Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

12.7.12

Bis zum jüngsten Gericht

Das Satiremagazin Titanic wurde bekanntlich vom Papst vor dem Landgericht Hamburg wegen eines Coverbildes mit der Überschrift „Die undichte Stelle ist gefunden!“ auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg ist ihrem Ruf dann auch gerecht geworden und hat dem Magazin auf Antrag des Papstes verboten, die Darstellung auf Vorder- und Rückseite weiterhin zu verbreiten.

Die Titanic hat mittlerweile angekündigt, gegen die Beschlussverfügung vorzugehen, notfalls bis zum Jüngsten Gericht. Der von dem Magazin gewählte Weg des Widerspruchs gegen die einstweilige Verfügung führt die Zeitschrift zunächst allerdings nur bis zum OLG Hamburg. Der Gang zum BGH ist in einem Verfügungsverfahren nicht möglich, hierzu müsste ein Hauptsacheverfahren durchgeführt werden. Ob das Oberlandesgericht, das bislang ebenfalls häufig meinungsfeindlich entschieden hat, die Verfügung aufheben wird, darf bezweifelt werden.

Gleichwohl bin ich der Ansicht, dass der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hamburg, wie so häufig, eine fehlerhafte Abwägung von Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit zugrunde liegt. Der Papst ist eine Person des öffentlichen Lebens und zwar eine, die aufgrund ihrer Stellung und ihrer Haltung zu verschiedensten weltanschaulichen Fragen, durchaus kontrovers gesehen wird. Insoweit unerscheidet er sich, was den Persönlichkeitssschutz angeht, sicherlich nicht von einem Spitzenpolitiker, er ist vielleicht in gewisser Weise sogar einer.

Die rechtliche Beurteilung von Satire erfordert nach der Rechtsprechung des BVerfG „die Entkleidung des in Wort und Bild gewählten satirischen Gewandes“, um ihren eigentlichen Inhalt zu ermitteln. Dieser Aussagekern und seine Einkleidung sind sodann gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Mißachtung gegenüber der betroffenen Person enthalten. Dabei muß beachtet werden, dass die Maßstäbe im Hinblick auf das Wesensmerkmal der Verfremdung für die Beurteilung der Einkleidung anders und im Regelfall weniger streng sind, als die für die Bewertung des Aussagekerns.

Das Cover der Titanic setzt sich inhaltlich mit der als Vatileaks bekannten Affäre auseinander und vermittelt durch die Darstellung den sehr unmittelbaren Eindruck, dass der Papst insoweit verschiedenste Dinge nicht im Griff habe. Das ist im Kern eine Sachkritik. Das äußere Gewand dieser Aussage ist natürlich spöttisch, was allerdings dem Wesen der Satire entspricht.

Vor diesem Hintergrund halte ich das Coverbild der Titanic als von der Meinungsfreiheit gedeckt. Man sollte sich übrigens davor hüten, den Papst anders zu behandeln als andere Personen des öffentlichen Lebens. Es wäre juristisch falsch, dem Papst deshalb einen Sonderstatus einzuräumen, weil er ein Kirchenoberhaupt ist. Auch die Frage des Geschmacks ist für die rechtliche Bewertung gänzlich unerheblich. Wer Mohammed-Karikaturen für zulässig hält, sollte außerdem auch mit dieser Darstellung der Titanic keine Probleme haben.

 

posted by Stadler at 16:24  

16.9.10

Netzsperren vor dem EU-Parlament

Dass die Kommission in Person von Innenkommissarin Cecila Malmström – mit denselben unzureichenden Argumenten wie Ursula von der Leyen zuvor in Deutschland – die Einführungen von Access-Sperren zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet einführen möchte, ist seit einigen Monaten bekannt. Ein entsprechender Richtlinienentwurf ist bereits seit längerer Zeit online. Man muss in diesem Zusammenhang auch nochmals darauf hinweisen, dass dieser Entwurf inhaltlich deutlich weiter geht als der deutsche Entwurf und auch sog. Jugendpornografie umfassen soll. Es geht also offenbar nicht mehr nur um die Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern, sondern auch um die Durchsetzung fragwürdiger Moralvorstelungen im Bereich der Jugendsexualität.

Einen anderen Aspekt beleuchtet die „European Cybercriminals Society (ECS)“, also die Vereinigung der europäischen Cyberkriminellen (;-), in einem offenen Brief an Kommissarin Malmström. Die Satire bedankt sich im Namen der Straftäter dafür, dass damit ein Frühwarnsystem etabliert wird, das es Kriminellen frühzeitig ermöglicht, auf andere Server auszuweichen. In diesem Zusammenhang wird von der ECS dann beanstandet, dass es unfair sei, dasselbe Frühwarnsystem nicht auch denjenigen Cyberkriminellen anzubieten, die im Bereich der Verletzung des geistigen Eigentums oder des Betrugs aktiv sind. Denn damit würde eindeutig der Binnenmarkt für Kriminalität behindert.

Diese Satire lenkt die Diskussion auf den oft vernachlässigten Aspekt, dass Access-Sperren nicht geeignet sind, die Verbreitung von Kinderpornografie einzudämmen, sondern vielmehr die Gefahr beinhalten, dass deren Verbreitung eher noch gefördert wird.

Am 28. und 29. September findet im Rechtsausschuss des Europaparlaments eine Anhörung zu dem Richtlinienentwurf statt. Die geladenen Fachleute sollen allerdings weitgehend aus Sperrbefürwortern bestehen, obwohl die deutsche Diskussion eigentlich gezeigt hat, dass die Mehrheit der technischen und juristischen Experten dem Vorhaben kritisch bis ablehnend gegenüber steht. Es droht also eine tendenziöse Einflussnahme auf die Meinungsbildung der Abgeordneten durch eine selektive Auswahl von Fachleuten, die das Access-Blocking befürworten.

posted by Stadler at 09:33  

23.4.10

Satire ist nicht strafbar

Die katholische Kirche schießt momentan aus allen Rohren gegen ihre Kritiker. Da werden zum Beispiel Blogger mit einstweiligen Verfügungen überzogen, die offen und in rechtlich zulässiger Art und Weise ihre Meinung sagen – was speziell beim Landgericht Hamburg freilich noch nie ein Argument war – und dann wird gegen eine Satirezeitschrift Strafanzeige erstattet, mit demselben Ziel, nämlich eine unliebsame Meinungsäußerung in Form einer durchaus provokativen bildlichen Darstellung zu unterbinden. Aber die Provokation gehört eben zum Wesen der Satire und, dass sich die Darstellung außerdem kritisch mit dem Missbrauchsskandal auseinandersetzt, wird man kaum  in Abrede stellen können. Das hat dann auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt so gesehen und die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens  wegen der Beschimpfung von Bekenntnissen (§ 166 StGB) abgelehnt. Gut so!

posted by Stadler at 19:06  

17.4.10

Meinungsfreiheit: Die nackte Oberbürgermeisterin

Das Oberlandesgericht Dresden hat mit Urteil vom 16.04.2010 (4 U 127/10) eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Dresden aufgehoben, durch die der Künstlerin Erika Lust verboten wurde, die Dresdener Oberbürgermeisterin auf satirische Weise nackt darzustellen. Hintergrund der Darstellung war der Streit um das Weltkulturerbe.

Das OLG Dresden führt zur Begründung u.a. aus, dass man die Nacktheit der Oberbürgermeisterin in diesem Kontext ohne weiteres als allegorische Darstellung der Unmöglichkeit oder Unfähigkeit zur Abwendung des Verlustes des Unesco-Welterbetitels verstehen kann.

Das Gericht stellt damit den Schutz der Satire im (öffenltichen) Meinungskampf  und damit die Meinungsäußerung und nicht die Kunstfreiheit in den Vordergrund. Eine erfreuliche Entscheidung.

Update: Das Bild ist im Netz schwer zu finden, aber das hier dürfte es sein.

posted by Stadler at 12:38  

6.5.09

Was darf Satire im Internet?

Was darf die Satire im Internet? – ein Beitrag zur Verwendung von Meinungsäußerungsdomains“ lautet der Titel eines juristischen Beitrags des österreichischen Kollegen Dr. Clemens Thiele.

Der Aufsatz beschäftigt sich vor allem mit der Frage, ob es zulässig ist, den Namen oder die Marke des Kritisierten bzw. Parodierten in Form einer Domain zu benutzen. In Deutschland gab es zu diesem Thema bereits mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen (oil-of-elf.de oder stoppesso.de).

posted by Stadler at 09:19  
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