Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.6.15

Über vermeintliche Sozialdemokraten und wirkliche Freiheitsrechte

Dass der SPD-Parteikonvent für die (neuerliche) Einführung einer Vorratsdatenspeicherung votiert hat, ist keine wirkliche Überraschung. Zumal die Generalsekretärin im Vorfeld die Regierungsfähigkeit der Partei beschworen hat und zudem ein möglicher Rücktritt Gabriels in den Raum gestellt wurde, sollte sich die Partei gegen eine Vorratsdatenspeicherung aussprechen.

Jetzt kann man natürlich auch der Meinung sein, dass ein Rücktritt Gabriels das Beste ist, was der SPD passieren könnte und die Zustimmung zu einem verfassungs- und europarechtswidrigen Gesetz vermutlich nur im Merkel-Kosmos Ausdruck von Regierungsfähigkeit ist. Dennoch haben die Drohgebärden ihre Wirkung auf die Delegierten nicht verfehlt.

Mit denselben Techniken wird die Partei schließlich schon seit 100 Jahren immer wieder diszipliniert. Die SPD hat seit jeher empfindlich reagiert, wenn ihr vorgehalten wurde, sie würde nicht im Sinne der Staatsräson handeln. Damit konnte man sie immer packen. Das hat schon 1914 funktioniert, als man den SPD-Abgeordneten so die Zustimmung zu den Kriegsanleihen abgerungen hat. Ganz ähnlich funktionieren die Mechanismen auch heute noch. Praktisch alle freiheitsfeindlichen und grundrechtseinschränkenden Gesetzesvorhaben der letzten 20 Jahre wurden von der SPD wenn nicht gar initiiert, so doch zumindest mitgetragen, obwohl es häufig an der Basis rumorte. Verantwortungslose Gesetze werden und wurden unter Verweis auf die vermeintliche politische Verantwortung und Regierungsfähigkeit durchgedrückt.

Dass man Delegierte, die dieses Paradoxon nach wie vor nicht erkannt haben, nicht mit Sachargumenten überzeugen muss, war der Parteispitze von vornherein klar. Zumal dies voraussetzen würde, dass es überhaupt sachliche Argumente für eine Zustimmung zu einer Vorratsdatenspeicherung gibt, was nicht der Fall ist. Das wurde in diesem Blog bereits mehrfach erläutert und muss nicht erneut wiederholt werden.

Es war deshalb wieder einmal die Stunde der Populisten gekommen und den Wettlauf um den unsachlichsten Debattenbeitrag hat der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) mit dem nachfolgenden Tweet klar für sich entschieden:

Ich verzichte gerne auf vermeintliche Freiheitsrechte wenn wir einen Kinderschänder überführen.

Was hierzu zu sagen ist, hat Sascha Lobo bereits niedergeschrieben.

Wir werden uns in Zukunft wohl verstärkt gegen vermeintliche (Sozial-)Demokraten wehren müssen, um unsere realen Freiheitsrechte zu verteidigen. Denn ohne freiheitlich-demokratische Gesinnung, die Leuten wie Gall ganz augenscheinlich fehlt, wird es irgendwann auch keinen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat mehr geben.

posted by Stadler at 16:50  

9 Comments

  1. Gall verhindert in BaWue uebrigens die im Koalitionsvertrag festgelegte individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamten mit Verweis auf den Datenschutz, dem nicht gegebenen Generalverdacht, etc, pp.

    Comment by h s — 22.06, 2015 @ 17:29

  2. Die Geschichte vor 1933 wiederholt sich, was die SPD betrifft. Leider nicht nur SPD.

    Nichts gelernt.

    Comment by Rolf Schälike — 22.06, 2015 @ 20:14

  3. Wer hat uns verraten…Sozialdemokraten

    Comment by Christian — 23.06, 2015 @ 16:51

  4. Herr Stadler hat es richtig erkannt. Es ist die Drohung, Gabriel könnte zurücktreten. Und das wäre in der Tat eine Freude gewesen. Doch die 25%-Partei klammert sich an die Hoffnung, dass dieser Mensch mal Kanzlerkandidat der SPD werden könnte. DER! Da fragt man sich zunächst, auf welchem Planeten die SPDler leben. Gabriel ist wohl das, was nicht mal der roteste Rote als Kanzler haben möchte. 2017 gibt es die Quittung dafür. Dann sind es eben nur noch 16%.

    Comment by Tront Olsen — 23.06, 2015 @ 18:32

  5. Lol! Herr Gall ist natürlich auf dem Tiefflug unterwegs. Sein lieber Edaty als Konsument ist jedenfalls nicht per VDS erwischt worden, sondern aufgrund von stinknormalen Kundendaten bei einem offiziellen Versandhandel aus Kanada, bei dem er mit seiner Postadresse gespeichert war. Wenn Herr Gall auf seine Freiheitsrechte verzichten möchte, ist das seine Sache. Ich möchte es nicht. Und schon gibt es ein Problem, galle, äh, gelle?? Der SPD hat es schon einmal sehr geschadet, mit der CDU/CSU in die Kiste gesprungen zu sein ohne Kondom. Dieses Mal wird die Strafe noch höher ausfallen. Sie wird dort landen, wo die FDP heute ist.

    Comment by Tront Olsen — 23.06, 2015 @ 18:54

  6. Ich rechne der SPD heute noch hoch an, dass sie 1933 als einzige der noch vertretenen Parteien gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hat. Und das, obwohl die Abgeordneten davon ausgehen mussten, dass viele von ihnen diesen Mut mit ihrem Leben bezahlen mussten. Insoweit ist es beschämend und armselig, dass sich im Jahre 2015 ein Innenminister der SPD hinstellt und etwas von „angeblichen Freiheitsrechten“ faselt. Ich bin so wütend, dass die SPD ihre Ideale in den letzten Jahrzehnten für die Regierungsbeteiligung verkauft hat!

    Comment by Ernst Hagen — 24.06, 2015 @ 09:39

  7. @Ernst Hagen: Stimmt so nicht ganz. Alle Abgeordneten der KPD bwaren nicht anwesend,
    weil bereits verhaftet oder auf der Flucht.

    Die hätte ebenfalls alle dagegengestimmt.

    In Wikipedia lesen wir:

    Nach der Ausschaltung der KPD, „denen im übrigen die Mandate durch Verordnung entzogen worden sind“,] stimmte allein die SPD (94 Stimmen) im Reichstag gegen das Gesetz. 109 Abgeordnete verschiedener Fraktionen nahmen nicht an der Abstimmung teil:

    26 Abgeordnete der SPD waren inhaftiert oder geflohen, 81 Abgeordnete der KPD (die gesamte Fraktion) wurden vor der Abstimmung widerrechtlich verhaftet oder waren geflüchtet und untergetaucht, 2 weitere Abgeordnete waren erkrankt bzw. entschuldigt

    Comment by Rolf Schälike — 24.06, 2015 @ 12:36

  8. Mit „noch vertretenen Parteien“ meinte ich die „anwesenden Parteien“. Mir ist bewusst, dass die Abgeordneten der KPD an der Teilnahme gehindert wurden. Danke für die diesbezügliche Klarstellung.

    Comment by Ernst Hagen — 24.06, 2015 @ 13:31

  9. @Scheintote
    Hier geht es um die Gegenwart und Zukunft.

    Comment by Tront Olsen — 25.06, 2015 @ 21:18

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