Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.5.10

Hans-Bredow-Institut verteidigt Jugendmedienschutz-Staatsvertrag

Das Hans-Bredow-Institut hat den Entwurf eines neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrags gegen Kritik in Schutz genommen. Die Autoren gehen dabei insbesondere auch auf die geplante Neuregelung ein, durch die eine freiwillige Alterskennzeichnung für Telemedien eingeführt werden soll. Es wird hierbei deutlich, dass den Autoren gerade auch die verfassungsrechtliche Problematik die dieser freiwilligen Selbstkennzeichnung innewohnt, bewusst ist.

Denn diejenigen Websites, die sich diesem „freiwilligen“ Prozedere nicht unterwerfen, laufen Gefahr, dass sie von Kindern und Jugendlichen, denen von den Eltern ein entsprechendes Filterprogramm vorgesetzt worden ist, überhaupt nicht mehr aufgerufen werden können. Und zwar selbst dann nicht, wenn sie jugendschutzrechtlich gänzlich harmlos sind. Denn die Filterprogramme werden regelmäßig alles ausfiltern, was über keine Alterskennzeichnung verfügt (White-List-Prinzip). Nachdem allerdings auch Minderjährige Träger des Grundrechts auf Informationsfreiheit sind, ist diese staatlich vorgezeichnete Lösung verfassungsrechtlich bedenklich.

Dem tritt das Bredow-Institut mit dem lapidaren Argument entgegen, in der Begründung (gemeint ist die Gesetzesbegründung) könne deutlich darauf hingewiesen werden, wie Jugendschutzprogramme mit ungekennzeichneten Inhalten umgehen sollen.

Eine solche Handlungsempfehlung – noch dazu in der für die Auslegung nachrangigen Gesetzesbegründung – hat allerdings keinerlei verbindlichen Charakter und ist deshalb nicht geeignet, die Bedenken zu zerstreuen.

Mir erscheinen die staatstragenden Ausführungen des Hans-Bredow-Instituts daher eher rechtspolitisch motiviert zu sein. Aber auch insoweit muss die Frage gestattet sein, ob man Kinder und Jugendliche zu mündigen und gut informierten Staatsbürgern erziehen will oder es vorzieht, im Wege des White-Listings einen Großteil der Netzinhalte vor Kindern und Jugendlichen zu verbergen.

posted by Stadler at 22:54  

4.5.10

JMStV: Verschärfte Kontrollpflichten für Content-Anbieter?

Ein juristischer Aufsatz von Rechtsanwalt Florian Geyer zur Neufassung des Jugendmedienschutzstaatsvertrags spricht davon, dass Plattformbetreiber künftig eine Kontrollpflicht haben und die Anforderungen insgesamt verschärft werden. Auch wenn ich diese Meinung nicht unbedingt teile, zeigt der Beitrag doch, dass zumindest die Befürchtungen, die gegen die Neufassung vorgebracht worden sind, nicht ohne weiteres als übertrieben abgetan werden können.

Das Hauptproblem des Jugendmedienschutzes besteht bislang in einem gewissen „Vollzugsdefizit“. Sollten die zuständigen Stellen ihre Bemühungen, das Regelwerk praktisch durchzusetzen, verstärken, dann könnten allerdings auch normale Blogger von den Auswirkungen betroffen sein.

posted by Stadler at 08:06  

20.4.10

Was bringt der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag?

Dieser Frage geht Telemedicus in gewohnter Qualität nach und gibt fundierte Antworten.  Der Autor äußert hierbei auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit des jetzigen Konzepts des Jugendmedienschutzes. Mit dieser Frage hatte ich mich bereits vor einiger Zeit beschäftigt. Ein äußerst lesenswerter Beitrag zu den praktisch schon beschlossenen Änderungen des JMStV.

posted by Stadler at 07:52  

25.3.10

Ministerpräsidenten winken Entwurf des JMStV durch

Wie nicht anders zu erwarten war, haben die Ministerpräsidenten der Ländern den umstrittenen Entwurf zur Änderung des Jugendmedienstaatsvertrags verabschiedet, weshalb die noch notwendige Zustimmung aller Landesparlamente nur noch Formsache sein dürfte.

Weshalb das Konzept des deutschen Jugendmedienschutzes eigentlich einer generellen Korrektur bedürfte, habe ich mehrfach dargestellt.

Ob und wie sich die Neuregelung praktisch auswirkt, wird vor allen Dingen davon abhängen, ob die Anwendung des JMStV jetzt tatsächlich in der Breite durch- und umgesetzt wird, was bislang nicht wirklich der Fall war. Dann allerdings steht zu befürchten, dass auch die negativen Streueffekte deutlich zunehmen werden. Letztlich wäre dies aber sogar zu begrüßen, weil erst dadurch die Praxisuntauglichkeit des Konzeptes offen zu Tage treten würde.

posted by Stadler at 16:27  

22.3.10

JMStV: "Behüten, wo es nötig ist"

Unter der Überschrift „Behüten, wo es nötig ist“, verteidigt Kurt Beck in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung in einem Gastkommentar den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV).

Dass ein Ministerpräsident in einer große Tageszeitung zur Kritik an dem Konzept des Jugendmedienschutzes Stellung nimmt, zeigt, dass die Bedenken, die speziell die Netz-Community vorgetragen hat, auf der obersten landespolitischen Ebene angekommen sind.

Inhaltlich nimmt Kurt Beck vor allem zu der geplanten (freiwilligen) Einführung von Alterskennzeichnungen für Internetinhalte in einem neuen Entwurf zur Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 JMStV-E) Stellung. Dieses freiwillige Labeling von Websites durch den Content-Anbieter selbst, soll, so Beck, anerkannten Jugendschutzprogrammen als Filterkriterium dienen. Diese Jugendschutzprogramme sollen von den Eltern auf den Rechnern der Kinder installiert werden, um so den Zugriff der Kinder auf bestimmte Inhalte zu verhindern. So zumindest stellt Beck sich das vor.

Und an dieser Stelle zeigt sich bereits das Dilemma. Diejenigen Websites, die nicht mit einer Alterskennzeichnung versehen werden, laufen nämlich Gefahr, dass sie von Kindern und Jugendlichen, denen von den Eltern ein entsprechendes Filterprogramm vorgesetzt worden ist, überhaupt nicht mehr aufgerufen werden können. Und das gilt selbst für völlig harmlose Websites. Denn wenn die Filterprogramme alle Websites ausfiltern, die überhaupt keine Alterskennzeichnung haben (White-List-Prinzip), dann bleibt nicht mehr viel übrig und es entwickelt sich genau das „Kindernet“, das Kurt Beck nach eigenen Worten vermeiden will.

Unter anderem an diesem Punkt setzt auch die Kritik aus dem Netz an. Denn dieser Mechanismus könnte dazu führen, dass ein faktischer Zwang zur Alterskennzeichnung entsteht. Will man das Risiko vermeiden, dass die eigene Website von Minderjährigen überhaupt nicht mehr genutzt werden kann, wird man im Zweifel eine Alterskennzeichnung brauchen. Und die kann man sich nicht selbst ausdenken. Vielmehr muss man sich einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle unterwerfen. Und das ist für die meisten Websites, die mit ihren Inhalten kein Geld verdienen, keine realistische Option. Das skizzierte Szenario, wonach mit staatlicher Hilfe in großem Stile Internetinhalte ausgefiltert werden, ist somit keinesfalls abwegig.

Ein solches staatliches Konzept ist außerdem deshalb problematisch, weil sich auch Kinder und Jugendliche auf die Informationsfreiheit des Art. 5 GG berufen können und es auch ihnen möglich sein muss, sich grundsätzlich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Genau das ist auch ein wichtiger Baustein auf dem Weg, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu fördern. Gerade diese Aufgabe des Jugendschutzes wird durch das skizzierte Konzept des Jugendmedienschutzes gefährdet.

Was ebenfalls als problematisch betrachtet werden muss, ist die Vorstellung, dass Access-Provider ihren Kunden derartige Jugendschutzprogramme zum Download anbieten müssen. Damit wird wiederum der Zugangsprovider mit in die Pflicht genommen, obwohl es hierfür keine nachvollziehbaren Gründe gibt.

Wenn Kurt Beck außerdem von einem richtungsweisenden Modell für ganz Europa spricht, so verkennt er, dass der seit 2003 in Kraft befindliche Staatsvertrag bislang vor allen Dingen deshalb nicht besonders aufgefallen ist, weil Regelungsinstrumente wie die umstrittenen „Sendezeitbeschränkungen“ für Netzinhalte nur vereinzelt und nicht in der Breite zur Anwendung gelangt sind. Würde man dieses Vollzusgdefizit beseitigen, dann wären die Auswirkungen möglicherweise auch für Inhaltsanbieter spürbar, die gar keinen jugendgefährdenden Content am Netz haben.

Der grundlegende Fehler des JMStV besteht letztlich darin, dass Instrumentarien aus dem Jugendschutzgesetz (Sendezeitbeschränkungen, Kennzeichnung nach Altersstufen) eins zu eins auf den Jugendschutz im Internet übertragen werden. Die geistigen Väter dieser Konzepte halten das Internet immer noch für eine moderne Variante des Rundfunks und verstehen deshalb auch nicht, dass diese Konzepte erstens nicht effektiv funktionieren können und zweitens die Gefahr beinhalten, dass Inhalte beeinträchtigt werden, die nicht im Ansatz jugendgefährdend sind.

Kurt Beck sagt in seinem Beitrag für die SZ: „Wer diesen Entwurf als Einschränkung der Freiheit im Netz sieht, der will sich seiner Verantwortung nicht stellen„. Vielleicht kennt Kurt Beck ja das Brecht-Zitat „Gut gemeint ist das Gegenteil von gut.„. Im Gegensatz zu Kurt Beck glaube ich, dass, wer Kinder und Jugendliche zu eigenverantwortlichen und mündigen Bürgern erziehen will, nicht daran vorbei kommt, diesen Staatsvertrag insgesamt auf den Prüftstand zu stellen. Beim Jugendmedienschutz ist ein vollständiges Umdenken erforderlich und nicht nur eine Korrektur des aktuellen Änderungsentwurfs.

posted by Stadler at 11:50  

10.3.10

JMStV: Kommen die Altersstufen doch nicht?

Nach einem neuen Entwurf eines Jugendmedienschutzstaatsvertrags ist geplant, Altersstufen nach dem Vorbild des Jugendschutzgesetzes auch für entwicklungsbeeinträchtigende Internetinhalte einzuführen. Die geplante Neufassung von § 5 Abs. 1 JMStV lautet in der Fassung des Arbeitsentwurfs:

Sofern Anbieter Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen. Die Altersstufen sind:
1. ab 6 Jahren,
2. ab 12 Jahren,
3. ab 16 Jahren,
4. ab 18 Jahren.
Die Altersstufe „ab 0 Jahre“ kommt für offensichtlich nicht entwicklungsbeeinträchtigende Angebote in Betracht.

Kritik an dieser geplanten Neuregelungen kommt nun vom medienpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern , Dr. Armin Jäger, der diese Regelung als realitätsfern bezeichnet und eine Nachbesserung verlangt.

posted by Stadler at 13:37  

1.3.10

Bund will Zuständigkeit für Jugendmedienschutz an sich ziehen

Wie die Wirtschaftswoche berichtet, möchte der Bund gerne die Gesetzgebungskompetenz für den Jugendmedienschutz – die Materie ist derzeit im Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) geregelt – an sich ziehen, weil man mit der Arbeit der Landespolitiker unzufrieden sei.

Die Aussage des „Jugendschutz-Experten“ der CDU-Bundestagsfraktion, die Länder würden derzeit ihre Kompetenz überschreiten, zeugt allerdings von wenig Sachverstand.

Der Bund verfügt im Bereich des Jugendschutzes über die sog. konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit nach § 74 Nr. 7 GG (Recht der Fürsorge). Von dieser Kompetenz hat der Bund bislang im Bereich der Telemedien ganz bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern die Regelung den Ländern überlassen. Solange der Bund sich so verhält, haben die Länder wegen Art. 72 Abs. 1 GG aber in jedem Fall die Gesetzgebungsbefugnis, weshalb von einer Kompetenzüberschreitung der Länder derzeit keine Rede sein kann.

Ob der Bund die Befugnis besitzt, diese Materie komplett an sich zu ziehen, ist offenbar die Frage, die der wissenschaftliche Dienst des Bundestags nunmehr prüfen soll. Ich neige dazu, das zu bejahen. Denn der Bund hat unstreitig die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Jugendschutzes. Was jugendgefährdende Angebote im Internet angeht, besteht die Schwierigkeit allerdings darin, dass man einen Teil der Angebote als Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne betrachten kann. Für solche Angebote liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern. Allerdings kann der Bund die Kompetenz auch in diesem Fall an sich ziehen, wenn die Wahrung der Rechtseinheit eine bundesgesetzliche Regelung erfordert (§ 72 Abs. 2 GG). Und das liegt beim Jugendmedienschutz schon äußerst nahe.

posted by Stadler at 15:28  
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