Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

23.9.11

Haftet eine Werbeagentur für Markenverletzungen?

Haftet eine Werbeagentur, wenn die von ihr realisierte Werbemaßnahme die Rechte Dritter, zum Beispiel Markenrechte, verletzt? Eine Fragestellung, die ganz allgemein auch für Webdesigner und Medienagenturen von großer Bedeutung ist.

Das Kammergericht geht mit Beschluss vom 04.02.2011 (Az.: 19 U 109/10) zwar grundsätzlich davon aus, dass die Werbeagentur dafür verantwortlich ist, dass die von ihr umgesetzte Maßnahme auch rechtmäßig ist. Diese Pflicht ist nach Ansicht des Gerichts aber durch Zumutbarkeitserwägungen begrenzt ist. Bei einem Auftragsvolumen von EUR 770,- hält das Kammergericht eine umfangreiche Markenrecherche nicht mehr für zumutbar.

Das bedeutet aber andererseits, dass speziell bei größeren Aufträgen von einer Haftung der Agentur auch für Marken- und Urheberrechtsverletzungen auszugehen ist.

Das Kammergericht führt zur Begründung u.a. folgendes aus:

Zwar ist in der Regel bei Fehlen einer gesonderten Parteiabrede davon auszugehen, dass die von einer Werbeagentur vorgeschlagene oder umgesetzte Werbemaßnahme rechtmäßig zu sein hat (BGH, GRUR 1974, 284; OLG Düsseldorf, a.a.O., Rz. Tz. 31; Nennen, GRUR 2005, 214; Möhring/Illert, BB 1974, 65; Wedemeyer, WRP 1979, 619, 620). Diese Verpflichtung gilt aber nicht uneingeschränkt. Die Pflicht einer Werbeagentur, dem Auftraggeber auch ohne vertragliche Abrede eine nicht mit Rechten Dritter kollidierende Werbung zu Verfügung zu stellen, wird durch die Zumutbarkeit der Prüfung im konkreten Einzelfall begrenzt (Nennen, a.a.O., 217). Wesentliche Parameter für die Zumutbarkeit einer – in Falle ihrer Zumutbarkeit von den Parteien im Lichte der §§ 133, 157 BGB in der Regel auch stillschweigend vereinbarten – Prüfung der rechtlichen Unbedenklichkeit der Werbemaßnahme sind der mit der rechtlichen Prüfung verbundene Aufwand einerseits sowie das Verhältnis des Umfangs der avisierten Werbung zur Höhe der geschuldeten Vergütung andererseits (Nennen, a.a.O.).

posted by Stadler at 22:03  

15.9.11

Haftung der Bank beim Phishing

Das Landgericht Landshut hat mit Urteil vom 14. Juli 2011 (Az.: 24 O 1129/11) einen äußerst interessanten Fall zum sog. Phishing entschieden.

Der Kläger hat  das von seiner Bank angebotene Online-Banking nach dem sog. iTAN-Verfahren genutzt. Anfang des Jahres 2011 wurde er Opfer eines Phishing-Angriffs. Durch einen auf seinem Rechner unbemerkt installierten Trojaner ist der Kläger auf eine Website geleitet worden, die der seiner Bank täuschend ähnlich sah. Dort wurde er wiederholt zur Eingabe von sog. Transaktionsnummern (TAN) aufgefordert. Der Kläger gabt dort insgesamt 100 (!) TAN’s ein.

Anschließend haben unbekannte Täter in 6 Einzelüberweisungen insgesamt 6000 EUR vom Konto des Klägers wegüberwiesen. Mit seiner Klage gegen die Bank verlangt der Kläger die Rückzahlung dieser 6000 EUR.

Das Landgericht Landshut hat der Klage stattgegegeben und die Bank zur Rückzahlung verurteilt.

Das Gericht stellt zunächst dar, dass im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Girovertrages für die Überweisungen keine wirksame Anweisung des Klägers vorgelegen hat. Dies bedeutet, dass die Überweisung im Verhältnis zum Kläger das Kontoguthaben nicht wirksam geschmälert hat. Diese Argumentation ist zutreffend und juristisch nicht zu beanstanden.

Die entscheidene Frage lautet allerdings, ob dem Kläger ein Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen war, der einen vertraglichen Schadensersatzanspruch der Bank gegen ihn begründet, mit der Konsequenz, dass der Kunde letztlich auf dem Schaden sitzen bleibt und nicht die Bank.

Eine solche Sorgfaltsverletzung hat das Landgericht verneint. Das Gericht wendet die Vorschrift des § 675v Abs. 2 BGB an, die die Haftung des Zahlers bei missbräuchlicher Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments regelt. Danach haftet der Zahler nur bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung.

Der Kläger hat sicherlich fahrlässig gehandelt, was allerdings für eine Haftung nicht ausreichend ist. Die entscheidene Frage war also, ob auch die zusätzlichen Voraussetzungen einer groben Fahrlässigkeit gegeben waren, was das Gericht verneint hat.

Die Ansicht des Landgerichts, dass auch das Befolgen der Aufforderung, alle 100 TAN-Nummern einzugeben, keine grobe Fahrlässigkeit begründet, halte ich allerdings für diskutabel.

Wenn man von einem durchschnittlichen Online-Banking-Kunden ausgeht, dann muss man m.E. das Bewusstsein unterstellen, dass eine Bank niemals 100 TANs am Stück abfragen wird. Dass man dem Kläger hier zusätzlich zugute hält, dass er aus Osteuropa kommt und nur über eingeschränkte Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, halte ich für fragwürdig. Es dürfen und müssen zwar bei der Fahrlässigkeit auch subjektive Aspekte berücksichtigt werden. Andererseits wird man bei jemandem, der sich bewusst für das Online-Banking entscheidet, auch ein Mindestmaß an Verständnis unterstellen dürfen.

Ob das Urteil rechtskräftig geworden ist, ist mir nicht bekannt. Es ist aber anzunehmen, dass die Bank Berufung eingelegt hat.

Das Urteil zeigt in jedem Fall sehr deutlich, dass das Haftungsrisiko für einen Missbrauch im Bereich des Onlinebankings und auch im Bereich der EC-Karten-Zahlung vom Gesetzgeber deutlich auf die Zahlungsdienstleister verlagert worden ist. Der Kunde haftet nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Wann eine solche grobe Fahrlässigkeit tatsächlich vorliegt, ist allerdings immer eine Frage des Einzelfalls und häufig auch umstritten, wie der geschilderte Fall zeigt.

posted by Stadler at 10:39  

10.8.11

Zulässigkeit kritischer Hotelbewertungen

Das Kammergericht (Beschluss vom 15. Juli 2011, Az.: 5 U 193/10) hat sich mit der Zulässigkeit kritischer Hotelbewertungen auf einem Bewertungsportal befasst und eine Haftung des Portalbetreibers verneint.

Das Gericht erläutert, dass der Portalbetreiber nicht verpflichtet ist, neu eingehende Hotelbewertungen im Hinblick auf die Richtigkeit der in ihnen enthaltenen Tatsachenbehauptungen inhaltlich zu überprüfen. Zumutbare Prüfpflichten bestehen nach Ansicht des Kammergerichts insoweit nicht. Das Kammergericht verweist u.a. darauf, dass die Annahme weitreichender Prüfpflichten mit einem erheblichen wirtschaftlichen und zeitlichen Aufwand verbunden wäre, der nicht zumutbar ist, zumal damit auch ein Verlust an Aktualität einhergehen würde und der Verkehr gerade ein Interesse an spontanen und authentischen Bewertungen hätte.

Das Kammergericht macht zudem deutlich, dass dem Anbieter, mit Blick auf § 7 Abs. 2 TMG und Art. 15 der E-Commerce-Richtlinie, keine Anforderungen auferlegt werden dürfen, die sein legitimes Geschäftsmodell gefährden oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren.

posted by Stadler at 10:39  

12.7.11

EuGH verschärft Haftung von Online-Marktplätzen

In einer Entscheidung vom heutigen Tag (Az.: C-324/09) stellt, der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass sich eBay nicht auf das Haftungsprivileg des Art. 14 der E-Commerce-Richtlinie – entspricht § 10 TMG – berufen kann, wenn das Unternehmen Hilfestellungen geleistet hat, die u. a. darin bestehen, die Präsentation von Verkaufsangeboten zu optimieren oder diese Angebote zu bewerben. Ob eBay derartige Hilfestellung leistet, muss laut EuGH allerdings wiederum das nationale Gericht klären.

Der EuGH geht zunächst davon aus, dass sich ein Online-Marktplatz grundsätzlich auf die Haftungsprivilegierung für das Hosting (Art. 14 ECRL) berufen kann, wenn er sich darauf beschränkt, seinen Dienst mittels rein technischer und automatischer Verarbeitung der von seinen Kunden eingegebenen Daten neutral zu erbringen. Sobald er eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kenntnis dieser Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte, soll er allerdings uneingeschränkt haften.

Hat der Betreiber des Online-Marktplatzes keine solche aktive Rolle gespielt und fällt die Erbringung seines Dienstes folglich in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31, kann er sich hinsichtlich von Schadensersatzansprüchen, gleichwohl nicht auf die Ausnahme von der Verantwortlichkeit berufen, wenn er sich Tatsachen oder Umständen bewusst war, auf deren Grundlage ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer die Rechtswidrigkeit der fraglichen Verkaufsangebote hätte feststellen müssen und er anschließend nicht unverzüglich tätig geworden ist.

Außerdem hat der EuGH noch ausgesprochen, dass es zum effektiven Schutz des geistigen Eigentums notwendig ist, dass die nationalen Gerichte dem Anbieter eines Onlinedienstes Maßnahmen aufgeben können, die nicht nur zur Beendigung der konkreten Verletzung führen, sondern auch wirksam zur Vorbeugung gegen erneute Verletzungen beitragen.

Dies schränkt der EuGH sogleich allerdings wieder ein. Solche vorbeugenden Maßnahmen dürfen nämlich nicht darin bestehen, den Diensteanbieter zu verpflichten, aktiv alle Angaben seiner Kunden zu überwachen, um jeder künftigen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen. Eine solche allgemeine Überwachungspflicht wäre nach Ansicht des EuGH auch nicht mit Art. 3 der Richtlinie 2004/48 zu vereinbaren, wonach die Maßnahmen im Sinne dieser Richtlinie gerecht und verhältnismäßig sein müssen und nicht übermäßig kostspielig sein dürfen.

Als zumutbare Maßnahmen sieht es der EuGH insbesondere an, den Rechtsverletzter von der Benutzung der Plattform asuzuschließen, um eine erneute Verletzung derselben Marken durch denselben Händler zu verhindern. Außerdem hält es der EuGH für zumutbar, dem Betreiber eines Online-Marktplatzes aufzugeben, Maßnahmen zu ergreifen, die die Identifizierung seiner als Verkäufer auftretenden Kunden erleichtern.

Die Entscheidung erscheint auf den ersten Blick spektakulärer als sie ist. Für das Geschäftsmodell von eBay könnte dies allerdings dennoch bedeuten, dass eBay nicht wie ein (passiver) Hoster privilegiert ist, sondern als aktiver Marktteilnehmer unbeschränkt haftet.

posted by Stadler at 14:05  

24.6.11

Einstweilige Verfügung gegen Google wegen Blogbeitrag auf blogger.com

Das Landgericht Berlin hat gegen Google (Inc.) am 21.06.2011 (Az.: 27 O 335/11) eine einstweilige Verfügung erlassen, die es Google verbietet, über den Antragsteller bestimmte beleidigende und ehrverletzende Aussagen zu verbreiten oder verbreiten zu lassen.

Der Beschluss des Landgerichts Berlin betrifft aber, ausweislich der Begründung, offenbar nicht die Suchmaschine, sondern die ebenfalls zu Google gehörende Plattform blogger.com.

Die Entscheidung kann auch nur unter dem Aspekt des Hostings sachlich gerechtfertigt sein, wobei auch in diesem Fall der Tenor fragwürdig erscheint, weil er die konkrete Verletzungshandlung nicht ausreichend konkret umschreibt.

posted by Stadler at 14:14  

13.5.11

Betreiber des N-Forums unterliegt beim Landgericht Köln

Bereits vor einiger Zeit hatte ich über eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln gegen den Betreiber des “Nürburgring-Fanforums“ berichtet. Hintergrund war ein Forumsbeitrag, in dem ein kritischer Zeitungsartikel über ein Bauprojekt am Nürburgring wörtlich wiedergegeben war. Dieser Zeitungsartikel ist bereits zuvor untersagt worden.

Die einstweilige Verfügung hat das Landgericht Köln mit Urteil vom 11.05.2011 (Az.: 28 O 72/11) nunmehr bestätigt. Der Widerspruch des Forenbetreibers ist damit erfolglos geblieben.

Das Landgericht führt zur Begründung vor allen Dingen aus, dass sich der Forenbetreiber nicht auf das sog. Laienprivileg berufen könne und für sich außerdem nicht in Anspruch nehmen könne, als Forenbetreiber nur eingeschränkt zu haften.Insoweit geht das Gericht allerdings davon aus, dass der Forenbetreiber den fraglichen Beitrag selbst ins Netz gestellt hat und dieser nicht von einem Nutzer des Forums stammt. Dies ändert den maßgeblichen Sachverhalt natürlich.

Die Streitfrage wird sich demnach darauf reduzieren, ob sich der Forenbetreiber tatsächlich auf das sog. Laienprivileg berufen kann. Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf „ein Einzelner, der Presseberichte guten Glaubens aufgreift und daraus verallgemeinernde Schlußfolgerungen zieht, erst dann zur Unterlassung oder zum Widerruf verurteilt werden, wenn die Berichterstattung erkennbar überholt oder widerrufen ist.“ (BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991, Az.: 1 BvR 1555/88).

Das Urteil des Landgerichts Köln vom 11.05.2011 lautet auszugsweise:

Der Verfügungsbeklagte kann sich nicht auf das sog. Laienprivileg berufen. Unter das Laienprivileg fallen Behauptungen einzelner, die sich zu nicht transparenten Bereichen von Politik und Wirtschaft oder zu sonstigen Vorgängen von öffentlichem Interesse äußern (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 12 Rn. 136). Nach der Rechtsprechung sollen Privatpersonen, die Presseberichte anderer in gutem Glauben aufgreifen, zur Unterlassung oder zum Widerruf nur in Anspruch genommen werden dürfen, wenn die Berichterstattung erkennbar überholt war oder widerrufen worden ist (BVerfG NJW 1992, 1439 – Bayer Beschluss; NJW-RR 2000, 1209, 1211). Diese Grundsätze können nach einem Teil der Rechtsprechung grundsätzlich auch bei Übernahme einer ehrverletzende Pressemitteilung auf eine private Webseite Anwendung finden (LG Berlin MMR 2009, 62; bestätigt KG Berlin MMR 2009, 482).

Der Verfügungsbeklagte betreibt seit mehr als 10 Jahren das N-Forum, das – nach eigenen Angaben des Verfügungsbeklagten – den Motorsport-Interessierten „einen Ort des Austauschs über ihren Sport“ und „die Geschehnisse am Nürburgring“ bieten will. Als Betreiber dieses Forums, das sich auch intensiv mit der Problematik der Finanzierung des Nürburgring-Projekts auseinandersetzt, ist er an der öffentlichen Diskussion seit längerem beteiligt und nutzt das N-Forum zur öffentlichen Berichterstattung über den in der Presse als Nürburgring-Skandal bezeichneten Sachverhalt. Der Verfügungsbeklage beschränkt sich nicht darauf, durch einzelne Äußerungen punktuell an der öffentlichen Auseinandersetzung mitzuwirken, sondern schafft durch die von ihm betriebene Webseite eine auf Dauer angelegte mediale Öffentlichkeit, die nach eigenen Angaben des Verfügungsbeklagten weit beachtet ist („60.000 Einträge“). Als Betreiber des Forums kann er sich daher nicht auf das Laienprivileg berufen, unabhängig davon, ob er sich dieser Tätigkeit hauptberuflich oder in seiner Freizeit widmet.

Der Kläger kann auch die Grundsätze zur Privilegierung der Haftung von Forenbetreibern nicht für sich in Anspruch nehmen. Als Störer kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt (BGHZ 148, 13 – Meißner Dekor; BGHZ 158, 236 – Internetversteigerung I; BGH, GRUR 2007, 708, 711 – Internetversteigerung II). Weil die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt sie eine Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (st. Rspr.: BGH, GRUR 1997, 313 – Architektenwettbewerb; GRUR 2007, 708, 711 – Internetversteigerung II, m.w. Nachw.). Eine erhöhte Prüfungspflicht besteht für ihn immer dann, wenn er vom Rechtsinhaber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist; in diesem Fall muss er nicht nur den Zugang zu der konkreten Datei unverzüglich sperren, sondern darüber hinaus Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt (s. BGH a. a. O; s. OLG Köln GRUR-RR 2008, 35 – Sharehoster Haftung; LG Köln ZUM-RD 2009, 349 – Blogger-Foren). Der Artikel der Eifel-Zeitung wurde auf das vom Verfügungsbeklagten betriebene Forum am 01.05.2009 eingestellt. Da der Verfügungsbeklagte das Internetforum betreibt und die Verfügungskläger außerhalb des Geschehensablaufs stehen, trägt der Verfügungsbeklagte für die Anwendbarkeit der Grundsätze der Privilegierung eines Forenbetreibers die Darlegungslast (vgl. Burkhardt in Wenzel, a. a. O., Kap. 10 Rn. 246; s. auch allgemein Thomas/Putzo/Reichold, 31. Aufl. 2010, vor § 284 ZPO Rn. 18). Der Verfügungsbeklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass der streitgegenständliche Beitrag der Eifel-Zeitung von einem Dritten im Internetforum des Verfügungsbeklagten veröffentlicht wurde. Denn der Verfügungsbeklagte hat in seiner zu den Akten gereichten eidesstattlichen Versicherung lediglich erklärt, dass er nicht mehr weiß, ob der Beitrag durch ihn selbst oder einen Dritten in das Forum eingestellt wurde. Eine solche Erklärung ist nicht geeignet, seine Haftung als unmittelbarer Handlungsstörer auszuschließen. Es wird keinerlei Sachverhalt zur Nutzung des Forums durch Dritte oder der Verwaltung und Speicherung von Daten mitgeteilt, so dass keine konkreten Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Artikel vorliegend von einem Dritten in das Forum übernommen wurde. Im Ergebnis spricht auch die einleitende Kommentierung des Artikels auf der Internetseite des Beklagten ohne namentliche Bezeichnung dafür, dass der streitgegenständliche Beitrag vom Inhaber des Online-Forums selbst verfügbar gemacht wurde. Durch die Übernahme des Berichts der Eifel-Zeitung hat sich der Verfügungsbeklagte den Inhalt des Artikels im Ergebnis auch zu eigen gemacht, da eine hinreichende Distanzierung von den Inhalten des Berichts nicht erfolgt ist. Druckt eine Zeitung oder Zeitschrift einen namentlich bezeichneten Beitrag ab, macht sie sich deren Inhalt in der Regel zu eigen (vgl. Burkhardt in Wenzel, a. a. O., Kap 4 Rn. 104). Nichts anderes gilt vorliegend für die vollständige Wiedergabe des Artikels der Eifel-Zeitung auf dem Interessenforum des Verfügungsbeklagten, den dieser einleitend mit dem Verweis auf die in diesem enthaltenen weiteren Informationen kommentiert hat.

posted by Stadler at 14:32  

11.5.11

Keine vertragliche Verpflichtung bei Missbrauch eines eBay-Kontos

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat heute (Urteil vom 11. Mai 2011, Az.: VIII ZR 289/09) entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Inhaber eines eBay-Mitgliedskontos vertraglich für Erklärungen haftet, die ein Dritter unter unbefugter Verwendung des Accounts abgegeben hat.

Der Bundesgerichtshofs führt zunächst aus, dass auch bei Internet-Geschäften die Regeln des Stellvertretungsrechts anwendbar sind, wenn durch die Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt wird, es solle mit dem Namensträger ein Geschäft abgeschlossen werden. Erklärungen, die unter dem Namen eines anderen abgegeben worden sind, verpflichten den Namensträger daher nur, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgen oder vom Namensträger nachträglich genehmigt worden sind oder wenn die Grundsätze über die Duldungs- oder die Anscheinsvollmacht eingreifen.

Allein die unsorgfältige Verwahrung der Kontaktdaten eines eBay-Mitgliedskontos führt nach Ansicht des BGH noch nicht dazu, dass der Inhaber des Kontos sich die von einem Dritten unter unbefugter Verwendung dieses Kontos abgegebenen Erklärungen zurechnen lassen muss. Eine Zurechnung fremder Erklärungen an den Kontoinhaber ergibt sich auch nicht aus § 2 Ziffer 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay. Da diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen jeweils nur zwischen eBay und dem Inhaber des Mitgliedskontos vereinbart sind, haben sie keine unmittelbare Geltung zwischen dem Anbieter und dem Bieter. Ausgehend davon war nach Ansicht des BGH zwischen den Parteien im konkreten Fall kein Kaufvertrag zustande gekommen.

Die Frage einer deliktischen Haftung des Inhabers eines eBay-Accounts für die missbräuchliche Nutzung seines Kontos hat der I. Senat des BGH vor zwei Jahren anders entschieden (Urteil vom 11.03.2009, Az.: I ZR 114/06 – Halzband). Danach haftet der Inhaber eines eBay-Kontos für Schutzrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstöße, die über sein Konto begangen wurden, als Täter. Der Grund für die Haftung besteht nach Ansicht des I. Senats in der vom Account-Inhaber geschaffenen Gefahr, dass  für den Verkehr Unklarheiten darüber entstehen können, welche Person unter dem betreffenden  Mitgliedskonto bei eBay gehandelt hat.

Beide Urteile widersprechen sich nicht unmittelbar, da es in dem einen Fall um die deliktische Haftung und in dem anderen Fall um die Begründung einer vertraglichen Verpflichtung geht. Nachdem der I. Senat allerdings ganz ausdrücklich mit einer Rechtsscheinshaftung argumentiert, ergibt sich m.E. dennoch ein Wertungswiderspruch. Denn die Annahme eines Rechtsscheins durch den I. Senat hätte man dann konsequenterweise auch zur Begründung einer sog. Anscheinsvollmacht heranziehen müssen. Ich bin gespannt, ob sich die Urteilsgründe der aktuellen Entscheidung mit der Halzband-Entscheidung des I. Senats (kritisch) auseinandersetzen werden.

posted by Stadler at 15:29  

15.4.11

BGH zur Haftung eines Portalbetreibers

Der BGH hat in einer unlängst im Volltext veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 17. Dezember 2010, AZ.: V ZR 44/10) zur Frage der Haftung des Betreibers eines Internetportals für die Inhalte seiner Nutzer Stellung genommen. Das Urteil stammt interessanterweise von dem für Grundstücksrecht zuständigen V. Zivilsenat, was folgenden Hintergrund hat.

Der BGH greift auf die Grundsätze der Haftung eines sog. mittelbaren Störers zurück und stellt zunächst klar, dass eine Haftung nur dann in Betracht kommt, wenn dem Plattformbetreiber eine Prüfung zumutbar war. Dafür muss der Rechtsverstoß für den Portalbetreiber erkennbar sein. Werden Fotos eingestellt, denen man selbst nicht ansehen kann, ob sie ungenehmigt aufgenommen worden sind, liegt eine solche Erkennbarkeit nicht vor, so dass auch keine Prüfpflichten verletzt werden. Auch der Einsatz von Filtersoftware ist nach Ansicht des BGH nicht zumutbar, jedenfalls dann nicht, wenn es keine klaren Merkmale gibt, anhand derer nach Verdachtsfällen gesucht werden könnte.

posted by Stadler at 20:58  

15.2.11

Die Haftung des Forenbetreibers

In den letzten Tagen hat die Schließung des „Nürburgring-Fanforums“ für Diskussionsstoff gesorgt. Gegen den Betreiber des Forums liegt eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln (Az.: 28 O 72/11) vor, die von der Mediinvest GmbH beantragt wurde. Mediinvest ist wiederum an der „Nürburgring Automotive GmbH“ (NAG) beteiligt, die den Nürburgring betreibt.

Der Betreiber des Fan-Forums hat daraufhin sein komplettes Forum vom Netz genommen, weil er der Meinung ist, die Befolgung des gerichtlichen Verbots nur so sicherstellen zu können. Die Befürchtung des Forenbetreibers ist durchaus nachvollziehbar.

Hintergrund war offenbar der, dass in einem Forumsbeitrag, der von einem Nutzer stammte, ein kritischer Zeitungsartikel über ein Bauprojekt am Nürburgring wörtlich wiedergegeben war. Dieser Zeitungsartikel ist bereits zuvor untersagt worden.

Der Forumsbetreiber hat auf die Abmahnung der Mediinvest zwar den beanstandeten Nutzerbeitrag vom Netz genommen, sich aber geweigert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, mit dem durchaus beachtlichen Argument, er könne als Forumsbetreiber nicht sicherstellen, dass ein anderer Nutzer dieselben Aussagen nicht erneut in das Forum postet.

Der Fall wirft die Frage des Umfangs der Haftung eines Forumsbetreibers auf. Es darf mittlerweile als anerkannt gelten, dass ein Betreiber eines Meinungsforums erst ab dem Zeitpunkt haftet, ab dem er positive Kenntnis von einem unschwer zu erkennenden Rechtsverstoß hat. In diesem Fall bleibt aber die Frage bestehen, ob ihn dann tatsächlich eine in die Zukunft gerichtete Unterlassungsverpflichtung trifft oder nur ein Beseitigungsanspruch besteht.

In der juristischen Literatur (Volkmann, Der Störer im Internet, § 11 IV 4; Stadler, Haftung für Informationen im Internet, Rn. 69b ff.) wird vertreten, dass die allgemeine Verpflichtung zur Unterlassung einem Host-Provider oder einem Forumsbetreiber prinzipiell unzumutbar ist, weil diese Anbieter der Unterlassungsverpflichtung nicht nachkommen können bzw. allenfalls dann, wenn sie lückenlos eine manuelle Prüfung aller (fremden) Einzelinhalte vornehmen. Dass eine solche manuelle Prüfung aber nicht zumutbar ist, hat der BGH kürzlich zugunsten von eBay entschieden.

Hieraus folgt, dass die Unterlassungspflicht von Forenbetreibern regelmäßig darauf beschränkt sein muss, die Fortsetzung des konkreten Verstoßes zu unterbinden und dies im Urteil auch entsprechend einschränkend auszusprechen ist. Die Unterlassungspflicht ist damit auf die Beseitigung der konkreten Störung beschränkt, ggf. verbunden mit der weiteren Verpflichtung, denselben Verstoß desselben Nutzers/Kunden im Wiederholungsfalle erneut zu unterbinden.

Diese Ansicht steht in Einklang mit dem Wortlaut von § 7 Abs. 2 TMG. Nach dieser Vorschrift bleibt nur die Pflicht zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung unberührt. Weitergehende Unterlassungsansprüche stehen unter der Einschränkung des § 7 Abs. 2 S. 1 TMG, wonach die Auferlegung solcher Pflichten nicht dazu führen darf, dass der Anbieter gezwungen wird, ganz allgemein Informationen bzw. Handlungen seiner Nutzer/Kunden zu überwachen. Forumsbetreiber sind deshalb nach richtiger Ansicht nicht allgemein zur Unterlassung zu verpflichten, sondern regelmäßig nur zur Entfernung von konkreten Inhalten. Diese Konsequenz ziehen die meisten Gerichte bislang aber leider nicht, wie die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln belegt.

posted by Stadler at 12:38  

4.1.11

Ist YouTube Fernsehen?

Nach Medienberichten will man in Italien Videoportale wie YouTube dem Rundfunk gleichsetzen. Hierfür ist in der „Videocracy“Italien offenbar noch nicht einmal ein Gesetz erforderlich, es genügt vielmehr eine Verfügung der dortigen Regulierungsbehörde.

Allerdings gilt auch in Italien die E-Commerce-Richtlinie, die zugunsten von Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft Haftungsprivilegierungen schafft. Der EuGH hatte erst kürzlich entschieden, dass Google bzw- der Dienst Google AdWords als ein Dienst der Informationsgesellschaft zu qualifizieren ist, weshalb wenig Zweifel daran bestehen kann, dass auch YouTube der Vorschrift des Art. 14 ECRL für das Hosting unterliegt und sich zudem auch darauf berufen kann, dass Diensten der Informationsgesellschaft keine allgemeinen Kontroll- und Überwachungspflichten auferlegt werden dürfen (Art. 15 Abs. 1 ECRL).

Online-Dienste dürfen also gerade nicht wie Rundfunk reguliert werden. Die italienische Gleichsetzung von eigenem, journalistisch-redaktionellen Inhalten und User-Generated-Content, der von einem Plattformbetreiber nur gehostet wird, verstößt gegen europäisches Recht.

Es geht auch in Italien, ähnlich wie in Ungarn, um eine verstärkte staatliche Medienkontrolle, die sich zensurähnlicher Instrumente bedient.

Es würde mich nicht wundern, wenn Google YouTube Italien jetzt schließt. Allein, das wäre das falsche Signal gegenüber einem rechtswidrigen staatlichen Handeln.

posted by Stadler at 16:42  
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