Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.10.09

Rückzugsgefecht: Netzsperren nur Wahlkampfthema?

Wolfgang Schäuble sagt bemerkenswerte Dinge in diesem Tagen. Nach einer Meldung der dpa räumte er handwerkliche Fehler beim Zugangserschwerungsgesetz ein und erklärte, dass das Gesetz zum Schutz vor Kinderpornografie im Endspurt des Wahlkampfes auch deshalb entstanden sei, um die CDU gegenüber anderen Parteien abzusetzen.

Ich kann mich zwar täuschen, aber das klingt schon sehr stark nach einem Rückzugsgefecht. Es würde mich nicht wundern, wenn das Gesetz als Ergebnis der Koalitionsverhandlungen jetzt doch noch gestoppt würde.

Erschreckend ist die Aussage Schäubles aber vor allen Dingen deshalb, weil er letztlich einräumt, dass der Wahlkampfaspekt im Vordergrund gestanden hat. Und das war dann ein Wahlkampf auf dem Rücken missbrauchter Kinder und zu Lasten neutraler und freier Kommunikationsstrukturen. Das richtige Adjektiv dafür lautet widerwärtig.

posted by Stadler at 11:15  

9.10.09

Muss die Bundesregierung das Zugangserschwerungsgesetz dem Bundespräsidenten vorlegen?

Mir wurde in den letzten Tagen mehrfach die Frage gestellt, ob die Bundesregierung das Zugangserschwerungsgesetz eigentlich überhaupt an Horst Köhler zur Gegenzeichnung vorlegen muss.

Und es erscheint tatsächlich denkbar, dass nicht vorgelegt wird bzw. die Bundesregierung die Vorlage zumindest solange verzögert, bis die Koalitionsverhandlungen beendet sind.

Nach Art. 58 GG i.V.m. § 29 GO BReg werden Gesetze dem Bundespräsidenten erst nach Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler und durch den zuständigen Fachminister vorgelegt. Hierzu gibt es einen historischen Fall aus dem Jahre 1954 (Platow-Amnestie) – es ist wohl der Einzige – in dem die Bundesregierung ein beschlossenes Gesetz gar nicht an den Bundespräsidenten weitergeleitet und gewartet hat, bis der Bundestag ein abweichendes, aufhebendes Gesetz beschlossen hat. Dass auch das verfassungsrechtlich fragwürdig ist, steht auf einem anderen Blatt.

posted by Stadler at 15:27  

8.10.09

Wie geht es weiter mit dem Zugangserschwerungsgesetz?

Aus Brüssel bzw. von den Mitgliedsstaaten der EU wird wohl kein Widerstand gegen das Zugangserschwerungsgesetz kommen, wenn man der Berichterstattung von Heise glauben darf.

Bleibt also die spannende Frage, was die Koalitionsverhandlungen ergeben werden. In diesem Zusammenhang ist immer von einer „Rücknahme“ des Gesetzes die Rede. Rückgängig machen könnte und müsste das Gesetz freilich der Bundestag selbst. Das bedeutet allerdings nichts weniger, als, dass die Abgeordneten von CDU/CSU nunmehr ein Gesetz wieder kippen, das sie fast einstimmig erst vor drei Monaten beschlossen haben. Wenn es tatsächlich so kommen sollte, wäre das vermutlich ein Novum in der deutschen Gesetzgebungsgeschichte.

Als letzte Hürde und Hoffnung bleibt Horst Köhler. Für den AK Zensur und andere Gruppen habe ich mich schon Anfang Juli mit ausführlicher Begründung an den Bundespräsidenten gewandt, mit der Bitte das Gesetz nicht zu unterzeichnen.

Update vom 09.10.09:
Es wäre allerdings auch denkbar, dass die Bundesregierung gar nicht an Horst Köhler vorlegt bzw. die Vorlage bis auf weiteres verzögert. Nach Art. 58 GG i.V.m. § 29 GO BReg werden Gesetze dem Bundespräsidenten erst nach Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler und durch den zuständigen Fachminister vorgelegt. Hierzu gibt es einen historischen Fall aus dem Jahre 1954 (Platow-Amnestie) in dem die Bundesregierung ein beschlossenes Gesetz nicht an den Bundespräsidenten weitergeleitet hat, solange bis der Bundestag ein abweichendes, aufhebendes Gesetz beschlossen hat.

posted by Stadler at 21:30  

8.10.09

Netzsperren: Verwaltungsgericht verlangt eidesstattliche Versicherung des BKA

In einem Eilverfahren, das sich offenbar gegen die Weitergabe von „Sperrlisten“ durch das BKA an den Provider Arcor richtet, hat das angerufene Verwaltungsgericht Wiesbaden dem BKA aufgegeben, eine eidesstattliche Versicherung des BKA-Präsidenten und des zuständigen Referatsleiters vorzulegen, aus der sich ergibt, dass der zwischen dem BKA und Arcor geschlossene Sperrvertrag noch nicht umgesetzt ist und bisher auch keine Sperrlisten an Arcor übermittelt worden sind. Es hatte immer wieder Gerüchte und Hinweise darauf gegeben, dass Arcor mit der Umsetzung der Access-Sperren bereits begonnen hätte.

Das Gericht geht ganz offenbar – und dies ist nicht überraschend – davon aus, dass die zwischen dem BKA und einigen Providern geschlossenen Sperrverträge nichtig sind und keine rechtliche Grundlage für Netzsperren vor Inkrafttreten des Zugangserschwerungsgesetzes bieten.

Wenn das BKA jetzt an Eides Statt (und zwar durch den Präsidenten und den Referatsleiter) versichert, dass es bislang noch keine Sperrlisten an Arcor weitergegegeben hat, dann wird der Antrag zurückgewiesen.

Sollte das BKA diese Versicherungen aber dem Gericht nicht vorlegen, spricht der Inhalt des Hinweises stark dafür, dass dann erlassen wird. Denn diese Verträge sind nichtig und davon gehen die Verwaltungsrichter augenscheinlich auch aus.

posted by Stadler at 14:00  

8.10.09

AK Zensur fordert Rücknahme des Zugangserschwerungsgesetzes

Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur fordert anlässlich der laufenden Koalitionsverhandlungen die Rücknahme des Zugangserschwerungsgesetzes.

Möglicherweise stehen die Chancen dafür gar nicht einmal so schlecht, denn in einigen Punkten wird die Union der FDP entgegenkommen müssen. Andererseits ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil derjenigen Gesetze (z.B. Vorratsdatenspeicherung, BKA-Gesetz) deren Rückgängigmachung die FDP verlangt, unangetastet bleibt.

Und nachdem der Wahlkampf jetzt vorbei ist, bietet sich auch für die Union die Gelegenheit, ein Gesetz, das formell offensichtlich verfassungswidrig ist und auch materiell schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, auf diese Weise elegant wieder loszuwerden. Und ihren Wahlkampfauftritt hatte Frau von der Leyen immerhin auch.

posted by Stadler at 13:42  

30.9.09

BKA-Ermittlungen belegen Nutzlosigkeit von Netzsperren

Das Bundeskriminalamt hat nach einer eigenen Pressemitteilung vom heutigen Tag einen Kinderpornografie-Ring zerschlagen, dessen Mitglieder über das Internet Daten ausgetauscht haben sollen.

Was dort freilich nicht steht ist, dass in einem solchen Fall die nunmehr geplanten Netzsperren gänzlich wirkungslos gewesen wären, weil sich dieser Tausch, wie es beim BKA heißt, in „eigens dazu eingerichteten Foren“ abgespielt hat. Kinderpornografisches Material wird im Netz nämlich primär über P2P-Netzwerke und (Chat-)Foren ausgetauscht, das WWW gegen das sich das Zugangserschwerungsgesetz allein richtet, stellt allenfalls einen Nebenkriegsschauplatz dar.

Die eigenen Ermittlungen des BKA belegen somit die Unsinnigkeit der Blockade von Websites.

Update: Es handelte sich in diesem Fall nicht um ein offenes Forum im Web. Die eigenen Erkenntnisse des BKA zeigen, dass Kinderpornografie im Netz in der Regel nicht offen zu finden ist, sondern der Austausch primär über P2P-Netzwerken und Foren (mit geschlossenen Benutzergruppen) stattfindet. Die „Szene“ erweist sich als Closed-Shop. Die Pädophilen benutzen die Hinterzimmer, sie agieren vorsichtig und bleiben unter sich. In diesem Umfeld können die geplanten Websperren nichts ausrichten. Websperren zielen deshalb von vornherein nur auf einen Nebenkriegsschauplatz ab und nehmen die relevanten Umschlagplätze gar nicht erst ins Visier.

posted by Stadler at 13:07  

30.9.09

Österreich: Internetsperren, warum nicht?

Genau das sagte die österreichische Justizminsterin einem Interviewer des ORF. Die österreichische Politik beobachtet die Entwicklung in Deutschland offenbar aufmerksam und natürlich bedient man sich dort derselben fragwürdigen Argumente wie hierzulande. Gerald Bäck gibt in seinem Blog einen kurzen Einblick in die sehr ähnliche Diskussion in unserem südlichen Nachbarland.

posted by Stadler at 10:00  

28.9.09

Telekom will ab 17.10.09 auch ohne Zugangserschwerungsgesetz sperren

Die Telekom will die geplanten Netzsperren ab dem 17.10.09 in jedem Fall aktivieren, auch wenn das Zugangserschwerungsgesetz bis dahin nicht in Kraft getreten sein sollte. Grundlage hierfür sollen die zwischen dem BKA und einzelnen Provider abgeschlossenen Sperrverträge sein, die als öffentlich-rechtliche Verträge allerdings nach meiner Einschätzung offensichtlich unwirksam sind.

posted by Stadler at 09:24  

28.9.09

Der Tag danach

Wahlanalysen hat es genug gegeben, weshalb ich mir eine weitere knapp verkneifen kann.

Und um beim Thema dieses Blogs zu bleiben: Die FDP wird vom heutigen Tag an immer wieder an ihre Wahlversprechen, die Bürgerrechte (wieder) zu stärken, zu erinnern sein. Es ist ja nun durchaus nicht so, dass ich mich nicht positiv überraschen lassen möchte.

posted by Stadler at 06:42  

24.9.09

eco kritisiert intransparentes Verfahren des BKA bei der Vorbereitung des Zugangserschwerungsgesetzes

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) kritisiert die Vorbereitung der Umsetzung des Zugangserschwerungsgesetzes durch das BKA als intransparent und rechtsstaatswidrig.

Das Bundeskriminalamt erarbeitet nach Ansicht des Verbandes ohne Rechtsgrundlage eine technische Richtlinie, die man zudem nicht offen mit den betroffenen Verbänden und Unternehmen erörtern will, sondern als Verschlusssache behandelt.

Offenbar hat das BKA zudem betroffene Provider für den 02.10.09 nach Wiesbaden eingeladen, damit die ISPs dort eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben.
Quelle: Pressemitteilung von eco vom 24.09.09

posted by Stadler at 16:35  
« Vorherige SeiteNächste Seite »