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Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

1.3.16

Warum ich das NPD-Verbotsverfahren weiterhin kritisch sehe

Heute und die nächsten beiden Tage verhandelt das Bundesverfassungsgericht über den Antrag der Bundesländer die NPD verbieten zu lassen. Warum ich ein NPD-Verbotsverfahren kritisch sehe, habe ich schon vor fast fünf Jahren gebloggt.

Meine Bedenken sind nicht geringer geworden, zumal ich den Eindruck habe, dass die NPD vielleicht schon ein Phänomen der Vergangenheit darstellt. Wir sehen heute offene rechte Tendenzen in Politik und Gesellschaft in Form der AfD, der Pegida und den Übergriffen „besorgter Bürger“ gegen Flüchtlinge, die teilweise terroristische Qualität aufweisen. Nicht so offen und auf den ersten Blick sichtbar, sind zahlreiche Netzwerke von Nazis und Rechtsradikalen, die in den letzten Jahren sicher noch mehr geworden sind und deren Vernetzung zugenommen hat. Die NPD spielt nicht mehr die Rolle wie vor zehn oder zwanzig Jahren, auch wenn bei ihr nach wie vor sicherlich einige Fäden zusammenlaufen, was sie aber vermutlich auch nach einem Verbot, dann eben im Untergrund, weiterhin tun werden.

Für die Ausbreitung aktueller rechter Tendenzen, die gerade vor dem Hintergrund der Flüchtlingsthematik wieder erkennbar werden, spielt die NPD keine tragende Rolle mehr. Wir müssen vielmehr erkennen, dass wir es – in ganz Europa – mit einer neuen Rechten zu tun haben, die sich zumindest einen anderen Anstrich gibt, während die NPD und ihre Anhänger immer noch eher wie Nazis alter Prägung daherkommen. An dieser Stelle kommt mir das Adorno zugeschriebene Zitat in den Sinn, wonach man keine Angst vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten haben müsse, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten. Das ist auch der Grund dafür, dass unsere Sorge stärker der AfD und den „besorgten Bürgern“ gelten muss als der NPD.

Die Bundesländer fechten in Karlsruhe gerade einen Kampf aus, der womöglich bereits der Vergangenheit angehört. Sie sollten sich besser auf die aktuelle Entwicklung konzentrieren, bei deren Bewältigung uns das Bundesverfassungsgericht ausnahmsweise nicht wird helfen können. Wir brauchen jetzt politische und gesellschaftliche Reaktionen und keine juristischen.

posted by Stadler at 11:27  

10 Comments

  1. Das Adorno Zitat lautet meiner Erinnerung nach: „Der Faschismus kehrt wieder in Form des Anti-Faschismus“.

    Die rechte Entwicklung ist ein Problem, aber ein genauso grosses Problem ist die schleichende „politsche Korrektheit“. Eben der Anti-Faschismus, der alles darf (jegliche Mittel heiligen den Zweck), damit die Rechte nicht stark werden.

    Das ist aber ein Problem! Mit Zensur, Anti-Zensur, Verboten, Diffamierung, Denunzation, usw. lassen sich die Probleme nicht loesen. Egal ob diese Techniken von „rechts“ oder „links“ eingesetzt werden.

    Dazu ein Lesetipp, der das alles viel besser erklaert als ich es je koennte: http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/essay/-/id=9034720/property=download/nid=659852/1grwfi9/swr2-essay-20120123.pdf

    Liebe Gruesse,

    Hans

    Comment by Hans — 1.03, 2016 @ 12:13

  2. @Hans: Nur das es in dem Text darum gar nicht geht, sondern eben um den Rechtsterrorismus. Derailing? http://www.spreeblick.com/blog/2015/08/27/derailing-in-kommentaren/

    Comment by cervo — 1.03, 2016 @ 15:57

  3. Im Vergleich zu ihrem historischen Vorläufer, der verbotenen Sozialistischen Reichspartei, die die Funktion hatte, möglichst viele Funktionsträger des NS – Staates wieder in Machtpositionen zu hieven, wirkt die heutige NPD wie ein Mops, der erst künstlich durch den Einsatz des Verfassungsschutzes scharf gemacht und auf politische Gegner losgelassen wurde.

    In der SRP wurde noch die These vertreten, Konzentrationslager seien historisch notwendig gewesen. Man wollte expressis verbis einen
    Führerstaat nach dem Vorbild des NS – Staates.

    Irritierend wirkt aktuell aber zum Beispiel die Forderung, Bargeldzahlungen über 5000 € zu verbieten. Das hatte noch nicht einmal die seinerzeit verbotene KPD verlangt.

    Wie die politische Landschaft aussehen würde, wenn man das Einbringen einer verfassungswidrigen Gesetzesvorlage in Kenntnis der Verfassungswidrigkeit als Straftatbestand werten würde, das kann man sich kaum vorstellen.

    Comment by Arne Rathjen RA — 1.03, 2016 @ 17:34

  4. Schon alleine mit (auch meinen, aber das ist hier zweitrangig) Steuergeldern Rechtsextremismus zu finanzieren finde ich übel. Daher sehe ich das anders, sollte ein Verbot im Sinne des GG und der EMRK rechtssicher gehen.

    Comment by H. — 1.03, 2016 @ 21:14

  5. Das angestrebte NPD-Verbot lenkt ab.
    Der gefährliche Faschismus ist der rechtsstatatliche, weil nicht offensichtlich. Wir sind da mitten drin.

    Comment by RolfSchaelike — 1.03, 2016 @ 23:28

  6. Stimme deiner Wahrnehmung zu. Irgendeine gesellschaftliche Einrichtung [Verfassungsschutz, Schule, Hochschule, Friedensforschung u.a.] scheint versagt zu haben. Zu dem organisierten Nationalismus gesellt sich der „bürgerliche Rassismus“ dem man vorher kaum Aufmerksamkeit geschenkt hat und bildet eine menschenverachtende Suppe die nicht ungefährlich ist. Die Vermittlung von Tolleranz und Weltoffenheit hat irgendwie nicht funktioniert….

    Comment by Christian — 2.03, 2016 @ 09:24

  7. Volle Zustimmung !

    Intelligente Mitbürger (und auch Politiker) versuchen, das rechte Gesocks auf der politischen Ebene zu bekämpfen. Andere (die hierbei erkennbar versagt haben) setzen auf ein ach so wichtiges Verbotsverfahren bezüglich einer Partei, die mehr oder weniger schon (unrühmliche) Geschichte ist – anders als deren Gedankengut, wie AfD, Pegida etc. zeigen. Aber das werden Lautsprecher vom Schlage Lorenz Caffier wohl nie verstehen. :-(

    Comment by RA JM — 2.03, 2016 @ 11:37

  8. Die Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts als Problemlösungsinstanz dürfte vor allem deswegen weit abgesunken sein, weil in der politischen Klasse eine Neigung besteht, die Entscheidungen des Gerichts nicht zu beachten. Diese manifestiert sich etwa darin, verfassungswidrige Gesetze einfach wieder neu in den Bundestag einzubringen.

    Nachdem der erste NPD-Verbotsantrag gescheitert war, hätte man sich daran machen können, die zahlreichen V-Leute abzuschalten, was das Bundesverfassungsgericht angeordnet hatte.

    Diese hatten durch ihre Tätigkeit die Begründung für den Erstantrag geliefert. Deswegen scheiterte er, weswegen er heute als peinliche Blamage bezeichnet wird.

    Die Abschaltung erfolgt allerdings erst kurz vor der Einreichung des zweiten Verbotsantrages knapp 10 Jahre später. Auch ist es so, dass eine Abschaltung durchaus nicht zu einer Beendigung der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit führen muss.

    Prekär wird das Ganze dann, wenn etwa ein
    V – Mann bei der Begehung eines Tötungsdelikts anwesend ist, und im Unterstützer – Umfeld des NSU gar 25 V-Leute des Verfassungsschutzes gesichtet werden.

    Dann sieht es in der Tat so aus, als sei die NPD in Wahrheit das Bundesamt für Auswanderungsförderung und agiere für Hintermänner, die sich einen demokratischen Anschein geben .

    Das Bild wird abgerundet durch die Verwendung ehemaliger Nazibunker als Sitz für Ministerien.

    Damit das Ganze spannend bleibt, wurde dann unter anderem IM Erika ins Spiel gebracht.

    Bekanntlich endete der NS – Staat bereits damit, dass die Armee der Sowjetunion bis zur Elbe vordrang. Vielleicht war das sein Zweck …

    Comment by Arne Rathjen RA — 2.03, 2016 @ 21:26

  9. Ich muss ehrlich sagen, dass ich in diesem Fall froh bin, die Entscheidung nicht treffen zu müssen. Denn die Argumente für und wider Verbot halten sich die Waage. Ich vermute besonders in einigen Gegenden im Osten Deutschlands würde sich ein Verbot positiv auswirken, da die gesellschaftlichen Strukturen dort anscheinend schon auf die NPD ausgerichtet sind.

    @Hans
    Ich weiß gar nicht, ob sich das lohnt, aber vielleicht nur kurz zur Klarstellung: Ihr Zitat stammt (natürlich) nicht von Adorno. Es wird in Form Ignazio Silone zugeschrieben, allerdings auch dies ohne Belege…

    Comment by MrSatchmoo — 3.03, 2016 @ 09:11

  10. Die politischen Reaktionen auf Probleme der Zeit blieben jahrelang aus oder waren völlig unbrauchbar (Eurokrise, Griechenlandkrise und Flüchtlingskrise). Gesellschaftliche Reaktionen hierauf haben wir am 13.3.16 erfahren: in freier, geheimer und gleicher Wahl. Was muss noch passieren, damit politische Dummwurstel nicht letztlich durch Zündelbuben ersetzt werden? Ich fürchte, die Dummwurstel sind zu dumm, darauf eine Antwort, die richtige Antwort, zu finden…

    Comment by Non Nomen — 13.03, 2016 @ 21:29

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