Bundespräsident Horst Köhler will das sog. Zugangserschwerungsgesetz vorerst nicht ausfertigen, meldet dpa (via ZeitOnline) unter Berufung auf den Spiegel. Der Bundespräsident soll bei der Bundesregierung um ergänzende Informationen gebeten haben.
Bereits im Juli habe ich den Bundespräsidenten im Auftrag des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zensur und anderer Organisationen und Personen in einem Brief darum gebeten, das verfassungswidrige Gesetz nicht zu unterzeichen und dies ausführlich rechtlich begründet. Sollte Köhler das Gesetz tatsächlich stoppen, wäre dies eine Sensation.
posted by Stadler at 13:24
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Ursula von der Leyen fordert neue Wege in der Diskussion um Internet-Sperren, heißt es bei Heise. Neue Wege, die die alte und neue Familienministerin in der heißen Phase des Wahlkampfs freilich selbst überhaupt nicht beschreiten wollte. Vielleicht sollte Frau von der Leyen in einem ersten Schritt die Fachdiskussion zur Kenntnis nehmen und sich mit der Vielzahl ernstzunehmender Einwände auseinandersetzen. Nachdem dieses Thema aber eigentlich eh nicht in ihr Ressort fällt, wird es für die Netzgemeinde im Zweifel sinnvoller sein, mit den zuständigen Ministerien für Justiz und Wirtschaft über dieses Thema sprechen.
posted by Stadler at 07:52
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Sollte das Zugangserschwerungsgesetz doch noch in Kraft gesetzt werden, dann stehen die Provider offenbar Gewehr bei Fuß, um sofort loszulegen. Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur schildert eine ganze Reihe von Details und Hintergründen der geplanten Umsetzung, die sich aus einem Protokoll einer mündlichen Verhandlung des Verwaltunsgerichts Wiesbaden ergeben, das bei Wikileaks aufgetaucht ist. Im Termin waren Vertreter des BKA und des beigeladenen Providers Vodafone anwesend.
posted by Stadler at 18:09
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Telemedicus berichtet über einen sehr interessanten Beschluss des LG Köln vom 08.10.2009 (Az.: 31 O 605/04 SH II) der im Rahmen eines Ordnungsmittelverfahrens erging.
Das Landgericht Köln ist der Meinung, dass es einem Anbieter von Online-Glückspielen möglich ist, deutsche Internetnutzer anhand der IP-Adresse zu lokalisieren und von Deutschland aus abgegebene Gebote zu unterbinden. Das wirft nach Ansicht des Landgerichts Köln auch keine datenschutzrechtlichen Probleme auf, weil die IP-Adresse keiner bestimmten Person zuzuordnen ist.
Diese lapidaren Ausführungen des Gerichts überraschen, angesichts des Umstandes, dass die Frage, ob IP-Adressen personenbezogene Daten darstellen, heftig umstritten ist. Wobei die Datenschutzbeauftragten durchwegs der Rechtsansicht sind, dass es sich um personenbezogene Daten handelt.
Dass die Lokalisierung von Internetnutzern (Geolocation) außerdem mit einer durchaus relevanten Ungenauigkeit verbunden ist, scheint das Gericht nicht zu stören. Wenn das Landgericht sagt, dass sich innerhalb der Bundesrepublik abgegebene Wettgebote lokalisieren lassen, sollte man vielleicht hinzufügen, dass sich diese mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 90 % identifizieren lassen, wobei sich ein Geolocation-Blocking natürlich ebenfalls umgehen lässt. Ob das alles wohl ausreichend dafür ist, die Befolgung einer Unterlassungspflicht als möglich anzusehen? Der Anbieter kann natürlich versuchen, deutsche Nutzer auszusperren, zuverlässig gewährleisten kann er das aber nicht.
posted by Stadler at 16:08
Nach dem Koalitionsvertrag soll das Zugangserschwerungsgesetz für die Dauer eines Jahres nicht angewendet werden. Die FDP hat versucht, dieses Verhandlungsergebnis als großen Erfolg zu verbuchen.
In diesem Zusammenhang sollte man allerdings bedenken, dass auf EU-Ebene bereits seit dem Frühjahr ein Vorschlag der Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie der Kinderpornografie existiert. Dieser Vorschlag liegt derzeit dem EU-Parlament zur Entscheidung vor.
Der Vorschlag führt zum Thema Netzsperren u.a. folgendes aus:
„Durch die zunehmende Erschwerung des Zugangs zu öffentlichen Webseiten soll die Verbreitung von Kinderpornografie eingeschränkt werden. Allerdings ist diese Maßnahme kein Ersatz für die Entfernung der Inhalte an der Quelle oder für die Verfolgung der Straftäter“.
„Inhaltlich enthält der Vorschlag Elemente, die im Übereinkommen des Europarats nicht enthalten sind wie die Durchsetzung eines EU-weiten Verbots für Sexualstraftäter, Tätigkeiten im Kontakt mit Kindern auszuüben, die Sperrung des Zugangs zu Kinderpornografie im Internet …“
Das Thema der Access-Sperren steht in Brüssel also ganz konkret auf der Agenda. Das Kalkül der Union in den Koalitionsverhandlungen könnte deshalb schlicht folgendes gewesen sein: Man gönnt der FDP medial noch einen Verhandlungserfolg in der Erwartung, dass aus Brüssel ohnehin die verbindliche Vorgabe kommt, den Zugang zu kinderpornografischen Websites zu blockieren. Denn dann kann man anschließend einfach hergehen und das bereits bestehende Gesetz unter Verweis auf die europarechtlichen Vorgaben in Kraft setzen. Und das ist möglicherweise auch der Grund dafür, dass die Union das Gesetz nur auf Eis legen möchte.
Wenn die FDP Netzsperren also tatsächlich verhindern will, dann ist es nötig, dass sie jetzt auf EU-Ebene, insbesondere auch mithilfe ihrer Europaabgeordneten, aktiv wird. Gleiches gilt auch für die Bürgerrechtsorganisationen, die sich zu oft nur auf ihre nationalen Vorgänge konzentrieren.
Update:
Über den Stand beim EU-Parlament hat EDRi kürzlich berichtet. Nach allzu heftigem Widerstand des Parlaments sieht es offenbar bislang nicht aus.
posted by Stadler at 10:30
Kommentare deaktiviert für Kommen die Netzsperren über den Umweg Brüssel?
Der Teil der Koalitionsvereinbarung zur Informationsgesellschaft ist mittlerweile online und das ausgerechnet bei den Linken.
Der Text enthält einige Platitüden, die in dem Satz „das Internet darf kein urheberrechtsfreier Raum sein“ gipfeln (Zeile 2749). Anknüpfungspunkt ist die Ankündigung eines dritten Korbs zur Weiterentwicklung des Urheberrechts.
Die Einigung zu den Netzsperren besagt übrigens nur, dass man das Zugangserschwerungsgesetz für die Dauer eines Jahres nicht anwenden möchte. Ob dies mittels eines fragwürdigen Nichtanwendungserlasses geschehen soll – was ein Novum in der deutschen Rechtsgeschichte darstellen würde – oder den rechtsstaatlichen Weg eines Änderungsgesetzes beschreitet, wird sich zeigen.
posted by Stadler at 09:15
Kommentare deaktiviert für Das Internet darf kein merkbefreiter Raum sein
Die Einigung in den Koalitionsverhandlungen im Bereich der inneren Sicherheit ist erwartungsgemäß sowohl unterschiedlich dargestellt, als auch bewertet worden.
Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass die FDP beim Thema Vorratsdatenspeicherung nichts erreicht hat aber mit Blick auf die Onlinedurchsuchung zumindest einen kleinen Achtungserfolg erzielen konnte.
Bleibt das Thema Netzsperren, bei dem der FDP scheinbar ein Durchbruch gelungen ist, was selbst bei Bürgerrechtlern und Netzaktivisten zu verhaltenem Jubel geführt hat.
Die erzielte Einigung ist freilich rechtsstaatlich fragwürdig. Unklar ist zudem, weshalb das Zugangserschwerungsgesetz sachlich gänzlich unangetastet bleibt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Kompromiss nur dem Zweck der Gesichtswahrung dient. Die spannende Frage bleibt hierbei nur, welche Seite ihr Gesicht wahren muss, obwohl sie in Wahrheit zurückstecken musste. Ist es die Union, die nicht so weit gehen will, das Gesetz zu beerdigen, noch bevor es in Kraft getreten ist oder doch die FDP, die zeigen muss, dass sie zumindest eines ihrer Wahlkampfversprechen in diesem Bereich halbwegs umsetzen konnte?
Möglicherweise ist die Stimmung in der Union auch einfach die, dass man es in einem Jahr ohnehin machen wird und man der FDP kurzfristig aber einen Teilerfolg gönnen musste. Nach alledem, was man in den letzten Monaten aus den verschiedensten Lagern gehört hat, scheint mir dies die naheliegendste Schlussfolgerung zu sein. Zumal auch auf EU-Ebene eine zunehmende Sympathie für Netzsperren festzustellen ist und die Lobbyisten unterschiedlichster Couleur Netzsperren weiterhin zum Schutz verschiedenster Rechtsgüter propagieren werden. Die Diskussion wird in jedem Fall weiter gehen und mit ihr auch der Versuch, Druck auf die Politik auszuüben.
Vielleicht ist die Einigung deshalb auch nur ein geschickter politischer Schachzug, um das Lager der Sperrgegner zu schwächen. Der teilweise wirklich beeindruckende Widerstand aus dem Netz heraus wird nämlich umso deutlicher abnehmen, je mehr man daran glaubt, bereits einen substantiellen Erfolg erzielt zu haben.
posted by Stadler at 12:40
Kommentare deaktiviert für Was nutzt der Koalitionskompromiss den Bürgerrechten?
Der in den Koalitionsverhandlungen vereinbarte Kompromiss zu den Netzsperren, wonach für die Dauer von einem Jahr nur gelöscht und nicht gesperrt werden soll, soll offenbar über einen Anwendungserlass geregelt werden, der dem BKA aufgibt, keine Sperrlisten zu erstellen und solche Listen auch nicht weiterzuleiten.
Es handelt sich dabei um eine rechtsstaatlich äußerst fragwürdige Lösung, weil es nicht Sache der Exekutive ist, über die Anwendung eines Gesetzes zu entscheiden. Es gilt hier der Verfassungsgrundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Gerade derartige Lösungen sind der Grund dafür, dass die Position des Parlaments immer stärker geschwächt wird und die Gewaltenteilung zunehmend ins Wanken gerät. Das gibt Anlass zur Besorgnis, die weit über den konkreten Fall der Netzsperren hinausreicht.
Nachdem das BKA als Behörde an die Gesetze gebunden ist, ist es auch verpflichtet, mit Inkrafttreten des Zugangserschwerungsgesetzes nach dessen § 1 Sperrlisten zu erstellen. Ein Nichtanwendungserlass der dem BKA aufgibt, genau das nicht zu tun, ist deshalb rechtswidrig.
Auch wenn man das erzielte Ergebnis begrüßt, kann man nicht nicht darüber hinwegsehen, dass es nicht mit rechtsstaatlich einwandfreien Mitteln erreicht werden soll.
posted by Stadler at 06:50
Kommentare deaktiviert für Nichtanwendungserlass für das Zugangserschwerungsgesetz
SPON wartet mit der Schlagzeile auf „FDP stoppt Internetsperren„, bei Heise heißt es hierzu „Internetsperren sind offenbar vorerst vom Koalitionstisch„.
Die Berichterstattung ist allerdings inhaltlich eher vage und wenig aussagekräftig. Schließlich hat der Bundestag das Zugangserschwerungsgesetz längst beschlossen und diesess Gesetz ist mittlerweile auch dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung vorgelegt worden. Wenn das BKA also für die Dauer eines Jahres versuchen soll, nur Löschungen zu veranlassen, was passiert dann mit dem Gesetz? Soll es eine Anweisung geben, dieses nicht anzuwenden und keine Sperrlisten an die Provider zu übermitteln? Das ist wohl schwerlich denkbar. Solange nicht klar ist, auf welchem Weg das Gesetz auf Eis gelegt wird, muss man diese Pressemeldungen deshalb mit Skepsis betrachten. Es gilt abzuwarten, was konkret vereinbart worden ist.
Außerdem sollen Onlinedurchsuchungen nunmehr von einem Antrag des Generalbundesanwalts abhängen und die Nutzung von auf Vorrat gespeicherter Daten soll auf „schwere Gefahrensituationen beschränkt werden“, was auch immer das konkret bedeuten soll.
posted by Stadler at 20:40
Kommentare deaktiviert für Netzsperren tatsächlich vom Tisch?
Wie die FAZ berichtet, will die Bundesregierung das Zugangserschwerungsgesetz nunmehr scheinbar doch dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung zuleiten, nachdem es seitens der EU offenbar keine Bedenken gibt.
Damit wird sich jetzt Horst Köhler im Rahmen seines Prüfungsrechts mit der Frage der (offensichtlichen) Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzesvorhabens beschäftigen können. Parallel laufen allerdings weiterhin die Koalitionsverhandlungen, bei denen die FDP (angeblich auf die Rückgängigmachung des umstrittenen Gesetzes dringt.
posted by Stadler at 11:57
Kommentare deaktiviert für Zugangserschwerungsgesetz nun doch zum Bundespräsidenten?