Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

3.1.11

EuGH zum urheberrechtlichen Schutz grafischer Benutzeroberflächen

Mit Urteil vom 22.12.2010 (Az.: C?393/09) hat der EuGH über die Frage des urheberrechtlichen Schutzes grafischer Benutzeroberflächen von Computerprogrammen entschieden. Die Leitsätze des EuGH lauten:

1. Eine grafische Benutzeroberfläche stellt keine Ausdrucksform eines Computerprogramms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen dar, und sie kann nicht den urheberrechtlichen Schutz für Computerprogramme nach dieser Richtlinie genießen. Eine solche Schnittstelle kann jedoch nach der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft urheberrechtlich als Werk geschützt sein, wenn sie eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellt.

2. Die Ausstrahlung einer grafischen Benutzeroberfläche im Fernsehen stellt keine öffentliche Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Werkes im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar.

Der EuGH stellt zunächst klar, dass die Benutzeroberfläche keine Ausdrucksform eines Computerprogramms darstellt und insoweit auch nicht dem spezifischen urheberrechtlichen Schutz als Computerprogramm unterliegt.

Der EuGH prüft anschließend, ob die grafische Benutzeroberfläche in den Genuss des allgemeinen Urheberrechtsschutzes nach der Richtlinie 2001/29 gelangen kann und führt dazu aus, dass ein solcher Schutz in Betracht kommt, sofern eine geistige Schöpfung vorliegt.

Bei der Beurteilung dieser Frage muss das nationale Gericht die Anordnung oder spezifische Konfiguration aller Komponenten berücksichtigen, aus denen sich die grafische Benutzeroberfläche zusammensetzt und prüfen, ob das Kriterium der Originalität erfüllt ist.

Das Kriterium der Originalität ist nach Ansicht des EuGH nicht erfüllt, wenn der Ausdruck dieser Komponenten durch ihre technische Funktion vorgegeben ist.


posted by Stadler at 11:26  

7.11.10

LG Düsseldorf hält das Angebot von Glücksspiel im Internet weiterhin für wettbewerbswidrig

Das Landgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 03.11.2010 (Az.: 12 O 232/09) einem in Malta ansässigen Anbieter verboten, Sportwetten und Glücksspiele über das Internet zu veranstalten bzw. zu bewerben.

Das Landgericht Düsseldorf  hat einen Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG bejaht und diesen mit einer Verletzung von § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) begründet.

Das Gericht hält die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages für verfassungs- und europarechtskonform und weist ausdrücklich darauf hin, dass inoweit auch kein Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 08.09.2010 (Az.: C-46/08)  bestehe.

Diese Annahme des Landgerichts Düsseldorf dürfte auch zutreffend sein, da der EuGH das deutsche Verbot, öffentliche Glücksspiele im Internet zu veranstalten und zu vermitteln, grundsätzlich nicht beanstandet. Was der EuGH für unzulässig hält, ist vielmehr das staatliche deutsche Glücksspielmonopol.

posted by Stadler at 12:37  

29.10.10

Das Ende der Störerhaftung im Internet?

Unter dem bewusst spekulativen Titel „Das Ende der Störerhaftung im Internet“ gehe ich in einem aktuellen Aufsatz für AnwaltZertifikatOnline der Frage nach, ob die Rechtsprechung des BGH, wonach die Haftungsprivilegierungen des TMG nicht für Unterlassungsansprüche gelten, im Lichte der neueren Rechtsprechung des EuGH noch aufrecht erhalten bleiben kann. Der Aufsatz wird voraussichtlich nur kurze Zeit als kostenlose Leseprobe online sein.

posted by Stadler at 10:10  

21.10.10

Entscheidung des EuGH zur urheberrechtlichen Geräteabgabe

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 21.10.2010 (Az.: C?467/08) über die (spanische) Geräteabgabe, die als Ausgleich für das vom Gesetzgeber eingeräumte Recht, Privatkopien anzufertigen dient, entschieden.

Der EuGH hat betont, dass ein Zusammenhang zwischen der Anwendung der zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs bestimmten Abgabe auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung und dem mutmaßlichen Gebrauch dieser Anlagen zum Zweck privater Vervielfältigungen notwendig ist.

Folglich ist nach Ansicht des EuGH die unterschiedslose Anwendung der Abgabe für Privatkopien auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung, die nicht privaten Nutzern überlassen werden und eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten sind, nicht mit der Richtlinie 2001/29 vereinbar.

Diese Rechtsprechung wird auch für Deutschland die Frage aufwerfen, ob auf gewerblich genutzte Kopierer, Drucker etc. tatsächlich eine Geräteabgabe erhoben werden kann.

posted by Stadler at 15:20  

18.6.10

Informationsfreiheit vs. Datenschutz

Beim Europäischen Gerichtshof ist derzeit ein Verfahren anhängig, in dem es um das Spannungsverhältnis von Informationsfreiheit bzw. Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und dem Schutz personenbezogener Daten geht.

Art. 44a der Verordnung Nr. 1290/2005 (in der Fassung der Verordnung Nr. 1437/2007) über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik bestimmt, dass die Mitgliedsstaaten jedes Jahr nachträglich Informationen über die Empfänger von Agrarsubventionen zu veröffentlichen haben. Die Durchführungsbestimmungen (Verordnung Nr. 259/2008) sehen u.a. die namentliche Nennung des Zuwendungsempfängers und Angaben zum erhaltenen Betrag vor.

Hiergegen hat ein Betroffener vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden geklagt und eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend gemacht. Das VG hat die Rechtsfrage wiederum an den EuGH (Rechtssachen C?92/09 und C?93/09) vorgelegt.

Hierzu liegt nunmehr der Schlussantrag der Generalanwältin vom 17.06.2010 vor, die dem EuGH empfiehlt, Art. 44a der Verordnung Nr. 1290/2005 für ungültig zu erklären, soweit er ohne Weiteres die Veröffentlichung der Namen, Gemeinden und gegebenenfalls Postleitzahlen aller Empfänger zusammen mit den erhaltenen Beträgen, vorschreibt.

Patrick Breyer vom AK Vorrat begrüßt die Einschätzung der Generalanwältin in seinem Blog ausdrücklich.

Dem vermag ich mich nicht anzuschließen. Es geht letztlich um eine Abwägung zwischen dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bzw. der Informationsfreiheit aller Bürger und dem Interesse von Subventionsempfängern, anonym  bleiben zu können. Nur die namentliche Veröffentlichung aller Einzelempfänger, einschließlich der Höhe der jeweiligen Zuwendung, schafft die notwendige Transparenz, die es der Allgemeinheit ermöglicht, sich kritisch und im Detail mit dem System der Subventionierung auseinanderzusetzen. Wer Subventionen aus öffentlichen Mitteln in Anspruch nimmt, kann nicht erwarten, dass dieser Umstand vor der Allgemeinheit verborgen wird.

Der Datenschutz würde ansonsten, wie so häufig, dazu benutzt werden, um Informationen zu unterdrücken, an deren Veröffentlichung die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse hat.

posted by Stadler at 10:35  

3.6.10

EuGH zur bösgläubigen Domainregistrierung

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom heutigen 03.06.2010 (Az.: C?569/08) über die Frage der bösgläubigen Registrierung einer eu-Domain (reifen.eu) entschieden.

Der zugrunde liegende Sachverhalt ist durchaus kurios. Art. 11 („Sonderzeichen“) der Verordnung zur Einführung von eu-Domains (Nr. 874/2004) regelt, dass, aus einem Domainnamen, für den frühere Rechte beansprucht werden und der Sonderzeichen sowie Leer- und Interpunktionszeichen enthält, diese Sonderzeichen entweder entfernt oder durch Bindestriche ersetzt werden müssen.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ein österreichisches Unternehmen, vermarktet Produkte im Internet. Um Domains in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung anmelden zu können, meldete das Unternehmen zuvor beim schwedischen Markenamt erfolgreich insgesamt 33 Gattungsbegriffe als Marken an, und zwar jeweils unter Verwendung des Sonderzeichens „&“ vor und nach jedem Buchstaben, u.a. die Wortmarke &R&E&I&F&E&N& für die Waren „Sicherheitsgurte“.

Anschließend ließ das Unternehmen in der ersten Registrierungsphase gem. Art. 11 der Verordnung die Sonderzeichen „&“ entfernen, so dass die Domain „reifen.eu“ registriert werden konnte.

Der Beklagte des Ausgangsverfahrens, Inhaber der Marke „Reifen“ für Waschmittel, bekämpfte diese Registrierung vor dem Schiedsgericht und bekam dort Recht. Mit Entscheidung vom 24. Juli 2006 (Verfahren Nr. 00910) entzog das Schiedsgericht  der Klägerin den Domainnamen und übertrug ihn auf den Beklagten. Hiergegen wiederum klagte die Klägerin vor den nationalen Gerichten in Österreich. Der OGH hat die Frage schließlich dem EuGH vorgelegt.

Der EuGH betrachtet die Domainregistrierung der Klägerin des Ausgangsverfahrens als rechtsmissbräuchlich und erweitert zugleich die Kriterien, die in der Verordnung für bösgläubige bzw. rechtsmissbräuchliche Domainregistrierungen genannt sind.

Der EuGH hat insbesondere ausgesprochen:

Für die Beurteilung der Frage, ob ein bösgläubiges Verhalten im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 vorliegt, hat das nationale Gericht alle im Einzelfall erheblichen Faktoren und insbesondere die Umstände, unter denen die Eintragung der Marke erwirkt wurde, sowie die Umstände, unter denen der Name der Domäne oberster Stufe „.eu“ registriert wurde, zu berücksichtigen.

Was die Umstände betrifft, unter denen die Eintragung der Marke erwirkt wurde, hat das nationale Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

– die Absicht, die Marke nicht auf dem Markt zu benutzen, für den der Schutz beantragt wurde,

– die Gestaltung der Marke,

– die Tatsache, dass die Eintragung einer großen Zahl von anderen Marken, die Gattungsbegriffen entsprechen, erwirkt wurde, und

– die Tatsache, dass die Eintragung der Marke kurz vor Beginn der gestaffelten Registrierung von Namen der Domäne oberster Stufe „.eu“ erwirkt wurde.

Was die Umstände betrifft, unter denen der Name der Domäne oberster Stufe „.eu“ registriert wurde, hat das nationale Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

– die missbräuchliche Verwendung von Sonderzeichen oder Interpunktionszeichen im Sinne des Art. 11 der Verordnung Nr. 874/2004 zum Zweck der Anwendung der in diesem Artikel festgelegten Übertragungsregeln,

– die Registrierung in der ersten Phase der gestaffelten Registrierung gemäß der Verordnung Nr. 874/2004 auf der Grundlage einer Marke, die unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens erlangt wurde, und

– die Tatsache, dass eine große Zahl von Anträgen auf Registrierung von Domänennamen, die Gattungsbegriffen entsprechen, eingereicht wurde.

posted by Stadler at 18:16  

6.5.10

Vorratsdatenspeicherung beim EuGH

Wie Heise berichtet, hat der irische High Court dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung mit den europäischen Grundrechten und der Menschenrechtskonvention vereinbar ist.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom März, m.E. durchaus aus politisch-taktischen Erwägungen heraus, auf eine Vorlage beim EuGH verzichtet und sich darauf beschränkt, das deutsche Umsetzungsgesetz für nicht verfassungskonform zu erklären.

Der EuGH hat sich zwar bereits mit der Vorratsdatenspeicherung beschäftigt, allerdings nur mit der formellen Frage einer grundsätzlichen Kompetenz der EU für eine derartige Richtlinie. Eine inhaltliche Prüfung auf Grundrechtsverstöße hin, hat der EuGH nicht vorgenommen. Die Hoffnung, der EuGH könnte die Vorratsdatenspeicherung kippen, halte ich für sehr optimistisch. Wichtiger erscheint mir, dass nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts nochmals in den politischen Prozess der Überprüfung und Korrektur der Richtlinie eingetreten wird. Und an dieser Diskussion müssen sich, anders als vor Jahren, die verschiedenen europäischen Bürgerrechtsgruppen nunmehr aktiv und offensiv beteiligen.

posted by Stadler at 07:57  

3.5.10

Datenschutz: Aufsichtsbehörden müssen unabhängig werden

Nach einer Entscheidung des EuGH, über die ich berichtet habe, erbringen die Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder für den nichtöffentlichen Bereich ihre Aufgaben nicht „in völliger Unabhängigkeit“. Damit sind die Vorgaben der Datenschutzrichtlinie nicht eingehalten worden. Die u.a. für die Datenschutzkontrolle bei Unternehmen zuständigen Stellen müssen nunmehr aus der behördlichen Hierarchie ausgegliedert werden.

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe die entsprechende Modelle erarbeiten soll, nimmt nach Presseberichten in dieser Woche die Beratungen auf.

posted by Stadler at 17:20  

9.3.10

EuGH: Deutsche Aufsichtsbehörden für den Datenschutz dürfen nicht staatlicher Aufsicht unterstehen

Der Europäische Gerichtshof hat heute entschieden, dass die deutschen Aufsichtsbehörden für die Überwachung des Datenschutzes im nichtöffentlichen Bereich nicht unabhängig genug sind und nicht wie bislang staatlicher Aufsicht unterstellt sein dürfen. Der EuGH folgt hierbei überraschend nicht dem Schlussantrag des Generalanwalts.

Betroffen davon sind nicht die Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes, die den öffentlichen Bereich überwachen, sondern Behörden wie z.B. das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, das bei der Regierung von Mittelfranken angesiedelt ist.

Der Tenor der Entscheidung lautet:

Die Bundesrepublik Deutschland hat gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr verstoßen, indem sie die für die Überwachung der Verarbeitung personenbezogener Daten durch nichtöffentliche Stellen und öffentlich-rechtliche Wettbewerbsunternehmen zuständigen Kontrollstellen in den Bundesländern staatlicher Aufsicht unterstellt und damit das Erfordernis, dass diese Stellen ihre Aufgaben „in völliger Unabhängigkeit“ wahrnehmen, falsch umgesetzt hat.

URTEIL DES GERICHTSHOFS vom 9. März 2010 (Az.: C‑518/07)

posted by Stadler at 11:23  

29.1.10

Muss der Verbraucher die Hinsendekosten nach dem Widerruf eines Onlinegeschäfts tragen?

Der BGH hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob dem Kunden, der von seinem Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften Gebrauch gemacht hat, trotzdem die Kosten der Zusendung der Ware (Hinsendekosten) auferlegt werden können.

Der Generalanwalt beim EuGH ist der Meinung, dass eine solche Regelung nicht mit der Fernabsatzrichtline vereinbar ist. Sein Fazit lautet:

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs wie folgt zu antworten: Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der bei einem Fernabsatzvertrag der Verbraucher die Kosten für die Zusendung der Ware zu tragen hat, wenn er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hat.

Die Empfehlung des Generalanwalts ist für den Europäischen Gerichtshof nicht bindend, in aller Regel folgt er ihr aber.

posted by Stadler at 19:00  
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