Erneut Streit um Klarnamenpflicht bei Facebook
Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat Facebook (Irland) aufgegeben, auf eine Klarnamenpflicht zu verzichten und den (deutschen) Nutzern entsprechend der Vorgabe des § 13 Abs. 6 TMG eine Nutzung des sozialen Netzes auch unter einem Pseudonym zu ermöglichen. Das berichten u.a. der NDR und SPON.
Mit einem ähnlichen Vorstoß war das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) in Schleswig-Holstein vor gut zwei Jahren beim OVG Schleswig gescheitert. Das Oberverwaltungsgericht hatte damals die Auffassung vertreten, dass Facebook nicht an deutsches sondern an irisches Datenschutzrecht gebunden sei. Diese Rechtsauffassung ist allerdings durch das Google-Urteil des EuGH ins Wanken geraten. Der EuGH hatte eine Anwendung von nationalem (spanischen) Datenschutzrecht auf Google Spain bejaht. Auch wenn die Sachverhalte nicht unmittelbar vergleichbar sind, spricht die Entscheidung dafür, auch Facebook dem deutschen Datenschutzrecht zu unterstellen. Ich habe seit jeher – allerdings mit anderer Begründung – die Auffassung vertreten, dass Facebook an deutsches Datenschutzrecht gebunden ist.
In einem aktuellen Beitrag für CR-Online vertritt Rechtsanwalt Niko Härting die Ansicht, die Vorschrift des § 13 Abs. 6 TMG sei europarechtswidrig. Hierzu kann man natürlich in formeller Hinsicht sagen, dass deutsche Behörden und Gerichte zunächst auch eurparechtswidrige Vorschriften anzuwenden haben. Gerichte können dann an den EuGH vorlegen, um diese Frage verbindlich klären zu lassen.
Aber ist der Einwand von Härting in materielle Hinsicht stichhaltig? Härting begründet seine Ansicht damit, dass Art. 7 der Datenschutzrichtlinie nach der Rechtsprechung des EuGH abschließend regeln würde, unter welchen Bedingungen eine Datenverarbeitung zulässig ist und es dem nationalen Gesetzgeber verboten sei, darüber hinausgehende Bedingungen aufzustellen. Aber enthält § 13 Abs. 6 TMG tatsächlich eine zusätzliche Bedingung für die Zulässigkeit einer Datenverarbeitung? Der EuGH hat entschieden, dass Art. 7 der Richtlinie 95/46 eine erschöpfende und abschließende Liste der Fälle vorsieht, in denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten als rechtmäßig angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 24. 11. 2011 – C-468/10). Hieraus folgert der EuGH, dass die Mitgliedstaaten weder neue Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten einführen dürfen, noch zusätzliche Bedingungen stellen können, die die Tragweite eines der sechs in diesem Artikel vorgesehenen Grundsätze verändern würden.
Wenn man § 13 Abs. 6 TMG an dieser Vorgabe misst, wird man allerdings Schwierigkeiten haben zu begründen, an welchem der sechs in Art. 7 der Datenschutzrichtlinie aufgestellten Grundsätze die Vorschrift konkret rütteln sollte.
Nachdem die datenschutzrechtliche Diskussion sowohl in Deutschland als auch auf Ebene der EU fast immer von einem gewissen Tunnelblick geprägt wird, ist es hilfreich, gelegentlich auf den verfassungsrechtlichen Hintergrund des Datenschutzes zurückzugreifen, speziell wenn man eine Vorschrift wie § 13 Abs. 6 TMG betrachtet. Der Sinn und Zweck der Vorschrift ist nämlich die Datenvermeidung und die Verhinderung der Entstehung personenbezogener Daten, die öffentlich verfügbar sind. In verfassungsrechtlicher Hinsicht erscheint es wichtig zu erkennen, dass die Vorschrift gerade ein Ausfluss des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ist, die zudem für den Nutzer ein Mittel zum Selbstdatenschutz darstellt (Spindler/Nink, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 13 TMG, Rn. 10 TMG). Die Grundrechtecharta der EU normiert in Art. 8 ein Recht auf Datenschutz und in Art. 7 ein Recht auf Achtung des Privatlebens. § 13 Abs. 6 TMG ist letztlich also nichts anderes als eine einfachgesetzliche Konkretisierung des Rechts auf Datenschutz bzw. auf informationelle Selbstbestimmung.
Es stellt sich letztlich also eher die Frage, ob der (europäische) Gesetzgeber vor diesem Hintergrund nicht gehalten bzw. verpflichtet ist, beispielsweise für soziale Netzwerke, die Möglichkeit einer anonymen oder pseudonymen Nutzung zu gewährleisten. Dass die bisherigen Vorschläge einer Datenschutzgrundverordnung dies nicht vorsehen, besagt nichts darüber ob nicht doch eine entsprechende Notwendigkeit besteht.
Der formale Einwand verfügt über keine Stichhaltigkeit, da eine Verpflichtung der deutschen Behörden vorliegt, EU Recht unmittelbar anzuweden. Ausführlicher:
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Der EuGH hat den Grundsatz des Vorrangs in seinem Urteil vom 15. Juli 1964 in der Rechtssache Costa gegen Enel anerkannt. In diesem Urteil verkündet der Gerichtshof, dass das von den europäischen Organen verabschiedete Recht in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten übergeht und diese zu seiner Beachtung verpflichtet sind. Das EU-Recht hat also Vorrang vor dem nationalen Recht. Steht eine nationale Rechtsvorschrift im Widerspruch zu einer EU-Rechtsvorschrift, so müssen die Behörden der Mitgliedstaaten die EU-Rechtsvorschrift anwenden. Das nationale Recht wird weder für ungültig erklärt noch außer Kraft gesetzt, es wird lediglich seine verbindliche Wirkung ausgesetzt.
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Comment by pkhh — 29.07, 2015 @ 12:54
@adfree_werbeonkel:
Du kannst dann zwar alleine deine Meldungen auf dem einen Server löschen. Werden aber die öffentlichen Daten von dort ausgelesen, ausgewertet und an einem anderen Ort gespeichert, dann hat man keine Möglichkeit mehr, dies zu unterbinden.
Das ist so, als würde man bei Facebook ein Bild hochladen und nach 3 Jahren dann das Bild im Profil löschen (und Facebook dazu bewegen das Bild wirklich zu entfernen). Viele derer die das Bild zwischendurch weitergegeben haben werden Kopien erzeugt haben usw.! Über diese Kopien hat man keine Macht mehr. Man könnte natürlich mit dem Urheberrecht versuchen zu klagen, aber wenn sich ein Bild mal „verselbstständigt“ hat, dann wird es schwer.
Comment by maSu — 29.07, 2015 @ 14:12
Verfolgt werden sollte die unerwünschte Nutzung der nicht anonymisierten Daten.
Wir leben leider in einer verkehrten, verquerten Welt. Die Juristen meinen zwar, „In Wahrheit ist das nicht schwierig, auch wenn man Jahrhunderte lang darum gestritten hat und heute schon eine Habilitation braucht, um die Urgründe des Streits noch zu verstehen.“ (BGH-Richter Thomas Fischer).
Dasselbe betrifft Kriege. Diese gibt es nicht nur Jahrhunderte, sondern Jahrtausende lang. Basieren auf den gleiche Rechtsgrundsätzen, welche hier vehement verteidigt werden. Trotzdem ist eine Welt ohne Kriege vorstellbar und durchsetzbar. Allerdings nicht allein auf juristischem Wege. Erst recht nicht durch die Juristen aus Deutschland.
Comment by Rolf Schälike — 29.07, 2015 @ 14:24
Hoho, wie sie wieder alle schimpfen auf MS! Und das schon seit über 30 Jahren: tot tot tot. Am Schluss, von wenigen Ausnahmen abgesehen, verwenden sie es doch, das Gemotze gehört zum guten Ton. Aldi übrigens bietet seit heute (oder seit gestern?) die ersten Laptops mit Windows 10 an. Wir werden uns an 10 gewöhnen wie ans Wetter von gestern.
Comment by Franz Krojer — 29.07, 2015 @ 20:24
Wetten, @Datamine, dass das mit dem Mittelstandsunternehmen so nicht stimmt.: „Unser Mittelstandsunternehmen mit 437 Rechnern, die alle auf Windows getrimmt sind, werden jetzt auf Linux umgestellt. Die Fachleute, die wir schon im Haus hatten, schätzen diese Zeit auf vier bis acht Wochen ein.“ „Jetzt“ gerade machen die „Fachleute“ zufällig Urlaub, und wenn Du aus Fehlern lernen möchtest, dann schau Dir mal die Historie von „Linux in der Stadtverwaltung München“ an: das dauert Monate und Jahre, und ist noch immer höchst umstritten. Vielleicht, bei einem Mittelstandsunternehmen, ist das alles nicht ganz so schwierig, aber so wie Du das schilderst, klingt das absolut unglaubwürdig. Linux in Ehren!
Comment by Franz Krojer — 29.07, 2015 @ 21:19
Sorry, ich dachte Datamine ist echt, ist aber ein Troll. Ziehe meine Kommentar zurück.
Comment by Franz Krojer — 29.07, 2015 @ 21:21
Die Regeln zum DatenSCHMUTZ bei MS verstoßen gegen die informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Schutz des gesprochenen Wortes, wie es im TKG so schön heißt. Daher kann sich der Konzern in Deutschland eine Unterlassungsklage einfangen.
Comment by Gerd — 29.07, 2015 @ 21:38
Unsere Kanzlei wird morgen die Firma Microsoft auffordern, binnen vierzehn Tagen eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, ansonsten wird aufgrund der Rechtsverstöße eine entsprechende Klage eingereicht.
Wem das nicht einleuchtet, sollte sich einfach raushalten.
Comment by Gerd — 29.07, 2015 @ 21:47