Tor.

Rechtlich wird es sehr stark darauf ankommen, ob man den Bloggern Verschulden unterstellen kann. Bei Links auf Quellen wie Rapidshare ist zu befürchten, dass die Gerichte Fahrlässigkeit annehmen, weil der Linksetzer damit rechnen muss, dass das Material dort unter Verstoß gegen das Urheberrecht eingestellt worden ist. Ansonsten bleibt nur die Störerhaftung und darüber gibt es keinen Schadensersatz. Insgesamt bleibt aber die Frage, ob durch den Link überhaupt etwas öffentlich zugänglich gemacht wird, oder das Werk nicht ohnehin schon öffentlich zugänglich war. Die rechtlichen Fragen rund um die Linkhaftung sind nach wie vor nicht wirklich abschließend geklärt und der Gesetzgeber drückt sich bislang um eine Regelung.

Update: Offenbar hatten MTV und das eigene Label von Curse auch auf das Mixtape verlinkt!

posted by Stadler at 13:10  

1.7.09

Hyperlinks verbieten?

Dass amerikanische Juristen noch dümmere Vorschläge zu unterbreiten haben, als die hiesigen, hätte ich fast nicht für möglich gehalten, aber es geht.

Ein konservativer amerikanischer Richter namens Richard Posner hat vorgeschlagen, Hyperlinks nur noch dann zu erlauben, wenn der Verlinkte zustimmt.

Mein Vorschlag: Sperrt diesen Mann 48 Stunden weg, legt ihm „Weaving The Web“ von Tim Berners-Lee in die Zelle und zwingt ihn dazu, das Buch drei Mal zu lesen.

Update:
Noch ein Nachtrag hierzu, nachdem man mir vorgeworfen hat, ich hätte den Blogeintrag von Richard Posner nicht gelesen.

Posner beschreibt in seinem Blog den Niedergang der traditionellen Presse, was seiner Meinung nach u.a. auf den Umstand zurückzuführen ist, dass jedermann auf frei zugängliche Zeitungsartikel verlinken kann. Und genau das soll deshalb durch urheberrechtliche Verbote eingeschränkt und die Verlinkung von einer Zustimmung der Zeitung bzw. des Verlags abhängig gemacht werden.

Abgesehen davon, dass Posner nicht verstanden hat, wie das Web funktioniert, ist seine Aussage auch in sich widersprüchlich. Warum kann man überhaupt auf kostenlosen Content von Zeitungen verlinken? Allein deshalb, weil die Zeitungen ihre Inhalte selbst und freiwilig ohne Zugangsbeschränkung ins Netz stellen. Dazu zwingt sie niemand.

Der Denkansatz, man könne Inhalte offen ins Netz stellen und gleichzeitig die Verlinkung darauf verbieten, ist paradox. Die deutsche Rechtsprechung hat das übrigens schon vor Jahren erkannt. Wegweisend war hier die Paperboy-Entscheidung des BGH.
Es steht den Zeitungen und Verlagen frei, ihre Inhalte von einer Zugangsbeschränkung abhängig zu machen. Linkverbote stellen auch nichts anderes als eine Zugangserschwerung dar. Dafür können die Verlage aber selbst sorgen, indem sie schlicht von vornherein keinen freien Zugang zu ihren Inhalten gewähren. Dazu bedarf es keines gesetzlichen Eingriffs in die Architektur des Netzes.

posted by Stadler at 20:14  

17.2.09

Piraten vor Gericht

In Schweden hat der Prozess gegen die Verantwortlichen von „The Pirate Bay“, einem BitTorrentTracker, der in den Mainstream-Medien etwas unscharf auch als Internet-Tauschbörse bezeichnet wird, begonnen.

Der Prozess wird weit über die Grenzen der Internet-Community hinaus verfolgt, wie die Berichterstattung von Tagesschau, Süddeutscher und SPON belegt.

Während sich die Betreiber als eine Art Special-Interest-Suchmaschine begreifen, wirft ihnen die schwedische Staatsanwaltschaft strafbare Urheberrechtsverletzungen vor.

Sowohl die Urheberrechtslobby als auch die Verfechter des freien Filesharing erhoffen sich von dem Urteil, das für Anfang März erwartet wird, Signalwirkung.

Die Diskussion über die Zukunft des Urheberrechts im digitalen Zeitalter wird ohnehin geführt werden müssen und diese Zukunft wird vermutlich nicht so aussehen, wie es sich die Urheberrechtslobbyisten und der Großteil der europäischen Politiker – Justizministerin Zypries taugt da sogar als eine Art Role-Model – derzeit noch vorstellen.

Dem Prozess haftet auch ein Hauch von Hollywood an. Nur, dass die mächtige Urheberrechtsindustrie in diesem Fall auf verlorenem Posten kämpft. Egal wie dieser Prozess ausgeht, das Filesharing wird sich nicht mehr nennenswert einschränken lassen. Und dafür ist die Industrie, die Ende der 90’er nicht in der Lage war, das Internet als Chance zu begreifen, weitgehend selbst verantwortlich.

Bereits am heutigen zweiten Prozesstag musste die Anklage offenbar die Hälfte der Vorwürfe fallen lassen, wie TorrentFreak berichtet.

posted by Stadler at 12:35  

2.2.09

Unzulässige Hyperlinks?

NZZ Online berichtet über einen Fall aus den USA, der mich stark an die Paperboy-Entscheidung des BGH erinnert.

Eine Tochterfirma der New York Times, der Boston Globe, betreibt eine Website für den Bostoner Vorort Newton. Diese Site verlinkt auf verschiedene Quellen, die sich mit Newton befassen, u.a. auch auf eine Lokalzeitung, die zu GateHouse Media gehört.

Der Boston Globe hatte nicht nur „Deep-Links“ gesetzt, sondern auch Schlagzeilen und Einstiegssätze der Gatehouse-Artikel übernommen. Gatehouse sah darin eine Urheberrechtsverletzung und beklagt, dass dadurch ihre Startseite und damit ihre Werbung umgangen wird. Genauso ist im deutschen Paperboyfall auch argumentiert worden.

In den USA hat man sich nunmehr offenbar verglichen, in Deutschland hat der BGH damals die Unterlassungsklage abgewiesen.

posted by Stadler at 16:16  
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