Wann haben Blogs Informationsrechte gegenüber Behörden?
Nach einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27.01.2017 (Az.: 7 CE 16.1994), der mir vorliegt, stellt das Blog einer Verlagsgruppe zu einer bestimmten Thematik, in dem von der Redaktion zugelassene und redaktionell betreute Autoren Artikel veröffentlichen, ein Telemedium mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten im Sinne von § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV dar. Im konkreten Fall ist dies mit der Folge verbunden, dass ein Auskunftsanspruch gegenüber Behörden nach § 9a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 55 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 RStV geltend gemacht werden kann.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt der VGH u.a. folgendes aus:
Bei dem Internetblog „Störungsmelder“ handelt es sich um ein Telemedium mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten i.S.v. § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV. Entscheidend hierfür ist die publizistische Zielsetzung der Beiträge der Autoren des Blogs (VGH BW, B.v. 25.3.2014 –1 S 169/14 – juris Rn. 22). Es handelt sich dabei nicht um bloße Meinungskundgebungen und Diskussionsbeiträge, sie zielen vielmehr auf eine Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ab. Sie berichten über Vorkommnisse im Bereich des Rechtsextremismus und beruhen auf einem Mindestmaß an Recherchearbeit. Die publizistische Zielsetzung des Telemedienangebots wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Möglichkeit für Leser besteht, Kommentare abzugeben, die im Blog veröffentlicht werden. Die Kommentierungen, die jedermann offenstehen, unterscheiden sich deutlich von den Impulsartikeln. Sie sind auch bei Aufruf des Angebots nicht erkennbar, sondern müssen eigens aufgerufen werden.
Dem Charakter eines journalistisch-redaktionell gestalteten Angebots widerspricht auch nicht, wenn im Blog um weitere Autoren geworben wird. Sie können nicht unmittelbar Beiträge einstellen, sondern müssen sich der Redaktion mit näheren Angaben (Wo lebst du? Was verbindet dich mit dem Thema? Worüber genau möchtest du
berichten? Wie oft möchtest du bloggen?) vorstellen.Die Antragstellerseite hat ferner unwidersprochen vorgetragen, dass die Autoren und die Beiträge durch ein Redaktionsmitglied betreut werden. Die Beiträge werden damit nicht beliebig und ungefiltert in das Angebot eingestellt. Die journalistisch-redaktionelle Ausrichtung des Angebots wird nach außen schon allein durch seine Aufmachung erkennbar. Als Anbieter tritt unverkennbar die bundesweit bekannte Verlagsgruppe „DIE ZEIT“ auf. An die journalistische Qualität des Angebots dürfen im Übrigen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Neben dem „Ob“ ist auch das „Wie“ der Berichterstattung Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse und der ihr verwandten neuen Medien (BVerfG, B.v. 8.9.2014 – 1 BvR 23/14 – juris Rn. 29).
Anders als das Kammergericht, in einer äußerst fragwürdigen neueren Entscheidung, stellt der VGH darauf ab, ob ein Blog eine publizistische Zielsetzung verfolgt. Das Gericht macht andererseits deutlich, dass nicht schon jede Meinungskundgabe und jeder Diskussionsbeitrag ein Blog zu einem journalistisch-redaktionell gestalteten Angebot macht. Diese Differenzierung des VGH erscheint mir sachgerecht, gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit §§ 55 Abs. 2 – 57 RStV Regelungen für die „elektronische Presse“ treffen wollte.
das wird dem http://Danisch.de aber nicht schmecken ;-)
Comment by Jörg — 21.02, 2017 @ 12:42
Ist „publizistische Zielsetzung“ denn ein definierter Rechtsbegriff ? Mir fällt es schwer festzustellen, ob Ihr Blog auch darunter fällt.
Comment by Oliver — 21.02, 2017 @ 13:10
Was genau wollte denn der „Störungsmelder“ der ZEIT von den Behörden wissen? Und warum gibt es bei der linken ZEIT eigentlich keinen „Störungsmelder“ bezüglich linksradikaler Aktivitäten und Straftaten?
Diese Fragen muss man stellen, denn man sollte von allen Herausgebern (links und rechts) eine Publikation außerhalb der eigenen Meinungsblase erwarten können und dürfen.
Comment by Gerhard — 22.02, 2017 @ 09:57
Wisst Ihr eigentlich, was in der eingesessenen Presse los ist? Bild.de verklagt aktuell Focus.de, weil sie kopiert haben sollen, Spiegel.de ist auf dem Modus feuern, einstellen, feuern. Heute spinnen sich Verlagshäuser ihre Verkaufs- und Klickzahlen schön.
Da loben wir doch mal gründlich und deutlich unser Lieblingsblog internet-law. Hier darf man Mensch sein, hier darf man posten, hier ist man tolerant, hier schnauft man mal richtig durch. Befreiend, nicht nur für die Lungen.
Danke dafür. Es ist fällig. Late, but not too late.
Comment by Gerhard — 22.02, 2017 @ 12:21
https://archivalia.hypotheses.org/63088
Comment by Dr. Klaus Graf — 22.02, 2017 @ 16:43
Zitat:
„Es handelt sich dabei nicht um bloße Meinungskundgebungen und Diskussionsbeiträge, sie zielen vielmehr auf eine Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ab“
Das ist gelinde gesagt völliger Quatsch. Der „prozess der öffentlichen Meinungsbildung“ besteht aus Informationen und Meinungen in Diskussionen. Die öffentliche Meinungsbildung von Meinungskundgebungen trennen zu wollen, ist völlig absurd, da prinzipiell jedwede öffentliche Meinungskundgebung zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt.
Hier haben die Juristen mal wieder auf eine Art und Weise versucht zu argumentieren, die jedweder Logik entbehrt.
Öffentliche Diskussionen sind Teil der öffentlichen Meinungsbildung. Öffentliche Meinungskundgebungen sind eben Teil dieser Diskussion.
Ich frage mich so langsam, ob da noch „Recht“ gesprochen wird, oder ob man nur noch eine Ideologie vertritt und dafür zwingend gute und schlechte Blogs trennen können will.
Jeder Grundschüler sollte eighentlich erkennen können, dass der oben zitierte Satz keiner Logik folgt.
Comment by maSu — 24.02, 2017 @ 13:07
Es gab kürzlich auf MDR eine Diskussionssendung, in der ein Pressevertreter bedauerte, dass nun Blogger und eigentlich jeder Mensch etwas veröffentlichen kann. Damals, in den „guten“ alten Zeiten, habe man als Journalist selber entschieden, was veröffentlicht wird und was nicht. Die Moderatorin war aber ganz fix und teilte dem Knaben mit, dass die Zeiten vorbei sind, als „wir“ entschieden haben, was in die Öffentlichkeit gehört. Ein gequältes Grinsen war die Antwort des Pressevertreters.
Das spiegelt schon deutlich die Einstellung der Medien wider, die immer noch auf dem hohen Ross der Meinungsmache reiten. Wie verräterisch war doch das dumme Statement dieses Typen. Er merkte es erst, als es raus war.
„Bild“ bildet bereits lange nicht mehr. Schon über Jahrzehnte machen sich die Menschen selber ein Bild. Dieses hoffentlich mit der größtmöglichen Vielfalt, weg von den eigenen Meinungsblasen.
Ich denke tatsächlich, dass Menschen seit dem Internet niemals so gebildet und interessiert waren, wie davor. Das Pressediktat der damaligen Zeit kann einen nur noch in Staunen versetzen. Doch nun ist Bildung deutlicher denn je eine Holschuld, Eigenkompetenz, gesundes Misstrauen und Intelligenz sind gefragt.
Comment by Gerhard — 24.02, 2017 @ 15:07
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Mit freundlichen Grüßen
Manfred Hübner
Comment by Manfred Hübner — 26.02, 2017 @ 21:43