Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

18.1.11

Nerdcore, Euroweb und der Shitstorm

Ein wahrer Shitstorm fegte heute durch das Netz, weil die abmahnfreudige Euroweb Internet GmbH die Domain „nerdcore.de“ des Bloggers René Walter im Wege eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf sich hat übertragen lassen.

Derartiges passiert freilich nicht dadurch, dass jemand eine Abmahnung ignoriert, wie im Netz zunächst kolportiert wurde. Der Blogger hat sich vielmehr arg nerdig verhalten und mehrere gerichtliche Entscheidungen – ein Urteil, einen Kostenfestsetzungsbeschluss und einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss – nicht beachtet, aber auch keine Rechtsmittel eingelegt, wie es scheint. Der Ablauf wird bei den Rechtsanwälten Berger geschildert.

Die Domain wurde der Fa. Euroweb auf Basis eines Schätzwerts, der vermutlich nicht sonderlich hoch gewesen sein dürfte, überwiesen, also übertragen. Auch wenn der Schätzwert möglicherweise viel zu niedrig angesetzt worden ist, hat es den Anschein, als hätte Walter den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht angegriffen. Dann hat der Blogger seine Schulden durch die unfreiwillige Übertragung der Domain teuer bezahlt und bekommt lediglich eine eventuelle Überzahlung zurück erstattet.

Mein Mitleid mit dem Blogger hält sich ehrlich gesagt in Grenzen. Denn, wer hartnäckig mehrere gerichtliche Entscheidungen ignoriert, braucht sich über eine solche Entwicklung wirklich nicht zu wundern.

Update vom 19.1.2011:
In dem Beitrag von Udo Vetter wird die Ansicht vertreten, der Gläubiger (Euroweb) müsste im Falle einer Versteigerung den Erlös herausgeben, der über die Schulden des Bloggers hinausgeht. Das wäre aber nur dann richtig, wenn es sich um eine Zwangsversteigerung bzw. Verwertung der Domain im Rahmen einer Zwangsvollstreckung handelt. Das scheint aber vorliegend nicht der Fall zu sein. Euroweb hat sich die Domain vielmehr anstelle der Zahlung – juristisch: an Erfüllungs Statt – übertragen lassen. Das bedeutet, dass der Blogger seine Schulden durch Übertragung der Domain bezahlt hat. In diesem Fall muss Walter den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beim Vollstreckungsgericht angreifen und versuchen diesen rückgängig zu machen. Vom Erlös eines Verkaufs der Domain durch Euroweb bekommt er aber grundsätzlich nichts.

posted by Stadler at 22:07  

9.11.10

Keine Rechte an einer Domain?

Das OLG Brandenburg hat mit Urteil vom 15.09.2010 (Az.: 3 U 164/09) entschieden, dass ein Nutzungsrecht an einer Domain – sofern nicht der Schutz des Kennzeichen- oder Namensrechts greift – gegenüber einem Dritten, der zu Unrecht als neuer Domaininhaber eingetragen worden ist, nicht besteht.

Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt kann der Kläger von der Beklagten die Einwilligung dazu verlangen, dass er an ihrer Stelle als Inhaber und administrativer Ansprechpartner der Domain in die Datenbank der DENIC eingetragen wird, sagt das OLG Brandenburg. Das Gericht ist insoweit der Meinung, dass ein solcher Anspruch schon aus Rechtsgründen nicht bestehen kann, weil die Domain als solche kein geschütztes Recht begründet. Das Landgericht hatte demgegenüber noch ein Nutzungsrecht an einer Domain als sonstiges Recht im Sinne von § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Das OLG Brandenburg hat die Revision zum BGH zugelassen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts steht in Widerspruch zur Rechtspraxis. Der Rechtsverkehr betrachtet die Domain als vermögenswertes Gut, das Gegenstand von Veräußerungsgeschäften und Übertragungen ist. Auch die Vergabestellen wie DENIC haben ein formalisiertes Verfahren der Domainübertragung entwickelt und gehen davon aus, dass die Inhaberschaft an Domains auf diesem Wege übertragen wird.

Wenn man andererseits bedenkt, dass selbst der Besitz wegen des ihm innewohnenden tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses über die Sache als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist, muss auch die tatsächliche Herrschaft über eine Domain, die aus dem Umstand der formellen Eintragung als Domaininhaber resultiert, geschützt sein. Diese Eintragung verleiht nämlich die faktische Möglichkeit, die Domain zu benutzen und über die Domain zu verfügen, während der Nichteingetragene davon ausgeschlossen bleibt. Im Ergebnis muss ein Schutz der Domain als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anerkannt werden.

posted by Stadler at 18:24  

27.9.10

BGH: Domain „steuerberater-suedniedersachsen.de“ nicht berufsrechtswidrig

In einem berufsgerichtlichen Verfahren hat der BGH mit Urteil vom 01.09.2010 (Az.: StbSt (R) 2/10) entschieden, dass die Registrierung und Benutzung der Domain  „www.steuerberater-suedniedersachsen.de“ durch einen Steuerberater nicht berufsrechtswidrig ist.

Nach Ansicht des BGH berühmt sich der Steuerberater damit weder einer Sonder- bzw. Alleinstellung, noch ist die Verwendung dieser Domain irreführend im Sinne des UWG.

posted by Stadler at 10:05  

7.9.10

BGH: „braunkohle-nein.de“

Der BGH hat mit einem heute veröffentlichten Urteil vom 25.03.2010 (Az.: I ZR 197/08) entschieden, dass derjenige, der treuhänderisch für eine Bürgerinitiative, aus der später ein Verein hervorgeht, eine Domain registriert und verwaltet, zur Übertragung und Umschreibung der Domain nach § 667 BGB verpflichtet ist.

posted by Stadler at 11:55  

24.8.10

LG Frankfurt: „gewinn.de“

Das Landgericht Frankfurt am Main hatte mit Urteil  vom 27.07.10 (Az.: 2-7 O 33/09) über die Klage eines ehemaligen Domaininhabers zu entscheiden, der DENIC darauf in Anspruch genommen hat, ihn erneut als Domaininhaber einzutragen. Die Domain ist dem Kläger aufgrund eines Providerwechselverfahrens, das allerdings den Vorgaben der DENIC-Richtlinien entsprochen hatte, verloren gegangen. Der Provider des Domaininhabers hatte auf einen Wechselantrag eines anderen Providers mehrmals nicht reagiert, weshalb der Wechsel schließlich vollzogen wurde. Hiervon wusste der Kläger angeblich nichts.

Das Landgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sich der Kläger das Verhalten seines Providers zurechnen lassen muss und dem Schweigen des Providers auf den Wechselantrag hin, als sog. beredtes Schweigen Erklärungswert zukommt.

Interessant an dem Urteil ist außerdem die Einschätzung des Landgerichts Frankfurt, dass der Eintrag in die WHOIS-Datenbank rein deklaratorisch wirkt, so dass derjenige, der dort eingetragen ist, nicht zwangsläufig der tatsächliche Domaininhaber sein muss. Die DENIC kann nach Ansicht des Gerichts deshalb u.U. verpflichtet sein, einen unrichtigen Eintrag zu berichtigen und den materiell Berechtigten als Domaininhaber einzutragen.

posted by Stadler at 19:19  

8.7.10

OLG Frankfurt: DENIC muss Domains löschen

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom17.06.2010 (Az.: 16 U 239/09) entschieden, dass DENIC im Falle einer eindeutigen, sich aufdrängenden Namensrechtsverletzung verpflichtet ist, die Löschung einer Domainregistrierung vorzunehmen. Diese Voraussetzungen hat das OLG Frankfurt für die Domainnamen „regierung-oberbayern.de“, „regierung-unterfranken.de“, „regierung-mittelfranken.de“ und „regierung-oberfranken.de“ die von einem Unternehmen mit Sitz in Panama registriert wurden, bejaht.

Das Gericht begründet seine Auffassung damit, dass es sich bei den geschützten Namen um die offiziellen Bezeichnungen der Regierungen der Regierungsbezirke des Freistaats Bayern, der geklagt hatte, handelt. Die Rechtsverletzung sei aufgrund dieser Umstände offenkundig, sie müsse sich den Mitarbeitern der DENIC  aufdrängen. Aus diesem Grund steht das Urteil nach Meinung des Senats auch nicht in Widerspruch zur ambiente.de-Entscheidung des BGH, in der eine Haftung von DENIC aufgrund fehlender Prüfpflichten weitgehend ausgeschlossen worden war.

Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen.

posted by Stadler at 13:32  

3.6.10

EuGH zur bösgläubigen Domainregistrierung

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom heutigen 03.06.2010 (Az.: C?569/08) über die Frage der bösgläubigen Registrierung einer eu-Domain (reifen.eu) entschieden.

Der zugrunde liegende Sachverhalt ist durchaus kurios. Art. 11 („Sonderzeichen“) der Verordnung zur Einführung von eu-Domains (Nr. 874/2004) regelt, dass, aus einem Domainnamen, für den frühere Rechte beansprucht werden und der Sonderzeichen sowie Leer- und Interpunktionszeichen enthält, diese Sonderzeichen entweder entfernt oder durch Bindestriche ersetzt werden müssen.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ein österreichisches Unternehmen, vermarktet Produkte im Internet. Um Domains in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung anmelden zu können, meldete das Unternehmen zuvor beim schwedischen Markenamt erfolgreich insgesamt 33 Gattungsbegriffe als Marken an, und zwar jeweils unter Verwendung des Sonderzeichens „&“ vor und nach jedem Buchstaben, u.a. die Wortmarke &R&E&I&F&E&N& für die Waren „Sicherheitsgurte“.

Anschließend ließ das Unternehmen in der ersten Registrierungsphase gem. Art. 11 der Verordnung die Sonderzeichen „&“ entfernen, so dass die Domain „reifen.eu“ registriert werden konnte.

Der Beklagte des Ausgangsverfahrens, Inhaber der Marke „Reifen“ für Waschmittel, bekämpfte diese Registrierung vor dem Schiedsgericht und bekam dort Recht. Mit Entscheidung vom 24. Juli 2006 (Verfahren Nr. 00910) entzog das Schiedsgericht  der Klägerin den Domainnamen und übertrug ihn auf den Beklagten. Hiergegen wiederum klagte die Klägerin vor den nationalen Gerichten in Österreich. Der OGH hat die Frage schließlich dem EuGH vorgelegt.

Der EuGH betrachtet die Domainregistrierung der Klägerin des Ausgangsverfahrens als rechtsmissbräuchlich und erweitert zugleich die Kriterien, die in der Verordnung für bösgläubige bzw. rechtsmissbräuchliche Domainregistrierungen genannt sind.

Der EuGH hat insbesondere ausgesprochen:

Für die Beurteilung der Frage, ob ein bösgläubiges Verhalten im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 vorliegt, hat das nationale Gericht alle im Einzelfall erheblichen Faktoren und insbesondere die Umstände, unter denen die Eintragung der Marke erwirkt wurde, sowie die Umstände, unter denen der Name der Domäne oberster Stufe „.eu“ registriert wurde, zu berücksichtigen.

Was die Umstände betrifft, unter denen die Eintragung der Marke erwirkt wurde, hat das nationale Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

– die Absicht, die Marke nicht auf dem Markt zu benutzen, für den der Schutz beantragt wurde,

– die Gestaltung der Marke,

– die Tatsache, dass die Eintragung einer großen Zahl von anderen Marken, die Gattungsbegriffen entsprechen, erwirkt wurde, und

– die Tatsache, dass die Eintragung der Marke kurz vor Beginn der gestaffelten Registrierung von Namen der Domäne oberster Stufe „.eu“ erwirkt wurde.

Was die Umstände betrifft, unter denen der Name der Domäne oberster Stufe „.eu“ registriert wurde, hat das nationale Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

– die missbräuchliche Verwendung von Sonderzeichen oder Interpunktionszeichen im Sinne des Art. 11 der Verordnung Nr. 874/2004 zum Zweck der Anwendung der in diesem Artikel festgelegten Übertragungsregeln,

– die Registrierung in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung gemäß der Verordnung Nr. 874/2004 auf der Grundlage einer Marke, die unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens erlangt wurde, und

– die Tatsache, dass eine große Zahl von Anträgen auf Registrierung von Domänennamen, die Gattungsbegriffen entsprechen, eingereicht wurde.

posted by Stadler at 18:16  

13.4.10

OLG Hamburg offenbart brillanten technischen Sachverstand

In einer neuen Entscheidung des OLG Hamburg (Beschl. v. 02.03.2010, Az.: 5 W 17/10)findet sich folgende bemerkenswerte Passage:

„Dies gilt erst recht in Fällen wie dem vorliegenden, in dem das Unternehmenskennzeichen der Antragstellerin im Quelltext sogar in die Titelangabe der entsprechenden Webseite aufgenommen wurde. Denn hierdurch wird nicht nur, wie bei den „einfachen“ Metatags, die Auffindbarkeit durch Suchmaschinen bei Eingabe des entsprechenden Suchbegriffs erhöht, sondern nach der Darlegung der Antragstellerin wird die angezeigte Seite hierdurch in der Titelleiste zusätzlich mit einem Titel versehen, der das Unternehmenskennzeichen enthält.“

Also Keywords- und Description-Tag zählen  zu den einfachen Meta-Tags, während der Title-Tag demgegenüber ein besonderer Meta-Tag ist, weil hierdurch in der Titelleiste zusätzlich ein Titel erzeugt wird? Was für eine bahnbrechende Erkenntnis.

Ich will Derartiges im Jahr 2010 eigentlich nicht mehr in einem Urteil eines Oberlandesgerichts lesen.

Die rechtliche Würdigung des OLG Hamburg ist insgesamt zumindest fragwürdig. Ob sich die Frage der Verwechslungsgefahr bei Unternehmenskennzeichen tatsächlich ohne Ausführungen zum konkreten  Inhalt der Website beantworten lässt, möchte ich bezweifeln. Nur weil ein Unternehmenskennzeichen in einem Title-Tag oder als Teil einer URL auftaucht, muss der durchschnittliche Internetnutzer nach Aufruf der Website nicht unbedingt und stets annehmen, dass diese Website von dem fraglichen Unternehmen stammt. Das wird vielmehr sehr stark von Inhalt und Gestaltung der Website abhängen. Und genau hierzu sagt das OLG nichts.

posted by Stadler at 17:37  

17.3.10

Bayerischer Rundfunk unterliegt DENIC

Der Bayerische Rundfunk hat der DENIC beim Landgericht München I im Wege einer einstweiligen Verfügung zunächst erfolgreich verbieten lassen, die Domain „br.de“ zugunsten eines Dritten zu registrieren. Hintergrund war der, dass der BR bei der Zuteilung von Zweibuchstabendomains im letzten Jahr im Kampf um die Domain „br.de“ nicht zum Zug gekommen war.

Mit Urteil vom 10.02.2010 (Az.: 37 O 19801/09) hat das Landgericht München I seine einstweilige Verfügung wieder aufgehoben und den Antrag des Bayerischen Rundfunks zurückgewiesen.

Der Bayerische Rundfunk hatte seine Ansprüche auf Kartellrecht gestützt. Das Gericht sah aber in der Anwendung des Prioritätsgrundsatzes „first come first served“ keine unbillige Behinderung oder Diskriminierung des BR.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Update:
Der Bayerische Rundfunk ist trotz des negativen Urteils mittlerweile als Inhaber der Domain „br.de“ bei DENIC eingetragen. Man hat die Sache dann wohl finanziell gelöst. ;-)

posted by Stadler at 12:25  

2.2.10

Britische Anwaltskammer hat Anspruch auf Domain "lawsociety.com"

Das WIPO Arbitration and Mediation Center hat in einem UDRP-Verfahren am 22.01.2010 entschieden, dass das britische Pendant zur Anwaltskammer „Law Society“ Anspruch auf Übertragung der Domain „lawsociety.com“ hat.

Hätte ein ordentliches Gericht im UK oder in Deutschland auch so entschieden? Nachdem „Law Society“ zwar ein generisches Begriffspaar darstellt, gleichzeitig aber den feststehenden Namen der britischen „Anwaltskammer“ bildet und insoweit auch als Marke eingetragen ist, kann man die Entscheidung wohl vertreten. Andererseits hätte man sicherlich auch einmal die Frage stellen können, ob hier nicht auch die Wahl der Top-Level-Domain von Bedeutung ist und eine abweichende Betrachtung rechtfertigt. Das ist eine Frage, die bislang von der Rechtsprechung aber auch nicht gestellt wird.

posted by Stadler at 16:47  
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