Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.1.20

Kann man noch datenschutzkonform twittern?

Der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink hat unlängst mitgeteilt, seinen Twitteraccount zu löschen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, dass Aufsichtsbehörden ermessensfehlerfrei direkt gegen Betreiber von Facebook-Fanpages vorgehen und von diesen verlangen können, die Fanpage abzuschalten. Das Verhalten von Brink ist auch deshalb bemerkenswert, weil er selbst zu seinem Twitterauftritt eine Datenschutzfolgenabschätzung vorgenommen und sich die datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit seiner Twitter-Aktivitäten darin selbst bescheinigt hatte.

Die Frage bleibt aber, ob die Fanpage-Entscheidungen des EuGH und des BVerwG auf Twitter übertragbar sind und was das grundsätzlich bedeuten würde. Wäre damit jeder Twitter-Account, für den die DSGVO gilt, unzulässig, weil nicht datenschutzkonform?

Im Urteil des BVerwG heißt es:

Der EuGH stützt sich maßgeblich auf die Erwägung, dass der Betreiber einer auf Facebook unterhaltenen Fanpage mit der Einrichtung einer solchen Seite Facebook die Möglichkeit gibt, auf dem Computer oder jedem anderen Gerät der Person, die seine Fanpage besucht hat, Cookies zu platzieren, unabhängig davon, ob diese Person über ein Facebook-Konto verfügt (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 35). Damit leistet der Betreiber einen maßgeblichen Beitrag zur Verarbeitung personenbezogener Daten der Besucher der Fanpage (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 36).

Auf Twitter besucht man aber keine Profile, sondern man sieht die Tweets derjenigen Nutzer in seiner Timeline, denen man folgt. Der einzelne Twitternutzer leistet damit keinen kausalen und relevanten Beitrag dazu, dass Twitter die Aktivitäten der Nutzer, und zwar die aller Nutzer, trackt. Das Tracking bei Twitter knüpft, anders als bei der Fanpage, nicht daran an, dass jemand ein fremdes Profil besucht. Nach der Logik von Brink wäre jeder Nutzer von Twitter (auf den die DSGVO anwendbar ist), stets auch zusammen mit Twitter gemeinsamer Verantwortlicher. Das widerspricht aber der Rechtsprechung des EuGH, der in seiner Fanpage-Entscheidung ausdrücklich betont hat, dass die bloße Nutzung eines sozialen Netzwerks noch keine gemeinsame Verantwortlichkeit begründet.

Dass also jeder einzelne Twitternutzer einen maßgeblichen Beitrag zu einer Datenverarbeitung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung leistet, erscheint eher fernliegend.

Ungeklärt ist letztlich auch die zentrale Frage, welche Datenverarbeitung überhaupt stattfindet und ob diese rechtswidrig ist. Das BVerwG betont, dass das Oberverwaltungsgericht zunächst Feststellungen zur Datenverarbeitung treffen und anschließend danach differenzieren muss, ob jemand Facebook-Mitglied ist oder ein nicht bei Facebook registrierter Internetnutzer. Im ersten Fall kommt eine Einwilligung in Betracht, im zweiten Fall eine gesetzliche Gestattung nach der DSGVO.

Im Fall von Twitter werden m.W. nur (registrierte) Nutzer getrackt. Die Frage wäre dann also, ob das von der Einwilligung, die Twitter bei den Nutzern einholt, gedeckt ist.

Hinzu kommt ein weiterer, wenig diskutierter Umstand. Bei der Facebook-Fanpage steht die werbliche Präsentation im Vordergrund, während bei Twitter der Schwerpunkt auf Kommunikation und Information liegt. Mit Blick auf Twitteraccounts von Privaten muss hier also auch die Bedeutung der Meinungs- und Informationsfreiheit berücksichtigt und stärker gewichtet werden als bei Fanpages. Hier stellt sich letztlich sogar die Frage, ob sich der Inhaber des Twitter-Accounts wegen der Bedeutung der Meinungsfreiheit auf ein Medienprivileg berufen kann. Würden Aufsichtsbehörden Twitteraccounts untersagen können, würde dies einen empfindlichen Eingriff in die Meinungs- und Informationsfreiheit bewirken.

Bei Twitteraccounts von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist die Frage zu stellen, inwieweit der Twitter-Account der Aufgabe dient, die Allgemeinheit, also den Bürger, zu informieren.

Die Entscheidungen zu Facebook-Fanpages sind also nicht ohne weiteres auf Twitter übertragbar, auch wenn das vielfach behauptet wird.

posted by Thomas Stadler at 21:09  

26.11.19

BGH: Auskunftsansprüche gegen Portalbetreiber

Der BGH bejaht in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 24.09.2019, Az.: VI ZB 39/18) Auskunftsansprüche gegen Anbieter von Telemedien nach § 14 Abs. 3 – 5 TMG wegen Verletzung absolut geschützter Rechte, insbesondere wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen.

Das Interessante daran ist, dass der BGH das nicht auf soziale Netze im Sinne des NetzDG beschränken will – was der Wortlaut nahe legt – sondern der Anspruch sich gegen jeden Anbieter im Sinne des TMG richten kann. Der BGH spricht die Jameda-Entscheidung aus 2014 (VI ZR 345/13) in den Gründen ausdrücklich an und erklärt sie aufgrund der neuen Gesetzeslage letztlich für hinfällig. Portal- und Forenbetreiber sowie soziale Netzwerke werden also künftig grundsätzlich damit rechnen müssen, von einem Gericht zur Erteilung von Auskunft verpflichtet zu werden, wenn Dritte persönlichkeitsrechtsverletzende Bewertungen oder Kommentare einstellen.

Die Entscheidung ist auch für Datenschützer interessant, wegen der Ausführungen des BGH zu Art. 6 Abs. 4 DSGVO. § 14 Abs. 3 – 5 TMG ist nach Ansicht des BGH eine Rechtsvorschrift im Sinne von Art. 6 Abs. 4 DSGVO. Die Vorschrift dient der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche (Art. 23 Abs. 1 Buchst j DSGVO) und verfolgt damit ein in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genanntes Ziel. Sie ist, so der BGH, in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz dieses Ziels.

posted by Thomas Stadler at 21:55  

15.11.19

OLG Köln: Löschanspruch gegen Jameda

Das Oberlandesgericht Köln hat gerade das Ärztebewertungsportal Jameda u.a. dazu verurteilt, sämtliche zu einem bewerteten Arzt gespeicherten Informationen zu löschen (Urteile vom 14.11.2019, Az.: 15 U 89/19 und Az.: 15 U 126/19).

Nach Auffassung des OLG Köln habe Jameda ihre grundsätzlich geschützte Position als „neutrale Informationsmittlerin“ dadurch verlassen, dass sie den zahlenden Kunden „verdeckte Vorteile“ zukommen lasse. Das sei der Fall, wenn die ohne ihre Einwilligung aufgenommenen Basiskunden auf dem Portal als „Werbeplattform“ für Premiumkunden benutzt würden und letzteren durch die Darstellung ein Vorteil gewährt werde, der für die Nutzer nicht erkennbar sei. Dann diene das Portal nicht mehr allein dem Informationsaustausch zwischen (potentiellen) Patienten. In diesem Fall müssten Ärzte nicht hinnehmen, ohne ihre Einwilligung als Basiskunden aufgeführt zu werden.

Zusätzlich vertritt das OLG Köln – in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH – die Auffassung, dass sich Jameda nicht auf das Medienprivileg berufen könne, weil das Geschäftsmodell der Plattform nicht als eigene meinungsbildende Tätigkeit aufgefasst werden könne, sondern allenfalls als ein Hilfsdienst zur besseren Verbreitung von (Dritt-)Informationen. Das OLG meint, dass sich nur derjenige auf das Medienprivileg berufen könne, der einer eigenen journalistischen Tätigkeit nachgeht.

Damit beachtet das OLG, ebenso wie schon zuvor der BGH, die meinungseinschränkende Wirkung der von ihm postulierten Löschungsverpflichtung zu wenig und löst das erhebliche Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Meinungsfreiheit nicht korrekt auf.

Art. 85 DSGVO verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß der DSGVO mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang zu bringen. Die Verarbeitung zu journalistischen Zwecken wird im Anschluss nur exemplarisch erwähnt. Am Ende ist eine Abwägung unterschiedlicher grundrechtlich geschützter Rechtspositionen vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist bereits das Postulat, nur die journalistische Tätigkeit könne in den Genuss eines Medienprivilegs kommen, ersichtlich verfehlt und wird der zentralen Bedeutung der Meinungs- und Informationsfreiheit nicht gerecht. Dafür spricht auch Erwägungsgrund 153 der DSGVO, der verlangt, dass Begriffe wie Journalismus weit ausgelegt werden müssen, um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen.

Man wird auch nicht per se davon ausgehen können, dass die klassische journalistische Tätigkeit für die Meinungs- und gerade auch die Informationsfreiheit von größerer Bedeutung ist, als die bloße Informationsvermittlung über Bewertungsportale. Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, weshalb die klassisch journalistisch-redaktionelle Tätigkeit äußerungsrechtlich einen weiterreichenden Schutz genießen sollte, als sonstige Meinungsäußerungen. Man darf im konkreten Fall auch nicht übersehen, dass das Oberlandesgericht Köln mit einer Löschung sämtlicher Daten eines Arztes auch die Löschung von Bewertungen verfügt, die äußerungsrechtlich nicht zu beanstanden sind, was zudem dazu führt, dass der betreffende Arzt auf Jameda gar nicht mehr bewertet werden kann. Das bewirkt aber dann genau den Effekt, den Art. 5 GG und Art. 11 der Grundrechtecharta verhindern wollen, nämlich, dass sich jemand mit Blick auf seine berufliche Betätigung der öffentlichen Kritik entziehen kann. Der Verbotsausspruch des OLG Köln stellt einen empfindlichen Eingriff in die Grundrechte unterschiedlicher Beteiligter dar, der sich am Ende auf eine Differenzierung zwischen journalistischer und nichtjournalistischer Betätigung in einem meinungsrelevanten Kontext stützt, was aus grundrechtlicher Sicht nicht maßgeblich sein kann.

Vor diesem Hintergrund hat auch der EuGH (Urteil vom 14.02.2019, Az.: C-345/17) entschieden, dass selbst das Einstellen eines Videos durch eine Privatperson, das einen fragwürdigen Polizeieinsatz dokumentiert, als journalistisch zu betrachten ist, wenn die Veröffentlichung ausschließlich zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten.

Wenn man dieses Begriffsverständnis des EuGH zugrunde legt, kann die Schlussfolgerung für Bewertungsportale nur die sein, dass man zunächst davon auszugehen hat, dass die Nutzerbewertungen, die Jameda veröffentlicht, eine journalistische Tätigkeit der Nutzer im Sinne der Rechtsprechung des EuGH darstellen, gegen die datenschutzrechtliche Einwände nicht durchgreifend sind. Auch in der juristischen Literatur wird mittlerweile die Ansicht vertreten, dass Nutzerbewertungen, die Informationen, Meinungen und Ideen in der Öffentlichkeit verbreiten, dem Medienprivileg unterfallen müssen (Michel, ZUM 2018, 836, 839).

Das bedeutet dann aber auch, dass äußerungsrechtlich zulässige Bewertungen nicht auf Grundlage datenschutzrechtlicher Erwägungen gelöscht werden dürfen. Wenn man eine solche Löschung vom Nutzer selbst nicht verlangen könnte, kann man sie aber auch nicht vom Portalbetreiber verlangen. Ansonsten gestattet man immer die Verkürzung von Grundrechten über die Hintertür. Nach der Logik der Presso-Grosso Entscheidung des BVerfG muss man deshalb Intermediäre wie die Betreiber von Bewertungsportalen, die eine notwendige Hilfstätigkeit dafür erbringen, dass solche Bewertungen überhaupt möglich sind, im selben Umfang wie den Äußernden selbst in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbeziehen. Das bedeutet, dass sich solche Intermediäre auch auf das Medienprivileg berufen können.

Das OLG Köln hat den Anspruch der Kläger auf Löschung des ohne Einwilligung eingerichteten Profils auf §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO gestützt. Diese rechtliche Bewertung ist deshalb unrichtig, weil sich auch Jameda auf das Medienprivileg stützen kann und deshalb weder eine Löschung ganzer Ärzteprofile verlangt werden kann, noch eine Löschung von Bewertungen, die nach allgemeinen Kriterien äußerungsrechtlich nicht zu beanstanden sind.

Man muss mit Blick auf die erstinstanzlichen Urteile des Landgerichts Köln dennoch hervorheben, dass dieses weitgehend aufgehoben wurden.

Hinweis: Die Kanzlei SSB, für die ich mittlerweile anwaltlich tätig bin, hat Jameda in dem Verfahren vor dem OLG Köln vertreten.

posted by Thomas Stadler at 22:27  

11.11.19

OLG Frankfurt: Neue Entscheidung zum Influencer-Marketing

Die Entscheidungen zum Influencer-Marketing, bei denen es zumeist um die Frage einer verdeckten Werbung geht, häufen sich. Eine einheitliche Linie hat die Rechtsprechung noch nicht wirklich gefunden.

Das Gebot der Trennung von Werbung und Content ergibt sich u.a. aus dem Wettbewerbsrecht. Aber auch das TMG und der RStV, für journalistisch-redaktionelle Inhalte, verlangen eine Kennzeichnung von Werbung.

Das OLG Frankfurt verfolgt in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 23.10.2019, AZ.: 6 W 68/19) hierzu eine sehr restriktive Linie. Es unterstellt Influencern regelmäßig ein Handeln im geschäftlichen Verkehr, das aber versucht wird zu verbergen, indem sich der Influencer als eine Person darstellt, die andere an ihrem Privatleben teilnehmen lässt.

Neben der Förderung fremden Wettbewerbs durch Verlinkung auf Leistungen oder Produkte Dritte, geht das OLG Frankfurt davon aus, dass ein Influencer stets sein eigenes Unternehmen fördert. Hierzu führt das Oberlandesgericht aus:

Im Übrigen fördert die Antragsgegnerin mit ihren mit Tags versehenen Posts jedenfalls ihr eigenes Unternehmen (vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 21.03.2019, 13 O 38/18, Rdz. 43 bei juris). Als Influencerin erzielt die Antragsgegnerin Einkünfte damit, dass sie Produkte und auch sich selbst vermarktet. Ausweislich einer Internetveröffentlichung der C-Buchverlage ist die Antragsgegnerin gemeinsam mit ihrem Partner D Autorin eines Buches mit dem Titel „E“, bei dem es sich um einen Zeitschrift1-Online-Bestseller handelt (Anlage ASt 3 zur Antragsschrift). Die Antragsgegnerin nutzt also ihre Bekanntheit als Influencerin, um eigene Produkte zu vermarkten. Ihr Instagram-Account ist daher insgesamt als kommerziell und nicht je nach Post als kommerziell oder privat zu bewerten.

Das bedeutet dann aber, dass ein Influencer mit seinem gesamten Instagram-Account kommerzielle Zwecke verfolgt bzw. kommerzielle Kommunikation betreibt.

Ob sich diese Linie durchsetzen wird oder eine stärker differenzierende Betrachtung, bleibt abzuwarten.

posted by Thomas Stadler at 18:37  

15.10.19

BGH hebt Urteil zu Adblock Plus teilweise auf

Das von Springer gegen Eyeo, den Anbieter des Werbeblockers Adblock Plus, angestrengte Verfahren auf Unterlassung war am Ende sowohl beim BGH als auch beim BVerfG erfolglos.

Der I. Zivilsenat des BGH hatte entschieden (Urteil vom 19.04.2018, Az.: I ZR 154/16), dass das Angebot des Werbeblockers AdBlock Plus weder eine unlautere Behinderung noch eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne des UWG darstellt und die Klage von Springer abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 22.08.2019, Az. 1 BvR 921/19).

Damit schien die Auseinandersetzung bereits zugunsten von Eyeo entschieden. Allerdings hast nunmehr der Kartellsenat des BGH in einem Verfahren, das RTL gegen Eyeo führt, eine klageabweisende Entscheidung des OLG München teilweise aufgehoben (BGH, Urteil vom 08.10.2019, Az.: KZR 73/17).

Das OLG München hatte mit Urteil vom 17.08.2017 (Az.: U 2184/15 Kart) eine Entscheidung des LG München I bestätigt, in der sowohl kartellrechtliche als auch wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche von RTL gegen den Werbeblocker abgelehnt worden waren. Die Entscheidungen beschäftigen sich auch mit dem von Eyeo als Geschäftsmodell angebotenen Whitelisting, das ich in einem älteren Blogbeitrag als rechtlich kritisch bewertet hatte.

Über die aktuelle BGH-Entscheidung hat bislang lediglich Heise berichtet, eine Pressemitteilung des BGH gibt es (bislang) nicht. Nach meinen Informationen hat der BGH das Urteil im Hinblick auf die Klageanträge zu 1, 2, 4 und 5 und den darauf bezogenen Feststellungsantrag zum Schadensersatz aufgehoben und insoweit an das OLG zurückverwiesen.

Ob sich der Kartellsenat des BGH allein auf kartellrechtliche Aspekte stützt oder sich (auch) in Widerspruch zur Entscheidung des I. Zivilsenats setzt, ist derzeit, mangels Vorliegen der Urteilsgründe unklar.

Auch Springer hat noch nicht aufgegeben und vor dem Landgericht Hamburg eine weitere Klage gegen Eyeo erhoben, die sich diesmal auf Urheberrecht stützt. Die Begründung, wonach Adblock Plus die Programmiercodes von Webseiten verändert und und damit direkt in das rechtlich geschützte Angebot von Verlagen eingreift, erscheint bemerkenswert.

Der Streit um Adblock Plus ist also keinesfalls schon beendet, sondern wird die Gerichte noch eine Weile beschäftigen.

posted by Thomas Stadler at 17:12  

14.10.19

Unterlassungsverpflichtung und Löschung bei Google

Wer (wettbewerbsrechtlich) zur Unterlassung verpflichtet ist, muss zudem bei Google auf eine Löschung hinwirken. Das hat das OLG Frankfurt mit Urteil vom 22.08.2019 (Az.: 6 U 83/19) entschieden. Das Gericht führt hierzu aus:

Analog zum Umfang der Unterlassungsverpflichtung aus einem Unterlassungstitel umfasst die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht auch hier die Pflicht der Antragsgegnerin, i.R.d. ihm Möglichen und Zumutbaren beim Betreiber der Suchmaschine Google auf eine Löschung des streitgegenständlichen Eintrags hinzuwirken, wobei sich diese Verpflichtung auch auf die Entfernung aus dem Cache erstreckt. Zwar hat ein Schuldner für das selbstständige Handeln Dritter grds. nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat (BGH GRUR 2014, 595 – Vertragsstrafenklausel). Die streitgegenständlichen Einträge bzw. Treffer bei Google beruhten letztlich auf der eigenen Internetseite der Antragsgegnerin. Damit, dass eine allseits bekannte und gängige Suchmaschine die Einträge auf ihrer Internetseite auffinden und ihre Angaben bei einer Suchanfrage ausweisen wird, musste die Antragsgegnerin rechnen. Es kam ihr auch wirtschaftlich zugute. Folglich war sie gehalten, unverzüglich eigene Recherchen über die Verwendung des Hinweises durchzuführen und jedenfalls den Betreiber der Suchmaschine Google aufzufordern, den streitgegenständlichen Eintrag zu entfernen (vgl. OLG Düsseldorf, MMR 2016, 114; OLG Celle, WRP 2015, 475, 476, Rnr. 18; OLG Stuttgart, WRP 2016, 773. 775, Rnr. 26; Harte-Bavendamm/Hennig-Goldmann, UWG, 4. Aufl., § 8, Rnr. 16; a.A. OLG Zweibrücken, MMR 2016, 831, sowie bei einem Verstoß im nicht gewerblichen Bereich OLG Frankfurt, 11. ZS, GRUR-RR 2019. 289 – Google Cache; zur Übersicht vgl. Sakowski, NJW 2016, 3623). Da Google zudem ein Webmaster-Tool bereithält, über das die Löschung im Cache gespeicherter veralteter oder gelöschter Informationen beantragt und damit ihre Anzeige verhindert werden kann (wie die Antragsgegnerin es ja am 21.11. selbst vorgenommen hat), war es der Antragsgegnerin auch möglich und zumutbar, die Entfernung des streitgegenständlichen Hinweises aus dem Cache zu beantragen.

Das deckt sich von der Stoßrichtung her mit dem, was der BGH für äußerungsrechtliche Sachverhalte entschieden hat.

Der BGH bejaht eine eingeschränkte Störerhaftung desjenigen, der die Erstveröffentlichung zu verantworten hat, auch für Folgeveröffentlichungen. Geschuldet ist danach zumindest ein „Hinwirken auf Löschung rechtswidriger, im Internet abrufbarer Tatsachenbehauptungen“

posted by Stadler at 17:22  

7.10.19

Die Cookie-Entscheidung des EuGH wird überschätzt

Nach der medial ausführlich besprochenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 01.10.2019, Az.: C‑673/17) zu Cookies („Planet 49“) war vielerorts, beispielsweise bei Heise, zu lesen, dass Cookies künftig nur noch mit ausdrücklicher Einwilligung des Nutzers gesetzt werden dürften.

Mit dieser Frage hat sich der EuGH aber gar nicht explizit beschäftigt, weil der vorlegende BGH nicht danach gefragt hatte.

Vordergründig hat der EuGH nur entschieden, dass eine datenschutzrechtliche Einwilligung online nur im Wege eines Opt-In erfolgen kann und eine Opt-Out-Lösung nicht ausreichend ist. Das gilt für Einwilligungen im Sinne der weiterhin geltenden ePrivacy-Richtlinie ebenso wie für die Einwilligung nach der Datenschutzgrund-Verordnung (DSGVO). Zudem stellt der EuGH klar, dass der Anwendungsbereich der ePrivacy-Richtlinie nicht auf personenbezogene Daten beschränkt ist, sondern sich der Schutz vielmehr auf alle in Endgeräten der Nutzer gespeicherten Informationen erstreckt, unabhängig davon, ob es sich um personenbezogene Daten handelt.

Ob dem EuGH die Tragweite dieser Aussage bewusst war, darf man bezweifeln. Denn am Ende müsste dies dazu führen, dass jede Form der (Zwischen-)Speicherung auf dem Gerät des Nutzers zunächst einwilligungsbedürftig wäre. Der Ausweg wäre in diesem Fall nur noch Art. 5 Abs. 3 S. 2 der ePrivacy-RL, wenn die Speicherung allein dem Zweck dient, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz zu ermöglichen oder zu erleichtern oder, soweit dies unbedingt erforderlich ist, um einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Dienst zur Verfügung zu stellen. In diesen Fällen ist keine Einwilligung nötig.

Mangels entsprechender Vorlagefragen hat sich der EuGH aber nicht mit der Frage befasst, wann ein Cookie „unbedingt erforderlich“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der ePrivacy-RL ist. Session Cookies, die für einen Bestellprozess eingesetzt werden dürften aber hierunter fallen, ebenso wie Cookies, die einem Log-In-Prozess dienen.

Nicht beantwortet hat der EuGH zudem die Frage, ob ein Tracking bzw. das Setzen von Cookies auch auf andere Gestattungstatbestände als die Einwilligung gestützt werden kann, insbesondere auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO und mithin ein berechtigtes Interesse ausreichen kann. Nun lassen sich möglicherweise die Ausführungen des EuGH z.B. in Rn. 46 des Urteils schon derart interpretieren, dass der Gerichtshof auf Cookies ausschließlich Art. 5 der ePrivacy-RL anwenden will. Andererseits hat die Vergangenheit gezeigt, dass man einzelne Passagen aus Entscheidungen des EuGH, die nicht unmittelbar für die Vorlagefrage relevant sind, auch nicht überbewerten sollte.

Ob das Urteil also tatsächlich die Bedeutung hat, die ihm öffentlich beigemessen wird, darf bezweifelt werden. Klar ist lediglich, dass eine Opt-Out-Lösung bei Cookies künftig keine Option mehr darstellt.

Die fortbestehende Rechtsunsicherheit resultiert vor allem daraus, dass es dem Europäischen Gesetzgeber nicht gelungen ist, zeitgleich zur DSGVO die geplante ePrivacy-Verordnung in Kraft zu setzen, die derartige Fragen regeln müsste. Dieser Umstand verstärkt auch die Neigung im Zweifel alles über eine Einwilligung des Nutzers lösen zu wollen, was wiederum eine Pop-Up- und Wegklick-Logik nach sich zieht, die am Ende faktisch kaum zu einem besseren Schutz führen wird.

posted by Stadler at 17:38  

23.7.19

BVerfG zieht Grenzen der Meinungsfreiheit erneut weit

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung des OLG Bremen aufgehoben ( Beschluss vom 14. Juni 2019, Az.: 1 BvR 2433/17) und die Äußerungen

Die Art und Weise der Beeinflussung der Zeugen und der Verhandlungsführung durch die Richterin sowie der Versuch, den Kläger von der Verhandlung auszuschließen, erinnert stark an einschlägige Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten. (…)

„Die gesamte Verhandlungsführung der Richterin erinnerte eher an einen mittelalterlichen Hexenprozess als an ein nach rechts-staatlichen Grundsätzen geführtes Verfahren.“

gegenüber einer Richterin nicht als beleidigende Schmähkritik eingestuft.

Zur Begründung führt das BVerfG u.a. folgendes aus:

Mit seinen Vergleichen richtete sich der Beschwerdeführer gegen die Verhandlungsführung der Richterin in dem von ihm betriebenen Zivilverfahren. Dieses bildete den Anlass der Äußerungen, die im Kontext der umfangreichen Begründung eines Befangenheitsgesuchs getätigt wurden. Die Äußerungen entbehren daher insofern nicht eines sachlichen Bezugs. Sie lassen sich wegen der auf die Verhandlungsführung und nicht auf die Richterin als Person gerichteten Formulierungen nicht sinnerhaltend aus diesem Kontext lösen und erscheinen auch nicht als bloße Herabsetzung der Betroffenen. Die Äußerungen lassen nicht ohne weiteres den Schluss zu, der Beschwerdeführer habe der Richterin eine nationalsozialistische oder „mittelalterliche“ Gesinnung unterstellen wollen. Historische Vergleiche mit nationalsozialistischer Praxis begründen für sich besehen nicht die Annahme des Vorliegens von Schmähkritik (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. Februar 2017 – 1 BvR 2973/14 -, juris).

Auch wenn die Entscheidung heute in sozialen Medien kontrovers diskutiert wurde, ist sie letztlich wenig überraschend und entspricht der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG und auch des EGMR zu äußerungsrechtlichen Sachverhalten. Das BVerfG geht davon aus, dass die Schmähkritik regelmäßig auf Privatfehden beschränkt ist und ansonsten regelmäßig nicht angenommen werden kann. Solange nicht ausschließlich die Herabwürdigung einer Person im Vordergrund steht, sondern noch ein Sachbezug erkennbar ist, scheidet die Annahme einer Schmähung aus. Das ist hier ganz offensichtlich der Fall, denn der Beschwerdeführer setzt sich kritisch und polemisch mit der Verhandlungsführung des Gerichts auseinander und zielt nicht ausschließlich auf die Diffamierung der Richterin ab.

Das Bedauerliche ist letztlich, dass drei Instanzgerichte anders entschieden haben. Man erlebt es leider sehr häufig, dass die Fachgerichte nicht ausreichend mit der äußerungsrechtlichen Rechtsprechung von BVerfG und EGMR vertraut sind und allzu oft eine Schmähkritik annehmen, in Fallkonstellationen, die davon noch weit entfernt sind.

posted by Thomas Stadler at 22:15  

16.7.19

OLG Dresden: Affiliate-Links müssen als Werbung gekennzeichnet werden

Das OLG Dresden hat das Portal finanztip.de verpflichtet, bei sog. Affiliate-Links deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass es sich um Werbung handelt und ferner dazu, die Behauptung zu unterlassen, das Portal sei werbefrei, solange Affiliate-Marketing betrieben wird (Urteil vom 05.07.2019, Az.: 14 U 207/19).

Das Gericht qualifiziert Affiliate-Links als geschäftliche Handlung im Sinne des UWG und nimmt sodann einen Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG an, weil der kommerzielle Zweck der geschäftlichen Handlung nicht kenntlich gemacht wurde. Insoweit betont das Oberlandesgericht, dass dies auch dann gilt, wenn die Affiliate-Links im Rahmen eines Produkttests oder einer redaktionellen Berichterstattung erfolgen. Auch insoweit sei eine Trennung und Kennzeichnung möglich und nötig.

Wie der kommerzielle Zweck von Affiliate-Links kenntlich zu machen ist, hat das Gericht nicht vorgegeben, allerdings betont, dass dies jedenfalls so deutlich geschehen muss, dass für einen Durchschnittsverbraucher kein Zweifel am Vorliegen eines kommerziellen Zwecks mehr bestehen kann.

Das Gericht geht zudem davon aus, dass die Aussage des Portals, es sei werbefrei, irreführend ist, solange Affiliate-Marketing betrieben wird.

Das OLG hat die Revision nicht zugelassen.

posted by Thomas Stadler at 22:17  

18.6.19

BGH zur Haftung für Uploads durch Dritte

In welchem Umfang haftet ein Fernsehsender (hier der MDR), wenn ein Dritter einen persönlichkeitsrechtsverletzenden Filmbericht bei YouTube und Facebook einstellt? Mit dieser Frage hatte sich der BGH (Urteil vom 09.04.2019, Az.: VI ZR 89/18) unlängst zu beschäftigen. Anders als das Oberlandesgericht hält der BGH eine Haftung des MDR (für Abmahnkosten) für denkbar.

Der BGH geht zunächst davon aus, dass der MDR die Erstveröffentlichung durch die Ausstrahlung und das Einstellen des Films in die ARD-Mediathek verursacht hat und insoweit auf Unterlassung und Schadensersatz haftet. Für die Folgefrage der Einstellung bei YouTube geht der BGH von der tatbestandlichen Feststellung des Berufungsgerichts aus, dass der Uploader den Filmbericht aus der Mediathek hochgeladen hat. Diese tatbestandliche Feststellung ist möglicherweise falsch, aber wegen § 314 Abs. 1 ZPO für den BGH bindend.

Sodann nimmt der BGH an, dass die von den Uploadern bewirkten Rechtsverletzungen dem MDR zuzurechnen sind. Der BGH bekräftigt damit seine bisherige Rechtsprechung, nach der sich durch die Weiterverbreitung im Internet, sei es durch Verlinkung oder erneutem Upload, eine internetetypische Gefahr verwirklicht, welche gerade durch die Erstveröffentlichung geschaffen wurde. Die hiergegen in der juristischen Literatur erhobene Kritik, dass dies jedenfalls dann nicht gelten könne, wenn der Dritte einen Beitrag urheberrechtswidrig weiterverbreitet, weil dies nicht dem Willen des Erstveröffentlichenden entspreche und dieser gleichsam selbst Opfer einer Rechtsverletzung sei, überzeugt den BGH nicht. Für die Zurechnung einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die durch die Weiterverbreitung eines Beitrags durch Dritte im Internet entstanden ist, sei vielmehr allein die Frage maßgebend, ob in ihr die vom Erstveröffentlicher geschaffene Gefahr fortwirkt.

Der BGH erkennt, dass diese recht starre Betrachtung in Konflikt mit Art. 5 GG stehen könnte, weil von ihr eine veröffentlichungshemmende Wirkung ausgeht. Hier meint der BGH aber, dass abträgliche Effekte auf den Gebrauch von Presse- und Meinungsfreiheit oder gar ein „existenzbedrohender Einschüchterungseffekt“ weder zu befürchten noch eingetreten seien. Das mag man im Fall eines öffentlich-rechtlichen Senders so bewerten. Ob das aber ausnahmslos so gesehen werden kann, darf bezweifelt werden.

Wer im Internet Texte oder Filme veröffentlicht, muss also laut BGH immer damit rechnen, dass diese (auch rechtswidrig) weiterverbreitet werden und haftet deshalb nach deliktischen Grundsätzen regelmäßig auch für solche Rechtsverletzungen, die erst durch das Handeln Dritter entstehen.

posted by Thomas Stadler at 10:43  
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